BayLfSt: § 2b UStG; Zweifelsfragen zum hoheitlichen Hilfsgeschäft bzw. vergleichbaren Geschäften
Bayerisches Landesamts für Steuern 10.11.2020, S 7107.1.1-14/8 St33; SIS 20 17 43
1. Allgemeines
In Rz 20 des BMF-Schreibens vom 16. Dezember 2016 = SIS 16 26 11 ist geregelt, dass Hilfsgeschäfte und vergleichbare Geschäfte, die der Betrieb des nichtunternehmerischen Bereichs bei jPöR mit sich bringt, auch dann nicht nachhaltig und somit nicht steuerbar sind, wenn sie wiederholt oder mit einer gewissen Regelmäßigkeit ausgeführt werden.
Mit Schreiben vom 9. Juli 2020, welches Eingang in Abschn. 2b. 1 Abs. 9 UStAE gefunden hat, hat das BMF seine Aussagen nochmals präzisiert und eine „Grundsatz-Ausnahme-Regelung” geschaffen.
Hoheitliche Hilfsgeschäfte, die der nichtunternehmerische Bereich einer juristischen Person des öffentlichen Rechts mit sich bringt, sind grundsätzlich nicht steuerbar. Da große Hoheitsbereiche oftmals entsprechend viele Hilfsgeschäfte tätigen, führt auch deren große Anzahl grundsätzlich nicht zu einer nachhaltigen wirtschaftlichen Betätigung und damit zur Steuerbarkeit. Dies kann jedoch ausnahmsweise der Fall sein, wenn das Auftreten der juristischen Person des öffentlichen Rechts am Markt wegen der Vielzahl ihrer Umsätze und des daraus resultierenden Handelns dem eines professionellen Händlers derart gleicht, dass eine Nichtsteuerbarkeit zu einer Wettbewerbsverzerrung führen würde.
Für das einem professionellen Händler vergleichbare Auftreten sprechen folgende Indizien:
- Planmäßige Beschaffung/Herstellung der veräußerten Gegenstände
- Werbe- und weitere Vermarktungsmaßnahmen
- Gewerbliche Motivation-Auftreten am Markt ggü. (vielen) fremden Dritten
- Eine in Abhängigkeit der Größe des Hoheitsbereichs Vielzahl an erbrachten Umsätzen-Subjektives Empfinden als Händler
2. Beschlüsse auf Bund-Länder-Ebene
Die Referatsleiterinnen und Referatsleiter Umsatzsteuer der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder haben darüber hinaus folgende Beschlüsse gefasst:
- Veräußerung von eingezogenen Gegenständen
Die Veräußerung von eingezogenen Gegenständen stellt aufgrund der Gesamtumstände keine unternehmerische Tätigkeit im Sinne des § 2 UStG dar. - Veräußerung beschlagnahmter Gegenstände (sog. Notveräußerung)
Bei der Notveräußerung von beschlagnahmten Gegenständen erfolgt - wie bei der Zwangsvollstreckung (vgl. Abschn. 1.2 Abs. 2 UStAE) - keine Lieferung durch das Bundesland. Vielmehr liegt eine unmittelbare Leistungsbeziehung zwischen dem bisherigen Eigentümer und dem Erwerber vor. - Verkauf von Altpapier aus privaten Haushaltungen
Der Verkauf von Altpapier unterliegt bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 UStG der Umsatzsteuer. - Veräußerung von Strom, der im Rahmen der Entsorgungswirtschaft erzeugt wird
Die Veräußerung unterliegt, v.a. im Hinblick auf § 2b Absatz 4 Nummer 5 UStG i.V.m. Anhang I Nr. 2 der MwStSystRL der Umsatzsteuer. - Verkauf der in Arbeitsbetrieben einer Justizvollzugsanstalt angefertigten Produkte
Lieferungen / sonstige Leistungen der Arbeitsbetriebe an Dritte sind unter den Voraussetzungen des § 2 Absatz 1 UStG als unternehmerisch zu beurteilen und unterliegen der Umsatzsteuer.
3. Ergänzende Beispiele
Ergänzend wird in den folgenden Fällen grundsätzlich nachstehende Auffassung vertreten:
Beispiel 1:
Ein Landkreis ist Sachaufwandsträger eines Gymnasiums. Das Gymnasium führt eine Sammelbestellung von Taschenrechnern, Hausaufgabenheften, Formelsammlungen etc. durch. Die Materialien werden zum Einkaufspreis an die Schüler weitergegeben. Die Einnahmen und Ausgaben werden auf den Sachkonten des Landkreises gebucht.
Lösung:
Vorliegend nimmt der Landkreis lediglich eine Verteilerfunktion wahr. Eine Unternehmereigenschaft ist nicht anzunehmen, da die Voraussetzungen von § 2 Abs. 1 UStG (Abschn. 2.3 Abs. 5 UStAE) nicht erfüllt sind.
Dies gilt insbesondere dann, wenn die Gegenstände gegen Einkaufspreis abgegeben werden, der Landkreis nur gegenüber den Schülern tätig wird und hoheitliche Gründe und Belange ein solches Tätigwerden erfordern oder zumindest förderlich sind.
Beispiel 2:
Das beim Schnitt von Straßenbegleitflächen angefallene Holz wird von der Gemeinde einmal im Frühjahr und einmal im Herbst an das örtliche Sägewerk verkauft. Aktive Vermarktungsschritte unternimmt die Gemeinde nur auf der eigenen Internetseite, durch einen Aushang im Amtsgebäude oder in ihrem „Gemeindeblatt”.
Variante: Die beim Schnitt von Straßenbegleitflächen anfallenden Äste werden von der Gemeinde gehäckselt und als „Brennmaterial” weiterverkauft.
Lösung:
Straßenbegleitflächen unterliegen im Gegensatz zu land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen keiner produktionsorientierten Nutzung. Sie sind daher dem hoheitlichen Bereich der Gemeinde zuzurechnen.
Die Verkäufe des auf Straßenbegleitflächen gewachsenen bzw. gefällten Holzes stellen ein hoheitliches Hilfsgeschäft dar und unterliegen grundsätzlich nicht der Umsatzsteuer.
Selbiges gilt auch für den Verkauf der gehäckselten Äste.
Beispiel 3:
Eine Gemeinde, ein Landkreis und der Freistaat errichten zur Verbindung ihrer Straßen einen Kreisverkehr. Hierzu schließen sie einen öffentlich-rechtlichen Vertrag. Die Beauftragung der Baufirmen, die Koordination und die Bauüberwachung übernimmt vereinbarungsgemäß die Gemeinde, Landkreis und Freistaat beteiligen sich anteilig an den Kosten (zzgl. einer Verwaltungskostenpauschale i.H.v. 10 %).
Lösung:
Die Zahlungen des Landkreises und des Freistaats unterliegen bei der Gemeinde nicht der Umsatzsteuer, da ein Wettbewerb mit privaten Dritten auf dieser Ebene nicht gegeben ist.
Beispiel 4:
Eine Stadt veräußert/ versteigert Fundsachen über die Plattform www.zoll-auktion.de bzw. im Rahmen einer Präsenzversteigerung, die durch einen Beamten/ Angestellten der Stadt vorgenommen wird. Die Bevölkerung wird über die Präsenzversteigerung nur durch einen Aushang im Amtsgebäude, einen Hinweis auf der eigenen Internetseite oder in der „Stadt-Zeitung" informiert.
Lösung
Die Veräußerung erfolgt im Rahmen eines nicht steuerbaren hoheitlichen Hilfsgeschäfts und unterliegt nicht der Umsatzsteuer.
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