BFH zur Anwendung der Kleinunternehmerregelung bei der Differenzbesteuerung unterliegenden Wiederverkäufern
Bei der Ermittlung des Gesamtumsatzes nach der Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG) ist bei einem Händler, der der Differenzbesteuerung (§ 25a UStG) unterliegt, nicht auf die Differenz zwischen dem geforderten Verkaufspreis und dem Einkaufspreis (Handelsspanne), sondern auf die Gesamteinnahmen abzustellen.
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 19 Abs. 1 und Abs. 3, § 25a Abs. 1 und Abs. 3
MwStSystRL Art. 288 Satz 1 Nr. 1, Art. 315
BFH-Urteil vom 23.10.2019, XI R 17/19 (XI R 7/16) (veröffentlicht am 6.2.2020)
Vorinstanz: FG Köln vom 13.4.2016, 9 K 667/14 = SIS 16 16 24
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) führte im Rahmen seiner Tätigkeit als Gebrauchtwagenhändler steuerbare Umsätze aus, die der Differenzbesteuerung gemäß § 25a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) unterlagen.
Die in 2009 und dem Streitjahr 2010 ausgeführten Umsätze des Klägers betrugen bei einer Ermittlung nach vereinnahmten Entgelten 27.358 € bzw. 25.115 €. Die umsatzsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage ermittelte der Kläger gemäß § 25a Abs. 3 UStG nach dem Differenzbetrag (Handelsspanne) mit 17.328 € (2009) bzw. 17.470 € (Streitjahr). Er nahm in seiner Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr vom 02.03.2011 deshalb an, dass er --wie auch zuvor-- "Kleinunternehmer" i.S. von § 19 Abs. 1 UStG sei.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) versagte dagegen die Anwendung der Kleinunternehmerregelung und setzte mit Umsatzsteuerbescheid vom 04.10.2012 Umsatzsteuer für das Streitjahr fest. Der Gesamtumsatz des Klägers habe in dem vorangegangenen Kalenderjahr 2009 gemessen an den vereinnahmten Entgelten über der Grenze von 17.500 € gelegen.
Den hiergegen gerichteten Einspruch wies das FA als unbegründet zurück (Einspruchsentscheidung vom 19.02.2014).
Das Finanzgericht (FG) Köln gab der Klage mit Urteil vom 13.04.2016 - 9 K 667/14, das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 1305 veröffentlicht ist, statt.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts und bringt im Kern vor, das FG habe Art. 288 Satz 1 Nr. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) fehlerhaft ausgelegt.
Der Senat hat mit Beschluss vom 07.02.2018 - XI R 7/16 (BFHE 261, 94, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2018, 530) das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
"Ist in Fällen der Differenzbesteuerung nach Art. 311 ff. der Richtlinie 2006/112/EG die Bestimmung des Art. 288 Satz 1 Nr. 1 der Richtlinie 2006/112/EG dahingehend auszulegen, dass für die Bemessung des danach maßgeblichen Umsatzes bei der Lieferung von Gegenständen nach Art. 314 der Richtlinie 2006/112/EG gemäß Art. 315 der Richtlinie 2006/112/EG auf die Differenz zwischen dem geforderten Verkaufspreis und dem Einkaufspreis (Handelsspanne) abzustellen ist?"
Hierauf hat der EuGH mit seinem Urteil B vom 29.07.2019 - C-388/18 (EU:C:2019:642, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2019, 1685) wie folgt geantwortet:
"Art. 288 Abs. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin gehend auszulegen, dass er einer nationalen Regelung oder einer nationalen Verwaltungspraxis entgegensteht, wonach bei der Ermittlung des Umsatzes, der für die Anwendbarkeit der Sonderregelung für Kleinunternehmen auf einen der Differenzbesteuerung bei steuerpflichtigen Wiederverkäufern unterliegenden Steuerpflichtigen zugrunde zu legen ist, gemäß Art. 315 der Richtlinie nur die erzielte Handelsspanne berücksichtigt wird. Dieser Umsatz ist auf der Grundlage aller von dem steuerpflichtigen Wiederverkäufer vereinnahmten oder zu vereinnahmenden Beträge ohne Mehrwertsteuer zu ermitteln, unabhängig von den Modalitäten, nach denen diese Beträge tatsächlich besteuert werden."
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Er verweist auf die Vorentscheidung in EFG 2016, 1305.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass bei der Ermittlung der Umsatzgrenzen nach der Kleinunternehmerregelung i.S. von § 19 UStG bei einem Händler, der --wie hier der Kläger-- der Differenzbesteuerung i.S. von § 25a UStG unterliegt, nur auf die Differenzumsätze und nicht auf die Gesamtentgelte abzustellen ist. Die Voraussetzungen für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung i.S. von § 19 Abs. 1 UStG sind nicht erfüllt.
1. Die für Umsätze i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geschuldete Umsatzsteuer wird von Unternehmern, die im Inland oder in den in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebieten ansässig sind, nicht erhoben, wenn der Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird (§ 19 Abs. 1 Satz 1 UStG).
a) Die Besteuerung der Kleinunternehmer gemäß § 19 UStG wird durch die Differenzbesteuerung nach § 25a UStG nicht ausgeschlossen. Die Regelungen über die Besteuerung der Kleinunternehmer gelten daher auch für Unternehmer, die --wie der Kläger-- als Wiederverkäufer Lieferungen i.S. des § 25a Abs. 1 UStG ausführen. Ist ein Wiederverkäufer Kleinunternehmer (§ 19 Abs. 1 Satz 1 UStG), wird die nach der Handelsspanne bemessene Steuer für die von ihm ausgeführten Lieferungen nicht erhoben (vgl. Senatsbeschluss in BFHE 261, 94, UR 2018, 530, Rz 21).
b) Nach § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG ist Umsatz i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG der nach vereinnahmten Entgelten bemessene Gesamtumsatz, gekürzt um die darin enthaltenen Umsätze von --was den Streitfall nicht betrifft-- Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens. Bei der Umsatzermittlung ist nicht auf die Bemessungsgrundlage abzustellen, sondern auf die vom Unternehmer vereinnahmten Bruttobeträge (vgl. EuGH-Urteil B, EU:C:2019:642, DStR 2019, 1685).
c) Gesamtumsatz ist nach § 19 Abs. 3 Satz 1 UStG die Summe der vom Unternehmer ausgeführten steuerbaren Umsätze i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG abzüglich der näher bestimmten --den Streitfall gleichfalls nicht betreffenden-- steuerfreien Umsätze. Danach erfüllt der Kläger, der als Unternehmer i.S. von § 2 Abs. 1 UStG im Gebrauchtwagenhandel tätig war, im Streitjahr die Voraussetzungen für die Besteuerung als Kleinunternehmer gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG nicht.
aa) Sein Gesamtumsatz i.S. von § 19 Abs. 3 Satz 1 UStG bezogen auf das dem Streitjahr vorangegangene Jahr 2009 hat die maßgebliche Umsatzgrenze von 17.500 € überschritten. Hierbei ist gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG auf die Summe der vom Kläger in diesem Jahr vereinnahmten Entgelte in unstreitiger Höhe von 27.358 € und nicht auf die Handelsspanne nach § 25a Abs. 3 UStG abzustellen, die die umsatzsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage bildet.
bb) § 19 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, § 25a Abs. 3 Satz 1 UStG sind nach unionsrechtlichen Maßgaben nicht dahingehend auszulegen, dass zur Ermittlung der betreffenden Umsatzgrößen bei einem Fall wie dem vorliegenden auf die Summe der Differenzbeträge i.S. des § 25a Abs. 3 UStG abzustellen ist, unabhängig von der Höhe der vereinnahmten Entgelte (vgl. EuGH-Urteil B, EU:C:2019:642, DStR 2019, 1685).
(1) Nach Art. 288 Abs. 1 Nr. 1 MwStSystRL setzt sich der Umsatz, der bei der Anwendung der Sonderregelung für Kleinunternehmen zugrunde zu legen ist, aus dem Betrag ohne Mehrwertsteuer der Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen zusammen, soweit diese besteuert werden.
(2) Der EuGH hat im vorliegenden Streitfall zu Art. 288 Abs. 1 Nr. 1 MwStSystRL festgestellt, dass sich der Umsatz des Steuerpflichtigen schon nach dem Wortlaut dieser Bestimmung aus dem Gesamtbetrag ohne Mehrwertsteuer der besteuerten Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen zusammensetzt, wobei sich das Wort "besteuert" aber nicht auf das Wort "Betrag", sondern auf "Lieferungen" oder "Leistungen" bezieht. Er hat entschieden, dass eine wörtliche Auslegung von Art. 288 Abs. 1 Nr. 1 MwStSystRL deshalb impliziert, dass der Gesamtbetrag der von den steuerpflichtigen Wiederverkäufern ausgeführten Lieferungen und nicht deren Handelsspanne den Umsatz darstellt, der für die Anwendbarkeit der Sonderregelung für Kleinunternehmen zugrunde zu legen ist. Diese Auslegung wird --wie der EuGH ferner festgestellt hat-- durch die Systematik, die Entstehungsgeschichte und die Zielsetzung der Mehrwertsteuerrichtlinie bestätigt.
(3) Danach ist der Umsatz, der i.S. von Art. 288 Abs. 1 Nr. 1 MwStSystRL für die Anwendbarkeit der Sonderregelung für Kleinunternehmen auf einen i.S. von Art. 315 MwStSystRL der Differenzbesteuerung bei steuerpflichtigen Wiederverkäufern unterliegenden Steuerpflichtigen zugrunde zu legen ist, auf der Grundlage aller von dem steuerpflichtigen Wiederverkäufer vereinnahmten oder zu vereinnahmenden Beträge ohne Mehrwertsteuer zu ermitteln, unabhängig von den Modalitäten, nach denen diese Beträge tatsächlich besteuert werden (vgl. EuGH-Urteil B, EU:C:2019:642, DStR 2019, 1685, Rz 36 ff.).
2. Das FG hat danach die Anwendbarkeit der Kleinunternehmerregelung zu Unrecht bejaht. Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben.
3. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen, da die Voraussetzungen für die Besteuerung des Klägers als Kleinunternehmer (§ 19 Abs. 1 Satz 1 UStG) nicht erfüllt sind. Die Höhe der für das Streitjahr festgesetzten Umsatzsteuer ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1, § 143 Abs. 1 FGO.
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