Skip to main content
  • SIS-Datenbank Steuerrecht

    Kann Ihre Steuerrechts-Datenbank,
    was unsere SIS-Datenbank kann?

    • » Online und/oder Offline mit monatlicher Update-DVD
    • » Über 130.000 Urteile und Erlasse, durchgehend mit Leitsätzen
    • » Vollelektronische Handbücher ESt/LSt, KSt, GewSt, USt, AO

    » Einen Monat kostenlos testen

BFH zur Umsatzsteuerbefreiung von Betreuungs- und Pflegeleistungen, die aus dem Persönlichen Budget bestritten werden

  1. Eine Leistung ist nicht bereits dann in die Berechnung der Sozialgrenze des § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. l des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in der im Jahr 2020 geltenden Fassung (jetzt: § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. n UStG) einzubezie­hen, wenn die Gegenleistung aus dem Persönlichen Budget (§ 29 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch) bestritten wird.
  2. Eine Leistung ist jedoch in die Berechnung der Sozialgrenze des § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. l UStG in der im Jahr 2020 geltenden Fassung (jetzt: § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. n UStG) einzubeziehen, wenn ein Budgetnehmer mit einem in der Vorschrift genannten Kostenträger als Budgetgeber eine individuelle Ziel­vereinbarung abgeschlossen hat sowie ein Gesamtplan des Budgetgebers vor­liegt, in denen jeweils der Leistungserbringer namentlich genannt wird (An­schluss an das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 19.12.2024 ‑ V R 1/22 = SIS 25 07 07, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt).

UStG a.F. § 4 Nr. 16 Buchst. l
MwStSystRL Art. 132 Abs. 1 Buchst. g
SGB IX § 29
GG Art. 3 Abs. 1 und 3

BFH-Urteil vom 30.4.2025, XI R 25/24 (veröffentlicht am 18.9.2025)

Vorinstanz: Hessisches FG vom 11.6.2024, 6 K 448/21 = SIS 24 17 68

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob Leistungen der Klägerin und Revisionsklä­gerin (Klägerin), die der jeweilige Leistungsempfänger aus seinem Persönli­chen Budget im Sinne von § 29 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) bezahlt, umsatzsteuerfrei sind.

Die Klägerin ist eine im November 2019 gegründete GmbH. Zum 01.01.2020 ist sie unternehmerisch tätig geworden, indem sie den Ge­schäftsbetrieb der A übernommen hat.

Um den Leistungsberechtigten in eigener Verantwortung ein möglichst selbst­bestimmtes Leben zu ermöglichen, werden auf Antrag der Leistungsberechtig­ten Leistungen zur Teilhabe durch die Leistungsform eines Persönlichen Bud­gets gewährt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 SGB IX), und zwar als Geldleistung, bei lau­fenden Leistungen monatlich (§ 29 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Sie sind eine Alter­native zur Erbringung von Sachleistungen.

Die von der Klägerin betreuten Menschen mit Behinderung (Budgetnehmer) stellten einen Antrag bei dem für sie zuständigen Leistungsträger (Budget­geber) auf Auszahlung eines Persönlichen Budgets. In der daraufhin vom Budgetnehmer mit dem Budgetgeber abgeschlossenen individuellen Zielver­einbarung wurde die Klägerin als Leistungserbringerin namentlich genannt und wurden unter anderem sowohl die Höhe des Persönlichen Budgets als auch die Mittelverwendung festgehalten. In diesem Zusammenhang enthielt die Ziel­vereinbarung auch die Höhe der genehmigten Stundensätze.

Nach § 121 SGB IX erstellte der Budgetgeber außerdem einen Gesamtplan zur Steuerung, Wirkungskontrolle und Dokumentation des Teilhabeprozesses, den er dem Budgetnehmer zur Verfügung stellte. Auch in den Gesamtplänen wird die Klägerin namentlich erwähnt.

Die Klägerin ist verpflichtet, dem Budgetgeber mitzuteilen, welche ihrer Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter den Budgetnehmer begleiten, und übermittelt ent­sprechende Ausbildungsnachweise.

Bis einschließlich 2019 wurde das Persönliche Budget der von A unterstützten Budgetnehmer direkt auf ein Konto der A überwiesen. Der Beklagte und Revi­sionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) sah deshalb nach Durchführung einer Außen­prüfung die Leistungen der A als umsatzsteuerfrei an.

Seit dem Jahr 2020 (Streitjahr) wird das Persönliche Budget an die Budget­nehmer ausgezahlt, die die ihnen als Persönliches Budget vom Budgetgeber überwiesenen Geldmittel im Rahmen der getroffenen Zielvereinbarung frei verwenden. Am Ende jedes Bewilligungszeitraums sind vom Budgetnehmer die betreffenden Rechnungen vorzulegen, um dem Kostenträger die Prüfung zu ermöglichen, ob das Persönliche Budget in voller Höhe ausgeschöpft wurde oder ob ein Teil zu­rückerstattet werden muss.

Die Klägerin ging davon aus, dass ihre Leistungen im Streitjahr, wie zuvor die Leistungen der A, ebenfalls nach § 4 Nr. 16 Buchst. l des Umsatzsteuergeset­zes (UStG) in der für das Streitjahr geltenden Fassung (a.F.) umsatzsteuerfrei seien und wies in ihren Rechnungen an die Budgetnehmer unter Verweisung auf diese Steuerbefreiung keine Umsatzsteuer offen aus.

Nachdem die Klägerin dem FA im Juli 2020 mitgeteilt hatte, dass sie von der Steuerfreiheit der von ihr erbrachten Leistungen ausgehe, forderte das FA (nach Einschaltung der Oberfinanzdirektion) sie auf, eine Umsatzsteuererklä­rung für das Streitjahr einzureichen. In der Erklärung vom 08.03.2021 erklärte die Klägerin ihre Umsätze als steuerbar und steuerpflichtig (teilweise zum all­gemeinen Steuersatz von 19 % und teilweise zum allgemeinen Steuersatz von 16 %). Dabei rechnete sie die Umsatzsteuer aus den vereinnahmten Beträgen heraus. Außerdem zog sie Vorsteuer in zwischen den Beteiligten unstreitiger Höhe ab. Anschließend erhob sie Sprungklage, der das FA zustimmte.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2025, 56 veröffentlicht.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Im We­sentlichen trägt sie vor, dass sie unstreitig eng mit der Betreuung und Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen verbundene Leistun­gen erbringe. Leistungen, die aus dem Persönlichen Budget bestritten werden, seien in die sog. Sozialquote des § 4 Nr. 16 Buchst. l UStG a.F. (nunmehr § 4 Nr. 16 Buchst. n UStG) mit einzubeziehen. Die Budgetnehmer seien einkom­mens- und vermögenslos und verfügten daher über keine anderen Mittel als das Persönliche Budget. Die Mittel würden zweckgebunden gewährt und bei zweckwidriger Verwendung zurückgefordert. Überschüsse seien zurückzuzah­len. Eine andere Auslegung sei verfassungswidrig (Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes ‑‑GG‑‑), da die Klägerin schlechter gestellt werde als zum Beispiel Pflegedienste, deren Leistungen nicht aus dem Persönlichen Budget bestritten werden. Das Persönliche Budget sei eine vom Gesetzgeber gewollte Alternative zu Sachleistungen. Die Leistungen seien daher umsatzsteuerrecht­lich gleich zu behandeln, um zu vermeiden, dass Menschen mit Behinderungen faktisch dazu gezwungen werden, Sachleistungen in Anspruch zu nehmen. Au­ßerdem dienten die Leistungen der Klägerin dem Gemeinwohl. Eine Umsatz­steuerpflicht sei nicht mit § 29 SGB IX in Einklang zu bringen. Die Bemessung des Persönlichen Budgets erfolge nach dem festgestellten Bedarf (§ 29 Abs. 2 Satz 6 SGB IX). Das Persönliche Budget solle nicht die Kosten aller bisher indi­viduell festgestellten Leistungen überschreiten (§ 29 Abs. 2 Satz 7 SGB IX). Würde man Leistungen, die aus dem Persönlichen Budget finanziert werden, höher besteuern als Sachleistungen, könne diese Vorgabe nicht erfüllt werden. Es komme zu einer Mehrbelastung für die Pflegekassen (und gegebenenfalls zu einer Freiheitsbeschränkung der Klienten).

Außerdem verstoße die Auslegung des FG gegen Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Selbst wenn die Sozialquote unions­rechtskonform sei, was bezweifelt werde, verstoße die Ausklammerung von Leistungen, die aus dem Persönlichen Budget finanziert werden, gegen Uni­onsrecht.

Darüber hinaus seien nach Art. 4 des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention ‑‑UN‑BRK‑‑) vom 13.12.2006, das die Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) am 24.02.2009 ratifiziert habe, die Vertragsstaaten verpflichtet, die volle Verwirk­lichung aller Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle Menschen mit Be­hinderungen ohne jede Diskriminierung aufgrund von Behinderung zu gewähr­leisten und zu fördern. Danach seien unter anderem alle geeigneten Maßnah­men, einschließlich gesetzgeberischer Maßnahmen zur Änderung oder Aufhe­bung bestehender Gesetze, Verordnungen, Gepflogenheiten und Praktiken zu treffen, die eine Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen darstellten, und alle geeigneten Maßnahmen zur Beseitigung der Diskriminierung aufgrund von Behinderung durch Personen, Organisationen oder private Unternehmen zu ergreifen.

Überdies weiche die Vorentscheidung von der Rechtsprechung des Bundesfi­nanzhofs (BFH) ab. Danach reiche im Falle der mittelbaren Kostentragung eine explizite Entscheidung der Pflegekasse oder die Möglichkeit zum Abschluss ei­nes Vertrages mit dem Kostenträger für eine Anerkennung aus. Wenn dem Kostenträger der leistende Unternehmer bekannt sei und er in Kenntnis des­sen das Persönliche Budget bewillige, sei der dem Kostenträger bekannte leis­tende Unternehmer vom betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtung mit sozia­lem Charakter anerkannt. Die Voraussetzungen einer anzukennenden mittel­baren Kostentragung lägen vor. Die Klägerin sei dem Kostenträger als Leis­tungserbringerin bekannt, wenn er über das Persönliche Budget entscheide.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und den Umsatzsteuer­bescheid für das Jahr 2020 vom 08.03.2021 dahin gehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer auf 0,00 € herabgesetzt wird,
hilfsweise das Verfahren auszusetzen und den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um Vorabentscheidung zu ersuchen,
weiter hilfsweise das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bun­desverfassungsgerichts gemäß Art. 100 Abs. 1 GG einzuholen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Es verteidigt unter Hinweis auf Abschn. 4.16.3. Abs. 2 Satz 1 des Umsatzsteu­er-Anwendungserlasses die angefochtene Vorentscheidung.

II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Die Umsätze der Klägerin sind, was das FG bei seiner Urteilsfindung noch nicht berücksichtigen konnte, aufgrund der späteren Rechtsprechung des BFH steuerfrei.

1. Nach § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. l UStG a.F. sind steuerfrei die mit dem Be­trieb von Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder see­lisch hilfsbedürftiger Personen eng verbundenen Leistungen, die von Einrich­tungen erbracht werden, bei denen im vorangegangenen Kalenderjahr die Be­treuungs- oder Pflegekosten in mindestens 25 % der Fälle von den gesetzli­chen Trägern der Sozialversicherung, den Trägern der Sozialhilfe, den Trägern der Eingliederungsbeihilfe nach § 94 SGB IX oder der für die Durchführung der Kriegsopferversorgung zuständigen Versorgungsverwaltung einschließlich der Träger der Kriegsopferfürsorge ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet worden sind.

a) Unionsrechtlich beruhte diese Vorschrift auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL (vormals Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG). Danach befreien die Mitgliedstaaten "eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt wer­den". Die Bestimmung legt allerdings Voraussetzungen und Modalitäten der Anerkennung als soziale Einrichtung nicht fest. Vielmehr ist es Sache des in­nerstaatlichen Rechts jedes Mitgliedstaats, die Regeln aufzustellen, nach de­nen Einrichtungen die erforderliche Anerkennung gewährt werden kann (vgl. BFH-Urteile vom 28.06.2017 ‑ XI R 23/14, BFHE 258, 517, Rz 39; vom 13.06.2018 ‑ XI R 20/16, BFHE 262, 220, BStBl II 2023, 786, Rz 49). Die Mit­gliedstaaten verfügen insoweit über ein Ermessen (vgl. EuGH-Urteile Kügler vom 10.09.2002 ‑ C‑141/00, EU:C:2002:473, Rz 54; Kingscrest Associates und Montecello vom 26.05.2005 ‑ C‑498/03, EU:C:2005:322, Rz 51; Kin­deropvang Enschede vom 09.02.2006 ‑ C‑415/04, EU:C:2006:95, Rz 23; Zimmermann vom 15.11.2012 ‑ C‑174/11, EU:C:2012:716, Rz 26).

b) § 4 Nr. 16 Buchst. l UStG a.F. hält sich im Rahmen dieses Ermessens, wenn er die Steuerbefreiung davon abhängig macht, dass bei der betreffenden Ein­richtung die Betreuungskosten in mindestens 25 % der Fälle von den gesetzli­chen Trägern der Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet wor­den sind (vgl. BFH-Urteil vom 13.06.2018 ‑ XI R 20/16, BFHE 262, 220, BStBl II 2023, 786, Rz 48; EuGH-Urteile L.u.P. vom 08.06.2006 ‑ C‑106/05, EU:C:2006:380, Rz 53 f. zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG; Zimmermann vom 15.11.2012 ‑ C‑174/11, EU:C:2012:716, Rz 36 und 37 zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG). Der nationale Gesetzgeber hatte lediglich die Grenzen des ihm zustehenden Ermessens insoweit nicht beachtet, als er bezüglich der Einhaltung der Min­destvergütungsquote früher auf das vorangegangene Kalenderjahr abgestellt hat (vgl. BFH-Urteile vom 19.03.2013 ‑ XI R 47/07, BFHE 240, 439, BStBl II 2023, 765, Rz 36 ff.; vom 28.06.2017 ‑ XI R 23/14, BFHE 258, 517, Rz 42, jeweils zu § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. e UStG a.F.; EuGH-Urteil Zimmermann vom 15.11.2012 ‑ C‑174/11, EU:C:2012:716, Rz 40 und 41).

2. Ausgehend davon hat das FG zu Recht angenommen, dass keine unmittel­bare Anerkennung der Klägerin vorliegt.

a) Die Klägerin erhielt ihre Zahlungen nicht in mindestens 25 % der Fälle un­mittelbar von den in § 4 Nr. 16 Buchst. l UStG a.F. genannten ge­setzlichen Trägern der Sozialversicherung, den Trägern der Sozialhilfe, den Trägern der Eingliederungsbeihilfe nach § 94 SGB IX oder der für die Durch­führung der Kriegsopferversorgung zuständigen Versorgungsverwaltung ein­schließlich der Träger der Kriegsopferfürsorge, sondern von den Leistungsemp­fängern. Der Umstand, dass diese die Zahlungen aus dem Persönlichen Budget bestritten haben, das die Budgetnehmer zuvor von den in § 4 Nr. 16 Buchst. l UStG a.F. genannten Personen als Geldleistung erhalten hatten, ist als solcher nicht geeignet, zu einer anderen Beurteilung zu führen, da in der Zahlung durch die Budgetnehmer als solche keine Anerkennung durch den betreffenden Mitgliedstaat liegt, wenn sich der Budgetnehmer für eine bestimmte Leistung den leistenden Unternehmer selbst aussuchen kann.

b) Der Vortrag der Klägerin, ihre Leistungen dienten dem Allgemeinwohl, führt zu keiner anderen Beurteilung, da nicht alle dem Gemeinwohl dienenden Tä­tigkeiten, sondern nur diejenigen, die in Art. 132 MwStSystRL einzeln aufge­führt und genau beschrieben sind, steuerfrei sind (vgl. EuGH-Urteile Brockenhurst College vom 04.05.2017 ‑ C‑699/15, EU:C:2017:344, Rz 22; Dubrovin & Tröger ‑ Aquatics vom 21.10.2021 ‑ C‑373/19, EU:C:2021:873, Rz 20, 31 f.).

c) Außerdem sind, anders als die Klägerin möglicherweise meint, nur die Um­sätze von anerkannten und nicht auch die von nicht anerkannten Einrichtun­gen befreit (vgl. EuGH-Urteil Happy Education vom 28.04.2022 ‑ C‑612/20, EU:C:2022:314, Rz 30 ff.; BFH-Urteil vom 24.02.2021 ‑ XI R 30/20 (XI R 11/17), BFHE 272, 259, BStBl II 2023, 792, Rz 35), wenn der betreffen­de Mitgliedstaat das ihm eingeräumte Ermessen ‑‑wie bei § 4 Nr. 16 Buchst. l UStG a.F.‑‑ eingehalten hat.

aa) Ist die Klägerin (durch Einhaltung der Sozialgrenze oder aus anderen in § 4 Nr. 16 UStG a.F. genannten Gründen) als andere Einrichtung mit ver­gleichbarer Zielsetzung vom Mitgliedstaat Deutschland anerkannt, sind ihre Umsätze steuerfrei. Ist sie nicht als andere Einrichtung mit vergleichbarer Ziel­setzung anerkannt, sind ihre Umsätze steuerpflichtig. Sonst würden die in Art. 132 Abs. 1 MwStSystRL enthaltenen personellen Voraussetzungen der ein­zelnen Steuerbefreiungen durch die Rechtsprechung beseitigt (vgl. BFH-Urteil vom 07.12.2016 ‑ XI R 5/15, BFHE 256, 550, BStBl II 2023, 781, Rz 30).

bb) Einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL oder die UN‑BRK vermag der Senat in dieser Unterscheidung nicht zu erkennen. Anknüpfungspunkt der umsatzsteuerrechtlichen Ungleich­behandlung durch persönliche Voraussetzungen einer Steuerbefreiung ist nicht die vergleichbare Leistung (hier: Geldleistung oder Sachleistung) oder der Leistungsempfänger (hier: behinderter Mensch), der nicht diskriminiert werden darf, sondern der Leistende (und seine bestehende oder fehlende Anerken­nung). Durch die Festlegung der Mehrwertsteuerbefreiungen anhand von per­sönlichen Merkmalen in Art. 132 Abs. 1 Buchst. b, g, h, i, l, m und n MwStSystRL impliziert das gemeinsame Mehrwertsteuersystem unterschiedli­che Wettbewerbsbedingungen für die verschiedenen Wirtschaftsteilnehmer (vgl. EuGH-Urteil Bridport and West Dorset Golf Club vom 19.12.2013 ‑ C‑495/12, EU:C:2013:861, Rz 36; BFH-Urteile vom 26.11.2014 ‑ XI R 25/13, BFH/NV 2015, 531, Rz 49; vom 28.06.2017 ‑ XI R 23/14, BFHE 258, 517, Rz 63; BFH-Beschluss vom 21.09.2016 ‑ XI R 2/15, BFH/NV 2017, 168, Rz 8), so dass in der Anerkennung beziehungsweise Nichtanerkennung (unionsrecht­lich und verfassungsrechtlich) der eine umsatzsteuerrechtliche Ungleichbe­handlung rechtfertigende Grund liegt. Die Leistungserbringung durch eine an­erkannte und eine nicht anerkannte Einrichtung sind keine vergleichbaren Sachverhalte und müssen daher nicht umsatzsteuerrechtlich gleich behandelt werden (vgl. auch BFH-Beschluss vom 27.08.2014 ‑ XI B 33/14, BFH/NV 2015, 66 zu Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin durch einen Tierarzt).

3. Allerdings kann auch bei der Erbringung von Leistungen, die aus dem Per­sönlichen Budget vom Budgetnehmer bezahlt werden, eine mittelbare Aner­kennung durch eine explizite Entscheidung des das Budget gewährenden Trä­gers vorliegen. Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben.

a) Der V. Senat des BFH hat zu der Frage, ob Leistungen, die aus dem Persön­lichen Budget bestritten werden, mit Urteil vom 19.12.2024 ‑ V R 1/22 (zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 18 bis 29) unter Anschluss an die Rechtsprechung des Senats (BFH-Urteil vom 24.02.2021 ‑ XI R 30/20 (XI R 11/17), BFHE 272, 259, BStBl II 2023, 792, Rz 39; EuGH-Urteil Finanz­amt D vom 08.10.2020 ‑ C‑657/19, EU:C:2020:811, Rz 51) entschieden, dass nach § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. k bzw. l UStG a.F. Leistungen steuerfrei sind, die "vergütet worden sind", was nur voraussetzt, dass der zuständige Träger die erbrachten Leistungen kennt und die Kosten hierfür ‑‑wenn auch nur mit­telbar‑‑ tragen will. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn die Kostenübernah­me ‑‑auch in Bezug auf die Person des Leistungserbringers‑‑ auf einer explizi­ten Entscheidung des Kostenträgers beruht. Auch in der Bereitschaft zur Ver­gütung einer Leistung einer dem Sozialversicherungsträger bekannten Person liegt daher eine Anerkennung als vergleichbare Einrichtung mit sozialem Cha­rakter.

b) Daher sind ‑‑entgegen der Auffassung des FG‑‑ auch aus dem Persönlichen Budget (§ 17 Abs. 1 Satz 1 SGB IX a.F., nunmehr § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB IX n.F.) bestrittene Leistungen für die Bemessung der Mindestvergütungsquote des § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. k, l, m oder n UStG a.F. zu berücksichtigen, wenn eine explizite Entscheidung auch in Bezug auf die Person des Leistungs­erbringers durch einen in dieser Vorschrift genannten Träger (z.B. gesetzlicher Träger der Sozialversicherung, Träger der Sozialhilfe, Träger der Eingliede­rungsbeihilfe nach § 94 SGB IX) vorliegt. Der Senat verweist im Übrigen zur Vermeidung von Wiederholungen auf das BFH-Urteil vom 19.12.2024 ‑ V R 1/22 (zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt).

c) Soweit das FA in der mündlichen Verhandlung vorgebracht hat, auch im Fal­le des § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. l UStG a.F. müsse eine über die explizite Ent­scheidung des zuständigen Trägers hinausgehende sozialrechtliche Anerken­nung vorliegen, trifft dies nach den oben genannten Ausführungen nicht zu.

4. Die Sache ist spruchreif im Sinne der Stattgabe der Klage.

a) Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG liegt im Streitfall bei den von der Klägerin betreuten Budgetnehmern jeweils eine vom Budgetnehmer mit dem Budgetgeber geschlossenen individuelle Zielvereinbarung vor, in der die Klägerin als Leistungserbringerin namentlich genannt wird. Außerdem wird nach den tatsächlichen Feststellungen des FG in einem Gesamtplan des Budgetgebers nach § 121 SGB IX die Klägerin namentlich erwähnt. Es liegt daher hinsichtlich aller Budgetnehmer, denen ein Persönliches Budget unter Einschaltung der Klägerin gewährt wurde, eine explizite Entscheidung des zu­ständigen Trägers im Sinne des § 4 Nr. 16 Buchst. l UStG a.F. vor. Die Sozial­grenze ist damit überschritten und die an die Budgetnehmer ausgeführten Umsätze der Klägerin sind steuerfrei.

b) Gleichzeitig ist, was die Klägerin selbst begehrt, der vom FA gewährte Vor­steuerabzug wegen § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG rückgängig zu machen.

c) Dass die Klägerin weitere, nicht steuerfreie Umsätze ausgeführt hätte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, so dass sich die Frage der Anwen­dung der Kleinunternehmerregelung (vgl. dazu BFH-Urteil vom 19.12.2024 ‑ V R 1/22, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, unter II.5.b) im Streitfall nicht stellt. Die Umsatzsteuer ist daher auf 0 € festzusetzen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

  • Bedienkomfort
  • Handbuecher
  • Google für Steuerprofis
  • Kanzleialltag
  • SIS & Agenda
  • So übersichtlich kann eine Datenbank sein.

    » MEHR

  • Jetzt das Geld für teuere Handbücher sparen!

    In der SIS-Datenbank sind sie bereits drin!

    » MEHR

  • Kennen Sie das "Google" für Steuerprofis?

    » MEHR

  • Alles, was den Kanzleialltag leichter macht.

    » MEHR

  • Zusatz-Vorteile mit Agenda-Software

    » MEHR