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BFH zur schuldbefreienden Drittschuldnerzahlung im Insolvenzeröffnungsverfahren

Zahlt der Drittschuldner im Insolvenzeröffnungsverfahren gemäß § 24 Abs. 1 i.V.m. § 82 der Insolvenzordnung (InsO) schuldbefreiend auf ein Konto des späteren Insolvenzschuldners, vereinnahmt dieser das Entgelt für die von ihm umsatzsteuerpflichtig erbrachte Leistung abschließend, so dass keine Masse­verbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 4 InsO vorliegt.

InsO § 55 Abs. 4, § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2, § 24 Abs. 1, § 82 Satz 1
UStG § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, § 10 Abs. 1

BFH-Urteil vom 29.8.2024, V R 17/23 (veröffentlicht am 12.12.2024)

Vorinstanz: Hessisches FG vom 13.12.2022, 6 K 1062/20 = SIS 24 04 28

I. Das Insolvenzgericht bestellte Mitte Juni 2016 den Kläger und Revisionsbe­klagten (Kläger) zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen des A (Insolvenzschuldner), der als natürliche Person eine gewerbliche Tätigkeit selbständig ausübte. Verfügungen des Insolvenzschuldners waren nur mit Zu­stimmung des Klägers wirksam. Der Kläger wurde ermächtigt, Forderungen des Insolvenzschuldners auf ein Treuhandkonto einzuziehen. Zudem sollte der Kläger das Unternehmen des Insolvenzschuldners bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortführen, soweit nicht das Insolvenz­gericht einer Stilllegung zustimmte, um eine erhebliche Verminderung des Vermögens zu vermeiden.

Der Insolvenzschuldner verfügte über ein Girokonto bei der B‑Bank. Auf die­sem Konto wurden am 22.06.2016 eine Überweisung in Höhe von 446,25 € sowie am 28.06.2016 weitere Überweisungen in Höhe von 357,00 €, 4.373,25 € sowie 238,00 € gutgeschrieben. Auftraggeberin der Überweisungs­gutschriften war jeweils die C‑GmbH als Drittschuldnerin, die im Verwen­dungszweck Rechnungen benannte, die der Insolvenzschuldner für seine Leis­tungen an die C‑GmbH gestellt hatte. Ebenfalls am 28.06.2016 hob der Insol­venzschuldner von seinem Konto bei der B‑Bank einen Betrag in Höhe von 1.000 € in bar ab und es wurde Lohn zugunsten eines Arbeitnehmers des In­solvenzschuldners überwiesen.

Den Beschluss über die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung über­mittelte der Kläger der B‑Bank per Telefax am 28.06.2016 um 08:53 Uhr. Des Weiteren setzte er am selben Tag die C‑GmbH per Telefax um 13:32 Uhr dar­über in Kenntnis, dass er, der Kläger, zum vorläufigen Insolvenzverwalter be­stellt worden sei und mit schuldbefreiender Wirkung nur noch an ihn gezahlt werden könne.

In seinem Insolvenzgutachten führte der Kläger aus, der Insolvenzschuldner habe zwischen dem 26.06.2016 und 29.06.2016 telefonisch mitgeteilt, dass auf dem Konto bei der B‑Bank eine Zahlung eines Auftraggebers von 3.000 € eingehen werde. Am 30.06.2016 gestattete der Kläger dem Insolvenzschuld­ner die Entnahme von 1.900 € vom Konto bei der B‑Bank zur Unterhaltssiche­rung, wobei der Kläger die am 28.06.2016 erfolgte Barabhebung durch den In­solvenzschuldner in Höhe von 1.000 € nicht kannte. Die gestattete Entnahme erfolgte nicht.

Anfang Juli 2016 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Das zu diesem Zeitpunkt auf dem Konto der B‑Bank noch vorhandene Guthaben zog der Kläger bis auf einen Betrag in Hö­he von 900 €, der der Unterhaltssicherung des Insolvenzschuldners dienen sollte, zur Insolvenzmasse ein.

Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt ‑‑FA‑‑) erließ gegenüber dem Kläger zunächst einen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für den Voran­meldungszeitraum Juni 2016. In die Bemessungsgrundlage der steuerpflichti­gen Umsätze zum allgemeinen Steuersatz, die das FA als Masseverbindlichkei­ten ansah, bezog es auch zwei der Gutschriften vom 28.06.2016 ein. Während des hiergegen gerichteten Einspruchsverfahrens erließ das FA für das Jahr 2016 (Streitjahr) ‑‑abweichend von der eingereichten Umsatzsteuerjahreser­klärung des Klägers‑‑ einen Umsatzsteuerjahresbescheid für das Streitjahr, wobei es als steuerpflichtige Umsätze zum allgemeinen Steuersatz, die es wie­derum als Masseverbindlichkeiten ansah, nunmehr sämtliche vorgenannten Gutschriften vom 22.06.2016 und 28.06.2016 berücksichtigte. Der Einspruch blieb erfolglos.

Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2020, 396 veröffentlichten Urteil der Klage statt. Masse­verbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 4 der Insolvenzordnung in der im Streitjahr geltenden Fassung (InsO) lägen nicht vor. Die rechtlichen Befugnisse des Klä­gers reichten nicht aus, den Forderungseinzug durch den Insolvenzschuldner zu verhindern, da das Insolvenzgericht den Drittschuldnern nicht verboten ha­be, an den Insolvenzschuldner zu zahlen.

Auf die Revision des FA hob der Senat mit Urteil vom 28.05.2020 ‑ V R 2/20 (BFHE 268, 519) das Urteil des FG auf und verwies den Rechtsstreit an das FG zurück. Im Insolvenzeröffnungsverfahren sei für beide Fälle des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO zu beachten, dass Drittschuldner aus Leistungen an den In­solvenzschuldner gemäß § 24 Abs. 1 i.V.m. § 82 InsO befreit würden, wenn sie zur Zeit der Leistung die Eröffnung des Verfahrens nicht kannten. Habe der Drittschuldner mangels Schuldbefreiung nochmals an den Verwalter im Eröff­nungsverfahren oder im eröffneten Verfahren zu zahlen, entstehe eine Masse­verbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 oder Abs. 1 InsO. Im zweiten Rechtsgang sei­en danach weitere Feststellungen dazu zu treffen, ob die Zahlungsvorgänge im Juni 2016 gegenüber der späteren Insolvenzmasse mit schuldbefreiender Wir­kung erfolgten und ob, falls dies zu verneinen sein sollte, der Insolvenzverwal­ter mangels derartiger Wirkung eine zweite Zahlung in die Masse verlangen konnte und verwirklicht hat.

Das FG gab der Klage auch im zweiten Rechtsgang ‑‑mit dem in EFG 2024, 1155 veröffentlichten Urteil‑‑ statt. Es lägen keine Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO vor, da der Kläger kein Entgelt vereinnahmt habe. Im Streitfall habe der Drittschuldner im Hinblick auf die hier in Rede stehenden Gutschriften bereits mit schuldbefreiender Wirkung geleistet, da er die Verfü­gungsbeschränkungen des Insolvenzschuldners zu der Zeit seiner Leistung nicht gekannt habe.

Hiergegen wendet sich das FA mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das FG habe für die Entscheidung, ob der Kläger das Ent­gelt vereinnahmt habe, rechtsfehlerhaft ausschließlich auf die subjektive Kenntnis des Drittschuldners von der Verfügungsbeschränkung des Insolvenz­schuldners abgestellt. Hingegen sei dem Kläger die Vereinnahmung zuzurech­nen, da er Verfügungsgewalt an den Entgeltbeträgen erlangt habe. Der Insol­venzschuldner habe ohne Zustimmung des Klägers das Entgelt nicht verein­nahmen können, da er ohne diese Zustimmung über die auf seinem Bankkonto eingegangenen Beträge wirtschaftlich nicht endgültig habe verfügen können. Vergleichbar mit der Situation bei § 13c des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStG) habe der Kläger die Rechtsmacht, eine Verfügung des Insolvenzschuldners über den Überweisungsbetrag zu verhin­dern. Da es sich bei dem Guthaben auf dem Insolvenzschuldnerkonto um ei­nen Gegenstand der späteren Insolvenzmasse handele, sei der Insolvenz­schuldner nicht befugt, über das Entgelt frei zu verfügen. Auch § 82 InsO er­öffne dem Insolvenzschuldner nicht die Möglichkeit, über die Entgeltforderung zu verfügen, und werde der Kläger bei rechtswidriger Verfügung des Insolvenz­schuldners zur Geltendmachung des weiterhin massezugehörigen Anspruchs an den Insolvenzschuldner oder an den durch die rechtswidrige Verfügung Be­günstigten verwiesen. Vielmehr bestehe die Möglichkeit, dass der vorläufige Insolvenzverwalter trotz einer schuldbefreienden Drittschuldnerzahlung auf das Insolvenzschuldnerkonto das Entgelt vereinnahmen könne. § 82 InsO füh­re nicht dazu, dass der Insolvenzschuldner das Entgelt rechtswirksam ohne Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters vereinnahme, da § 82 InsO nicht zu einer zivilrechtlich wirksamen Entgegennahme der Leistung durch den Insolvenzschuldner führe und diesem auch keine Empfangszuständigkeit ein­räume. Der Drittschuldner werde nur gegenüber der Masse frei. Die Empfangs­zuständigkeit gehe auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über, so dass Ent­geltforderungen im Rahmen der Masseverwaltung und Masseverwertung zu vereinnahmen seien. Da die ursprüngliche massezugehörige Forderung im Verhältnis zwischen Masse und Insolvenzschuldner nicht fortzubestehen brau­che, um Verfügungsgewalt an dem Entgelt zu erlangen, führe § 82 InsO auch nicht quasi als Automatismus zu einer Entgeltvereinnahmung durch den Insol­venzschuldner ohne Zustimmung des Insolvenzverwalters. Selbst wenn anzu­nehmen wäre, der Insolvenzschuldner habe erstmalig wirksam das Entgelt vereinnahmt, schließe dies eine Masseverbindlichkeit nicht aus, da die (auch nachfolgende) Vereinnahmung durch den Insolvenzverwalter maßgeblich und nicht allein auf die Vereinnahmung durch den Insolvenzschuldner abzustellen sei. Eine Entgeltvereinnahmung durch den (vorläufigen) Insolvenzverwalter liege aber bereits auch dann vor, wenn der Drittschuldner auf ein Konto des Insolvenzschuldners zahle, der vorläufige Insolvenzverwalter Zugriff auf das Konto habe und von diesem Konto Auszahlung auf sein Insolvenzverwalterson­derkonto verlangen könne. Für die Maßgeblichkeit der Entgeltvereinnahmung durch den (vorläufigen) Insolvenzverwalter spreche auch, dass über die insol­venzrechtliche Einordnung erst bei der Jahressteuerberechnung zu entschei­den sei. Jedenfalls habe der Kläger die Entgeltforderungen in Höhe des Konto­guthabens vereinnahmt, das zum Zeitpunkt der Kontosperrung durch die B‑Bank auf dem Konto bestand, da er zu diesem Zeitpunkt Auszahlung auf sein Insolvenzverwaltersonderkonto habe verlangen können. Weiter habe der Kläger die Teilbeträge des Entgelts vereinnahmt, über die der Insolvenzschuld­ner unmittelbar vor der Kontosperrung durch Barabhebung oder Überweisung der Lohnforderung an einen Arbeitnehmer des Insolvenzschuldners verfügt ha­be, da der Kläger diese Verfügungen nachträglich genehmigt habe. Der Kläger habe dem Insolvenzschuldner eine Entnahme von 1.900 € zur Unterhaltssiche­rung ausdrücklich gestattet. Zudem habe der Kläger den Unterhaltsanspruch des Insolvenzschuldners in Höhe der Barabhebung in Höhe von 1.000 € als er­füllt angesehen, da er nach der Insolvenzeröffnung das Guthaben auf dem Konto bis auf einen Betrag von 900 € eingezogen habe. Auch die Lohnzahlung habe der Kläger genehmigt, da er den Anspruch des Arbeitnehmers als erfüllt angesehen und für diesen kein Insolvenzgeld beantragt habe.

Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Der Kläger stützt die Auffassung des FG. Die Umsatzsteuertatbestände seien außerhalb seiner, des Klägers, rechtlichen Befugnissphäre verwirklicht. Da der Insolvenzschuldner sein Konto bei der B‑Bank verschwiegen habe, könnten Masseverbindlichkeiten in diesem Zeitraum nicht begründet werden. Zudem habe er, der Kläger, erst den Saldo des Kontos bei der B‑Bank vereinnahmt, nicht aber die zuvor auf dem Konto bei der B‑Bank eingegangenen einzelnen Gutschriften auf sein Treuhandkonto überweisen lassen. Weiter gehörten Be­träge, die der Insolvenzschuldner für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber seinen Familienangehörigen bedürfe, nicht zur Insolvenzmasse, so dass insoweit mangels Zugriffsmöglichkeit des Klägers keine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO begründet werden könne. Insoweit sei ein Gleichlauf zwischen Ein­kommensteuer und Umsatzsteuer herzustellen. Ferner gehe durch den Saldenabschluss die Umsatzsteuerforderung des Fiskus unter. Ein vorläufiger Insolvenzverwalter erlange lediglich einen neu gestalteten Anspruch auf Über­tragung des Saldos.

II. Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Zahlt der Drittschuldner im Insolvenzer­öffnungsverfahren gemäß § 24 Abs. 1 i.V.m. § 82 InsO schuldbefreiend auf ein Konto des späteren Insolvenzschuldners, vereinnahmt dieser das Entgelt für die von ihm umsatzsteuerpflichtig erbrachte Leistung abschließend, so dass keine Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 4 InsO vorliegt, wie das FG zu Recht entschieden hat.

1. Im Streitfall entstand der Steueranspruch mit Ablauf des Voranmeldungs­zeitraums der Vereinnahmung, ohne dass es darauf ankommt, ob das FA dem Insolvenzschuldner die Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG, sogenannte Ist-Besteuerung) genehmigt hatte, wozu das FG keine Feststellungen getroffen hat.

a) Der Steueranspruch für Lieferungen und sonstige Leistungen entsteht bei der Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten (sogenannte Soll-Be­steuerung) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums der Leistungserbringung und bei der Ist-Besteuerung mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums der Ver­einnahmung, wie sich aus § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und b UStG ergibt.

b) Im Streitfall kommt es nicht darauf an, welche Art der Steuerberechnung anzuwenden war. Unterlag der Unternehmer (hier: der Insolvenzschuldner) der Ist-Besteuerung, entstand der Steueranspruch mit Ablauf des Voranmel­dungszeitraums der Vereinnahmung. War die Soll-Besteuerung anzuwenden, gilt gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG dasselbe. Denn die ‑‑im Streitfall er­folgte‑‑ Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Zu­stimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 InsO) und mit Recht zum Forderungseinzug (§ 22 Abs. 2, § 23 InsO) führt zu einer Uneinbringlichkeit gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG, die bei anschließender Entrichtung des Entgelts nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG erneut zu berichtigen ist (Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 24.09.2014 ‑ V R 48/13, BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506, Rz 24, 25 und 32).

2. Bei dem entweder gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG oder gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG aufgrund eines Berichtigungserfordernisses ent­standenen Steueranspruch kann es sich grundsätzlich um eine Masseverbind­lichkeit handeln.

a) Nach § 55 Abs. 4 InsO gelten Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Insolvenzschuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzver­walters begründet worden sind, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit.

b) Verbindlichkeiten werden vom vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom In­solvenzschuldner mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters nur im Rahmen der für den vorläufigen Insolvenzverwalter bestehenden rechtlichen Befugnisse begründet.

Nach Maßgabe der dem vorläufigen Insolvenzverwalter zustehenden rechtli­chen Befugnisse ist für das Entstehen von Masseverbindlichkeiten bei nach dem Umsatzsteuergesetz begründeten Verbindlichkeiten aus dem Steuer­schuldverhältnis auf die Entgeltvereinnahmung durch den vorläufigen Insol­venzverwalter und nicht auf die lediglich zeitliche Verbindlichkeitsbegründung nach der Bestellung eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters abzu­stellen (BFH-Urteil vom 24.09.2014 ‑ V R 48/13, BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506, Rz 17 und 18).

Eine Entgeltvereinnahmung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter liegt ins­besondere vor, wenn das Insolvenzgericht Drittschuldnern die Zahlung an den Insolvenzschuldner verbietet, es den vorläufigen Insolvenzverwalter zum For­derungseinzug ermächtigt und der vorläufige Insolvenzverwalter die dem In­solvenzschuldner zustehenden Gegenleistungen dann ‑‑auf einem von ihm eingerichteten Sonderkonto‑‑ vereinnahmt. Daneben kann es auch zu einer ei­ne Masseverbindlichkeit begründenden Entgeltvereinnahmung durch den In­solvenzschuldner mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters kom­men, wobei allerdings umstritten ist, ob die bloße Entgegennahme oder An­nahme einer geschuldeten Leistung durch den Insolvenzschuldner als ‑‑zudem zustimmungsfähige‑‑ Verfügung im Sinne des § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO anzuse­hen ist (Urteile des Bundesgerichtshofs ‑‑BGH‑‑ vom 19.04.2018 ‑ IX ZR 230/15, BGHZ 218, 261, Rz 58 und vom 08.07.2021 ‑ IX ZR 121/20, Der Betrieb 2021, 2409, Rz 16).

3. Kommt es wie vorliegend zu keiner Vereinnahmung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter im Rahmen des ihm durch das Insolvenzgericht einge­räumten Rechts zum Forderungseinzug, ist die Begründung einer Massever­bindlichkeit nur zu bejahen, wenn eine Vereinnahmung im Zusammenhang mit anderweitigen Rechtsbefugnissen des vorläufigen Insolvenzverwalters vorliegt. Hieran fehlt es, wenn die Zahlung nicht aufgrund einer Zustimmung des vor­läufigen Insolvenzverwalters, sondern aufgrund anderer insolvenzrechtlicher Regelungen ‑‑ohne Zutun des vorläufigen Insolvenzverwalters‑‑ zu einem Er­löschen der dem Insolvenzschuldner zustehenden Forderung führt.

a) Aufgrund der Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 InsO) ist der Insolvenzschuldner im Eröffnungsverfahren nicht mehr berechtigt, die Zahlung des Drittschuldners ohne Zustimmung des vor­läufigen Insolvenzverwalters zu empfangen. Allerdings gelten bei einem Ver­stoß gegen die in § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO vorgesehenen Verfügungsbe­schränkungen gemäß § 24 Abs. 1 InsO die §§ 81, 82 InsO entsprechend und wird nach § 82 Satz 1 InsO der Drittschuldner von seiner Schuld befreit, wenn er nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Erfüllung einer Verbindlich­keit an den Insolvenzschuldner geleistet hat, obwohl die Verbindlichkeit zur In­solvenzmasse zu erfüllen war, und er zu der Zeit der Leistung die Eröffnung des Verfahrens nicht kannte (vgl. BGH-Urteil vom 19.04.2018 ‑ IX ZR 230/15, BGHZ 218, 261, Rz 57).

b) Führt § 82 InsO zum Erlöschen der aus dem "Rechtsverhältnis" zwischen Leistendem und Leistungsempfänger folgenden Entgeltforderung des Leisten­den, ist dies auch umsatzsteuerrechtlich zu beachten. Aus Sicht des Leistungs­empfängers (hier: Drittschuldner) wendet er den Zahlbetrag auf, um von sei­ner zivilrechtlichen Leistungspflicht frei zu werden. Der Drittschuldner als Leis­tungsempfänger hat in diesem Fall alles Erforderliche getan, um mit seiner Zahlung dem Insolvenzschuldner als Leistenden das vereinbarte Entgelt zu­kommen zu lassen. Aus Sicht des Leistenden (hier: Insolvenzschuldner) erhält dieser die Zahlung für die von ihm erbrachte Leistung, da aufgrund der Til­gungswirkung der Zahlung eine nochmalige Zahlung des Drittschuldners in die (spätere) Insolvenzmasse für diese Leistung (auch vom ‑‑vorläufigen‑‑ Insol­venzverwalter) nicht verlangt werden kann.

Das Entgelt für die vom Insolvenzschuldner dem Drittschuldner gegenüber er­brachte Leistung ist umsatzsteuerrechtlich abschließend durch den Insolvenz­schuldner vereinnahmt, da eine Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwal­ters für eine bereits nach § 82 InsO wirksame Entgeltentrichtung keine Rechtswirkungen entfalten kann (zutreffend Schulze/Vogel/Huhle, Umsatz­steuer-Rundschau 2021, 213, 223 und ebenso Schulze in Wäger, UStG, 3. Aufl., Anhang zu § 18 Rz 121.7).

4. Danach hat das FG zu Recht entschieden, dass keine ‑‑gegenüber dem Klä­ger als Insolvenzverwalter festzusetzende (BFH-Urteile vom 30.04.2009 ‑ V R 1/06, BFHE 226, 130, BStBl II 2010, 138; vom 09.02.2011 ‑ XI R 35/09, BFHE 233, 86, BStBl II 2011, 1000; vom 24.08.2023 ‑ V R 29/21, BFHE 282, 136, BStBl II 2024, 313)‑‑ Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 4 InsO im Hinblick auf die hier in Rede stehenden Beträge vorliegt. Nach seinen bin­denden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) hat die C‑GmbH mit ihren hier streitigen Überweisungen gemäß § 24 Abs. 1, § 82 Satz 1 InsO schuldbefrei­end im Verhältnis zum Insolvenzschuldner geleistet.

5. Die Einwendungen des FA führen zu keiner anderen Beurteilung.

a) Soweit das FA vorträgt, der Insolvenzschuldner habe ohne die Zustimmung des Klägers über die auf seinem Bankkonto eingegangenen Beträge wirtschaft­lich nicht endgültig verfügen können, da der Kläger die Rechtsmacht gehabt habe, eine Verfügung des Insolvenzschuldners über den Überweisungsbetrag zu verhindern, lässt es außer Betracht, dass der Insolvenzverwalter über die auf dem Bankkonto des Insolvenzschuldners vereinnahmten Beträge nicht wirtschaftlich verfügen kann. Dem schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter steht kein Verwaltungs- und Verfügungsrecht über das Ist-Vermögen des In­solvenzschuldners zu. Der Insolvenzschuldner behält bei Anordnung eines Zu­stimmungsvorbehalts (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 InsO) seine Verwal­tungs- und Verfügungsbefugnis (Schmidt/Hölzle, InsO, 20. Aufl., § 21 Rz 58). Der Vorbehalt bewirkt lediglich, dass der vorläufige Insolvenzverwalter wirksa­me Verfügungen des Insolvenzschuldners verhindern kann (vgl. BGH-Urteile vom 18.07.2002 ‑ IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353, 361, Rz 25 und vom 24.09.2020 ‑ IX ZR 289/18, BGHZ 227, 123, Rz 20). Gleiches gilt, soweit das FA vorträgt, bei dem Guthaben auf dem Konto des Insolvenzschuldners hande­le es sich um einen Gegenstand der späteren Insolvenzmasse und der Insol­venzschuldner sei nicht befugt, über das Entgelt frei zu verfügen, wobei auch § 82 InsO dem Insolvenzschuldner nicht die Möglichkeit eröffne, über die Ent­geltforderung zu verfügen.

b) Mit seinen Ausführungen, § 82 InsO bewirke nicht, dass der Insolvenz­schuldner das Entgelt rechtswirksam ohne Zustimmung des vorläufigen Insol­venzverwalters vereinnahme, da § 82 InsO nicht zu einer zivilrechtlich wirksa­men Entgegennahme der Leistung durch den Insolvenzschuldner führe und diesem auch keine Empfangszuständigkeit einräume, so dass der Drittschuld­ner nur gegenüber der Masse frei werde und wegen der Empfangszuständig­keit des vorläufigen Insolvenzverwalters mit Recht zum Forderungseinzug die Entgeltforderungen im Rahmen der Masseverwaltung und Massevereinnah­mung zu vereinnahmen seien, lässt das FA außer Betracht, dass die Rechtsfol­ge des § 82 i.V.m. § 24 Abs. 1 InsO ohne ein Zutun des vorläufigen In­solvenzverwalters eintritt, dieser demgemäß eine Masseverbindlichkeit im Sin­ne des § 55 Abs. 4 InsO nicht begründet und der maßgebliche Umsatzsteuer­tatbestand bereits aufgrund der schuldbefreienden Drittschuldnerzahlung ab­schließend verwirklicht ist (s. oben II.3.). Im Übrigen bewirkt der vom Insol­venzgericht angeordnete Zustimmungsvorbehalt lediglich, dass der vorläufige Verwalter wirksame Verfügungen des Insolvenzschuldners verhindern kann (BGH-Urteil vom 24.09.2020 ‑ IX ZR 289/18, BGHZ 227, 123, Rz 20), räumt dem vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt aber nicht selbst die Verfügungsbefugnis ein (s. oben II.5.a).

c) Ebenso wenig greift die Auffassung des FA durch, dass ‑‑auch wenn anzu­nehmen wäre, der Insolvenzschuldner habe erstmalig wirksam das Entgelt vereinnahmt‑‑ eine (auch nachfolgende) Vereinnahmung durch den Insolvenz­verwalter maßgeblich sei und deshalb eine Masseverbindlichkeit entstehen könne, was der Fall sei, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter Zugriff auf das Konto des Drittschuldners habe und von diesem Konto Auszahlung auf sein In­solvenzverwaltersonderkonto verlangen könne. Dagegen spricht, dass bereits die schuldbefreiende Drittschuldnerzahlung für die Entstehung der Umsatz­steuerschuld und damit die insolvenzrechtliche Einordnung entscheidend ist.

d) Unbeachtlich ist dementsprechend auch, ob der Kläger ‑‑zeitlich danach‑‑ zum Zeitpunkt der Kontosperrung durch die B‑Bank verlangen konnte, das auf dem Konto bestehende Kontoguthaben auf sein Insolvenzverwaltersonderkon­to auszuzahlen, oder ob er danach erfolgte Verfügungen des Insolvenzschuld­ners (Barabhebung, Belastung mit Lohnforderung) genehmigte. Eine zeitlich vorangehende Vereinnahmung aus der umsatzsteuerrechtlichen Leistungsbe­ziehung zwischen Insolvenzschuldner und Drittschuldner, die die Umsatzsteu­erschuld entstehen lässt, wird durch nachfolgende Verfügungen in anderen Leistungsbeziehungen nicht beeinflusst.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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