BFH: Organschaft und Entnahmebesteuerung bei hoheitlicher Tätigkeit des Organträgers
- Die sich aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ergebende Steuerschuldnerschaft des Organträgers ist unionsrechtskonform (Anschluss an Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18.01.2023 ‑ XI R 29/22 (XI R 16/18), BFHE 279, 320 = SIS 23 04 64).
- Entgeltliche Leistungen, die eine Organgesellschaft an den Organträger erbringt, sind entsprechend der bisherigen BFH-Rechtsprechung nichtsteuerbar.
- Erbringt eine Organgesellschaft Leistungen gegen Entgelt an den Organträger, lässt die Nichtsteuerbarkeit das Entgelt nicht entfallen, so dass es mangels Unentgeltlichkeit nicht zu einer Entnahmebesteuerung gemäß § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG beim Organträger kommt (insoweit Aufgabe des BFH-Urteils vom 20.08.2009 ‑ V R 30/06, BFHE 226, 465, BStBl II 2010, 863 = SIS 09 33 08).
UStG § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1, § 3 Abs. 9a Nr. 2
Richtlinie 77/388/EWG Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2, Art. 6 Abs. 2 Buchst. b
BFH-Urteil vom 29.8.2024, V R 14/24 (V R 20/22; V R 40/19) (veröffentlicht am 5.12.2024)
Vorinstanz: Niedersächsisches FG vom 16.10.2019, 5 K 309/17 = SIS 19 22 31
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Stiftung öffentlichen Rechts und Trägerin einer Universität, die auch einen Bereich Universitätsmedizin unterhielt. Die Klägerin erbrachte im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit mit mehreren Betrieben gewerblicher Art Dienstleistungen gegen Entgelt. Soweit die entgeltlichen Dienstleistungen auf den Krankenhausbetrieb entfielen, waren sie steuerfrei. Zugleich nahm die Klägerin als juristische Person des öffentlichen Rechts hoheitliche Aufgaben wahr. Die Klägerin ging davon aus, dass sie nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) Organträgerin der U‑GmbH sei. Die U‑GmbH erbrachte für die Klägerin im Jahr 2005 (Streitjahr) verschiedene Dienstleistungen, unter anderem Reinigungsleistungen in den Räumen der Klägerin gegen Entgelt, wobei ein Teil der zu reinigenden Fläche auf den hoheitlichen Bereich der Klägerin entfiel.
Im Anschluss an eine Außenprüfung nahm der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt ‑‑FA‑‑) in einem geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr an, dass es sich bei den Betrieben der Klägerin um ein einheitliches Unternehmen handele, für das nur eine Umsatzsteuererklärung abzugeben und dementsprechend nur ein Umsatzsteuerbescheid zu erteilen sei. Das FA sah dabei ‑‑wie von der Klägerin zuvor auch erklärt‑‑ sämtliche von der U‑GmbH erbrachten Leistungen als Umsätze an, die innerhalb der zwischen der Klägerin und der U‑GmbH bestehenden Organschaft erbracht worden und damit nichtsteuerbar gewesen seien. Soweit allerdings die Reinigungsleistungen für den Hoheitsbereich der Klägerin erfolgt seien, hätten sie einer unternehmensfremden Tätigkeit gedient und lösten daher eine unentgeltliche Wertabgabe bei der Klägerin aus. Demgemäß erhöhte das FA die festgesetzte Umsatzsteuer. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg.
Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2020, 881 veröffentlichten Urteil der Klage statt. Es liege eine Organschaft vor, die zur Zusammenfassung der Klägerin als Organträgerin und der U‑GmbH als Organgesellschaft zu einem Unternehmen führe. Die Organschaft erstrecke sich auch auf den Hoheitsbereich der Klägerin. Die Voraussetzungen einer unentgeltlichen Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG lägen aber nicht vor. Es fehle bereits an einer unentgeltlichen Leistung. Die U‑GmbH habe die Reinigungsleistungen auch nicht für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, erbracht.
Hiergegen wendet sich das FA mit seiner Revision.
Der Senat hat im Revisionsverfahren das Verfahren ausgesetzt und mit Beschluss vom 07.05.2020 ‑ V R 40/19 (BFHE 270, 166) dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die nationale Regelung zur Organschaft mit einer Steuerschuldnerschaft des Organträgers überhaupt unionsrechtskonform ist und ob es zu einer Entnahmebesteuerung kommt. Der EuGH hat mit seinem Urteil Finanzamt T vom 01.12.2022 ‑ C‑269/20, EU:C:2022:944 wie folgt entschieden:
"1. Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‑ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage [Richtlinie 77/388/EWG] ist dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, zum einzigen Steuerpflichtigen einer Gruppe von Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, den Organträger dieser Gruppe zu bestimmen, wenn dieser in der Lage ist, seinen Willen bei den anderen Mitgliedern dieser Gruppe durchzusetzen, und unter der Voraussetzung, dass diese Bestimmung nicht zur Gefahr von Steuerverlusten führt.
2. Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass im Fall einer Einheit, die die einzige Steuerpflichtige einer Gruppe von Personen ist, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, und die zum einen wirtschaftliche Tätigkeiten ausübt, für die sie der Steuer unterliegt, und zum anderen Tätigkeiten im Rahmen der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben, für die sie gemäß Art. 4 Abs. 5 der [Richtlinie 77/388/EWG] nicht als mehrwertsteuerpflichtig gilt, die Erbringung einer Dienstleistung im Zusammenhang mit dieser hoheitlichen Tätigkeit durch ein Mitglied dieser Gruppe nicht gemäß Art. 6 Abs. 2 Buchst. b dieser Richtlinie besteuert werden darf."
Im Hinblick auf die EuGH-Urteile Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie vom 01.12.2022 ‑ C‑141/20, EU:C:2022:943 und Finanzamt T vom 01.12.2022 ‑ C‑269/20, EU:C:2022:944 hat der Senat das Verfahren nochmals ausgesetzt und dem EuGH weitere Fragen zur Entscheidung vorgelegt, mit denen für den Streitfall zu klären war, ob im Rahmen einer Organschaft ausgeführte Innenumsätze entgegen der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer unterliegen und damit steuerbar sind. Hierauf hat der EuGH mit seinem Urteil Finanzamt T II vom 11.07.2024 ‑ C‑184/23, EU:C:2024:599 wie folgt geantwortet:
"Art. 2 Nr. 1 und Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der [Richtlinie 77/388/EWG] sind dahin auszulegen, dass gegen Entgelt erbrachte Leistungen zwischen Personen, die ein und derselben Mehrwertsteuergruppe angehören, die aus rechtlich selbständigen, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbundenen Personen besteht und von einem Mitgliedstaat als einzige Steuerpflichtige bestimmt wird, selbst dann nicht der Mehrwertsteuer unterliegen, wenn die vom Empfänger dieser Leistungen geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer nicht als Vorsteuer abgezogen werden darf."
Das FA bringt vor, die Entnahmebesteuerung solle sicherstellen, dass der selbst versorgende Unternehmer nicht bessergestellt sei als ein normaler Verbraucher, welcher eine (identische) Leistung mit Umsatzsteuer belastet in Anspruch nehme. Danach dürfe es unter dem Aspekt der systemgerechten Besteuerung auch keinen Unterschied machen, ob eine natürliche Person Dienstleistungen ihres Unternehmens für private Zwecke verwendet oder eine juristische Person für hoheitliche Zwecke.
Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie sieht sich durch die beiden Urteile des EuGH in ihrer Rechtsauffassung bestätigt.
II. Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die von der U‑GmbH an die Klägerin erbrachten Leistungen nichtsteuerbare Innenumsätze innerhalb der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG sind und dass die Voraussetzungen des § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG nicht vorliegen, soweit die U‑GmbH Leistungen für den hoheitlichen Bereich der Klägerin gegen Entgelt erbracht hat.
1. Im Streitfall liegt eine Organschaft im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG vor, bei der die Klägerin Organträgerin der U‑GmbH als Organgesellschaft ist.
a) Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 bis 3 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln.
Dies beruhte im Streitjahr unionsrechtlich auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG. Danach steht es vorbehaltlich der Konsultation nach Art. 29 der Richtlinie 77/388/EWG jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln.
b) Aufgrund der EuGH-Urteile Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie vom 01.12.2022 ‑ C‑141/20, EU:C:2022:943 und Finanzamt T vom 01.12.2022 ‑ C‑269/20, EU:C:2022:944 ist geklärt, dass die sich aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ergebende Steuerschuldnerschaft des Organträgers unionsrechtskonform ist, wie der BFH auch bereits entschieden hat (Urteil vom 18.01.2023 ‑ XI R 29/22 (XI R 16/18), BFHE 279, 320). Dem schließt sich der erkennende Senat an (ebenso bereits BFH-Beschluss vom 13.03.2024 ‑ V B 67/22, BFH/NV 2024, 682, Rz 12).
c) Aufgrund der im Revisionsverfahren nicht angegriffenen, nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG liegen die Voraussetzungen einer Organschaft im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG zwischen der Klägerin als Organträgerin und der U‑GmbH als Organgesellschaft vor.
2. Ist eine Organschaft zu bejahen, sind entgeltliche Leistungen, die eine Organgesellschaft an den Organträger erbringt, entsprechend der ständigen BFH-Rechtsprechung (so etwa Beschluss vom 26.01.2023 ‑ V R 20/22 (V R 40/19), BFHE 280, 68, BStBl II 2023, 530, Rz 22) nichtsteuerbar.
a) Zweifel, die hieran im Hinblick auf die EuGH-Urteile Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie vom 01.12.2022 ‑ C‑141/20, EU:C:2022:943 und Finanzamt T vom 01.12.2022 ‑ C‑269/20, EU:C:2022:944 bestanden (BFH-Beschluss vom 26.01.2023 ‑ V R 20/22 (V R 40/19), BFHE 280, 68, BStBl II 2023, 530), sind durch das im Streitfall auf Vorlage durch den erkennenden Senat ergangene EuGH-Urteil Finanzamt T II vom 11.07.2024 ‑ C‑184/23, EU:C:2024:599 entfallen. Danach unterliegen gegen Entgelt erbrachte Leistungen zwischen Personen, die ein und derselben Mehrwertsteuergruppe angehören, die von einem Mitgliedstaat als einzige Steuerpflichtige bestimmt wird, selbst dann nicht der Mehrwertsteuer, wenn die vom Empfänger dieser Leistungen geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer nicht als Vorsteuer abgezogen werden darf.
b) Auf dieser Grundlage sind entgeltliche Leistungen einer Organgesellschaft an ihren Organträger auch dann nichtsteuerbar, wenn der Organträger diese für hoheitliche Zwecke, das heißt für außerunternehmerische Zwecke (nichtwirtschaftliche Tätigkeiten im engeren Sinne nach Abschn. 2.3 Abs. 1a Satz 4 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses ‑‑UStAE‑‑) verwendet (Senatsurteil vom 20.08.2009 ‑ V R 30/06, BFHE 226, 465, BStBl II 2010, 863, unter II.2.c ee (3); dem zustimmend Heber in Wäger, UStG, 3. Aufl., § 2 Rz 98). Denn liegen die in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG genannten Voraussetzungen für eine Organschaft vor, übt die Organgesellschaft ihre gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig aus, ohne dass es hierfür auf die Verwendung der durch die Organgesellschaft erbrachten Leistung durch den Organträger ankommt. Aus der zudem in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG angeordneten Behandlung der Unternehmensteile von Organträger und Organgesellschaft als ein Unternehmen folgt keine Einschränkung der sich aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG ergebenden Unselbständigkeit der Organgesellschaft.
Dies steht im Einklang mit dem Unionsrecht. Der EuGH hat die Nichtsteuerbarkeit der Innenleistung damit begründet, dass ein Leistender, der einer Mehrwertsteuergruppe angehört, nicht einzeln als von dieser Gruppe getrennter Steuerpflichtiger betrachtet werden kann und diese Nichtsteuerbarkeit nicht unter dem Vorbehalt eines beim Leistungsempfänger bestehenden Rechts auf Vorsteuerabzug steht (EuGH-Urteil Finanzamt T II vom 11.07.2024 ‑ C‑184/23, EU:C:2024:599, Rz 40 und 46). Unionsrechtlich ist zudem zu beachten, dass der EuGH auch die Einbeziehung von Nichtunternehmern in den Anwendungsbereich von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG als zulässig ansieht (EuGH-Urteil Kommission/Irland vom 09.04.2013 ‑ C‑85/11, EU:C:2013:217, Rz 50). Zwar kommt dies für die Anwendung von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG im Hinblick auf die auch bei einer richtlinienkonformen Auslegung zu beachtende Wortlautgrenze nicht in Betracht (BFH-Urteil vom 12.10.2016 ‑ XI R 30/14, BFHE 255, 467, BStBl II 2017, 597, Rz 41 unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil vom 02.12.2015 ‑ V R 67/14, BFHE 251, 547, BStBl II 2017, 560). Können aber selbst Nichtunternehmer zu den Personen im Sinne von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG gehören, lassen sich die Wirkungen der Organschaft ‑‑wie etwa eine Nichtsteuerbarkeit von Innenumsätzen‑‑ nicht auf Leistungen beschränken, die der Organträger für unternehmerische Zwecke verwendet. Im Hinblick hierauf schließt sich der Senat einer im Schrifttum vertretenen Gegenauffassung, wonach Leistungen, die für einen nicht zum Unternehmen gehörenden Bereich erbracht werden, entgegen dem Senatsurteil vom 20.08.2009 ‑ V R 30/06, BFHE 226, 465, BStBl II 2010, 863 steuerbar sein sollen (Friedrich-Vache in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 2 Rz 100.2), nicht an. Zudem wäre über eine "partielle Selbständigkeit" der Organgesellschaft und eine sich hieraus für diese ergebende Steuerschuldnerschaft in einem die Organgesellschaft betreffenden Festsetzungsverfahren zu entscheiden. Im Übrigen ist nicht zu entscheiden, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn ‑‑anders als im Streitfall‑‑ der Organträger entgeltliche Leistungen an die Organgesellschaft erbringt, die diese für Zwecke verwendet, die außerhalb ihres Unternehmens liegen (die Steuerbarkeit jedenfalls insoweit bejahend Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz 934; zur Annahme einer Beschränkung der Organschaft auf den unternehmerischen Bereich der Organgesellschaft Abschn. 2.8 Abs. 1 Satz 5 UStAE).
3. Wie sich aus dem EuGH-Urteil Finanzamt T vom 01.12.2022 ‑ C‑269/20, EU:C:2022:944 weiter ergibt, hat das FG die Entnahmebesteuerung im Hinblick auf die Entgeltlichkeit der von der U‑GmbH erbrachten Leistungen zutreffend verneint. Erbringt eine Organgesellschaft Leistungen gegen Entgelt an den Organträger, lässt die Nichtsteuerbarkeit das Entgelt nicht entfallen, so dass es mangels Unentgeltlichkeit nicht zu einer Entnahmebesteuerung gemäß § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG beim Organträger kommt.
a) Nach § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG wird einer sonstigen Leistung gegen Entgelt gleichgestellt die unentgeltliche Erbringung einer anderen sonstigen Leistung durch den Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen. Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 6 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG (nunmehr Art. 26 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ‑‑MwStSystRL‑‑), wonach die unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen durch den Steuerpflichtigen für seinen privaten Bedarf, oder für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke den Dienstleistungen gegen Entgelt gleichgestellt wird.
b) Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH zum Eigenverbrauch im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b UStG i.d.F. des Gesetzes zur Neufassung des Umsatzsteuergesetzes und zur Änderung anderer Gesetze vom 26.11.1979 ‑‑UStG a.F.‑‑ (BGBl I 1979, 1953), wonach Eigenverbrauch vorlag, wenn ein Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens sonstige Leistungen der in § 3 Abs. 9 UStG a.F. bezeichneten Art für Zwecke ausführte, die außerhalb des Unternehmens lagen, war dieser Tatbestand bei einer Person des öffentlichen Rechts regelmäßig dann erfüllt, wenn sie ansonsten unternehmerisch genutzte Einrichtungen in Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben Schulen und Vereinen unentgeltlich zur Nutzung überließ (so insbesondere BFH-Urteil vom 10.02.1994 ‑ V R 33/92, BFHE 174, 258, BStBl II 1994, 668, unter II.3.a).
In diesem Zusammenhang konnte es zu einer Entnahmebesteuerung nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a bis c UStG a.F. beim Organträger führen, wenn der Organträger von einer Organgesellschaft nichtsteuerbar bezogene Innenleistungen für hoheitliche und damit für außerunternehmerische Zwecke (nichtwirtschaftliche Tätigkeiten im engeren Sinne nach Abschn. 2.3 Abs. 1a Satz 4 UStAE) verwendet (BFH-Urteil vom 20.08.2009 ‑ V R 30/06, BFHE 226, 465, BStBl II 2010, 863, unter II.2.c ee (3)). Die Verwaltung ist dieser Rechtsprechung gefolgt (Abschn. 2.11 Abs. 18 Satz 5 UStAE; vgl. auch Abschn. 2.10 Abs. 4 UStAE zu § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG).
c) Demgegenüber geht der EuGH davon aus, dass die Erbringung einer Dienstleistung im Zusammenhang mit der hoheitlichen Tätigkeit des Organträgers, der auch der Mehrwertsteuer unterliegende wirtschaftliche Tätigkeiten ausübt, durch ein Mitglied dieser Gruppe nicht gemäß Art. 6 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG besteuert werden darf (EuGH-Urteil Finanzamt T vom 01.12.2022 ‑ C‑269/20, EU:C:2022:944, Antwort 2; zur Bindungswirkung derartiger Entscheidung allgemein BFH-Urteil vom 28.05.2013 ‑ XI R 11/09, BFHE 242, 84, BStBl II 2023, 537, Rz 66).
Der EuGH begründet dies zum einen damit, dass mit Art. 6 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG keine allgemeine Regel eingeführt werden sollte, nach der Tätigkeiten, die nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen, als Tätigkeiten betrachtet werden können, die für "unternehmensfremde" Zwecke im Sinne dieser Vorschrift ausgeführt werden. Werde an einen einzigen Steuerpflichtigen einer Mehrwertsteuergruppe von einem Mitglied dieser Gruppe eine Dienstleistung erbracht, die für den Bereich der hoheitlichen Tätigkeit dieses Steuerpflichtigen bestimmt ist, käme die Annahme, dass eine solche Dienstleistung gemäß Art. 6 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG steuerbar ist, der Annahme gleich, dass diese Dienstleistung zu unternehmensfremden Zwecken erbracht wird, und führte somit dazu, die hoheitliche Tätigkeit, die gemäß Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer falle, einer solchen Tätigkeit gleichzustellen, wobei eine solche Auslegung sowohl Art. 2 Nr. 1 als auch Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG ihren Sinn nähme (EuGH-Urteil Finanzamt T vom 01.12.2022 ‑ C‑269/20, EU:C:2022:944, Rz 57 bis 59).
Zum anderen führt der EuGH hierfür an, dass Art. 6 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG jedenfalls nur die "unentgeltlichen" Umsätze betreffe, die für die Zwecke der Mehrwertsteuer den entgeltlichen Umsätzen gleichgestellt seien, so dass Art. 6 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG auch deshalb keine Anwendung finde, da die den Streitfall betreffenden Dienstleistungen im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG (nunmehr Art. 2 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL) gegen Entgelt erbracht worden seien (EuGH-Urteil Finanzamt T vom 01.12.2022 ‑ C‑269/20, EU:C:2022:944, Rz 60 bis 62).
d) Liegt danach ein Entgelt vor und fehlt es schon deshalb tatbestandlich an einer "unentgeltlichen Erbringung einer anderen sonstigen Leistung" (Dienstleistung) im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG, ist an dem Senatsurteil vom 20.08.2009 ‑ V R 30/06 (BFHE 226, 465, BStBl II 2010, 863, unter II.2.c ee (3)) insoweit nicht festzuhalten, als der erkennende Senat dort aus der organschaftlichen Zusammenfassung zu einem Unternehmen und der sich hieraus ergebenden Unselbständigkeit der Organgesellschaft abgeleitet hat, dass diese trotz vereinbarter Vergütung ihre Leistung nicht gegen Entgelt erbringt, so dass für Zwecke der Entnahmebesteuerung (früher auf derselben unionsrechtlichen Grundlage: Eigenverbrauch) von einer unentgeltlichen Leistung auszugehen war (so auch Senatsbeschluss vom 07.05.2020 ‑ V R 40/19, BFHE 270, 166, Rz 65). Stattdessen folgt aus der Zusammenschau der EuGH-Urteile Finanzamt T vom 01.12.2022 ‑ C‑269/20, EU:C:2022:944, Rz 60 bis 62 und Finanzamt T II vom 11.07.2024 ‑ C‑184/23, EU:C:2024:599, Rz 40, dass es sich bei der von der U‑GmbH an die Klägerin erbrachten Leistungen um entgeltliche und zugleich als Innenumsatz nichtsteuerbare Leistungen handelt.
Da es bereits an einer Unentgeltlichkeit fehlt, ist nicht zu entscheiden, ob Dienstleistungen für hoheitliche Tätigkeiten für "unternehmensfremde" Zwecke im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG erbracht werden. Ebenso kann offen bleiben, ob ‑‑hierauf aufbauend‑‑ bei Bejahung dieser Frage hieraus folgt, dass hoheitliche Tätigkeiten, obwohl sie gemäß Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen, Tätigkeiten gleichgestellt werden, die dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer unterliegen. Daher ist auch weder auf die in diesem Zusammenhang am EuGH-Urteil Finanzamt T vom 01.12.2022 ‑ C‑269/20, EU:C:2022:944 geübte Kritik (Wüst, Umsatzsteuer-Rundschau 2023, 1, 4) noch auf den Vortrag des FA, eine Entnahmebesteuerung sei aus Gründen der Gleichbehandlung vorzunehmen, einzugehen.
4. Das FG-Urteil ist auch nicht aus anderen Gründen rechtsfehlerhaft.
Auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen ist davon auszugehen, dass sämtliche Leistungen der U‑GmbH sowohl nach der ursprünglichen Erklärung der Klägerin als auch nach der Außenprüfung durch das FA als nichtsteuerbare Innenumsätze der Organschaft betrachtet wurden, Ausgangsleistungen an Dritte nicht vorlagen und für von der U‑GmbH bezogene Eingangsleistungen kein Recht auf Vorsteuerabzug geltend gemacht wurde.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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