BFH: Widerspruch gegen eine Gutschrift und Widerruf des Verzichts auf die Steuerbefreiung nach Ausgliederung
- Ab der Eintragung einer Ausgliederung im Handelsregister muss der Widerspruch gegen eine Gutschrift, die auf einem von der Ausgliederung umfassten Vertrag beruht, dem übernehmenden Rechtsträger gegenüber erklärt werden.
- Hat ein Unternehmer auf die Steuerfreiheit eines Umsatzes dadurch verzichtet, dass er dem Leistungsempfänger den Umsatz unter gesondertem Ausweis von Umsatzsteuer in Rechnung gestellt hat, kann er den darin liegenden Verzicht nur dadurch rückgängig machen, dass er dem übernehmenden Rechtsträger als Leistungsempfänger eine berichtigte Rechnung ohne Umsatzsteuer erteilt.
UStG § 14 Abs. 2 Satz 2 und 3, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2, § 25c Abs. 3
MwStSystRL Art. 178 Buchst. a, Art. 220, Art. 224
UmwG § 123 Abs. 3 Nr. 1, § 131 Nr. 1
BFH-Urteil vom 12.7.2023, XI R 41/20 (veröffentlicht am 7.12.2023)
Vorinstanz: FG Nürnberg vom 27.10.2020, 2 K 483/18, 2 K 1687/18 = SIS 21 07 58
I. Streitig ist der Vorsteuerabzug aus Gutschriften sowie die Ablehnung einer Billigkeitsmaßnahme in Bezug auf diese Vorsteuerbeträge nach den §§ 163, 227 der Abgabenordnung (AO).
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH; Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist die Verwaltung eigenen Vermögens, insbesondere von Immobilien und Beteiligungen an anderen Gesellschaften. Bis zu einer Ausgliederung im August 2010 war sie außerdem unter anderem operativ im Geschäftsbereich "Edelmetalle" tätig. Sie erfasste die Umsätze hieraus bis einschließlich August 2010. Die Klägerin firmierte bis zur Ausgliederung unter X‑AG.
Den Geschäftsbereich "Edelmetalle" sowie einen weiteren Geschäftsbereich gliederte die Klägerin durch Vertrag vom 06.07.2010 nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes (UmwG) zur Aufnahme in die zuvor gegründete X‑GmbH, die nachfolgend unter … firmierte, aus. Sämtliche diesem Geschäftsbereich zuzuordnende Vermögensgegenstände und Schulden und alle sonstigen Rechte und Pflichten sowie Rechtsbeziehungen sollten unter Fortbestand der übertragenden Gesellschaft ausgegliedert werden (§§ 123 Abs. 3 Nr. 1, 125, 46 ff., 60 ff., 138 ff., 141 ff. UmwG). Dazu gehörten nach § 3 Buchst. f der Vereinbarung insbesondere auch die in Anlage 3.2 Buchst. f genannten Liefer- und Einkaufsverträge. Am 13.08.2010 erfolgte die Eintragung im Handelsregister. Die Umsätze nach der Ausgliederung meldete die übernehmende X‑GmbH an.
Nach der Ausgliederung firmierte die Klägerin zunächst als Y‑AG und ‑‑nach einer formwechselnden Umwandlung im Jahr 2014‑‑ als Y-GmbH.
Die Klägerin erwarb unter ihrer damaligen Firma (X‑AG) vom 10.05.2010 bis 02.07.2010 Goldbarren und Goldmünzen von dem Unternehmen S sowie im Zeitraum vom 05.07.2010 bis 21.07.2010 von dem Unternehmen H. S führte an die Klägerin 31 Umsätze über einen Gesamtbetrag von netto 3.840.277 € zuzüglich 19 % Umsatzsteuer in Höhe von 729.652,63 € aus. H erbrachte zehn Umsätze über einen Gesamtbetrag von netto 2.093.208 € zuzüglich 19 % Umsatzsteuer in Höhe von 397.709,52 €.
Über die Lieferungen erteilte die Klägerin ordnungsgemäße, als "Ankaufsrechnungen" bezeichnete Gutschriften mit gesondertem Ausweis der genannten Umsatzsteuerbeträge und überwies die entsprechenden Bruttobeträge (mit Ausnahme eines Betrags von 258.212,15 €). Eine schriftliche Vereinbarung zu den Abrechnungsmodalitäten hatten die Vertragsparteien nicht getroffen.
Am 21.07.2010 wurden die Geschäftsräume der Klägerin im Zuge eines gegen einen anderen Lieferanten der Klägerin eingeleiteten Ermittlungsverfahrens von der Steuerfahndung durchsucht, weil jener Lieferant Gold steuerpflichtig an die Klägerin geliefert hatte, ohne die Umsatzsteuer an das für ihn zuständige Finanzamt abgeführt zu haben. Die Klägerin teilte der Steuerfahndung dabei weitere, dieser bisher nicht bekannte Lieferanten mit (darunter S und H). Aufgrund dieser Hinweise konnten mit Hilfe der Klägerin 270.000 € gesichert und Steuerstrafverfahren gegen S und H wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer eingeleitet werden.
Mit Schreiben vom 03.08.2010 forderte H die Klägerin zur Zahlung der noch offenen Beträge aus den Gutschriften auf. Die Beträge überwies die Klägerin am 02.09.2010 jedoch nicht an H, sondern (aufgrund der zwischenzeitlich ergangenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung) an das für H zuständige Finanzamt.
Mit Schreiben vom 19.09.2010, das an die X‑AG adressiert war und bei der Klägerin am 29.09.2010 einging, widersprach H sämtlichen Gutschriften der X‑AG und bat um Übermittlung geänderter "Ankaufsrechnungen" über den bisherigen Bruttobetrag ohne Steuerausweis, da es sich bei den Lieferungen um gemäß § 25c Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfreie Lieferungen von Anlagegold gehandelt habe.
Das für S zuständige Finanzamt setzte für dessen Umsätze an die Klägerin für das Jahr 2010 Umsatzsteuer in Höhe von 729.652,63 € fest, welche in Höhe von 2.545,59 € bezahlt wurde. Das seit Juli 2012 laufende Insolvenzverfahren über das Vermögen des S wurde am 02.12.2016 aufgehoben.
Mit Schreiben vom 10.11.2010, das ebenfalls an die X‑AG adressiert war und bei der Klägerin am 15.11.2010 eingegangen ist, widersprach S den "Ankaufsrechnungen" und übermittelte eigene Rechnungen an die X‑AG ohne Ausweis von Umsatzsteuer, da es sich um steuerfreie Goldlieferungen nach § 25c UStG gehandelt habe; in den vorgelegten Rechnungen übernahm er die Bruttobeträge der erteilten Gutschriften jeweils als Nettobeträge und verwies auf die Steuerbefreiung des § 25c UStG. Mit Schreiben vom 17.11.2010 reichte die X‑GmbH die Rechnungen des S unter Hinweis auf die Unmöglichkeit einer Rechnungsstellung durch diesen an S zurück.
Die in Rechnung gestellte und von der Klägerin gezahlte Umsatzsteuer haben S und H in der Folgezeit trotz ihrer Widersprüche und Widerrufe weder an die Klägerin noch an die X‑GmbH zurückgezahlt.
In ihrer am 25.07.2011 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ‑‑FA‑‑) eingegangenen Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2010 (Streitjahr) machte die Klägerin unter anderem die an H und S gezahlte Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend und erklärte eine negative Umsatzsteuer; das FA stimmte der Steueranmeldung zu.
Nach einer Außenprüfung bei der Klägerin vertrat das FA die Auffassung, durch ihre Widersprüche gegen die Gutschriften hätten S und H den Verzicht auf die Steuerbefreiung des § 25c UStG wirksam rückwirkend widerrufen. In Höhe des an das für H zuständige FA gezahlten Betrags (258.212,15 €) sei der Vorsteuerabzug jedoch infolge der Kooperation der Klägerin mit der Steuerfahndung im Billigkeitswege gemäß § 163 AO zu gewähren. Der Vorsteuerabzug der Klägerin sei daher um 869.150 € zu kürzen. Das FA setzte mit Änderungsbescheid vom 04.11.2014 die Umsatzsteuer 2010 entsprechend höher fest. Außerdem setzte es gemäß § 233a AO Zinsen zur Umsatzsteuer fest.
Gegen diese Bescheide legte die Klägerin Einspruch ein und beantragte überdies den Erlass der Zinsen gemäß § 233a AO im Billigkeitswege.
Mit Schreiben vom 24.06.2016 lehnte das FA die Anträge auf abweichende Steuer- und Zinsfestsetzung (§ 163 AO) und den Antrag auf Erlass der Nachzahlungszinsen gemäß § 227 AO ab. Hiergegen legte die Klägerin ebenfalls Einspruch ein.
Das FA wies die Einsprüche gegen die Festsetzung der Umsatzsteuer und der Zinsen nach § 233a AO (Bescheide vom 05.11.2014) sowie gegen die Ablehnung der Billigkeitsmaßnahmen (Bescheide vom 24.06.2016) mit Einspruchsentscheidungen vom 16.03.2018 und 08.11.2018 als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht (FG) wies die beiden Klagen (nach Verbindung und der Zusage einer Teilabhilfe beim Hilfsantrag in geringem Umfang) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2021, 1066 veröffentlichten Urteil im Hauptantrag ab. Die Klagen seien beide zulässig, da der Klägerin wegen überlanger Postlaufzeit Wiedereinsetzung in die Klagefrist zu gewähren sei. Die Klagen seien jedoch im Hauptantrag unbegründet, da das FA den Vorsteuerabzug aus den Gutschriften zu Recht versagt habe, weil diese nach dem Widerspruch durch H und S nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten. Die Klägerin habe zwar im Streitfall mit S und H zumindest in schlüssiger Weise die Abrechnung per Gutschrift vorher vereinbart. S und H hätten jedoch allen Gutschriften mit Schreiben vom 19.09.2010 beziehungsweise 10.11.2010 wirksam nach § 14 Abs. 2 Satz 3 UStG widersprochen. Ob die Gutschrift den zivilrechtlichen Vereinbarungen entspreche und ob sie die Umsatzsteuer zutreffend ausweise, sei unerheblich. Es sei Sache der am Leistungsaustausch beteiligten Unternehmer, sich über die Frage der Richtigkeit der Gutschrift auseinanderzusetzen und gegebenenfalls eine neue Abrechnung einzuklagen.
Der Widerspruch als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung werde mit dem Zugang beim Gutschriftaussteller wirksam und sei an keine bestimmte Form und Frist gebunden. S habe gegen die "Ankaufsrechnungen" schriftlich Widerspruch eingelegt und berichtigte Rechnungen übermittelt. H habe im Schreiben vom 19.09.2010 alle von der Klägerin erhaltenen Ankaufsrechnungen aufgelistet und diesen "vollständig" widersprochen.
Die mit Wirkung vom 13.08.2010 erfolgten Umwandlungsmaßnahmen stünden dem nicht entgegen. Die jeweiligen Erklärungen seien zwar erst nach diesem Zeitpunkt ergangen. Sie seien beide an die (zu diesem Zeitpunkt nicht mehr existente) X‑AG als Ausstellerin der Gutschriften adressiert, aber unstrittig derart in den Machtbereich der Klägerin gelangt, dass die Klägerin davon Kenntnis habe nehmen können (und dies auch getan habe). Dass die Klägerin die Erklärungen der ab 13.08.2010 für den Geschäftsbereich Edelmetalle zuständigen X‑GmbH zugeordnet habe, könne daran nichts ändern. Die Widersprüche beträfen diejenigen Ankaufsrechnungen, aus denen die Klägerin in ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr vom 25.07.2011 den Vorsteuerabzug beansprucht habe. Die Klägerin verhalte sich widersprüchlich, wenn sie zum einen die Vorsteuer aus den Gutschriften beanspruche, zugleich aber die noch im Besteuerungszeitraum 2010 erfolgten Widersprüche hiergegen nicht gegen sich gelten lassen wolle.
Entgegen der Ansicht der Klägerin komme es auch nicht darauf an, ob die zivilrechtlichen Vertragsverhältnisse mit den Lieferanten S und H im Zuge der Ausgliederung zur Aufnahme auf die X‑GmbH übergegangen und die Widersprüche daher bei der Umsatzsteuerfestsetzung der X‑GmbH zu berücksichtigen seien; denn nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) trete bei der Ausgliederung eines Geschäftsbetriebs der übernehmende Rechtsträger nicht in das steuerrechtliche Schuldverhältnis des fortbestehenden Rechtsträgers ein; dieses verbleibe beim übertragenden Rechtsträger.
Dies stehe auch in Einklang mit dem BFH-Urteil vom 10.12.2009 ‑ XI R 7/08 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2010, 749) hinsichtlich der Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung für die Lieferung von Anlagegold nach § 25c Abs. 3 Satz 2 UStG. Auch in diesem Fall werde die in den ursprünglich ausgestellten Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer von den Lieferanten nicht mehr geschuldet, so dass insoweit ein Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG rückwirkend zu versagen sei. Die im Streitfall ausgesprochenen Erklärungen könnten auch als Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung nach § 25c Abs. 3 UStG ausgelegt werden. Damit entfalle rückwirkend der Vorsteuerabzug der Klägerin.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie trägt unter anderem vor, die Willenserklärungen des S und des H seien gegenüber der Klägerin unwirksam. Die Ausgliederung führe gemäß § 131 UmwG zu einer partiellen Gesamtrechtsnachfolge; auch gegenseitige Verträge gingen auf die übernehmende Gesellschaft über. Die an die X‑AG adressierten Schreiben hätten folglich ‑‑aufgrund der mit Wirkung zum 13.08.2010 erfolgten Ausgliederung‑‑ nicht an die Klägerin, sondern an die X‑GmbH als übernehmende Gesellschaft gerichtet werden müssen, weil diese die Lieferantenbeziehungen mit S und H fortgeführt habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung des FA vom 16.03.2018 aufzuheben sowie unter Änderung des Bescheids vom 04.11.2014 die Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr 2010 um 869.150 € zu mindern und die Umsatzsteuer auf ./. 151.509,56 € festzusetzen;
hilfsweise, unter Aufhebung des FG-Urteils die Einspruchsentscheidung des FA vom 16.03.2018 aufzuheben und die Umsatzsteuer für das Jahr 2010 nach § 163 AO um 869.150 € herabzusetzen;
weiter hilfsweise, unter Aufhebung des FG-Urteils die Einspruchsentscheidung des FA vom 08.11.2018 und den Ablehnungsbescheid vom 24.06.2016 betreffend Zinsen zur Umsatzsteuer für das Jahr 2010 aufzuheben und die festgesetzten Zinsen zur Umsatzsteuer 2010 in Höhe von 134.718 € nach § 163 AO auf 0 € festzusetzen;
weiter hilfsweise, das FG-Urteil, die Einspruchsentscheidung und den Ablehnungsbescheid vom 24.06.2016 betreffend Zinsen zur Umsatzsteuer für das Jahr 2010 aufzuheben und die festgesetzten Zinsen in Höhe von 134.718 € in voller Höhe nach § 227 AO zu erlassen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Es verteidigt die angefochtene Vorentscheidung und macht geltend, die Ausgliederung führe nicht zur Gesamtrechtsnachfolge des übernehmenden Rechtsträgers gemäß § 45 AO. Der Widerspruch gegen die Gutschriften sei daher ebenso wirksam wie der Widerruf des Verzichts auf die Steuerbefreiung.
II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Entscheidung in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Der Klage ist in ihrem Hauptantrag stattzugeben. Entgegen der Auffassung des FA und des FG entfalten die Erklärungen des S und des H im Streitfall keine Wirkung, weil sie gegenüber der falschen Person abgegeben worden sind. Der Widerspruch gegen eine Gutschrift ist im Falle einer Ausgliederung nach der Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister an den übernehmenden Rechtsträger als neuen Inhaber gegebenenfalls bestehender zivilrechtlicher Ansprüche zu richten (siehe dazu unter II.3.). Der Widerruf des Verzichts auf die Steuerbefreiung ist unwirksam, weil immer noch Rechnungen mit offenem Steuerausweis vorliegen (siehe dazu unter II.4.).
1. Das FG und die Beteiligten gehen zu Recht davon aus, dass das Recht der Klägerin auf Vorsteuerabzug aus den (aufgrund des wirksamen Verzichts auf die Steuerbefreiung) steuerpflichtigen Lieferungen von Gold durch S und H zunächst zwischen Mai und Juli 2010 entstanden ist.
2. Weiter gehen das FG und beide Beteiligte zu Recht davon aus, dass die Klägerin ihr Recht auf Vorsteuerabzug mit den von ihr erteilten, ordnungsgemäßen, als "Ankaufsrechnungen" bezeichneten Gutschriften mit gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer von 19 % zunächst ausüben durfte.
a) Die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug setzt in den Fällen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG voraus, dass der Leistungsempfänger eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt.
b) § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG beruht unionsrechtlich auf Art. 178 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL), der in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung verlangte, dass der Steuerpflichtige für den Vorsteuerabzug nach Art. 168 Buchst. a MwStSystRL eine gemäß den Art. 220 bis 236 sowie 238, 239 und 240 MwStSystRL ausgestellte Rechnung besitzen muss. Das Recht auf Vorsteuerabzug ist grundsätzlich für den Zeitraum auszuüben, in dem zum einen dieses Recht entstanden ist und zum anderen der Steuerpflichtige im Besitz einer Rechnung ist (vgl. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union ‑‑EuGH‑‑ Terra Baubedarf-Handel vom 29.04.2004 ‑ C‑152/02, EU:C:2004:268, Rz 34; Senatex vom 15.09.2016 ‑ C‑518/14, EU:C:2016:691, Rz 35; A. (Exercice du droit a deduction) vom 18.03.2021 ‑ C‑895/19, EU:C:2021:216, Rz 40).
c) Die von der Klägerin mit S und H vereinbarte Abrechnung durch Gutschrift war zulässig (§ 14 Abs. 2 Satz 2 UStG, Art. 220, 224 MwStSystRL); denn eine vom Leistungsempfänger ausgestellte Gutschrift ist als "Rechnung oder ähnliches Dokument" zu betrachten, wenn sie die für die Rechnungen vorgeschriebenen Angaben enthält, mit Einverständnis des Steuerpflichtigen, der die Gegenstände liefert oder die Dienstleistungen erbringt, ausgestellt wird und dieser dem in ihr ausgewiesenen Mehrwertsteuerbetrag widersprechen kann (vgl. EuGH-Urteil Langhorst vom 17.09.1997 ‑ C‑141/96, EU:C:1997:417). Dies ist nach deutschem Recht der Fall.
d) Die Gutschrift muss über eine Leistung des Unternehmers ausgestellt worden sein (vgl. BFH-Urteil vom 27.11.2019 ‑ V R 23/19 (V R 62/17), BFHE 267, 189, BStBl II 2021, 542, Rz 23); dies ist vorliegend der Fall, da nach den tatsächlichen Feststellungen des FG sowohl S als auch H Gold als Unternehmer geliefert haben.
e) Da nur eine gesetzlich geschuldete Steuer als Vorsteuer abziehbar ist (vgl. BFH-Urteile vom 29.08.2018 ‑ XI R 37/17, BFHE 262, 286, BStBl II 2019, 378, Rz 18; vom 05.12.2018 ‑ XI R 10/16, BFH/NV 2019, 433, Rz 58; vom 23.10.2019 ‑ V R 46/17, BFHE 267, 140, BStBl II 2022, 779, Rz 17), muss die Leistung, über die durch Gutschrift abgerechnet worden ist, außerdem steuerpflichtig sein. Dies war bei Ausstellung der Gutschriften der Fall, da nach den tatsächlichen Feststellungen des FG sowohl S als auch H zum damaligen Zeitpunkt auf die Steuerbefreiung des § 25c UStG verzichtet hatten.
3. Entgegen der Auffassung des FG und des FA haben diese Gutschriften durch die im September und November 2010 erklärten Widersprüche nicht ihre Wirkung verloren, weil die Widersprüche aufgrund der zum 13.08.2010 wirksam gewordenen Ausgliederung gegenüber der X‑GmbH hätten erklärt werden müssen. Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben.
a) Führt der Unternehmer eine Lieferung oder eine sonstige Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 aus, ist er, soweit er einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, ausführt, verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen (§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UStG). Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG kann eine Rechnung von einem in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfänger für eine Lieferung oder sonstige Leistung des Unternehmers ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde (Gutschrift).
b) Zur Bestimmung des Ausstellers einer Rechnung ist von der Rechtszuständigkeit (und Rechtspflicht) zur Abrechnung auszugehen; bei Gutschriften handelt es sich mithin um Abrechnungspapiere, bei denen nach den Grundsätzen des Zivilrechts die Rechtszuständigkeit zur Abrechnung dem Leistungsempfänger zufällt (vgl. BFH-Urteil vom 04.03.1982 ‑ V R 107/79, BFHE 135, 118, BStBl II 1982, 309, Rz 13 und 15). Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass es sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) bei dem Anspruch auf Ausstellung einer die Umsatzsteuer ausweisenden Rechnung um einen zivilrechtlichen Anspruch handelt, der vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen ist (vgl. BGH-Urteile vom 11.12.1974 ‑ VIII ZR 186/73, Wertpapier-Mitteilungen, Teil IV ‑‑WM‑‑ 1975, 77, unter I.1.; vom 14.01.1980 ‑ II ZR 76/79, WM 1980, 872, unter 7.; BGH-Beschluss vom 29.04.2008 ‑ VIII ZB 61/07, BGHZ 176, 222, Rz 24 ff.). Der Anspruch richtet sich daher grundsätzlich gegen den Unternehmer, der zivilrechtlich als Vertragspartner des Steuerpflichtigen anzusehen ist (vgl. BGH-Urteil vom 10.03.2010 ‑ VIII ZR 65/09, Deutsches Steuerrecht 2010, 1183, Rz 13 ff.); es handelt sich um eine Nebenpflicht aus dem bürgerlich-rechtlichen Vertragsverhältnis zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger, die sich ansonsten bereits aus Treu und Glauben ergeben würde (BGH-Urteil vom 24.02.1988 ‑ VIII ZR 64/87, BGHZ 103, 284, Rz 9).
c) Zum Widerspruch gegen die Gutschrift sieht § 14 Abs. 2 Satz 3 UStG vor, dass die Gutschrift die Wirkung einer Rechnung verliert, sobald der Empfänger der Gutschrift dem ihm übermittelten Dokument widerspricht. Ein wirksamer Widerspruch hat zur Folge, dass die Gutschrift die Wirkung als Rechnung ex nunc und nicht rückwirkend verliert (BFH-Urteil vom 19.05.1993 ‑ V R 110/88, BFHE 172, 163, BStBl II 1993, 779, Rz 27).
aa) Nach der Rechtsprechung des BFH ist es Sache der am Leistungsaustausch beteiligten Unternehmer, sich über die Frage der Richtigkeit der Gutschrift auseinanderzusetzen und gegebenenfalls eine neue Abrechnung, sei es durch Gutschrift oder Rechnung, herbeizuführen (BFH-Urteil vom 19.05.1993 ‑ V R 110/88, BFHE 172, 163, BStBl II 1993, 779, Rz 24). Die Finanzverwaltung soll unter anderem bei zivilrechtlich begründeten Meinungsverschiedenheiten der Vertragsparteien nicht entscheiden müssen, welche der Meinungen zutreffend ist (vgl. BFH-Urteil vom 23.01.2013 ‑ XI R 25/11, BFHE 239, 547, BStBl II 2013, 417, Rz 27). Ebenso ist deshalb zum Beispiel die zivilrechtliche Befugnis zur Rechnungsberichtigung grundsätzlich nicht zu prüfen (vgl. BFH-Urteil vom 23.01.2013 ‑ XI R 25/11, BFHE 239, 547, BStBl II 2013, 417, Rz 30).
bb) Erforderlich ist aber ein Widerspruch im Sinne einer wirksamen Willenserklärung (vgl. BFH-Urteil vom 23.01.2013 ‑ XI R 25/11, BFHE 239, 547, BStBl II 2013, 417, Rz 21). Das bedeutet, dass der Widerspruch, damit er als Willenserklärung wirksam ist, gegenüber der Person zu erklären ist, die Vertragspartei ist und die gegebenenfalls bei zivilrechtlichen Meinungsverschiedenheiten als Gläubigerin ihren auf einer vertraglichen Nebenpflicht beruhenden Anspruch auf Rechnungserteilung auf dem Zivilrechtsweg klären lassen kann.
d) Ausgehend davon hat das FG zu Unrecht die Widersprüche gegen die Gutschriften als wirksam angesehen. Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben.
aa) Das FG hat angenommen, S und H hätten allen ihnen zuvor übermittelten Gutschriften mit Schreiben vom 19.09.2010 beziehungsweise 10.11.2010 wirksam nach § 14 Abs. 2 Satz 3 UStG widersprochen. Die Erklärungen seien der Klägerin als ursprünglicher Erstellerin der Gutschriften wirksam zugegangen. Sie seien an die X‑AG als Ausstellerin der Gutschrift adressiert gewesen und auch unstrittig derart in den Machtbereich der Klägerin gelangt, dass diese davon Kenntnis habe nehmen können und dies auch getan habe. Die mit Wirkung vom 13.08.2010 erfolgten Umwandlungsmaßnahmen stünden dem nicht entgegen. Es komme nicht darauf an, ob die zivilrechtlichen Vertragsverhältnisse mit den Lieferanten S und H im Zuge der Ausgliederung zur Aufnahme auf die X‑GmbH übergegangen seien. Denn bei der Ausgliederung eines Geschäftsbetriebs trete der übernehmende Rechtsträger nicht in das steuerrechtliche Schuldverhältnis des fortbestehenden Rechtsträgers ein; dieses verbleibe beim fortbestehenden übertragenden Rechtsträger.
bb) Dies ist nicht frei von Rechtsfehlern. Denn aufgrund dessen, dass der Anspruch auf Rechnungserteilung und die Berechtigung zur Erteilung von Gutschriften bei zivilrechtlichen Verträgen zivilrechtlicher Natur ist (s. dazu unter II.3.b), kommt es für die Frage, ob ein Widerspruch wirksam ist, nicht auf das Vorliegen einer steuerrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge an, sondern auf die Frage, wer hierfür zivilrechtlich zuständig ist. Die erforderliche Willenserklärung ist an denjenigen zu richten, der zivilrechtlich dazu berechtigt ist, die Rechnung oder Gutschrift zu erteilen. Dies war seit dem 13.08.2010 nicht mehr die Klägerin.
(1) Nach § 123 Abs. 3 Nr. 1 UmwG kann ein Rechtsträger (übertragender Rechtsträger) ‑‑wie hier die Klägerin‑‑ aus seinem Vermögen einen Teil oder mehrere Teile zur Aufnahme durch Übertragung dieses Teils oder dieser Teile jeweils als Gesamtheit auf einen bestehenden oder mehrere bestehende Rechtsträger (übernehmende Rechtsträger) ‑‑wie hier die X‑GmbH‑‑ gegen Gewährung von Anteilen oder Mitgliedschaften dieses Rechtsträgers oder dieser Rechtsträger an den übertragenden Rechtsträger ausgliedern (Ausgliederung). Die Eintragung der Spaltung in das Register des Sitzes des übertragenden Rechtsträgers hat nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG unter anderem die Wirkung, dass bei Ausgliederung der ausgegliederte Teil oder die ausgegliederten Teile des Vermögens des übertragenden Rechtsträgers einschließlich der Verbindlichkeiten entsprechend der im Spaltungs- und Übernahmevertrag vorgesehenen Aufteilung jeweils als Gesamtheit auf die übernehmenden Rechtsträger übergehen.
(2) Bei der Ausgliederung handelt es sich um eine besondere Übertragungsart, die es gestattet, anstelle der Einzelübertragung verschiedener Vermögensgegenstände eine allein durch den Parteiwillen zusammengefasste Summe von Vermögensgegenständen in einem Akt zu übertragen (BFH-Urteil vom 07.08.2002 ‑ I R 99/00, BFHE 199, 489, BStBl II 2003, 835, Rz 17). Es soll zwar keine Gesamtrechtsnachfolge im Sinne des § 45 AO eintreten (vgl. BFH-Urteile vom 26.09.2006 ‑ X R 21/04, BFH/NV 2007, 186, Rz 29; vom 05.11.2009 ‑ IV R 29/08, BFHE 226, 492, Rz 19 f.). Mit der Eintragung im Handelsregister geht aber im Wege der Sonderrechtsnachfolge das von der Ausgliederung umfasste Vermögen des Unternehmens einschließlich der Verbindlichkeiten sowie bestehender Verträge uno actu im Wege der partiellen Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG auf den übernehmenden Rechtsträger über (vgl. BGH-Urteil vom 02.07.2021 ‑ V ZR 201/20, Monatsschrift für Deutsches Recht 2021, 1384, Rz 11 und 19; Urteil des Bundesarbeitsgerichts ‑‑BAG‑‑ vom 16.05.2013 ‑ 6 AZR 556/11, BAGE 145, 163, Rz 18). Ein gesonderter Übertragungsakt hinsichtlich der einzelnen Gegenstände ist nicht erforderlich (vgl. BAG-Urteil vom 19.10.2017 ‑ 8 AZR 63/16, BAGE 160, 345, Rz 23). Die partielle Gesamtrechtsnachfolge umfasst unter anderem die gesamten Vertragsverhältnisse, die auf diese Weise ohne Zustimmung der anderen Vertragspartei kraft Gesetzes auf den übernehmenden Rechtsträger übertragen werden (Urteil des Bundessozialgerichts vom 11.09.2019 ‑ B 6 KA 2/18 R, GesundheitsRecht 2020, 178, Rz 36). Ob der Dritte die Bekanntmachung kannte, ist wegen der Publizität des Handelsregisters (§ 15 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs) unerheblich (vgl. BGH-Urteil vom 25.01.2008 ‑ V ZR 79/07, BGHZ 175, 123, Rz 30; a.A. wohl Rieble, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 1997, 301, 309).
(3) Nach diesen Grundsätzen ist ‑‑wovon auch das FG ausgegangen ist‑‑ aufgrund der Ausgliederung am 13.08.2010 zivilrechtlich die X‑GmbH Vertragspartnerin des S und des H geworden. Nur sie war fortan für die Erteilung von (geänderten oder neuen) Gutschriften zuständig und konnte im Fall eines Widerspruchs den gegebenenfalls bestehenden zivilrechtlichen Anspruch auf Erteilung einer Rechnung mit offenem Steuerausweis gegebenenfalls gerichtlich durchsetzen. An sie wären daher die Widersprüche zu richten gewesen. Dies ist nicht geschehen. Adressatin der Widersprüche ist nach den tatsächlichen Feststellungen des FG die Klägerin (unter der Firma X‑AG) und nicht die X‑GmbH. Die Widersprüche sind daher unwirksam, da sie an den falschen Empfänger adressiert sind.
cc) Diese Auslegung trägt außerdem ‑‑was das FG bei seiner Urteilsfindung noch nicht berücksichtigen konnte‑‑ den unionsrechtlichen Vorgaben Rechnung. Nach Auffassung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) hat die einseitige Annullierung einer Rechnung durch einen Lieferer, gefolgt von der Ausstellung einer neuen Rechnung über dieselben Lieferungen durch diesen Lieferer in einem späteren Erstattungszeitraum, ohne dass die Lieferungen in Frage gestellt würden, weder einen Einfluss auf das Bestehen des bereits geltend gemachten Anspruchs auf Mehrwertsteuererstattung noch auf den Zeitraum, für den er geltend zu machen ist (vgl. EuGH-Urteil Wilo Salmson France vom 21.10.2021 ‑ C‑80/20, EU:C:2021:870, Tenor Ziffer 3). Für den Vorsteuerabzug gilt insoweit nichts anderes; denn der Anspruch auf Erstattung der in einem anderen Mitgliedstaat entrichteten Mehrwertsteuer entspricht dem Anspruch auf Abzug der in seinem eigenen Mitgliedstaat entrichteten Vorsteuer (vgl. EuGH-Urteile SMS group vom 21.09.2017 ‑ C‑441/16, EU:C:2017:712, Rz 38; Volkswagen vom 21.03.2018 ‑ C‑533/16, EU:C:2018:204, Rz 36; CHEP Equipment Pooling vom 11.06.2020 ‑ C‑242/19, EU:C:2020:466, Rz 52). Die Klägerin hatte im Streitfall den Anspruch auf Vorsteuerabzug im Zeitpunkt des Widerspruchs bereits (erfolgreich) in ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung (§ 18 Abs. 1 UStG) geltend gemacht. Die nationalen Regelungen zur Umsatzsteuer-Jahreserklärung (§ 18 Abs. 3 UStG) sind fakultativ (Art. 261 MwStSystRL).
4. Die Sache ist spruchreif im Sinne der Stattgabe der Klage im Hauptantrag. Soweit S und H ihren Verzicht auf die Steuerbefreiung des § 25c UStG widerrufen haben sollten, ist (auch) dieser Widerruf ‑‑entgegen der Auffassung des FG‑‑ unwirksam, da die Gutschriften nicht wirksam berichtigt worden sind.
a) Die Erklärung des Verzichts auf eine Steuerbefreiung (Option) ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die rechtsgestaltend auf das bestehende Umsatzsteuerrechtsverhältnis einwirkt (vgl. BFH-Urteile vom 25.11.1976 ‑ V R 98/71, BFHE 121, 550, BStBl II 1977, 448, Rz 22; vom 25.01.1979 ‑ V R 53/72, BFHE 127, 238 , BStBl II 1979, 394, Rz 19). Der Verzicht kann auch durch schlüssiges Verhalten erklärt werden, soweit aus den Erklärungen und sonstigen Verlautbarungen, in die das gesamte Verhalten einzubeziehen ist, der Wille zum Verzicht eindeutig hervorgeht; der Unternehmer verzichtet auf die Steuerbefreiung unter anderem dann, wenn er darüber gegenüber dem Leistungsempfänger mit besonderem Ausweis der Umsatzsteuer abrechnet (vgl. BFH-Urteile vom 02.04.1998 ‑ V R 34/97, BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695, Rz 27; vom 16.07.1997 ‑ XI R 94/96, BFHE 183, 301, BStBl II 1997, 670, Rz 20).
b) Ein erklärter Verzicht auf die Steuerbefreiung kann widerrufen und damit im Ergebnis die Leistung (wieder) als steuerfrei behandelt werden (zu § 25c UStG s. BFH-Urteil vom 10.12.2009 ‑ XI R 7/08, BFH/NV 2010, 1497; zu § 9 UStG s. § 14c Abs. 1 Satz 3 UStG sowie BFH-Urteile vom 25.01.1979 ‑ V R 53/72, BFHE 127, 238 , BStBl II 1979, 394, Rz 20; vom 19.12.2013 ‑ V R 7/12, BFHE 245, 80, BStBl II 2017, 841, Rz 20). Macht der leistende Unternehmer den Verzicht auf die Steuerbefreiung für Anlagegold wirksam rückgängig, so verliert der Leistungsempfänger den Vorsteuerabzug rückwirkend im Jahr des Leistungsbezugs (vgl. BFH-Urteil vom 10.12.2009 ‑ XI R 7/08, BFH/NV 2010, 1497).
aa) Der Verzicht und sein Widerruf als actus contrarius sind dabei mit Blick auf die zeitlichen Grenzen ihrer Ausübung gleich zu behandeln (vgl. BFH-Urteil vom 02.07.2021 ‑ XI R 22/19, BFHE 274, 170, Rz 20); es kommt darauf an, wie der Unternehmer den Umsatz im letzten maßgebenden Zeitpunkt behandelt.
bb) Der Widerruf des Verzichts ist nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH nicht von der Zustimmung des Leistungsempfängers abhängig, und zwar selbst dann nicht, wenn der leistende Unternehmer dem Leistungsempfänger gegenüber an sich zivilrechtlich verpflichtet ist, den Umsatz als steuerpflichtig zu behandeln, das heißt auf die Steuerbefreiung zu verzichten (vgl. BFH-Urteile vom 25.02.1993 ‑ V R 78/88, BFHE 171, 369, BStBl II 1993, 777; vom 11.08.1994 ‑ XI R 57/93, BFH/NV 1995, 170). Die Rückgabe der Erstrechnung ist ebenfalls nicht erforderlich (vgl. auch BFH-Urteil vom 29.10.1992 ‑ V R 48/90, BFHE 169, 559, BStBl II 1993, 251).
cc) Hat der Unternehmer auf die Steuerfreiheit des Umsatzes dadurch verzichtet, dass er dem Leistungsempfänger den Umsatz unter gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer in Rechnung gestellt hatte, kann er den Verzicht allerdings nur dadurch rückgängig machen, dass er dem Leistungsempfänger eine berichtigte Rechnung ohne Umsatzsteuer erteilt (vgl. BFH-Urteil vom 01.02.2001 ‑ V R 23/00, BFHE 194, 493, BStBl II 2003, 673; BFH-Beschluss vom 03.04.2013 ‑ V B 64/12, BFH/NV 2013, 1135).
c) Dies ist aus den unter II.3. genannten Gründen im Streitfall nicht geschehen. Die Gutschriften mit offenem Steuerausweis sind immer noch wirksam. Der Widerruf des Verzichts auf die Steuerbefreiung des § 25c UStG ist daher unwirksam.
5. Da die Klage in ihrem Hauptantrag Erfolg hat, muss über die Hilfsanträge vom Senat nicht mehr entschieden werden.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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