Wirtschaftsprüfer-Präsident Dörschell: „Abschlussprüfung ist keine Einbahnstraße“
Bei der Suche nach einem Abschlussprüfer im Fall Adler steht der Berufsstand zu Unrecht in der Kritik
Kontrahierungszwang kontraproduktiv
Wirtschaftsprüferkammer (WPK), Pressemitteilung vom 20.1.2023
Bei der Suche des Immobilienunternehmens Adler Real Estate AG nach einem Abschlussprüfer ist der Berufsstand aus Sicht der Wirtschaftsprüferkammer zu Unrecht in die Kritik einer Verweigerungshaltung geraten.
„Wenn man die Presseberichte der letzten Zeit liest, könnte man den Eindruck gewinnen, der Wirtschaftsprüferberuf würde seinen Pflichten nicht nachkommen. Das Gegenteil ist der Fall“, so Andreas Dörschell, Präsident der Wirtschaftsprüferkammer.
Dörschell weiter: „Abschlussprüfung ist keine Einbahnstraße. Sie ist getragen vom Gedanken der Kooperation zwischen dem zu prüfenden Unternehmen und seinem Abschlussprüfer. Das Gesetz gibt dem Abschlussprüfer das Recht auf Aufklärungen und auf Vorlage von Nachweisen durch das zu prüfende Unternehmen. Der Abschlussprüfer ist berufsrechtlich sogar dazu verpflichtet zu untersuchen, welche Aufklärungen und Nachweise er für die Durchführung der Abschlussprüfung benötigt. Das gilt vor der Auftragsannahme und in der laufenden Prüfung. Werden ihm nicht alle erforderlichen Unterlagen zur Verfügung gestellt, kann ein Prüfungshemmnis vorliegen, das bei entsprechender Tragweite zu einem Versagungsvermerk des Abschlussprüfers führt.
So geschah es Ende April 2022 im Fall Adler, als die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG einen Versagungsvermerk erteilte und das Mandat niederlegte. Laut Versagungsvermerk war es KPMG nicht möglich, ausreichende geeignete Prüfungsnachweise als Grundlage für Prüfungsurteile zum Jahresabschluss und zum zusammengefassten Lagebericht zu erlangen, da die Vorlage von – Presseberichten zufolge – ca. 800.000 E-Mails verweigert worden war.
Vor diesem Hintergrund überrascht es mich nicht, dass KPMG im Januar 2023 die Bestellung zum Abschlussprüfer im gerichtlichen Ersetzungsverfahren (§ 318 Abs. 3 Handelsgesetzbuch) durch das Amtsgericht Charlottenburg abgelehnt hat.
Jüngst wurde in der Presse der Ruf nach Einführung eines Kontrahierungszwangs für Wirtschaftsprüfer laut. Ein solches Instrument gibt es bei Wirtschaftsprüfern mit gutem Grund nicht. Der zum Vergleich herangezogene Kontrahierungszwang bei Notaren ist nicht übertragbar auf die Beauftragung von Wirtschaftsprüfern. So ist die Aufgabenstellung für Notare eine andere und auch dort kann ein Notar bei Vorliegen eines ausreichenden Grundes seine Urkundstätigkeit verweigern (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Bundesnotarordnung).
Vor allem aber würde ein Kontrahierungszwang dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers nach Kooperation in der Abschlussprüfung zuwiderlaufen. Es wäre kontraproduktiv für die erfolgreiche Durchführung einer Prüfung, den Abschlussprüfer zur Auftragsannahme zu zwingen, obwohl eine fehlende Kooperationsbereitschaft des Mandanten bereits erkennbar ist. Gerade die von Adler beauftragte Untersuchung der 800.000 E-Mails durch eine Rechtsanwaltsgesellschaft und das Angebot von Adler, lediglich diesen Bericht vorzulegen, zeigen, dass Adler laut Presseberichten anscheinend immer noch nicht vollumfänglich kooperieren will.
Festzuhalten bleibt: Wenn sich ein Unternehmen nicht zur vollumfänglichen Zusammenarbeit mit dem Abschlussprüfer entschließt und nicht alle erforderlichen Unterlagen vorlegen möchte, kann der Abschlussprüfer seine Aufgabe nicht ordnungsgemäß erfüllen. Dabei entscheidet allein der Abschlussprüfer, welche Unterlagen er für die Abschlussprüfung benötigt.
Bei der Gelegenheit: Bis zum Erlass des Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG) im Jahr 2021 gab es für ein kapitalmarktorientiertes Unternehmen nicht das Problem, einen Abschlussprüfer zu finden. Seit dem FISG besteht für einen Abschlussprüfer bei der Prüfung von kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften – wie Adler – das Risiko, dass ein Gericht eine Handlung oder Unterlassung als grob fahrlässig wertet. In diesem Fall droht die unbeschränkte persönliche Haftung, auch der handelnden Akteure, und dies gilt selbst für den Fall der Einschränkung oder Versagung des Testats. Nur die möglichen Kläger unterscheiden sich womöglich.“
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