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DIW Berlin: Senkung der Mehrwertsteuer entlastet untere und mittlere Einkommen

Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), Pressemitteilung vom 2.8.2017

DIW rechnet verschiedene Szenarien durch: Untere und mittlere Einkommensschichten profitieren stärker von einer Mehrwertsteuersenkung als von Einkommensteuerreformen

Eine Senkung des Mehrwertsteuerregelsatzes um einen Prozentpunkt auf 18 Prozent entlastet mittelfristig die Verbraucherinnen und Verbraucher um elf Milliarden Euro jährlich – wenn die Unternehmen sie über niedrigere Preise weitergegeben haben. Würde man zusätzlich den ermäßigten Steuersatz für Nahrungsmittel und den öffentlichen Nahverkehr um zwei Prozentpunkte auf fünf Prozent senken, summierte sich die steuerliche Entlastung auf knapp 15 Milliarden Euro. „40 Prozent der Entlastung würden an die ärmere Hälfte der Bevölkerung gehen“, sagt Stefan Bach, Steuerexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), der zusammen mit Niklas Isaak verschiedene Szenarien einer Mehrwertsteuersenkung durchgerechnet hat.

In der aktuellen Debatte um Steuerreformen geht es zwar in der Regel um die Entlastung von Beziehern mittlerer Einkommen. De facto würden aber die von SPD und Union vorgeschlagenen Reformen bei der Einkommensteuer vor allem Haushalte mit höheren Einkommen entlasten, da viele Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen keine oder nur sehr wenig Einkommensteuer zahlen. Eine Senkung der Mehrwertsteuer wäre ein zielgenaueres Instrument, um Bezieher geringer Einkommen zu entlasten. Auch Bezieher mittlerer Einkommen würden von einer Mehrwertsteuersenkung stärker profitieren als von einer gleichgroßen Absenkung der Einkommensteuer. Lediglich das obere Drittel der Einkommensverteilung würde von einer Einkommensteuersenkung mehr profitieren als von einer Mehrwertsteuersenkung.

Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz sollte nur für den notwendigsten Bedarf gelten

Eine Senkung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes würde jährlich mit 2,5 Milliarden Euro je Prozentpunkt zu Buche schlagen. Da viele Ermäßigungen – etwa für Hotels, Tierfutter oder Schnittblumen – bereits in der Kritik stehen, scheint es fragwürdig, den ermäßigten Mehrwertsteuersatz generell zu senken. Vielmehr sollte der ermäßigte Satz auf seine wesentliche Funktion beschränkt werden, den lebensnotwendigen Bedarf und damit das Existenzminimum zu entlasten. Darunter fallen nur Nahrungsmittel und der öffentliche Personennahverkehr. Vor allem die Ermäßigung für Nahrungsmittel wirkt der Regressivität der Mehrwertsteuer stark entgegen, da sie mit steigendem Einkommen anteilig weniger nachgefragt werden.

Würde man den ermäßigten Satz nur für Nahrungsmittel und den öffentlichen Nahverkehr auf fünf Prozent senken, ergäbe sich eine Entlastung von 3,8 Milliarden Euro. Zusammen mit den elf Milliarden Euro für die Senkung des Regelsatzes auf 18 Prozent lägen die Mindereinnahmen für den Fiskus dann bei insgesamt knapp 15 Milliarden Euro. Würde man ferner alle übrigen Mehrwertsteuerermäßigungen schrittweise abschaffen, ergäben sich bei einem Regelsatz von 18 Prozent langfristig Mehreinnahmen von gut sieben Milliarden Euro. Insgesamt verblieben dann für den Fiskus lediglich Mindereinnahmen von 7,4 Milliarden Euro.

„Der Wettbewerbsdruck wird die Unternehmen dazu zwingen, die Steuererleichterungen an die Verbraucherinnen und Verbraucher weiterzugeben“, ist Stefan Bach überzeugt. Spätestens nach fünf Jahren seien die niedrigeren Mehrwertsteuersätze weitgehend in niedrigere Preise überwälzt. Eine Mehrwertsteuersenkung könnte zudem über den Konsum die Importe anregen und damit einen kleinen Beitrag zum Abbau der hohen Exportüberschüsse Deutschlands leisten.

Hintergrund

Haushalte mit geringen und mittleren Einkommen zahlen keine oder nur wenig Einkommensteuer, weshalb sie von einer Senkung der Einkommensteuer nicht profitieren. Ihre Steuerbelastung wird von den indirekten Steuern dominiert, die stark regressiv wirken, also ärmere Haushalte im Verhältnis zum laufenden Einkommen deutlich stärker belasten als reiche. So werden die ärmsten zehn Prozent der Bevölkerung mit durchschnittlich 12,7 Prozent ihres Einkommens belastet, die reichsten zehn Prozent nur mit 6,8 Prozent. Die größte indirekte Steuer ist die Mehrwertsteuer, die mit einem Aufkommen von derzeit etwa 226 Milliarden Euro oder sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts etwa 30 Prozent der gesamten Steuereinnahmen in Deutschland ausmacht.

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