PwC: Neue Form der Umsatz-Bilanzierung wird Unternehmen Milliarden kosten
PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft, Pressemitteilung 28.05.2014
Neufassung des internationalen Rechnungslegungsstandard IFRS / Unternehmen betroffen, die mit ihren Kunden Mehrkomponenten-Verträge abschließen / Verbraucher schließen in Deutschland jährlich 30 Millionen Verträge ab / Umsätze müssen in der Rechnungslegung in Zukunft anders abgebildet werden
Wenn Kunden einen Mobilfunkvertrag abschließen, bekommen sie meist ein Handy zum besonders günstigen Preis angeboten. Unternehmen müssen in Zukunft Umsätze nach einem neuen Standard verbuchen. Die größten Auswirkungen ergeben sich für Unternehmen, die mit ihren Kunden Mehrkomponenten-Verträge abschließen. Das sieht eine Neufassung des internationalen Rechnungslegungsstandards IFRS vor, der 2017 verbindlich in Kraft treten wird. Unternehmen müssen mit einem erheblichen Aufwand und immensen Investitionen rechnen, wie Christoph Gruss, Experte für Rechnungslegung bei PwC, erläutert.
Was ändert sich für Unternehmen mit dem neuen Standard für die Umsatzrealisierung?
Christoph Gruss: Unternehmen müssen nach dem neuen Standard in Zukunft Umsätze in ihrer Rechnungslegung anders abbilden, wenn sie Produkte und die dazugehörige Dienstleistung im Paket verkaufen und der Preis für einen Teil künstlich niedrig bzw. aus Kundensicht attraktiv ist. Der Rechnungsbetrag, den der Kunde bezahlt, weicht von dem ab, der als Umsatz in Zukunft in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesen wird. Das war in vielen Fällen bisher nicht der Fall.
Können Sie dafür ein Beispiel nehmen?
Gruss: Typisch sind solche Verträge in der Telekommunikationsbranche. Häufig bieten Unternehmen einen Mobilfunkvertrag über einen Zeitraum von zwei Jahren mit einer Flatrate von angenommen 20 Euro pro Monat an – die Kunden bekommen das Handy zum Discount-Preis von einem Euro. Bislang wurde dieser eine Euro für das Handy als Umsatz im Augenblick des Handyverkaufs ausgewiesen und dann bis zum Vertragsende monatlich jeweils 20 Euro. Nach dem neuen Standard müssen Unternehmen nun sehr viel klarer für jede einzelne Leistung einen relativen Marktwert ermitteln und diesen auch in ihrer Rechnungslegung entsprechend ausweisen. So könnte dann das Handy nicht mehr mit einem Euro, sondern mit 121 Euro als Umsatz in die Gewinn- und Verlustrechnung eingehen und die monatliche Flatrate nur noch mit 15 Euro, obwohl die Kunden noch immer Monat für Monat 20 Euro bezahlen.
Welche Unternehmen sind von dieser neuen Regelung davon betroffen?
Gruss: Dieser neue Standard gilt für Unternehmen, die nach dem internationalen Rechnungslegungsstandard IFRS berichten. Betroffen sind vor allem Branchen mit Kundenverträgen mit Mehrkomponenten. So zum Beispiel die Telekommunikationsbranche. Allein in Deutschland schließen Verbraucher jährlich 30 Millionen Verträge ab, bei denen sie häufig ein Handy oder ein Smartphone zu einem sehr günstigen Preis erwerben können. Aber auch in der Automobilindustrie gewinnen solche Verträge an Bedeutung. Die Automobilproduzenten bieten beim Autokauf immer häufiger Wartungsverträge für einen längeren Zeitraum an. Beim Verkauf von Heizungen oder Maschinen werden solche Serviceverträge auch immer üblicher. Die Unternehmen streben dauerhafte Kundenbeziehungen an. Sie wollen die Kunden an sich binden und mit ihnen in Kontakt bleiben.
Welche Konsequenzen hat dieser neue Ausweis der Umsatzrealisierung für Unternehmen?
Gruss: Für die Unternehmen hat dieser neue Standard einen immensen Aufwand zur Folge. Sie müssen für die Rechnungslegung Prozesse neu gestalten und die IT entsprechend anpassen. Das Problem besteht darin, alle Bestandteile von Mehrkomponenten-Verträgen separat zu bewerten und entsprechend abzubilden. Je vielfältiger die Vertragsbeziehungen sind, die ein Unternehmen zu seinen Kunden hat, desto komplexer ist es, diese Umsätze in der Rechnungslegung darzustellen. Die Kosten sind immens. Allein die Telekommunikationsbranche in Europa hat die Kosten für die Umsetzung dieser Regelung auf mehrere hundert Millionen Euro taxiert. Hochgerechnet auf alle Branchen werden die Aufwendungen daher im Milliardenbereich liegen.
Ist es überhaupt möglich, die Umsätze für jeden einzelnen Vertrag in der Rechnungslegung abzubilden?
Gruss: In der Praxis ist es in bestimmten Branchen sehr schwer möglich, jeden Vertrag einzeln zu erfassen, wie das der Standardsetzer als Grundregel vorgesehen hat. Alternativ ermöglicht der Standard unter bestimmten Voraussetzungen die Anwendung eines Portfolio-Ansatzes, bei dem ähnliche Verträge gebündelt und entsprechend bilanziert werden. Das reduziert den Aufwand ganz erheblich. Aber klar ist auch, dass es keine pauschalen Lösungen gibt. Jedes Unternehmen muss eine individuelle Antwort auf die Standardänderung finden.
Wirkt sich diese neue Form der Umsatzrealisierung auf die Gewinne aus?
Gruss: Aufgrund dieser neuen Form der Umsatzrealisierung werden unter Umständen auch Gewinne vorgezogen, weil wie das Handybeispiel zeigt, direkt beim Verkauf ein höherer Umsatz in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesen wird. Dies ist gegenüber Investoren erklärungsbedürftig und deswegen auch eine Sache für Controlling und Investor Relations.
Der neue Standard tritt ja erst 2017 in Kraft. Da bleibt doch noch genügend Zeit?
Gruss: Unternehmen sollten den Aufwand nicht unterschätzen, um Systeme und Prozesse anzupassen. Die Unternehmen müssen ihre Reporting-Abläufe rechtzeitig umstellen. Vor allem können sie nach wie vor nicht auf eine standardisierte Software-Lösung zurückgreifen. Während die Telekommunikationsindustrie schon intensiv an Lösungen arbeitet, haben andere ebenfalls stark betroffene Branchen wie die Automobilbauer die Brisanz des Themas noch nicht wirklich erkannt.
Halten Sie es für möglich, dass die neue Regelung auch Geschäftsmodelle verändert?
Gruss: Eigentlich sollte das Rechnungswesen keinen Einfluss auf die Geschäftsmodelle nehmen. Aber dieser neue Standard ist so grundlegend, dass hier mit Ausnahmen von dieser Regel zu rechnen sein kann. So gibt es ja sogar schon erste Anbieter, die Verträge wieder splitten und Produkt sowie Dienstleistung separat verkaufen.
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