Verdienstgrenzen für Minijobs umstritten
Deutscher Bundestag, Kurzmeldung vom 26.11.2018 (hib 913/2018)
Die FDP schlägt in dem Gesetzentwurf vor, die Verdienstgrenzen an die Entwicklung des Mindestlohns zu koppeln. Im kommenden Jahr solle die Verdienstgrenze bei geringfügiger Beschäftigung auf das 60-fache des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns festgelegt werden und bei Beschäftigung in der Gleitzone auf das 145-fache des Mindestlohns. Durch diese Änderung werde ein Automatismus eingeführt, der eine Anpassung der bisher starren Grenzen bei jeder Anpassung des Mindestlohns zulasse, wird argumentiert.
Zur Begründung schreibt die Fraktion, die Verdienstgrenzen seien seit 2013 nicht angehoben worden, weil die derzeit starren Regelungen keine automatische Anpassung an die allgemeine Lohnentwicklung zuließen. Mit jeder Erhöhung des Mindestlohns reduzierten sich deshalb die Stunden, die Beschäftigte im Rahmen von Mini- oder Midi-Jobs arbeiten dürfen. Sie könnten damit auch nicht von den Erhöhungen des allgemeinen Mindestlohns oder der Lohnentwicklung insgesamt profitieren.
Aus Sicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) ist der Gesetzentwurf, "ökonomisch falsch, arbeitsmarktpolitisch schädlich und gesellschaftspolitisch rückständig". Eine weitere Ausweitung der Minijobzone würde den Fachkräftemangel am deutschen Arbeitsmarkt weiter verschärfen, sagte der DGB-Vertreter Johannes Jakob. Statt einer Ausweitung der Minijobs müsse eine Exit-Strategie entwickelt werden, damit in einer Übergangszeit die Minijobs vollständig in den allgemeinen Arbeitsmarkt integriert werden könnten.
Minijobs seien ihrer Konstruktion nach eine Falle, hieß es von Seiten der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Sie leisteten durch die fehlende volle Versicherungspflicht einen Beitrag zu niedrigen Renten - insbesondere bei Frauen, sagte NGG-Vertreter Micha Heilmann. "Wir sollten nicht die Anreize für diese Art der Beschäftigung verstärken", betonte er.
Gerald Friedrich von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) verwies hingegen darauf, dass Minijobs gerade kleinen Unternehmen helfen würden, in besonderen Situationen ihre Beschäftigung "passgenau zu organisieren". Die starre Verdienstgrenze führe aber dazu, dass geringfügig Beschäftigte auf Lohn- und Gehaltsanhebungen mit Arbeitszeitreduzierungen reagieren würden. Bei einer Dynamisierung der Verdienstgrenzen sei eine solche "ungewollte" Reduzierung der Arbeitszeit nicht mehr nötig, argumentierte der BDA-Vertreter.
Die Einschätzung, dass bei steigenden Löhnen die Arbeitszeit der Minijobber sinken würde, teilte auch Erik Thomsen, Leiter der Minijobzentrale. Profitieren von einer Anhebung der Verdienstgrenze würden seiner Aussage nach vor allen jene, die momentan nahe an der Grenze von 450 Euro seien. 33 Prozent der Minijobber verdienten derzeit zwischen 400 und 450 Euro. Ebenfalls profitieren würden Personen, die keine versicherungspflichtige Beschäftigung aber mehrere Minijobs ausübten.
Der Sozialrechtler Ulrich Preis nannte den Gesetzentwurf den "völlig falschen Weg". Zentrales Element einer Neuordnung müsse hingegen die Abschaffung der Sozialversicherungsfreiheit für all jene Beschäftigungsverhältnisse sein, die über eine Bagatellvergütung von 100 Euro monatlich hinausgehen, sagte er.
Aus Sicht von Jens Stegmaier vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung darf eine Reform der geringfügigen Beschäftigung nicht - wie mit dem Gesetzentwurf vorgesehen - in Richtung einer Ausweitung gehen. Vielmehr müsse es eine schrittweise Eingrenzung geben, sagte er.
Holger Schäfer vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln erkannte hingegen den Bedarf für eine Dynamisierung der Verdienstgrenzen. Diese sei nötig, damit die Verdienstgrenzen nicht durch Lohn- und Preisentwicklungen ständig entwertet würden, sondern konstant bleiben könnten.
Zwar sei eine jährliche Anhebung der Verdienstgrenze sinnvoll, urteilte Karl Brenke vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Wenn bei Midijobs aber die Verdienstgrenze bei 1.333 Euro liegen solle, wie aus dem FDP-Entwurf hervorgehe, bestehe die Gefahr, dass "in nicht geringer Zahl" reguläre sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse in bei Steuern und Abgaben privilegierte Beschäftigungsverhältnisse umgewandelt würden, warnte Brenke.
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