BRAK: Steuervereinfachung und Steuerfairness? Keine Wachstumschancen!
BRAK übt scharfe Kritik am Referentenentwurf des BMF zum Wachstumschancengesetz
Bundesrechtsanwaltskammer, Presseerklärung Nr. 6/2023 vom 26.7.2023
Unter dem vielversprechenden Titel Wachstumschancengesetz leitete das Bundesministerium der Finanzen (BMF) der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) einen Referentenentwurf zu, dessen Ziel es sein soll, Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness zu stärken. Was nach Begünstigungen für Steuerpflichtige klingt – und der BRAK mit unverhältnismäßig kurzer Stellungnahmefrist präsentiert wurde - entpuppt sich auf den zweiten Blick im Wesentlichen als etwas ganz anderes, nämlich als Pflichtenkatalog für Beraterinnen und Berater sowie Steuerpflichtige, denn insbesondere die Regelung in der Abgabenordnung (AO) enthält Mitteilungspflichten bei nationaler Steuergestaltung.
Trotz der knapp bemessen Frist hat sich der BRAK-Ausschuss Steuerrecht intensiv mit dem Entwurf befasst und sieht sich veranlasst, mit einer Stellungnahme scharfe Kritik zu üben. Bereits den Titel des geplanten Gesetzes kritisiert die BRAK als irreführend. Für Steuervereinfachung, Steuerfairness oder Wachstumschancen lässt der Entwurf keinen Raum. Die in Art. 1 genannten Förderungen setzen ein erhebliches Investment des Steuerpflichtigen voraus. Nur unter erheblichem Kapitaleinsatz kann er ggf. eine Förderung von 15 % der Bemessungsgrundlage erhalten. Hinsichtlich der Grenze für ein geringwertiges Wirtschaftsgut eine Anpassung von 800 auf 1.000 Euro festzulegen, dürfte ebenfalls keinen Investitionsschub bedingen. Schon gar nicht wachstums- oder investitionsfördernd zeigen sich nach Auffassung der BRAK die Änderungen in der Abgabenordnung. Statt Steuervereinfachung sehen sie für die Steuerpflichtigen und ihre Berater einen erheblichen Verwaltungsmehraufwand vor und setzen sie außerdem einer weiteren Bußgelddrohung aus.
Die geplante Erweiterung von Meldepflichten auf innerstaatliche Steuergestaltungen nach §§ 138l ff. AO-E lehnt die BRAK kategorisch ab. In der geplanten Ausdehnung sieht sie eine nicht verhältnismäßige, nicht hinreichend evaluierte und rechtsstaatsgefährdende Verletzung des Verschwiegenheitsprivilegs rechts- und steuerberatender Berufe, die in keinerlei akzeptablem Kosten-Nutzen-Verhältnis steht. Die massive Belastung des Vertrauensverhältnisses zwischen Rechtsanwalt und Mandant scheint im Rahmen des Gesetzgebungsvorhabens seitens des BMF nicht im Ansatz bedacht, jedenfalls aber ignoriert worden zu sein. Dieses rechtsstaatlich elementare Privileg nicht berücksichtigt zu wissen, hält die BRAK für untragbar. Es gehört zu den Aufgaben von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, für ihre Mandantinnen und Mandanten die jeweils aktuelle Rechtslage zu prüfen und dann das umzusetzen, was aufgrund dieser Rechtslage legal möglich ist. Dies schließt auch eine Steueroptimierung ein. Anderenfalls laufen Anwältinnen und Anwälte Gefahr, sich einer Haftung auszusetzen. Sie müssten durch die Einführung der Meldepflicht also das melden, was ihr ureigener Tätigkeitsbereich ist und würden auch damit gegen ihre gesetzliche Verschwiegenheitsverpflichtung verstoßen.
Rechtsanwältin Ulrike Paul, zuständige Vizepräsidentin der BRAK findet deutliche Worte: „Es geht hier um nicht weniger, als einen gesetzlichen Straftatbestand (§ 203 StGB) für die Interessen der Finanzverwaltung außer Kraft zu setzen. Das finde ich unerhört! Nennen wir das Kind doch beim Namen: Aus rein fiskalischen Interessen soll die Anwaltschaft zum Volksverpetzer gemacht und eine tragende Säule unseres Rechtsstaats abgesägt werden. Der Vertrauensschaden für Rechtsuchende – nicht nur gegenüber ihrem Anwalt, sondern auch gegenüber dem Rechtsstaat – wäre unumkehrbar und unwiderruflich. Ich persönlich empfinde das als regelrecht skandalös. Nun sollen Anwaltschaft und Steuerpflichtige richten, was der Steuergesetzgeber versäumt hat. Ein inakzeptables Ansinnen.“
Besonders prekär: Außerhalb der EU ansässige Berater wären von der Regelung nicht erfasst. „Wachstumschancen ergeben sich hieraus in gewisser Weise schon“, so Vizepräsidentin Paul mit einer gehörigen Portion Sarkasmus. „Allerdings ausschließlich im Sinne von Zuwachs im Beratungsmarkt außerhalb der EU. Für uns dagegen besteht nicht nur das Problem der Meldepflicht an sich, sondern auch Ungewissheit darüber, wann überhaupt was zu melden ist. Der Entwurf ist an Unschärfe kaum zu überbieten. Es liegt der Verdacht nahe, dass ein Klima des vorauseilenden Gehorsams verbreitet werden soll. Ganz nach dem Motto: Wenn unklar ist, ab wann ich etwas melden soll, melde ich lieber mal.“
Ebenso scharf kritisiert die BRAK die vorgesehenen Regelungen zur elektronischen Rechnung, die auch die Anwaltschaft betreffen. Zwingender Bestandteil einer Rechnung sind unter anderem die Angabe des Leistungsempfängers, also der Mandantin bzw. des Mandanten – sowie Angaben zur Leistung selbst. Beide Angaben unterfallen der gesetzlichen, strafbewehrten Verschwiegenheitsverpflichtung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Soweit mit den beabsichtigten Regelungen ein unmittelbarer Zugriff der Finanzbehörden auf die Rechnungen ermöglicht werden soll, ist nach Auffassung der BRAK zwingend sicherzustellen, dass Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte durch die Erfüllung der Übermittlungspflicht nicht gegen ihre berufsrechtliche Verschwiegenheitspflicht verstoßen.
Vizepräsidentin Paul ergänzt: „Man könnte fast den Eindruck gewinnen, das zuständige Finanzministerium habe versucht, die mit dem Entwurf einhergehenden Angriffe auf die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht besonders hübsch und mit einer dicken Schleife zu verpacken, um das Geschenk dann derartig kurzfristig vor der Tür der BRAK abzulegen, dass ein Auspacken nicht mehr möglich ist. Zum Glück sind wir notfalls auch sehr kurzfristig mit unserer Kritik bei der Hand. Und Kritik ist bezüglich dieses Entwurfs dringend angezeigt, nicht allein wegen des irreführenden Namens. Das Recht und die Pflicht der Anwaltschaft zur Verschwiegenheit sollen einmal mehr torpediert werden. Im Wesentlichen geht es in diesem Gesetzesentwurf ganz sicher nicht um Steuervereinfachung oder um Wachstumschancen. Ganz im Gegenteil. Es würden nicht unerhebliche Kosten für die Wirtschaft und die meldepflichtigen Steuerpflichtigen entstehen. Die Anwaltschaft soll zudem zur Verletzung Ihrer Verschwiegenheitspflicht veranlasst werden. Dabei sehen wir ganz sicher nicht tatenlos zu!“
Weitere Einzelheiten sind der Stellungnahme zu entnehmen.
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