BFH zur Feststellung der Zuordnung des Arbeitnehmers im steuerlichen Reisekostenrecht
Eine (stillschweigende) Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers ergibt sich nicht allein daraus, dass der Arbeitnehmer die Einrichtung (aus der maßgeblichen Sicht ex ante) nur gelegentlich zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit aufsuchen muss, im Übrigen aber seine Arbeitsleistung ganz überwiegend außerhalb der festen Einrichtung erbringt (Anschluss an das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228 = SIS 20 19 29, Rz 9, Beispiel 1 und Abwandlung).
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2, § 8 Abs. 2 Satz 2, § 8 Abs. 2 Satz 3, § 9 Abs. 4 Satz 1, § 9 Abs. 4 Satz 2, § 9 Abs. 4 Satz 3, § 9 Abs. 4 Satz 4, § 9 Abs. 4a
BFH-Urteil vom 14.9.2023, VI R 27/21 (veröffentlicht am 9.11.2023)
Vorinstanz: FG Mecklenburg-Vorpommern vom 24.11.2021, 3 K 6/20 = SIS 22 01 32
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die für die Streitjahre (2015 bis 2017) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden.
Die Kläger wohnten in W. Der Kläger war in den Streitjahren als Bauleiter bei der Y‑AG, einem international tätigen Bauunternehmen, beschäftigt. Die Y‑AG unterhielt eine Niederlassung in der X‑Straße in Z.
Nach § 1 des Arbeitsvertrags des Klägers war sein "Einstellungsort" in Z. Ihm stand in den Streitjahren ein Firmenwagen auch zur privaten Nutzung zur Verfügung. In ihren Lohnsteuer-Anmeldungen und den Lohnabrechnungen des Klägers berücksichtigte die Y‑AG im Rahmen der Nutzung des Firmenwagens für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte die sogenannte 0,03 %‑Regelung. Ausgehend von einem Listenpreis des Fahrzeugs von 24.900 € und einer Entfernung von 29 km zwischen der Wohnung der Kläger und der von der Y‑AG in der X‑Straße in Z angenommenen ersten Tätigkeitsstätte des Klägers setzte diese insoweit einen Sachbezug in Höhe von monatlich 216,63 € an.
In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre machten die Kläger bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit unter anderem Werbungskosten für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte geltend. Als Ort der ersten Tätigkeitsstätte gaben die Kläger jeweils "Z" an. Sie erklärten, der Kläger habe die erste Tätigkeitsstätte im Jahr 2015 an 215 Tagen (gemäß berichtigter Anlage N), im Jahr 2016 an 209 Tagen und im Jahr 2017 an 217 Tagen aufgesucht. Außerdem machten sie Verpflegungsmehraufwendungen des Klägers mit einer Abwesenheit von mehr als acht Stunden an 178 Tagen im Jahr 2015 (gemäß berichtigter Anlage N), an 162 Tagen im Jahr 2016 und an 168 Tagen im Jahr 2017 geltend. Zum Beleg der Verpflegungsmehraufwendungen reichten sie Bescheinigungen der Y‑AG ein.
Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt ‑‑FA‑‑) erkannte die Verpflegungsmehraufwendungen für 2015 nicht an. Die Entfernungspauschale berücksichtigte das FA hingegen erklärungsgemäß für 215 Tage. Für 2016 und 2017 setzte es die Verpflegungsmehraufwendungen demgegenüber wie erklärt an, kürzte dafür aber die Entfernungspauschale auf 47 Tage (2016) beziehungsweise auf 49 Tage (2017).
Die Kläger legten gegen die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre Einsprüche ein, mit denen sie unter anderem geltend machten, der Kläger habe in Z keine erste Tätigkeitsstätte gehabt. Das FA wies den Einspruch für 2015 als unbegründet zurück und setzte die Einkommensteuer für 2016 und 2017 nach einem Hinweis auf die Möglichkeit einer verbösernden Einspruchsentscheidung höher fest. Der Kläger habe in Z über eine erste Tätigkeitsstätte verfügt. Die Verpflegungsmehraufwendungen seien mangels Nachweises der Abwesenheit von mehr als acht Stunden von der ersten Tätigkeitsstätte nicht anzuerkennen.
Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen erhobenen Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2022, 392 veröffentlichten Gründen statt.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision des FA ist zulässig; die Revisionsbegründung entspricht (noch) den Anforderungen des § 120 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Revision ist aber unbegründet und zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat zutreffend entschieden, dass der Kläger in der Niederlassung der Y‑AG in der X‑Straße in Z nicht über eine erste Tätigkeitsstätte verfügte. Es hat ausgehend hiervon den Arbeitslohn des Klägers zu Recht um die sich aus der Anwendung der 0,03 %‑Regelung ergebenden Beträge reduziert und die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten anerkannt. Dementsprechend hat die Vorinstanz zutreffend vom Ansatz der Entfernungspauschale abgesehen.
1. Für die private Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs zu privaten Fahrten gilt nach § 8 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG entsprechend. Kann das Kraftfahrzeug auch für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte genutzt werden, erhöht sich dieser Wert gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG nach Maßgabe der tatsächlichen Benutzung des Dienstwagens für solche Fahrten. Der Zuschlag nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG (0,03 %‑Regelung) kommt nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats nur zur Anwendung, wenn und soweit der Arbeitnehmer den Dienstwagen tatsächlich für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte nutzt (grundlegend Senatsurteile vom 04.04.2008 ‑ VI R 68/05, BFHE 221, 17, BStBl II 2008, 890 und vom 22.09.2010 ‑ VI R 57/09, BFHE 231, 139, BStBl II 2011, 359, jeweils zu Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte).
Nach diesen Rechtsgrundsätzen scheidet der Ansatz eines Nutzungsvorteils nach der 0,03 %‑Regelung im Streitfall aus. Denn der Kläger verfügte in den Streitjahren nicht über eine erste Tätigkeitsstätte, so dass die Nutzung des ihm von der Y‑AG überlassenen Kraftfahrzeugs für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von vornherein nicht in Betracht kam.
2. Erste Tätigkeitsstätte ist nach der Legaldefinition in § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist.
a) Ortsfeste betriebliche Einrichtungen sind räumlich zusammengefasste Sachmittel, die der Tätigkeit des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten dienen und mit dem Erdboden verbunden oder dazu bestimmt sind, überwiegend standortgebunden genutzt zu werden (Senatsurteil vom 04.04.2019 ‑ VI R 27/17, BFHE 264, 271, BStBl II 2019, 536, Rz 13, m.w.N.).
Bei der Niederlassung der Y‑AG in der X‑Straße in Z handelt es sich um eine ortsfeste betriebliche Einrichtung der Arbeitgeberin des Klägers, wie das FG zutreffend entschieden hat. Dies steht zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit. Der Senat sieht deshalb von weiteren Ausführungen ab.
b) Die Vorinstanz hat des Weiteren ohne Rechtsfehler eine Zuordnung des Klägers zu der Niederlassung der Y‑AG in Z verneint.
Eine solche Zuordnung wird gemäß § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt.
aa) Nach der gesetzlichen Konzeption ‑‑und der die Neuordnung des steuerlichen Reisekostenrechts prägenden Grundentscheidung‑‑ wird die erste Tätigkeitsstätte vorrangig anhand der arbeits(vertrag)‑ oder dienstrechtlichen Zuordnung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber bestimmt, hilfsweise mittels quantitativer Kriterien (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteile vom 11.04.2019 ‑ VI R 40/16, BFHE 264, 248, BStBl II 2019, 546, Rz 22; vom 10.04.2019 ‑ VI R 6/17, BFHE 264, 258, BStBl II 2019, 539, Rz 19 und vom 12.07.2021 ‑ VI R 9/19, Rz 14, jeweils m.w.N.).
bb) Zu den arbeits- oder dienstrechtlichen Weisungen und Verfügungen (im weiteren Verlauf: arbeitsrechtliche) zählen alle schriftlichen, aber auch mündlichen Absprachen oder Weisungen (BTDrucks 17/10774, S. 15). Die Zuordnung kann also insbesondere im Arbeitsvertrag oder durch Ausübung des Direktionsrechts kraft der Organisationsgewalt des Arbeitgebers vorgenommen werden. Die Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte muss dabei nicht ausdrücklich erfolgen. Sie setzt auch nicht voraus, dass sich der Arbeitgeber der steuerrechtlichen Folgen dieser Entscheidung bewusst ist. Wird der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber einer betrieblichen Einrichtung zugeordnet, weil er dort seine Arbeitsleistung erbringen soll, ist diese Zuordnung aufgrund der steuerrechtlichen Anknüpfung an das Dienst- oder Arbeitsrecht vielmehr auch steuerrechtlich maßgebend. Deshalb bedarf es neben der arbeitsrechtlichen Zuordnung zu einer betrieblichen Einrichtung keiner gesonderten Zuweisung zu einer ersten Tätigkeitsstätte für einkommensteuerrechtliche Zwecke. Denn der Gesetzgeber wollte mit der Neuregelung des steuerlichen Reisekostenrechts auch das Auseinanderfallen der arbeitsrechtlichen von der steuerrechtlichen Einordnung bestimmter Zahlungen als Reisekosten verringern (BTDrucks 17/10774, S. 15). Entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer aus der Sicht ex ante nach den arbeitsrechtlichen Festlegungen an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten tätig werden sollte (Senatsurteile vom 10.04.2019 ‑ VI R 6/17, BFHE 264, 258, BStBl II 2019, 539, Rz 20 und vom 10.04.2019 ‑ VI R 17/17, Rz 19).
cc) Die arbeitsrechtliche Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers muss für ihre steuerliche Wirksamkeit nicht dokumentiert werden (ebenso Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen ‑‑BMF‑‑ vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz 11). Die Feststellung einer entsprechenden Zuordnung ist vielmehr durch alle nach der Finanzgerichtsordnung zugelassenen Beweismittel möglich und durch das FG im Rahmen einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu treffen. So entspricht es ‑‑mangels gegenteiliger Feststellungen im Einzelfall‑‑ regelmäßig der Lebenswirklichkeit, dass der Arbeitnehmer der betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers zugeordnet ist, in der er tatsächlich tätig ist oder werden soll (Senatsurteile vom 10.04.2019 ‑ VI R 6/17, BFHE 264, 258, BStBl II 2019, 539, Rz 21 und vom 12.07.2021 ‑ VI R 9/19, Rz 16).
dd) Ob im Einzelfall unter Anwendung der dargelegten Grundsätze eine (dauerhafte) Zuordnung vorliegt, ist grundsätzlich Tatfrage und als solche vom FG zu beurteilen. Die revisionsrechtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob das FG im Rahmen der Gesamtwürdigung von zutreffenden Kriterien ausgegangen ist, alle maßgeblichen Beweisanzeichen in seine Beurteilung einbezogen und dabei nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat (s. Senatsurteil vom 26.10.2022 ‑ VI R 48/20, BFHE 278, 464, BStBl II 2023, 582, Rz 18).
ee) Ist der Arbeitnehmer einer bestimmten Tätigkeitsstätte arbeitsrechtlich zugeordnet, kommt es aufgrund des Direktionsrechts des Arbeitgebers für die erste Tätigkeitsstätte auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit, die der Arbeitnehmer dort ausübt oder ausüben soll, nicht an. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören (Senatsurteile vom 04.04.2019 ‑ VI R 27/17, BFHE 264, 271, BStBl II 2019, 536, Rz 18 f.; vom 11.04.2019 ‑ VI R 40/16, BFHE 264, 248, BStBl II 2019, 546, Rz 25 f. und vom 30.09.2020 ‑ VI R 11/19, BFHE 270, 470, BStBl II 2021, 308, Rz 20).
ff) Nach diesen Maßstäben ist das FG rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Kläger der Niederlassung der Y‑AG in der X‑Straße in Z nicht zugeordnet war.
(1) Der vom FG als Zeuge vernommene Vorgesetzte des Klägers, A, hat bekundet, die Y‑AG habe den Kläger nicht dem Gebäude der Niederlassung in der X‑Straße in Z zugeordnet. Dies ergebe sich nicht aus der Angabe des Einstellungsorts Z im Arbeitsvertrag des Klägers. Die Klausel bedeute lediglich, dass der Kläger einem Gruppenleiter in Z, hier dem Zeugen A, zugeordnet beziehungsweise unterstellt sei. Der Zeuge A hat ferner bekundet, dass Festlegungen über Anwesenheitszeiten im Büro (in Z) oder an anderen Arbeitsorten arbeitsvertraglich nicht getroffen worden seien. Sonstige Vereinbarungen hierzu seien ebenfalls nicht getroffen worden.
Das FG hat sich der Aussage des Zeugen A zur fehlenden Zuordnung des Klägers zum Gebäude der Niederlassung in Z im Ergebnis angeschlossen. Diese (Beweis‑)Würdigung ist im Streitfall jedenfalls möglich. Sie wird auch durch die weiteren, vom FG festgestellten, Umstände des Falles gestützt.
(2) Die Vorinstanz hat insoweit zunächst den Arbeitsvertrag des Klägers mit der Angabe des Einstellungsorts Z in den Blick genommen. Das FG hat diese Klausel dahin gewürdigt, dass sie durch den Charakter der Y‑AG als international tätiges Unternehmen mit mehreren Niederlassungen in der Bundesrepublik Deutschland veranlasst sei. Der Einstellungsort Z sei daher (nur) dahin zu verstehen, dass der Kläger im Bereich der Niederlassung in Z eingesetzt werden solle. Die Zuordnung zu einer (bestimmten) ortsfesten Einrichtung sei damit aber nicht verbunden gewesen.
Diese Auslegung des Anstellungsvertrags ist ebenfalls möglich; sie wird letztlich auch durch die Aussage des Zeugen A bestätigt und ist damit für den Senat im Ergebnis gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend. Denn die Auslegung von Verträgen und Willenserklärungen gehört zum Bereich der tatsächlichen Feststellungen und bindet den Bundesfinanzhof (BFH) als Revisionsgericht nach § 118 Abs. 2 FGO, wenn sie den Grundsätzen der §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches entspricht und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt, das heißt jedenfalls möglich ist (ständige Rechtsprechung, s. Senatsurteil vom 04.07.2018 ‑ VI R 16/17, BFHE 261, 543, BStBl II 2019, 373, Rz 20 und BFH-Urteil vom 10.08.2016 ‑ XI R 41/14, BFHE 255, 300, BStBl II 2017, 590, Rz 38, m.w.N.).
Die Bindungswirkung des § 118 Abs. 2 FGO erstreckt sich allerdings nicht auf die rechtliche Einordnung des von den Vertragspartnern Gewollten am Maßstab der jeweils einschlägigen Normen, hier insbesondere des § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG. Diese ist vielmehr in vollem Umfang nachprüfbare Rechtsanwendung (Senatsurteil vom 04.07.2018 ‑ VI R 16/17, BFHE 261, 543, BStBl II 2019, 373, Rz 20, m.w.N.).
Im Streitfall ist indessen auch die rechtliche Würdigung des FG, in der Zuordnung des Klägers zum Bezirk der Niederlassung der Y‑AG in Z nicht auch eine Zuordnung zu dem Gebäude der Niederlassung in der X‑Straße zu erblicken, von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Insbesondere waren die Tätigkeiten, die der Kläger der Y‑AG als Bauleiter schuldete und die das FG den Zeugenaussagen sowie der "Positionsbeschreibung Bauleiter" der Y‑AG entnommen hat, so angelegt, dass sie jedenfalls ganz überwiegend außerhalb des Gebäudes der Niederlassung in Z zu erbringen waren. Bei dieser Sachlage kann nicht ohne weitere ‑‑im Streitfall fehlende‑‑ Anhaltspunkte angenommen werden, eine Zuordnung des Klägers zum Bezirk der Niederlassung in Z bedeute auch gleichzeitig eine Zuordnung zu dem Niederlassungsgebäude in Z. Der Kläger war der Niederlassung der Y‑AG in Z vielmehr lediglich aus organisatorischen Gründen zugeordnet, ohne dass damit auch eine Festlegung des Tätigkeitsorts verbunden war. Dies stellt keine Zuordnung des Arbeitnehmers im Sinne von § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG dar (ebenso BMF-Schreiben vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz 7).
(3) Weitere ausdrückliche ‑‑mündliche oder schriftliche‑‑ Absprachen über die Zuordnung des Klägers zum Gebäude der Y‑AG in der X‑Straße in Z hat das FG nicht festgestellt und sich auch insoweit der Aussage des Zeugen A, die es als glaubhaft angesehen hat, angeschlossen. Der Zeuge A hat hierzu bekundet, dass "Festlegungen über Anwesenheiten im Büro oder an anderen Arbeitsorten … arbeitsvertraglich nicht getroffen" würden und "sonstige Verabredungen" hierzu ebenfalls nicht bestünden. Damit übereinstimmend hat die vom FG weiterhin vernommene Zeugin B ausgesagt: "…, es gibt keine Anweisung zum Arbeitsort." Soweit das FA in diesem Zusammenhang auf die von der Y‑AG erstellten "Bestätigung[en] zur Vorlage beim Finanzamt über beruflich veranlasste Auswärtstätigkeit" vom 12.06.2017 für 2016 und vom 06.02.2018 für 2017 hinweist, in denen die Y‑AG ausführt, der Kläger habe seine "regelmäßige Arbeitsstätte" in der X‑Straße 12 in Z gehabt, dokumentieren diese Schreiben lediglich eine von der Y‑AG seinerzeit vertretene Rechtsmeinung. Diese Rechtsmeinung hat sich auf der Grundlage des vom FG insbesondere durch Zeugenbeweis festgestellten Sachverhalts jedoch nicht bestätigt.
(4) Das FG hat auch eine Zuordnung des Klägers zu dem Gebäude in der X‑Straße durch schlüssiges Verhalten ohne Rechtsfehler verneint. Haben die Arbeitsvertragsparteien ‑‑wie im Streitfall‑‑ davon abgesehen, den Steuerpflichtigen einer betrieblichen Einrichtung durch (ausdrückliche schriftliche oder mündliche) Festlegungen, Absprachen oder Weisungen zuzuordnen, ergibt sich eine Zuordnung durch schlüssiges Verhalten entgegen der Ansicht des FA nicht allein aufgrund der Tatsache, dass der Steuerpflichtige einzelne, zu seinem Berufsbild gehörende Tätigkeiten in einer bestimmten betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers erbringt oder erbringen muss. Dies gilt jedenfalls in Fällen wie dem Streitfall, der dadurch gekennzeichnet ist, dass der Kläger die betreffende ortsfeste Einrichtung ‑‑hier das Gebäude der Niederlassung in Z‑‑ (aus der maßgeblichen Sicht ex ante) nur gelegentlich aufsuchen muss, um anfallende Büroarbeiten zu erledigen oder an Besprechungen teilzunehmen, im Übrigen aber seine Arbeitsleistung ganz überwiegend außerhalb der festen Einrichtung erbringt (ebenso BMF-Schreiben vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz 9, Beispiel 1 und Abwandlung).
Zwar entspricht es ‑‑wie bereits dargelegt‑‑ regelmäßig der Lebenswirklichkeit, dass der Arbeitnehmer der betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers zugeordnet ist, in der er tatsächlich tätig ist oder werden soll (Senatsurteile vom 10.04.2019 ‑ VI R 6/17, BFHE 264, 258, BStBl II 2019, 539, Rz 21; vom 12.07.2021 ‑ VI R 9/19, Rz 16 und vom 22.11.2022 ‑ VI R 6/21, Rz 24). Soll der Arbeitnehmer aber nicht nur an einer (bestimmten) betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers beruflich tätig werden, sondern zum Beispiel an unterschiedlichen betrieblichen Einrichtungen oder ganz überwiegend außerhalb solcher Einrichtungen, kann allein aus dem Umstand, dass der Arbeitnehmer eine (bestimmte) betriebliche Einrichtung zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit gelegentlich aufsucht oder aufzusuchen hat, nicht auf eine stillschweigende Zuordnung des Arbeitnehmers zu dieser Einrichtung geschlossen werden (s. auch Senatsurteil vom 26.10.2022 ‑ VI R 48/20, BFHE 278, 464, BStBl II 2023, 582, Rz 23). Das gilt erst recht, wenn das FG als Tatsacheninstanz ‑‑wie im Streitfall‑‑ festgestellt hat, dass der Steuerpflichtige weder ausdrücklich noch durch schlüssiges Verhalten einer ersten Tätigkeitsstätte zugeordnet worden ist.
Dieses Ergebnis wird im Übrigen auch durch die Regelung in § 9 Abs. 4 Satz 4 Nr. 2 EStG bestätigt. Die Vorschrift liefe letztlich weitgehend leer, wenn eine stillschweigende Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte allein deshalb vorliegen würde, weil der Arbeitnehmer eine bestimmte betriebliche Einrichtung gelegentlich bei Bedarf oder zwei- bis dreimal in der Woche für Besprechungen oder sonstige berufliche Tätigkeiten kurzfristig aufsucht beziehungsweise aufsuchen muss, er im Übrigen aber außerhalb der betrieblichen Einrichtung tätig wird.
(5) Soweit das FA in diesem Zusammenhang darauf hinweist, dass es nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats für das Auffinden einer ersten Tätigkeitsstätte nicht auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit ankommt, die der Arbeitnehmer dort ausübt oder ausüben soll; es vielmehr erforderlich aber auch ausreichend ist, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören, ist zu berücksichtigen, dass diese Rechtsprechung Tätigkeiten an einer Tätigkeitsstätte betrifft, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist (s. z.B. Senatsurteile vom 16.12.2020 ‑ VI R 35/18, BFHE 271, 550, BStBl II 2021, 525, Rz 20 und vom 30.09.2020 ‑ VI R 11/19, BFHE 270, 470, BStBl II 2021, 308, Rz 20, jeweils m.w.N.). Aus dieser Senatsrechtsprechung ergibt sich ‑‑anders als das FA meint‑‑ hingegen nicht, dass allein geringfügige Tätigkeiten des Arbeitnehmers an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung (des Arbeitgebers) zu einer Zuordnung zu dieser Tätigkeitsstätte führen.
(6) Die Y‑AG hat den Kläger dem Gebäude ihrer Niederlassung in Z auch nicht dadurch im Sinne von § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG (konkludent) zugeordnet, dass sie beim Lohnsteuer-Abzug für die private Nutzung des dem Kläger überlassenen Dienstwagens die 0,03 %‑Regelung gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG angewendet hat. Zwar kann der Anwendung der 0,03 %‑Regelung im Einzelfall eine gewisse Indizwirkung für eine Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer ersten Tätigkeitsstätte zukommen. Mit der Durchführung des Lohnsteuer-Abzugs ist aber keine arbeitsrechtliche Festlegung oder Weisung gegenüber dem Arbeitnehmer in Bezug auf dessen Zuordnung zu einer betrieblichen Einrichtung verbunden. Der Lohnsteuer-Abzug dokumentiert insoweit grundsätzlich auch keine anderweitig erfolgte Zuordnungsentscheidung. Vielmehr erfüllt der Arbeitgeber damit (nur) seine lohnsteuerrechtlichen Pflichten gegenüber dem FA. Dies gilt insbesondere auch für die Anwendung der 0,03 %‑Regelung. Ob (und wenn ja in welchem Umfang) der Arbeitnehmer tatsächlich Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte durchgeführt hat, wird im Übrigen abschließend nicht im Lohnsteuer-Abzugsverfahren, sondern im Rahmen der Einkommensteuer-Veranlagung des Arbeitnehmers entschieden. Dabei ist der Arbeitnehmer nicht an die im Lohnsteuerabzugsverfahren angewandte 0,03 %‑Regelung gebunden. Er kann sowohl zur Einzelbewertung nach der 0,002 %‑Methode (s. z.B. Senatsurteil vom 04.04.2008 ‑ VI R 85/04, BFHE 221, 11, BStBl II 2008, 887) als auch zur Fahrtenbuchmethode (s. Senatsurteil vom 30.11.2016 ‑ VI R 49/14, BFHE 256, 107, BStBl II 2017, 1011) wechseln.
3. Der Kläger verfügte des Weiteren nicht über eine erste Tätigkeitsstätte gemäß § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG. Fehlt eine dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung im Sinne von § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG oder ist sie nicht eindeutig, ist erste Tätigkeitsstätte die betriebliche Einrichtung, an der der Arbeitnehmer dauerhaft typischerweise arbeitstäglich tätig werden soll (§ 9 Abs. 4 Satz 4 Nr. 1 EStG) oder je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit (§ 9 Abs. 4 Satz 4 Nr. 2 EStG).
Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG sind im Streitfall nicht erfüllt. Nach dem von der Vorinstanz bindend festgestellten Sachverhalt (§ 118 Abs. 2 FGO) sollte der Kläger nicht in dem vorgenannten (zeitlichen, quantitativen) Umfang in dem Gebäude der Niederlassung in Z beruflich tätig werden. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten zu Recht kein Streit, so dass der Senat insoweit von weiteren Ausführungen absieht.
4. Das FG hat dem Kläger auch den Werbungskostenabzug wegen des Verpflegungsmehraufwands zu Recht zugesprochen.
a) Mehraufwendungen des Arbeitnehmers für die Verpflegung sind nach Maßgabe von § 9 Abs. 4a EStG als Werbungskosten abziehbar. Wird der Arbeitnehmer außerhalb seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte beruflich tätig (auswärtige berufliche Tätigkeit), ist nach § 9 Abs. 4a Satz 2 und 3 EStG zur Abgeltung der ihm tatsächlich entstandenen, beruflich veranlassten Mehraufwendungen eine nach Abwesenheitszeiten gestaffelte Verpflegungspauschale anzusetzen. Hat der Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte, gelten die Sätze 2 und 3 entsprechend (§ 9 Abs. 4a Satz 4 Halbsatz 1 EStG). Denn liegen die Voraussetzungen des Absatz 4 nicht vor und ist der Arbeitnehmer gleichwohl außerhalb seiner Wohnung beruflich tätig, befindet er sich ebenfalls auf Auswärtstätigkeit. Nach § 9 Abs. 4a Satz 6 EStG ist der Abzug der Verpflegungspauschalen allerdings auf die ersten drei Monate einer längerfristigen beruflichen Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte beschränkt.
b) Das FG ist hiernach zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen im Rahmen seiner Auswärtstätigkeit als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehen kann. Da der Kläger ‑‑entgegen der vom FA vertretenen Auffassung‑‑ nicht über eine erste Tätigkeitsstätte verfügte, sind die Abwesenheitszeiten des Klägers von seiner Wohnung aus zu berechnen. Das FG hat sich zur Feststellung der Arbeitstage, an denen der Kläger mehr als acht Stunden außerhalb seiner Wohnung beruflich tätig war, auf die Bescheinigungen der Y‑AG für die Streitjahre gestützt. Dies ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Substantiierte Einwendungen gegen die inhaltliche Richtigkeit dieser Bescheinigungen hat das FA nicht erhoben. Insbesondere reicht sein Vortrag, "die Frage nach der Ermittlung der Abwesenheitszeiten [bleibe] unbeantwortet", insoweit nicht aus.
Des Weiteren ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger in den Streitjahren mehr als drei Monate an derselben auswärtigen Tätigkeitsstätte beruflich tätig war. Aus den von der Y‑AG bestätigten Aufstellungen über die vom Kläger betreuten Baustellen ergibt sich vielmehr das Gegenteil.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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