BFH: Übergangsregelung zum Verlustabzug nach § 8 Abs. 4 KStG a.F. nicht verfassungswidrig
- Bei Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer ist in den Fällen des § 8 Abs. 4 KStG 1996 nicht nur die Höhe des jeweiligen Verlustbetrages, sondern auch die steuerliche Abzugsfähigkeit dieses Betrages nach Maßgabe der im Feststellungszeitpunkt geltenden Rechtslage für das spätere Abzugsjahr verbindlich festzulegen (Bestätigung des Senatsurteils vom 22.10.2003, I R 18/02, BFHE 204 S. 273, BStBl 2004 II S. 468 = SIS 04 05 86).
- Es ist nicht verfassungswidrig, dass § 8 Abs. 4 KStG 1996 i.d.F. des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29.10.1997 (BGBl 1997 I S. 2590, BStBl 1997 I S. 928) nach der Übergangsregelung in § 54 Abs. 6 KStG 1996 i.d.F. des Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung vom 19.12.1997 (BGBl 1997 I S. 3121, BStBl 1998 I S. 7) für Körperschaften, die ihre wirtschaftliche Identität - gemessen an den Maßstäben der Neuregelung - vor dem 1.1.1997 verloren haben, bereits im Jahr 1997 anzuwenden ist, dagegen für Körperschaften, die ihre wirtschaftliche Identität erstmals im Jahr 1997 vor dem 6. August verloren haben, erst im Jahr 1998. Die dem entgegenstehende Überzeugung des Senats von der Verfassungswidrigkeit der Übergangsregelung im Beschluss vom 8.10.2008, I R 95/04 (BFHE 223 S. 105 = SIS 09 00 45), ergänzt durch Beschluss vom 14.3.201,1 I R 95/04 (BFH/NV 2011 S. 1192 = SIS 11 19 47), wird nicht aufrechterhalten.
BFH-Urteil vom 1.10.2014, I R 95/04 (veröffentlicht am 23.12.2014)
KStG 1996 n.F. § 8 Abs. 4 Satz 2, § 54 Abs. 6
KStG 1999 § 34 Abs. 6
Vorinstanz: FG Köln vom 20.1.2004, 13 K 5241/02 (EFG 2005 S. 565 = SIS 05 19 88)
I. Es handelt sich um das zunächst ausgesetzte und durch Senatsbeschluss vom 20.8.2014 fortgeführte Revisionsverfahren, welches dem Vorlagebeschluss des Senats an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vom 8.10.2008 I R 95/04 (BFHE 223, 105) - ergänzt durch Senatsbeschluss vom 14.3.2011 I R 95/04 (BFH/NV 2011, 1192) - sowie dem anschließenden BVerfG-Beschluss vom 1.4.2014 2 BvL 2/09 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 2014, 556) zugrunde lag. Das BVerfG hat das Normenkontrollersuchen des Senats durch den Beschluss in HFR 2014, 556 als unzulässig verworfen. In der Sache geht es darum, ob ein Verlustabzug im Streitjahr 1997 einkommensmindernd zu berücksichtigen ist.
Unternehmensgegenstand der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer GmbH, war bei ihrer Gründung im Jahre 1994 die Herstellung und der Vertrieb von visuellen Programmen jeder Art zur Verwendung auf allen Trägern einschließlich Film, Fernsehen und neuen Medien. Gründungsgesellschafter waren G und A mit jeweils 12.500 DM und K mit 25.000 DM (Stammkapital 50.000 DM). Mit Vertrag vom 20.12.1995 übertrug A ihren Anteil auf G. Zugleich wurde das Kapital um 100.000 DM erhöht und jenes von G und K jeweils hälftig übernommen (Beteiligung damit jeweils 75.000 DM).
1995 erwirtschaftete die Klägerin erhebliche Verluste. Am 26.6.1996 schloss sie einen Vertrag mit der X-Gruppe, in dem sie sich verpflichtete, für X Prospekte, Kataloge, Handzettel und Plakate herzustellen. K übertrug ihren Gesellschaftsanteil am 18.7.1996 auf G. Die Rechte an den Filmen sowie noch vorhandene Ware verkaufte die Klägerin am 16.4.1996.
Im Jahre 1996 wurden dem Betriebsvermögen der Klägerin verschiedene Wirtschaftsgüter zugeführt (Konzessionen und gewerbliche Schutzrechte [Bestand zum 31.12.1996: 889.978 DM, zum 31.12.1995: 100.000 DM] sowie Anlagen, Maschinen, Betriebs- und Geschäftsausstattung [Bestand zum 31.12.1996: 2.278.466 DM, zum 31.12.1995: 20.429 DM]). Ferner erhöhten sich der Personalaufwand (1996: 726.310 DM; 1995: 37.204 DM) und die sonstigen betrieblichen Aufwendungen (z.B. Raumkosten 1996: 106.435 DM; 1995: 19.152 DM). Die Umsatzerlöse steigerten sich von 127.011 DM (1995) auf 1.666.064 DM (1996).
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte den auf den 31.12.1996 festgestellten Verlustabzug (454.192 DM) bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer des Streitjahres und im Bescheid zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.1997 nicht, da die Klägerin ihre wirtschaftliche Identität i.S. von § 8 Abs. 4 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1996 i.d.F. des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29.10.1997 (BGBl I 1997, 2590, BStBl I 1997, 928) - KStG 1996/1997 a.F. - i.V.m. § 54 Abs. 6 KStG i.d.F. des Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung vom 19.12.1997 (BGBl I 1997, 3121, BStBl I 1998, 7) - KStG 1996/1997 n.F. -, später § 34 Abs. 6 KStG 1999 i.d.F. des Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (StSenkG) vom 23.10.2000 (BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428), verloren habe. Die dagegen unter Hinweis auf die in 1996 abgeschlossene Anteilsübertragung erhobene Klage war erfolglos (Finanzgericht - FG - Köln, Urteil vom 20.1.2004 13 K 5241/02, abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2005, 565).
Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, das Urteil des FG verstoße gegen materielles Recht, da es § 8 Abs. 4 KStG 1996/1997 a.F. i.V.m. § 54 Abs. 6 KStG 1996/1997 n.F. anwende, obwohl der Verlust der wirtschaftlichen Identität in einem Veranlagungszeitraum vor 1997 stattgefunden habe. Sie beantragt, unter Aufhebung des FG-Urteils den angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid 1997 und den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.1997 vom 18. Juni bzw. 4.9.2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.8.2002 dahingehend zu ändern, dass der auf den 31.12.1996 festgestellte Verlust in Höhe von 454.192 DM berücksichtigt wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Das im Revisionsverfahren gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf entsprechende Aufforderung durch den Senat (Beschluss vom 6.4.2005 I R 95/04, BFHE 209, 350) beigetretene Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat sich in der Sache dem FA angeschlossen, jedoch keine eigenen Anträge gestellt.
II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat § 8 Abs. 4 KStG 1996/1997 a.F. i.V.m. § 54 Abs. 6 KStG 1996/1997 n.F. ohne Rechtsfehler als verfassungsgemäß angesehen und auf dieser Grundlage den begehrten Verlustabzug und die begehrte Verlustfeststellung zu Recht ausgeschlossen.
1. Voraussetzung für den Verlustabzug nach § 10d des Einkommensteuergesetzes 1997 bei der Einkommensermittlung einer Körperschaft ist, dass die Körperschaft, die den Verlust geltend machen will, nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich mit der Körperschaft identisch ist, die den Verlust erlitten hat (§ 8 Abs. 4 Satz 1 KStG 1996). § 8 Abs. 4 KStG 1996 in seinen hier streitigen Fassungen definiert die "wirtschaftliche Identität" einer Körperschaft nicht, sondern bestimmt in Satz 2 lediglich beispielhaft ("insbesondere"), wann eine wirtschaftliche Identität nicht mehr gegeben ist. Nach dem Regelbeispiel der bis einschließlich 1996 geltenden Fassung des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1996 fehlt einer Kapitalgesellschaft die wirtschaftliche Identität insbesondere dann, wenn mehr als drei Viertel aller Geschäftsanteile übertragen werden und die Gesellschaft danach ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen wieder aufnimmt.
2. Die Klägerin hat hiernach durch die Anteilsübertragung und die Zuführung überwiegend neuen Betriebsvermögens ihre wirtschaftliche Identität im Jahr 1996 nicht verloren, da in einem zeitlichen Zusammenhang (hier: 1995 und 1996) nur drei Viertel aller Geschäftsanteile übertragen wurden. Damit hat das FA zu Recht den verbleibenden Verlustabzug zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.1996 festgestellt, was zugleich eine notwendige Bedingung für einen Verlustabzug im Streitjahr darstellt.
a) Die wirtschaftliche Identität i.S. des § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG 1996 kann allerdings verlorengehen, wenn vor der Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs einer Kapitalgesellschaft nicht mehr als drei Viertel aller Geschäftsanteile übertragen werden, jedoch ein Anteilserwerber eine Rechtsposition erhält, die mit der eines Gesellschafters wirtschaftlich vergleichbar ist, der mehr als drei Viertel der Geschäftsanteile an der Kapitalgesellschaft hält (Senatsurteil vom 13.8.1997 I R 89/96, BFHE 183, 556, BStBl II 1997, 829). Ein derartiger Sachverhalt, der im Senatsurteil in BFHE 183, 556, BStBl II 1997, 829 auf der Grundlage besonderer Umstände des Einzelfalls (insbesondere mit Blick auf eine Bürgschaftsübernahme) angenommen worden war, liegt hier indessen nicht vor.
Denn der Fall, in dem ein Gesellschafter bereits vor der Anteilsübertragung an der Kapitalgesellschaft beteiligt war, ähnelt nicht dem Regelbeispiel, das nach seinen Voraussetzungen ausdrücklich auf eine Anteilsübertragung abstellt. Unter § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG 1996 können aber nur Sachverhalte fallen, in denen ein Gesellschafter rechtlich zwar nicht mehr als drei Viertel der Anteile an der Kapitalgesellschaft erwirbt, jedoch im sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Anteilsübertragung und der Zuführung neuen Betriebsvermögens - z.B. durch Einräumung von Vorzugsstimmrechten oder Kaufoptionen auf weitere Anteile - eine Stellung erlangt, die der eines Gesellschafters, dem mehr als drei Viertel der Anteile übertragen wurden, vergleichbar ist. Das ist hier nicht der Fall. Konstellationen, in denen der Gesellschafter ohne zeitlichen Zusammenhang mit der letzten Anteilsübertragung und der Zuführung neuen Betriebsvermögens bereits Anteile an der Kapitalgesellschaft gehalten hat und er nur unter Zugrundelegung dieser "Altanteile" die maßgebende Grenze überschreitet, sind nicht erfasst (s. Senatsbeschluss in BFH/NV 2011, 1192).
b) Vor allem ist der verbleibende Verlustabzug der Klägerin zum 31.12.1996 nach einer Außenprüfung durch bestandskräftigen Bescheid festgestellt worden. Selbst wenn die Klägerin nach § 8 Abs. 4 KStG 1996 im Jahr 1996 ihre wirtschaftliche Identität verloren haben sollte, hätte ihr dies - da sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 8 Abs. 4 KStG 1996 bereits 1996 verwirklicht wurden - bei der Veranlagung 1997 wegen des bestandskräftigen Bescheids über den verbleibenden Verlustabzug zum 31.12.1996 nicht entgegengehalten werden können (Senatsurteil vom 22.10.2003 I R 18/02, BFHE 204, 273, BStBl II 2004, 468; Senatsbeschluss in BFH/NV 2011, 1192).
3. Die Klägerin kann diesen Verlust jedoch im Streitjahr 1997 nicht mehr geltend machen, weil sie nach den Maßstäben des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1996/1997 a.F. mit der Kapitalgesellschaft, die den Verlust erlitten hat, wirtschaftlich nicht mehr identisch ist und diese Vorschrift bereits im Streitjahr 1997 anwendbar ist.
a) Nach der Neuregelung des Satzes 2 geht die wirtschaftliche Identität schon dann verloren, wenn mehr als die Hälfte der Anteile an einer Kapitalgesellschaft übertragen werden und die Kapitalgesellschaft ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortführt oder wieder aufnimmt.
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall mit Blick auf die gemeinsam zu würdigenden Sachumstände der Jahre 1995 und 1996 erfüllt. Zum einen hat G am 20.12.1995, bezogen auf das damalige Stammkapital der Klägerin, 25 % der Anteile von A, darüber hinaus am 18.7.1996 weitere 50 % von K erworben. Im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Anteilsübertragung wurde der Klägerin in 1996 in erheblichem Umfang ("überwiegend") neues Betriebsvermögen zugeführt und mit einem anderen Geschäftsgegenstand der Betrieb fortgeführt.
b) § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1996/1997 a.F. ist bei der Besteuerung der Klägerin für das Streitjahr anzuwenden.
aa) Nach § 54 Abs. 6 Satz 1 KStG 1996/1997 n.F. (später § 34 Abs. 6 Satz 1 KStG 1999 i.d.F. des StSenkG) ist § 8 Abs. 4 KStG 1996/1997 a.F. erstmals für den Veranlagungszeitraum 1997 anzuwenden. Ist der Verlust der wirtschaftlichen Identität erstmals im Jahr 1997 vor dem 6. August eingetreten, gilt die Neufassung erstmals für den Veranlagungszeitraum 1998 (dort Satz 2).
bb) Wie der Senat bereits in seinem Beschluss in BFHE 209, 350 im Einzelnen ausgeführt hat, wird § 54 Abs. 6 KStG 1996/1997 n.F. (§ 34 Abs. 6 KStG 1999 i.d.F. des StSenkG) unterschiedlich ausgelegt. Während das FG Berlin-Brandenburg im Urteil vom 15.3.2011, 6 K 6307/10 (EFG 2012, 356) und ein Teil des Schrifttums (z.B. Ulbrich, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1998, 445; Füger/Rieger, DStR 1998, 64 und 1153) der Auffassung sind, der Verlustabzug richte sich ausnahmslos nach § 8 Abs. 4 KStG 1996, wenn die wirtschaftliche Identität - gemessen an § 8 Abs. 4 KStG 1996/1997 a.F. - erstmals vor dem 6.8.1997 verloren gegangen ist, soll nach der Gegenmeinung im Einklang mit der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 16.4.1999, BStBl I 1999, 455, Rz 35) Satz 2 der Vorschrift keine Ausnahme für den Verlust der wirtschaftlichen Identität allgemein vorsehen, sondern lediglich für den erstmaligen Verlust im Jahr 1997 (vgl. z.B. Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/GewStG/UmwStG, § 8 KStG Rz 182c [a.F.]; B. Lang in Ernst & Young, KStG, § 8 Rz 1302 ff.; Blümich/ Rengers, § 8 KStG Rz 907, 955). Schließlich wird § 54 Abs. 6 KStG 1996/1997 n.F. dahingehend ausgelegt, dass der "Verlust der wirtschaftlichen Identität" in allen Fällen, in denen er sich nur aus der Neufassung des Gesetzes ergibt, erst mit dem Inkrafttreten dieser Neufassung eintritt und somit alle "Altfälle" unter die Vertrauensschutzregelung des § 54 Abs. 6 Satz 2 KStG 1996/1997 a.F. fallen (Gosch/Roser, KStG, 1. Aufl., § 8 Rz 1489). § 8 Abs. 4 KStG 1996/1997 a.F. wäre danach für alle "Altfälle" erst ab 1998 anzuwenden.
cc) § 54 Abs. 6 KStG 1996/1997 n.F. (§ 34 Abs. 6 KStG 1999 i.d.F. des StSenkG) ist nach Auffassung des Senats im Sinne der Finanzverwaltung und der dieser zustimmenden Literatur auszulegen. § 8 Abs. 4 KStG 1996/1997 a.F. gilt demnach bereits im Veranlagungszeitraum 1997 auch für solche Körperschaften, die - wie die Klägerin - nach den Maßstäben der Neuregelung ihre wirtschaftliche Identität bereits vor dem 1.1.1997 verloren haben. Lediglich für diejenigen Körperschaften, die ihre wirtschaftliche Identität erstmals im Jahr 1997 vor dem 6. August verloren haben, ist § 8 Abs. 4 KStG 1996/1997 a.F. erst ab dem Veranlagungszeitraum 1998 anzuwenden. Der Wortlaut und die Entstehungsgeschichte des § 54 Abs. 6 KStG 1996/1997 n.F. lassen hinreichend klar erkennen, dass er auf den Zeitpunkt des Verlustabzugs und nicht auf den Zeitpunkt des Verlusts der wirtschaftlichen Identität abstellt.
aaa) § 8 Abs. 4 KStG 1996/1997 a.F. ging auf eine Initiative des Vermittlungsausschusses zurück (vgl. BTDrucks 13/8325, S. 4); die Regelung sollte erstmals für den Veranlagungszeitraum 1997 anzuwenden sein (§ 54 Abs. 6 KStG 1996/1997 a.F.). Dies wurde in der Literatur kritisiert; dabei wurde insbesondere die "rückwirkende Zerstörung der steuerlichen Dispositionsgrundlagen" beklagt (z.B. Rödder, DStR 1997, 1425; Füger/ Rieger, DStR 1997, 1427). Der Gesetzgeber fügte daraufhin durch das Gesetz zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung vom 19.12.1997 in § 54 Abs. 6 KStG 1996/1997 a.F. einen Satz 2 an, nach dem § 8 Abs. 4 KStG 1996/1997 a.F. erstmals im Veranlagungszeitraum 1998 anzuwenden ist, wenn der Verlust der wirtschaftlichen Identität erstmals im Jahr 1997 vor dem 6. August eingetreten ist. Bei dem Stichtag (5.8.1997) handelt es sich um jenen Tag, an dem der Bundestag das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform beschlossen hat (vgl. Plenarprotokoll der Sitzung des Deutschen Bundestages 13/186, S. 16860). Die ursprünglich in § 54 Abs. 6 KStG 1996/1997 a.F. getroffene allgemeine Anwendungsregelung wurde in diesem Zusammenhang hingegen nicht geändert. Daraus kann nur geschlossen werden, dass für die nicht von § 54 Abs. 6 Satz 2 KStG 1996/1997 n.F. erfassten "Altfälle" die Neuregelung weiterhin bereits im Jahr 1997 anwendbar sein sollte.
bbb) Ebenso wenig ist eine Auslegung dahingehend möglich, dass § 8 Abs. 4 KStG 1996/1997 a.F. für Körperschaften, die ihre wirtschaftliche Identität nach den Maßstäben der Neuregelung vor dem 1.1.1997 verloren haben, erst ab 1998 gilt. Die Formulierung in § 54 Abs. 6 Satz 2 KStG 1996/1997 n.F., nach der in Fällen, in denen der Verlust der wirtschaftlichen Identität "erstmals" im Jahr 1997 vor dem 6. August eingetreten ist, § 8 Abs. 4 KStG 1996/1997 a.F. erstmals für den Veranlagungszeitraum 1998 gilt, schließt es aus, auch Körperschaften einzubeziehen, die ihre wirtschaftliche Identität "erstmals" vor diesem Zeitraum verloren haben.
c) Der Anwendung des § 8 Abs. 4 KStG 1996/1997 a.F. steht nicht entgegen, dass zum 31.12.1996 ein verbleibender Verlustabzug bestandskräftig festgestellt wurde.
Insoweit hält der Senat an seiner Rechtsprechung fest, dass es für die Prüfung der wirtschaftlichen Identität maßgebend auf den Zeitpunkt des steuerlichen Verlustabzugs ankommt (Senatsurteile vom 11.2.1998 I R 81/97, BFHE 185, 393, BStBl II 1998, 485; in BFHE 204, 273, BStBl II 2004, 468; vom 27.8.2008 I R 78/01, BFHE 222, 528; s.a. Senatsbeschlüsse vom 19.12.2001 I R 58/01, BFHE 197, 248, BStBl II 2002, 395, und in BFHE 223, 105; zustimmend: FG Köln, Urteil vom 8.2.2001 13 K 6016/00, EFG 2001, 991; Blümich/ Rengers, § 8 KStG Rz 955; Frotscher in Frotscher/Maas, a.a.O., § 8 KStG Rz 182c [a.F.]; B. Lang in Ernst & Young, a.a.O., § 8 Rz 1303.3; Haug/Huber in Mössner/Seeger, Körperschaftsteuergesetz, § 8 Rz 2423; a.A. FG Berlin-Brandenburg, Urteil in EFG 2012, 356; Ulbrich, DStR 1998, 445). Die Verlustfeststellung bezieht sich nur auf die Sach- und Rechtslage zum entsprechenden Feststellungszeitpunkt; sie besagt nichts darüber, ob die Steuerpflichtige zu diesem Zeitpunkt nach einem später geänderten Maßstab ihre wirtschaftliche Identität verloren hätte. Daher kann aus der Bindungswirkung dieses Bescheids nicht abgeleitet werden, dass bei der Veranlagung für das Folgejahr nur ein in jenem Jahr eingetretener Verlust der wirtschaftlichen Identität berücksichtigt werden dürfte. Die Bindungswirkung hindert eine anderweitige Einschätzung der Frage nach dem Verlust der wirtschaftlichen Identität nur nach der zum damaligen Feststellungszeitpunkt aktuellen Rechtslage, sie steht unter dem Vorbehalt, dass sich "die Gesetzeslage ... nicht geändert (hat)" (Senatsurteil in BFHE 204, 273, BStBl II 2004, 468).
4. Der Ausschluss des Verlustabzugs infolge einer Anwendung des § 8 Abs. 4 KStG 1996/1997 a.F. im Streitfall ist nicht verfassungswidrig. Der Senat hält an der in seinem Vorlagebeschluss in BFHE 223, 105 dargelegten Rechtsauffassung (zustimmend z.B. Blümich/Rengers, § 8 KStG Rz 907; wohl auch Gosch/ Roser, KStG, 2. Aufl., § 8 Rz 1489; Brendt in Erle/Sauter, KStG, 3. Aufl., § 8 Abs. 4 a.F./Anh § 8c KStG Rz 38) nicht fest. Er sieht nunmehr die konkrete Ausgestaltung der zeitlichen Übergangsregelungen zur Verschärfung der Voraussetzungen des Verlustabzugs durch die gesetzgeberische Typisierungsbefugnis als gedeckt an (zum insoweit durch den Regelungszweck eingeschränkten Überprüfungsmaßstab die Nachweise im BVerfG-Beschluss in HFR 2014, 556). Dabei ist in besonderer Weise zu berücksichtigen, dass bei der Frage der Verlustabzüge von Kapitalgesellschaften die typisierte Missbrauchsabwehr im Vordergrund steht, bei welcher seit jeher - und damit auch nach der Regelungsfassung des § 8 Abs. 4 KStG 1996 - ein Schutzbedürfnis nur in einem eingeschränkten Maß anzuerkennen ist; es muss mit einem einschränkenden Eingreifen des Gesetzgebers gerechnet werden (Senatsurteil in BFHE 222, 528), wobei die Verschärfung der Abzugsvoraussetzungen in § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1996/1997 a.F. in der konkreten Situation sogar mit einer gegenläufigen Erleichterung (sog. Sanierungsklausel in Satz 3) verbunden war. Es ist daher verfassungsrechtlich hinzunehmen (ebenso z.B. Frotscher in Frotscher/Maas, a.a.O., § 8 KStG Rz 182c [a.F.]; B. Lang in Ernst & Young, a.a.O., § 8 Rz 1303.4; a.A. Streck/Olbing, KStG, 8. Aufl., § 8 Rz 421, 424), dass der Vorschrift wegen § 54 Abs. 6 Satz 1 KStG 1996/1997 n.F. für "Altfälle" (Verlust der wirtschaftlichen Identität nach dem neuen Maßstab vor dem 1.1.1997) insoweit Rückwirkung zukommt, als ein Verlustabzug zwar nicht im Veranlagungszeitraum 1996 (zum 31.12.1996), aber in 1997 (zum 31.12.1997) ausgeschlossen wird. Damit stand der Klägerin jedenfalls einmal (im Veranlagungszeitraum 1996) die Möglichkeit eines uneingeschränkten Verlustabzugs offen. Der Gesetzgeber greift nicht nachträglich rückwirkend in einen noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt ein, er verändert nur für die Zukunft die Rechtsfolge.
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