BFH: Bildung von aktiven Rechnungsabgrenzungsposten auch in Fällen geringer Bedeutung
Aktive Rechnungsabgrenzungsposten sind auch bei geringfügigen Beträgen zu bilden. Weder dem Grundsatz der Wesentlichkeit noch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz lässt sich eine Einschränkung der Pflicht zur Bildung auf wesentliche Fälle entnehmen.
EStG § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1, § 6 Abs. 2
FGO § 11 Abs. 2
BFH-Urteil vom 16.3.2021 - X R 34/19 (veröffentlicht am 9.9.2021)
Vorinstanz: FG Baden-Württemberg vom 8.11.2019 - 5 K 1626/19 (= SIS 20 11 77)
I.
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden in den Streitjahren 2015 bis 2017 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb und ermittelte seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Zu den folgenden zeitraumbezogenen und vorausgezahlten Aufwendungen bildete er keine aktiven Rechnungsabgrenzungsposten: |
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2015 |
2016 |
2017 |
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Haftpflichtversicherung |
120,33 € |
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Rechtschutzversicherung |
125,03 € |
137,55 € |
137,55 € |
Werbung 1 |
395,00 € |
395,00 € |
395,00 € |
Werbung 2 |
131,23 € |
131,23 € |
131,23 € |
Werbung 3 |
130,00 € |
130,00 € |
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Abo |
186,82 € |
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Kraftfahrzeugsteuer 1 |
12,34 € |
12,34 € |
12,34 € |
Kraftfahrzeugsteuer 2 |
112,59 € |
112,59 € |
112,59 € |
Kraftfahrzeugsteuer 3 |
40,34 € |
40,34 € |
40,34 € |
Kraftfahrzeugsteuer 4 |
77,09 € |
77,09 € |
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Kraftfahrzeugsteuer 5 |
86,00 € |
86,00 € |
86,00 € |
Kraftfahrzeugsteuer 6 |
84,00 € |
84,00 € |
84,00 € |
Kraftfahrzeugsteuer 7 |
157,00 € |
157,00 € |
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Kraftfahrzeugsteuer 8 |
114,00 € |
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Kraftfahrzeugsteuer 9 |
72,00 € |
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Insgesamt: |
1.340,95 € |
1.549,96 € |
1.315,05 € |
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) hielt den Ansatz aktiver Rechnungsabgrenzungsposten für erforderlich und erließ für die Streitjahre 2015 und 2016 geänderte und für das Streitjahr 2017 erstmalig Einkommensteuerbescheide. Das FA erhöhte die Gewinne aus Gewerbebetrieb des Klägers um 1.341 € (2015), 1.550 € (2016) und 1.315 € (2017), ohne jedoch die aktiven Rechnungsabgrenzungsposten im jeweiligen Folgejahr gewinnmindernd aufzulösen.
Die Kläger legten zunächst Einspruch ein und erhoben erst anschließend Sprungklage, der das FA zustimmte. Die Klage hatte Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte 2020, 435). Das Finanzgericht (FG) entschied unter Bezugnahme auf den Senatsbeschluss vom 18.03.2010 ‑ X R 20/09 (BFH/NV 2010, 1796), dass wegen der geringen Bedeutung der Aufwendungen Rechnungsabgrenzungsposten nicht gebildet werden mussten. Für die Frage, wann ein Fall von geringer Bedeutung vorliegt, orientierte sich das FG an der 410 €‑Grenze des in den Streitjahren geltenden § 6 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Mit der Revision bringt das FA vor, dass auf eine Rechnungsabgrenzung auch in Fällen von geringer Bedeutung nicht verzichtet werden könne. Der Kostenbeschluss in BFH/NV 2010, 1796 sei über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anwendbar. Eine analoge Anwendung des § 6 Abs. 2 EStG komme nicht in Betracht. Der Gesetzgeber habe bewusst auf die Schaffung einer vergleichbaren Regelung für Rechnungsabgrenzungsposten verzichtet. Ein Wahlrecht verstoße gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Eine periodengerechte Abbildung von Aufwendungen unterhalb der 410 €‑Grenze stehe im Einklang mit den Bilanzierungsgrundsätzen der Vollständigkeit und Wahrheit.
Das FA beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Das FG habe zu Recht auf die Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten verzichtet. Der Grundsatz der Wesentlichkeit gebiete, unwesentliche Elemente bei der Bilanzierung und Bewertung außer Betracht zu lassen. So lasse das Handelsgesetzbuch (HGB) an mehreren Stellen erkennen, dass aus unterschiedlichen Gründen der Ausweis unwesentlicher Positionen entbehrlich sei. Das EStG verzichte in bestimmten Fällen ebenfalls auf einen periodengerechten Ausweis.
II.
Die Revision ist im Hinblick auf die Streitjahre 2015 und 2016 begründet, und der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Sie führt insoweit zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils; im Einkommensteuerbescheid für 2016 ist eine Gewinnminderung in Höhe von 1.341 € zu berücksichtigen; im Übrigen ist die Klage abzuweisen. In Bezug auf das Streitjahr 2017 ist die Revision im Ergebnis unbegründet und insoweit zurückzuweisen (§ 126 Abs. 4 FGO).
Im Streitfall konnte die Sprungklage nach Einlegung des Einspruchs noch in zulässiger Weise erhoben werden (dazu unten 1.). Unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG sind aktive Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden (dazu unten 2.). Weder aus dem Grundsatz der Wesentlichkeit noch aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgt ein Recht, in Fällen von geringer Bedeutung auf eine periodengerechte Gewinnermittlung verzichten zu können (dazu unten 3.). Für die streitgegenständlichen Aufwendungen mussten in den Streitjahren aktive Rechnungsabgrenzungsposten angesetzt werden (dazu unten 4. und 5.). In den Jahren 2016 und 2017 hat das FA jedoch übersehen, dass die jeweils im Vorjahr berücksichtigten Posten gewinnmindernd aufzulösen sind (dazu unten 5.).
1. Im Streitfall konnte eine Sprungklage vor dem FG erhoben werden. Es ist anerkannt, dass dies auch noch nach Einlegung eines Einspruchs innerhalb der Rechtsbehelfsfrist möglich ist und sich die Klageerhebung dann als Umwandlung des Einspruchs in eine Klage darstellt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 08.11.2016 ‑ I R 1/15, BFHE 256, 195, BStBl II 2017, 720, Rz 11). Sie bedarf nach § 45 Abs. 1 Satz 1 FGO der Zustimmung des FA, die vorliegend erteilt worden ist.
2. Die Voraussetzungen für die Bildung von aktiven Rechnungsabgrenzungsposten ergeben sich aus § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG. Erforderlich sind Ausgaben vor dem Abschlussstichtag, die Aufwand für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen. Die Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten dient dazu, Einnahmen und Ausgaben periodengerecht in dem Jahr auszuweisen, dem sie wirtschaftlich zuzuordnen sind (Senatsbeschluss in BFH/NV 2010, 1796, Rz 26; BFH-Urteil vom 24.06.2009 ‑ IV R 26/06, BFHE 225, 144, BStBl II 2009, 781, unter II.1.; im Fall eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens zuletzt BFH-Urteil vom 15.02.2017 ‑ VI R 96/13, BFHE 257, 244, BStBl II 2017, 884, Rz 18).
a) Dem Aktivierungsgebot des § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG unterfallen zunächst nur solche Aufwendungen, die ‑‑wie im Streitfall‑‑ zunächst als laufende Betriebsausgaben abziehbar sind (z.B. vor dem Bilanzstichtag gezahlte, aber als Gegenleistung für die Zeit nach dem Bilanzstichtag bestimmte Miet‑, Pacht‑, Darlehenszinsen, Versicherungsprämien und ähnliche wiederkehrende Leistungen, BFH-Urteil vom 29.10.1969 ‑ I 93/64, BFHE 97, 350, BStBl II 1970, 178; für in einem Wirtschaftsjahr gezahlte Kraftfahrzeugsteuer, soweit die Steuer auf die voraussichtliche Zulassungszeit des Fahrzeugs im nachfolgenden Wirtschaftsjahr entfällt, BFH-Urteil vom 19.05.2010 ‑ I R 65/09, BFHE 230, 25, BStBl II 2010, 967; bei Werbemaßnahmen die Ausgaben, die getätigt worden sind, um für einen nach dem Stichtag liegenden Zeitraum die Möglichkeit zu schaffen, Werbung zu betreiben, vgl. Hessisches FG, Urteil vom 06.11.2008 ‑ 9 K 2244/04, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst ‑‑DStRE‑‑ 2010, 329). Dienen die Aufwendungen hingegen dem Erwerb eines Wirtschaftsguts, das erst in späterer Zeit genutzt werden soll, sind die Aufwendungen als vorweggenommene Anschaffungskosten für das zu erwerbende Wirtschaftsgut zu aktivieren; die Absetzung für Abnutzung beginnt erst mit der späteren Nutzung (vgl. BFH-Urteil vom 13.10.1983 ‑ IV R 160/78, BFHE 139, 273, BStBl II 1984, 101, unter A.1.; Schmidt/Kulosa, EStG, 40. Aufl., § 6 Rz 51).
b) Bereits nach § 152 Abs. 9 Nr. 1 des Aktiengesetzes a.F. durften Ausgaben als aktive Rechnungsabgrenzungsposten nur insoweit ausgewiesen werden, als sie Aufwand für eine bestimmte Zeit nach dem Abschlussstichtag darstellen. Bei dieser Vorschrift handelte es sich um einen Grundsatz ordnungsgemäßer Buchführung, der über § 5 EStG auch schon vor seiner einkommensteuergesetzlichen Kodifizierung zunächst in § 5 Abs. 3 Nr. 1 EStG a.F., heute in § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG für das Einkommensteuerrecht zu beachten war (vgl. BFH-Urteil vom 04.03.1976 ‑ IV R 78/72, BFHE 121, 318, BStBl II 1977, 380). Ein Rechnungsabgrenzungsposten muss seit jeher steuerrechtlich gebildet werden, wenn ein Aufwand für eine bestimmte Zeit nach dem Abschlussstichtag vorliegt (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 03.02.1969 ‑ GrS 2/68, BFHE 95, 31, BStBl II 1969, 291). Dazu hat der Große Senat des BFH ausgeführt: "... Da es dem Sinn und Zweck der steuerrechtlichen Gewinnermittlung entspricht, den vollen Gewinn zu erfassen, kann es nicht im Belieben des Kaufmanns stehen, sich durch Nichtaktivierung von Wirtschaftsgütern, die handelsrechtlich aktiviert werden dürfen, oder durch den Ansatz eines Passivpostens, der handelsrechtlich nicht geboten ist, ärmer zu machen, als er ist. Bilanzierungswahlrechte im Steuerrecht stünden auch schwerlich im Einklang mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gleichheit der Besteuerung (Art. 3 des Grundgesetzes)." Der aktive Rechnungsabgrenzungsposten setzt grundsätzlich voraus, dass einer Vorleistung des Kaufmanns eine noch nicht erbrachte zeitbezogene Gegenleistung des Vertragspartners gegenübersteht (BFH-Urteil vom 19.01.1978 ‑ IV R 153/72, BFHE 124, 320, BStBl II 1978, 262).
c) § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG statuiert mit der Definition aktiver Rechnungsabgrenzungsposten für die Steuerbilanz ein (abschließendes) Aktivierungsgebot für Ausgaben, die der Definition entsprechen (Senatsbeschluss in BFH/NV 2010, 1796, Rz 29; BFH-Urteile in BFHE 124, 320, BStBl II 1978, 262, und vom 26.04.1995 ‑ I R 92/94, BFHE 177, 444, BStBl II 1995, 594; Schmidt/ Weber-Grellet, EStG, 40. Aufl., § 5 Rz 242); der Steuerpflichtige hat schon nach dem Gesetzeswortlaut insoweit kein Wahlrecht.
3. Weder dem Grundsatz der Wesentlichkeit noch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz lässt sich eine Einschränkung der Pflicht zum Ansatz von Rechnungsabgrenzungsposten auf wesentliche Fälle entnehmen. Somit fehlt es an einer rechtlichen Grundlage für ein Wahlrecht zur Bildung von aktiven Rechnungsabgrenzungsposten in Fällen von geringer Bedeutung (vgl. zum Meinungsstand in der handels- und einkommensteuerrechtlichen Literatur: ein Wahlrecht verneinend, z.B. Richter in Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen, Bilanzrecht, § 250 HGB Rz 12; Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung, 12. Aufl., § 250 HGB Rz 2; MüKoHGB/Ballwieser, 4. Aufl., § 243 Rz 64; Tiedchen in Herrmann/Heuer/Raupach ‑‑HHR‑‑, § 5 EStG Rz 2180; ein Wahlrecht bejahend, z.B. Schubert/Waubke in Beck Bil-Komm., 12. Aufl., § 250 Rz 28; MüKoBilanzR/Hennrichs, 1. Aufl., § 250 Rz 34; Reddig in Kirchhof/Seer, EStG, 20. Aufl., § 5 Rz 109; Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 5 Rz 242; Blümich/Krumm, § 5 EStG Rz 259; Abele, Betriebs-Berater 2019, 1138; Marx, Finanz-Rundschau ‑‑FR‑‑ 2011, 267). Insoweit gilt dasselbe wie bei der Bildung einer Rückstellung für die Betreuung bereits abgeschlossener Lebensversicherungsverträge (vgl. Senatsurteil vom 19.07.2011 ‑ X R 26/10, BFHE 234, 239, BStBl II 2012, 856, Rz 30, wonach es an einer rechtlichen Grundlage für die Annahme fehle, die Bildung einer Rückstellung sei nur bei wesentlichen Verpflichtungen zulässig) oder bei der Aktivierung einer geringfügigen Forderung (vgl. BFH-Urteil vom 28.09.1967 ‑ IV R 284/66, BFHE 90, 72, BStBl III 1967, 761, unter II.2., wonach es im Gesetz keine Stütze finde, dass diese nicht aktiviert werden müssten).
a) Dem Grundsatz der Wesentlichkeit kann ein Wahlrecht zur Bildung von aktiven Rechnungsabgrenzungsposten in Fällen von geringer Bedeutung nicht entnommen werden.
aa) Die Existenz des Grundsatzes der Wesentlichkeit (BFH-Urteil vom 20.06.2000 ‑ VIII R 32/98, BFHE 192, 502, BStBl II 2001, 636) steht zwar außer Frage. Wie im Senatsbeschluss in BFH/NV 2010, 1796, Rz 32 und 35 ausgeführt, lässt das HGB auch an mehreren Stellen erkennen, dass es in bestimmten Fällen aus unterschiedlichen Gründen auf den Ausweis unwesentlicher Positionen verzichtet, bzw. zeigt das Einkommensteuerrecht, z.B. bei der Sofortabsetzung von geringwertigen Wirtschaftsgütern nach § 6 Abs. 2 EStG, dass ein periodengerechter Ausweis entbehrlich sein kann. Für ein Wahlrecht im Rahmen des § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG hätte es aber ‑‑wie in den in BFH/NV 2010, 1796 aufgezeigten Fällen‑‑ einer gesetzlichen Regelung bedurft, wonach es dem Steuerpflichtigen erlaubt ist, in Fällen von geringer Bedeutung auf eine genaue Abgrenzung zu verzichten (ebenso im Ergebnis: HHR/ Tiedchen, § 5 EStG Rz 2180, die u.a. darauf hinweist, dass das Gesetz insoweit keine Ausnahmeregelungen vorsieht), selbst wenn die Anwendung des Grundsatzes der Wesentlichkeit dort umso eher begründbar sein mag, wo es ‑‑wie bei Rechnungsabgrenzungsposten, die der periodengerechten Zuordnung der ansonsten sofort aufwandwirksamen Ausgaben dienen‑‑ nur um den zeitgerechten Ausweis geht.
bb) Aus der Gesetzesbegründung (BTDrucks V/3187, S. 4) ergibt sich nicht, dass der Gesetzgeber bei § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG ausnahmsweise von einer solchen Möglichkeit ausgegangen wäre. Dort heißt es nur: "Da hinsichtlich (...) der Bilanzierung von Rechnungsabgrenzungsposten zurzeit eine gewisse Rechtsunsicherheit vorhanden ist, erscheint es erforderlich, die insoweit bestehenden, den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechenden Ausweisverbote in § 5 EStG ausdrücklich zu verankern".
cc) Die gesetzgeberischen Überlegungen bei der Behandlung geringwertiger Wirtschaftsgüter in § 6 Abs. 2 EStG können nicht auf die Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten übertragen werden. Hiergegen spricht, dass diese nicht als Wirtschaftsgüter zu qualifizieren sind (vgl. zur rechtlichen Qualifikation als Wirtschaftsgut: BFH-Urteil vom 14.11.2012 ‑ I R 19/12, BFH/NV 2013, 1389, Rz 12) und dass mit der Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter (neben der Vereinfachung) gesetzlich auch der Zweck der "Verbesserung der Selbstfinanzierung der Unternehmen" verfolgt wird (vgl. dazu Schmidt/ Kulosa, a.a.O., § 6 Rz 652; HHR/Dreixler, § 6 EStG Rz 1000, jeweils m.w.N.). Gerade dieser Förderzweck des § 6 Abs. 2 EStG macht deutlich, dass es dem Gesetzgeber vorbehalten sein muss, diesem Zweck auch für § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG Geltung zu verschaffen. Eine analoge Anwendung im Übrigen, die auch im Kostenbeschluss in BFH/NV 2010, 1796 nicht vertreten worden ist, ist mangels Regelungslücke ausgeschlossen.
b) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz schränkt die Pflicht zur Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten ebenfalls nicht auf wesentliche Fälle ein.
aa) Zwar gilt dieser Grundsatz auch im Steuerrecht. Danach müssen Mittel und Zweck in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Dies ist z.B. nicht gewahrt, wenn eine Tätigkeit von ganz untergeordneter Bedeutung, die kaum in Erscheinung tritt, eine wesentlich bedeutsamere Tätigkeit in eine gewerbliche nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1 EStG umqualifizieren würde. In diesem Fall würde die "schädliche" Tätigkeit eine unverhältnismäßige Rechtsfolge auslösen und damit eine Bedeutung erlangen, die ihr von ihrem Gewicht her nicht zukommt (vgl. BFH-Urteile vom 11.08.1999 ‑ XI R 12/98, BFHE 189, 419, BStBl II 2000, 229, und vom 27.08.2014 ‑ VIII R 6/12, BFHE 247, 513, BStBl II 2015, 1002; zu § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG: BFH-Urteil vom 06.06.2019 ‑ IV R 30/16, BFHE 265, 157, BStBl II 2020, 649).
bb) Durch den Ansatz eines Rechnungsabgrenzungspostens kann ‑‑auch in Fällen mit geringfügigen Beträgen‑‑ eine solche unverhältnismäßige Folge indes nicht herbeigeführt werden. Der Ansatz bewirkt ausschließlich, dass sich der Gewinn in genau der Größenordnung des gebildeten Postens erhöht; weitergehende Folgen sind nicht ersichtlich.
cc) Darüber hinaus kann der Senat nicht erkennen, dass bei der Rechnungsabgrenzung in Fällen von geringer Bedeutung ein Aufwand erforderlich wäre, der in keinem Verhältnis zur Verbesserung des Einblicks in die Vermögens‑ und Ertragslage des Unternehmens stünde bzw. der zu der Annahme führte, die periodengerechte Ermittlung des Aufwandes würde im Interesse einer Vereinfachung der Buchführung übertrieben werden (anders noch der BFH in den Urteilen vom 16.09.1958 ‑ I 351/56 U, BFHE 67, 492, BStBl III 1958, 462, und vom 02.06.1960 ‑ IV 114/58, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ‑‑HFR‑‑ 1961, 73). Denn für die (zeitraumbezogene) Berechnung der Höhe der Rechnungsabgrenzungsposten nach den Verhältnissen der noch ausstehenden Gegenleistung zur gesamten Leistung (zur Berechnung: BFH-Urteil in BFHE 97, 350, BStBl II 1970, 178) sind ‑‑vgl. nur die streitgegenständlichen Posten‑‑ keine Schwierigkeiten ersichtlich, die zu einem unverhältnismäßigen Aufwand führen würden (a.A. z.B. Bauer, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rz F 112; Blümich/Krumm, § 5 EStG Rz 259). Stehen die Werte der Rechnungsabgrenzungsposten eindeutig fest, sind sie auch in die Bilanz aufzunehmen, selbst wenn sie einen verhältnismäßig geringen Betrag aufweisen (vgl. Hessisches FG in DStRE 2010, 329, Rz 50; vgl. zum ähnlichen Fall der Aktivierung geringfügiger Forderungen: BFH in BFHE 90, 72, BStBl III 1967, 761, unter II.2., wonach für "einfach zu überblickende Sachverhalte" nicht die Ansicht vertreten werden könne, von einer Bilanzierung wegen Geringfügigkeit abzusehen; a.A. Hoffmann in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, §§ 4, 5, Rz 804, der es für wenig sinnvoll erachtet, bei unbedeutenden Posten, wie häufig Rechnungsabgrenzungsposten, eine exakte Ermittlung der Bilanzansätze durchzuführen, nur weil sie hier ausnahmsweise möglich ist).
dd) Zudem kann es bei einer Vielzahl in der Gewinnermittlung nicht berücksichtigter, geringfügiger aktiver Rechnungsabgrenzungsposten doch ‑‑insgesamt‑‑ zu einer bedeutenden Verzerrung des Einblicks in die Vermögens‑ und Ertragslage kommen (vgl. Marx, FR 2011, 267, 270, der insoweit einen relativen Schwellenwert für die Gesamtheit der Posten fordert).
c) Mit (Kosten-)Beschluss in BFH/NV 2010, 1796 hatte der Senat zwar das von den Klägern begehrte Wahlrecht in Bezug auf aktive Rechnungsabgrenzungsposten noch bejaht. Hieran hält er aus den vorstehend genannten Gründen aber nicht mehr fest.
4. Eine Vorlage an den Großen Senat des BFH ist nicht erforderlich, weil der Senat nicht in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines ‑‑anderen‑‑ Senats oder des Großen Senats des BFH abweicht (§ 11 Abs. 2 FGO).
Soweit der VI. Senat in seinem Urteil vom 03.09.2015 ‑ VI R 27/14 (BFHE 251, 5, BStBl II 2016, 174) unter Bezugnahme auf den Senatsbeschluss in BFH/NV 2010, 1796 ausgeführt hat, es sei entsprechend den allgemeinen Grundsätzen der Gewinnermittlung nicht ausgeschlossen, bei nur geringfügigen Beträgen auf den Ansatz eines Rechnungsabgrenzungspostens zu verzichten, wie z.B. bei Steuern und Versicherungen für einen nur aus wenigen Fahrzeugen bestehenden Fuhrpark, ist auch diesbezüglich eine Vorlage an den Großen Senat des BFH entbehrlich, denn die Ausführungen waren im dortigen Streitfall nicht entscheidungserheblich (zur Entscheidungserheblichkeit vgl. Gräber/Teller, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 11 Rz 4).
Des Weiteren ist der Senat nicht aufgrund der BFH-Urteile in BFHE 67, 492, BStBl III 1958, 462, und in HFR 1961, 73 verpflichtet, den Großen Senat des BFH anzurufen. In diesen Entscheidungen ist zwar eine entsprechende Aktivierungspflicht verneint worden. Die Urteile sind aber vor Inkrafttreten der FGO (31.12.1965) ergangen und nicht gemäß § 64 der Reichsabgabenordnung (RAO) i.d.F. der Bekanntmachung vom 22.05.1931 (RGBl I 1931, 161) veröffentlicht worden, so dass § 11 FGO insoweit nicht anzuwenden ist (§ 184 Abs. 2 Nr. 5 FGO i.d.F. vom 06.10.1965, BGBl I 1965, 1477; vgl. Senatsurteil vom 03.03.2004 ‑ X R 12/02, BFHE 205, 451, BStBl II 2004, 722, unter II.2.a cc; BFH-Urteil vom 21.03.1989 ‑ IX R 58/86, BFHE 156, 201, BStBl II 1989, 778; zur Veröffentlichung nach § 64 RAO vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 20.02.2013 ‑ GrS 1/12, BFHE 140, 282, BStBl II 2013, 441, Rz 16).
5. Demzufolge mussten ‑‑wie vom FA für die Einkommensteuerbescheide in den Streitjahren zu Recht angenommen‑‑ für die streitgegenständlichen Aufwendungen aktive Rechnungsabgrenzungsposten in Höhe von 1.341 € (2015), 1.550 € (2016) und 1.315 € (2017) gebildet werden.
6. Gegenläufig hätten aber in den Jahren 2016 und 2017 jeweils die im Vorjahr gewinnerhöhend berücksichtigten Rechnungsabgrenzungsposten aufgelöst werden müssen. Für das Jahr 2016 ergibt sich danach eine Gewinnminderung in Höhe von 1.341 €; insoweit ist der Einkommensteuerbescheid für 2016 abzuändern. Im Streitjahr 2017 überschreitet die gewinnmindernde Auflösung (1.550 €) die Höhe der gebildeten Rechnungsabgrenzungsposten (1.314 €), so dass die Revision insoweit im Ergebnis unbegründet ist; im Übrigen gilt das Verböserungsverbot, das auch im Revisionsverfahren anzuwenden ist (§ 96 Abs. 1 Satz 2, § 121 Satz 1 FGO).
7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Kosten des gesamten Verfahrens haben der Beklagte zu 5/8 und die Kläger zu 3/8 zu tragen.
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