BFH: Einspruchsgegenstand; Grenzen der Überprüfungsmöglichkeit im Einspruchsverfahren; einheitliche Erstausbildung
- Die vorbehaltlose Festsetzung von Kindergeld und die Verfügung über die Nichtauszahlung sind eigenständige Verwaltungsakte. Richtet sich der Einspruch nur gegen die verweigerte Auszahlung, liegt hierin nicht zugleich ein Einspruch gegen die Festsetzung.
- Die der Familienkasse eingeräumte Überprüfungsmöglichkeit im Einspruchsverfahren findet ihre Grenze in dem angefochtenen Verwaltungsakt als formellem Gegenstand des Einspruchs.
- Der "Gesamtplan" des Kindes, sein Berufsziel erst durch eine weitere Ausbildung zu erreichen, ist nicht das allein maßgebliche Kriterium für die Annahme einer einheitlichen Erstausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG.
AO §§ 118, 218 Abs. 2, 367 Abs. 2 Sätze 1 und 2
EStG §§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, 32 Abs. 4 Satz 2
BFH-Urteil vom 14.4.2021 ‑ III R 50/20 (veröffentlicht am 9.9.2021)
Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz vom 18.12.2019 - 2 K 2059/18 (= SIS 20 15 85)
I.
Streitig ist der Kindergeldanspruch für den Zeitraum Februar 2014 bis Februar 2015.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist der Vater des im Februar 1990 geborenen Sohnes M. M beendete im Juni 2013 seine Ausbildung zum Bankkaufmann. Am darauffolgenden Tag trat er eine Vollerwerbsstelle in seinem Ausbildungsbetrieb an. Im Februar 2014 begann M ‑‑nach seiner Zulassung im Dezember 2013‑‑ einen berufsbegleitenden Studiengang zum Bankfachwirt/Bankkolleg, der bis Juni 2016 andauerte.
Mit Antrag vom Dezember 2017 beantragte der Kläger rückwirkend Kindergeld ab Juli 2013 bis Februar 2015. Er machte geltend, dass zum einen M sein Berufsziel mit Abschluss der Ausbildung zum Bankkaufmann noch nicht erreicht habe. Zum anderen sei der enge zeitliche Zusammenhang trotz des Studienbeginns im Februar 2014 gegeben, da der Studiengang nur einmal im Jahr angeboten werde.
Mit Bescheid vom 22.02.2018 setzte die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) Kindergeld für den Zeitraum April 2013 bis einschließlich Februar 2015 fest, jedoch mit dem Hinweis, dass eine Nachzahlung wegen des nach dem 31.12.2017 eingegangenen Antrags gemäß § 66 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) a.F. ausgeschlossen sei. Während des sich anschließenden Einspruchsverfahrens teilte die Familienkasse dem Kläger mit, dass nunmehr zwar von einem Zugang des Kindergeldantrags im Dezember 2017 ausgegangen werde, ein Kindergeldanspruch aber für den Streitzeitraum nicht bestehe, da die Ausbildung zum Bankkaufmann und das Studium nicht Teile einer einheitlich zu betrachtenden Erstausbildung seien. Mit dieser Begründung wies die Familienkasse den Einspruch mit Entscheidung vom 28.09.2018 als unbegründet zurück. In der Einspruchsentscheidung führte die Familienkasse weiterhin aus:
"Mit der angefochtenen Entscheidung wurde das Kindergeld ... abgelehnt. Die Entscheidung wurde damit begründet, dass die besonderen Anspruchsvoraussetzungen zur Berücksichtigung volljähriger Kinder nicht vorliegen. Hiergegen richtet sich der Einspruch."
Mit der anschließenden Klage begehrte der Kläger, den angefochtenen Bescheid vom 22.02.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung abzuändern und die Familienkasse zu verpflichten, Kindergeld für den Zeitraum April 2013 bis Februar 2015 festzusetzen und zu leisten. Die Klage hatte teilweise (für den Zeitraum Februar 2014 bis Februar 2015) Erfolg. Für den übrigen Zeitraum wies das Finanzgericht (FG) die Klage ab. Das FG vertrat die Ansicht ‑‑soweit die Klage erfolgreich war‑‑, dass auch nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ (Senatsurteile vom 11.12.2018 ‑ III R 26/18, BFHE 263, 209, BStBl II 2019, 765, und vom 10.04.2019 ‑ III R 36/18, BFH/NV 2019, 1100) der vorliegende Gesamtplan des Kindes, das Ende der Berufsausbildung erst durch den Abschluss "Bankfachwirt" zu erreichen, die quantitative Komponente (Vollzeiterwerbstätigkeit) überlagere und dementsprechend nicht entscheidungserheblich sein könne.
Mit der Revision rügt die Familienkasse die Verletzung materiellen Rechts.
Die Familienkasse beantragt,
das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 18.12.2019 ‑ 2 K 2059/18 aufzuheben, soweit Kindergeld für M für den Zeitraum Februar 2014 bis Februar 2015 festgesetzt wurde, und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
Zu Recht macht die Familienkasse zwar geltend, das angefochtene Urteil verletze mit seiner Auffassung, der Gesamtplan des Kindes sei das maßgebliche Kriterium bei der Prüfung einer erstmaligen Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG, materielles Recht (nachfolgend unter II.1.). Die FG-Entscheidung erweist sich aber im Ergebnis aus anderen Gründen als richtig (nachfolgend unter II.2.), sodass die Revision gemäß § 126 Abs. 4 FGO mit der Maßgabe zurückzuweisen ist, dass der Tenor des finanzgerichtlichen Urteils, soweit der Klage stattgegeben wurde, dahingehend geändert wird, dass lediglich die Einspruchsentscheidung für den hier vorliegenden Streitzeitraum aufgehoben wird. Mit der Aufhebung der Einspruchsentscheidung bleibt die bestandskräftige Festsetzung des Kindergeldes für die Monate Februar 2014 bis Februar 2015 vom 22.02.2018 bestehen.
1. Das FG hat den Erstausbildungsbegriff des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG fehlerhaft ausgelegt.
a) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist der Erstausbildungsbegriff des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG enger auszulegen als das in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG verwendete Tatbestandsmerkmal "Kind, das ... für einen Beruf ausgebildet wird" (Senatsurteil vom 03.07.2014 ‑ III R 52/13, BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 22 ff.). In Fällen, in denen die einheitliche Erstausbildung mit daneben ausgeübter Erwerbstätigkeit von einer berufsbegleitend durchgeführten Weiterbildung (Zweitausbildung) abzugrenzen ist, sind die bereits bestehenden Rechtsprechungsgrundsätze ‑‑wie der Senat bereits im Urteil in BFHE 263, 209, BStBl II 2019, 765 entschieden hat‑‑ fortzuentwickeln und zu präzisieren.
Danach kann es an einer einheitlichen Erstausbildung auch dann fehlen, wenn das Kind nach Erlangung des ersten Abschlusses in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang eine Berufstätigkeit aufnimmt und die daneben in einem weiteren Ausbildungsabschnitt durchgeführten Ausbildungsmaßnahmen gegenüber der Berufstätigkeit in den Hintergrund treten. Ob die nach Erlangung des Abschlusses aufgenommene Berufstätigkeit die Hauptsache und die weiteren Ausbildungsmaßnahmen eine auf Weiterbildung und/oder Aufstieg in dem bereits aufgenommenen Berufszweig gerichtete Nebensache darstellen, ist dabei mittels einer Gesamtwürdigung der Verhältnisse anhand der vom Senat in seiner Entscheidung in BFHE 263, 209, BStBl II 2019, 765, Rz 16 ff. genannten Kriterien, auf die hier verwiesen wird, zu entscheiden.
b) Das mit der Revision angegriffene FG-Urteil entspricht nicht diesen fortentwickelten Rechtsgrundsätzen.
aa) Über die Frage, ob die einzelnen Ausbildungsabschnitte zu einer einheitlichen Erstausbildung gehören, entscheidet das FG unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Zwar ist die finanzrichterliche Überzeugungsbildung revisionsrechtlich nur eingeschränkt auf Verstöße gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze überprüfbar. Das FG hat jedoch im Einzelnen darzulegen, wie und dass es seine Überzeugung in rechtlich zulässiger und einwandfreier Weise gewonnen hat (BFH-Beschluss vom 13.03.1997 ‑ I B 78/96, BFH/NV 1997, 772). Die aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu gewinnende Würdigung des FG ist nur dann ausreichend und für das Revisionsgericht bindend, wenn sie auf einer logischen, verstandesmäßig einsichtigen Würdigung zutreffender Kriterien beruht, deren nachvollziehbare Folgerungen den Denkgesetzen entsprechen und von den festgestellten Tatsachen getragen werden. Fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die Folgerungen in der tatrichterlichen Entscheidung oder fehlt die nachvollziehbare Ableitung dieser Folgerungen aus den festgestellten Tatsachen und Umständen, liegt ein Verstoß gegen die Denkgesetze vor (z.B. BFH-Urteil vom 26.06.2014 ‑ VI R 51/13, BFHE 246, 326, BStBl II 2015, 9, Rz 21, m.w.N.; Senatsurteile vom 16.04.2015 ‑ III R 6/14, BFH/NV 2015, 1237, Rz 16, m.w.N., und vom 19.01.2017 ‑ III R 44/14, BFH/NV 2017, 735, Rz 22).
Ein solcher Rechtsanwendungsfehler ist vorliegend gegeben.
bb) Das FG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass M im Streitzeitraum ‑‑Februar 2014 bis einschließlich Februar 2015‑‑ die Voraussetzungen eines Berücksichtigungstatbestands nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG erfüllte, da M durch das Studium i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG für einen Beruf ausgebildet wurde.
cc) Revisionsrechtlich zu beanstanden ist allerdings die Würdigung des FG, dass der berufsbegleitende Studiengang "Bankfachwirt" zusammen mit der Ausbildung zum Bankkaufmann noch eine einheitliche Erstausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG bildete.
Entgegen der Ansicht des FG kann der "Gesamtplan" des Kindes, die Ausbildung endgültig erst mit Abschluss des Bankbetriebswirtes als beendet anzusehen, nach den unter Punkt II.1.a. fortentwickelten Rechtsgrundsätzen des Senats nicht das allein maßgebliche Kriterium für die Annahme einer einheitlichen Erstausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG sein und alle anderen Kriterien "überlagern". Der Senat hat ausdrücklich in seinen neuen Entscheidungen darauf hingewiesen, dass er an den Rechtsgrundsätzen in seinen Urteilen in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152 und vom 08.09.2016 ‑ III R 27/15 (BFHE 255, 202, BStBl II 2017, 278) nicht mehr festhält (Senatsurteil vom 19.02.2020 ‑ III R 28/19, BFHE 268, 308, BStBl II 2020, 562, Rz 20). Eine einheitliche Erstausbildung im Rahmen des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG kann daher durch das angestrebte Berufsziel des Kindes nicht nachvollziehbar begründet werden.
2. Die fehlerhafte Rechtsauffassung des FG führt aber im Streitfall nicht zum Erfolg der Revision, da sich die Vorentscheidung ‑‑jedenfalls im Ergebnis‑‑ aus anderen Gründen als richtig erweist.
a) Soweit die Familienkasse mit Bescheid vom 22.02.2018 das Kindergeld für M für den Zeitraum Februar 2014 bis Februar 2015 festgesetzt hat, ist dieser Bescheid bestandskräftig geworden. Die Familienkasse als Einspruchsbehörde konnte diese Festsetzung des Kindergeldes nicht durch die Einspruchsentscheidung abändern, da der Einspruch des Klägers sich hiergegen nicht richtete.
aa) Soweit die Familienkasse in ihrer Einspruchsentscheidung ausführt, dass mit Bescheid vom 22.02.2018 das Kindergeld abgelehnt worden sei, betraf die Ablehnung nicht die Festsetzung, sondern lediglich die Auszahlung. Entgegen der Darstellung in der Einspruchsentscheidung erfolgte dies auch nicht mit der Begründung, dass "die besonderen Anspruchsvoraussetzungen zur Berücksichtigung volljähriger Kinder" nicht vorgelegen hätten. Die Familienkasse hat vielmehr das Kindergeld mit Bescheid vom 22.02.2018 vorbehaltslos festgesetzt und lediglich ausgeführt, dass einer Nachzahlung § 66 Abs. 3 EStG entgegenstehe.
bb) Der hiergegen eingelegte Einspruch (Schreiben vom 21.03.2018) richtete sich allein gegen die Ablehnung der Nachzahlung. Dies haben sowohl die Familienkasse als auch das FG übersehen. Zwar ist auch die Einspruchseinlegung als verfahrenseinleitende Willenserklärung nach den für empfangsbedürftige Willenserklärungen geltenden Grundsätzen (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches) auslegbar. Voraussetzung hierfür ist aber, dass die (Verfahrens‑) Erklärung auslegungsbedürftig ist. Hieran fehlt es, wenn die Erklärung nach Wortlaut und Zweck einen eindeutigen Inhalt hat (BFH-Urteile vom 14.06.2016 ‑ IX R 11/15, BFH/NV 2016, 1676, Rz 22; vom 28.11.2001 ‑ I R 93/00, BFH/NV 2002, 613). Ob dies zutrifft, ist revisionsrechtlich nachprüfbar (BFH-Urteil vom 11.02.2009 ‑ X R 51/06, BFHE 226, 1, BStBl II 2009, 892).
(1) Die vom Kläger im Rahmen des Einspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 22.02.2018 abgegebene Stellungnahme (Schreiben vom 21.03.2018) ist nach ihrem Wortlaut und Zweck eindeutig und unmissverständlich und kann nicht zugleich als Einspruch gegen die Festsetzung des Kindergeldes ausgelegt oder umgedeutet werden. Der Kläger erklärt in diesem Schreiben zunächst, dass die Familienkasse mit Bescheid vom 22.02.2018 seinem Antrag auf Festsetzung des Kindergeldes entsprochen habe. Des Weiteren macht er geltend, der verweigerten Nachzahlung könne § 66 Abs. 3 EStG nicht entgegenstehen, da der Kindergeldantrag nach seinen Unterlagen am 29.12.2017 der Familienkasse zugegangen sei. Er bat die Familienkasse daher nunmehr um Überweisung des festgesetzten Kindergeldes. Diese Begründung lässt eindeutig den Willen und die Zielsetzung des Klägers erkennen, lediglich die Nichtauszahlung anzugreifen. Abgesehen davon wäre ein Einspruch gegen die erfolgte vorbehaltslose Festsetzung mangels Beschwer (§ 350 der Abgabenordnung ‑‑AO‑‑) unzulässig gewesen.
(2) Die Familienkasse war auch nicht über § 367 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO befugt, die mit Bescheid vom 22.02.2018 erfolgte Festsetzung zu Lasten des Klägers zu ändern.
Im Einspruchsverfahren ist die Sache zwar gemäß § 367 Abs. 2 Satz 1 AO in vollem Umfang, unabhängig von dem Vorbringen und dem Rechtsbehelfsantrag des Einspruchsführers, erneut zu überprüfen. Der Verwaltungsakt kann auch gemäß § 367 Abs. 2 Satz 2 AO nach einem entsprechenden Hinweis zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden. Sowohl die Überprüfung als auch die Verböserungsmöglichkeit haben jedoch ihre Grenze in dem angefochtenen Verwaltungsakt als dem formellen Gegenstand des Einspruchs (BFH-Urteile vom 28.11.1989 ‑ VIII R 40/84, BFHE 159, 410, BStBl II 1990, 561; vom 28.07.1993 ‑ II R 50/90, BFH/NV 1993, 712; BFH-Beschluss vom 04.07.2013 ‑ X B 91/13, BFH/NV 2013, 1540, Rz 18). Es darf demnach nur der steuerlich erhebliche Vorgang, der Gegenstand des angefochtenen Verwaltungsakts gewesen ist, auch Gegenstand der Einspruchsentscheidung sein (BFH-Urteil vom 08.11.1994 ‑ VII R 1/93, BFH/NV 1995, 657).
Dabei kann der Senat dahingestellt sein lassen, ob es sich bei der in der Begründung des Bescheids vom 22.02.2018 verweigerten Nachzahlung um einen förmlichen Abrechnungsbescheid i.S. des § 218 Abs. 2 AO gehandelt hat. Jedenfalls stellen die vorbehaltlose Festsetzung und die Verfügung über die Nichtauszahlung jeweils eigenständige Verwaltungsakte i.S. des § 118 AO dar. Beide enthalten eigenständige Regelungen der Familienkasse, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet sind. Um der Festsetzung ihren konstitutiven Charakter zu nehmen, hätte bereits diese in einer für den Erklärungsempfänger erkennbaren Weise dahingehend eingeschränkt werden müssen, dass ihr nur deklaratorische Funktion ‑‑insbesondere zur Wahrung von kindergeldabhängigen Annexansprüchen‑‑ zukommen soll (vgl. Senatsurteil vom 22.04.2020 ‑ III R 33/19, BFH/NV 2021, 350, Rz 30). Dies ist jedoch nicht geschehen. Die ohne jegliche Einschränkung erfolgte Festsetzung begründete daher für den Streitzeitraum einen Kindergeldanspruch.
b) Die Einspruchsentscheidung vom 28.09.2018 war danach rechtswidrig, weil die Familienkasse insoweit über den Gegenstand des Einspruchsverfahrens hinausgegangen ist. Zwar lautet der Tenor nur, dass der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen wird, sodass die Einspruchsentscheidung die nicht angefochtene vorbehaltlose Kindergeldfestsetzung an sich unberührt lässt. Aus der Begründung der Einspruchsentscheidung ergibt sich aber, dass die Familienkasse die Auffassung vertritt, die Kindergeldfestsetzung sei bereits abgelehnt worden. Mit dieser in der Einspruchsentscheidung abgegebenen Begründung wird zumindest der Rechtsschein erweckt, dass bereits die Festsetzung des Kindergeldes abgelehnt wird. Hierfür fehlte der Familienkasse aber nach der nicht angegriffenen vorbehaltlosen Festsetzung die Entscheidungsbefugnis. Da sich der Kläger aufgrund der Einspruchsentscheidung einer Situation gegenübersieht, die den Rechtsschein erweckt, ein Verwaltungsakt (hier: Ablehnung der Festsetzung) existiere bereits, muss ‑‑zur Rechtsschutzwahrung (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes)‑‑ die Einspruchsentscheidung aufgehoben werden.
c) Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass durch die Aufhebung der Einspruchsentscheidung die vorbehaltlose rückwirkende Festsetzung konstitutiv wirkt und die Familienkasse auch im Erhebungsverfahren bindet (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 2021, 350, Rz 27 f.) und damit grundsätzlich zur Auszahlung verpflichtet, soweit keine anderweitigen Auszahlungshindernisse bestehen. Einer wie vom FG vorgenommenen (erneuten) Verpflichtung der Familienkasse zur Festsetzung des Kindergeldes bedarf es daher nicht.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
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