BFH zum Termingeschäft i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG
- Ein auf Differenzausgleich gerichtetes Devisentermingeschäft kann auch vorliegen, wenn das Gegengeschäft dem Eröffnungsgeschäft nachfolgt. Jedoch müssen beide Geschäfte derart miteinander verknüpft sein, dass der auf die Realisierung einer positiven oder negativen Differenz aus Eröffnungs- und Gegengeschäft gerichtete Wille der Vertragsbeteiligten ersichtlich ist. Es genügt nicht, dass dem Eröffnungsgeschäft tatsächlich ein Gegengeschäft lediglich nachfolgt, das dessen Erfüllung dient.
- § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in der im Streitjahr 2011 geltenden Fassung unterfallen keine Fremdwährungsgeschäfte, bei denen die Veräußerung früher erfolgt als der Erwerb (sog. Leerverkäufe).
BFH-Urteil vom 24.10.2017, VIII R 35/15 (veröffentlicht am 24.1.2018)
EStG § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a, § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
Vorinstanz: FG München, Außensenate Augsburg, vom 10.9.2015, 15 K 2243/13 (EFG 2016 S. 563 = SIS 16 03 90)
I. Streitig ist, ob vom Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) erlittene Verluste aus Devisengeschäften gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr (2011) geltenden Fassung (EStG) steuerlich zu berücksichtigen sind.
Der Kläger und die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), die im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden, erklärten in ihrer Steuererklärung u.a. in der Anlage SO Verluste in Höhe von 10.292 €, die aus Devisengeschäften des Klägers resultierten. Dieser hatte am 22.1.2010 bzw. 28.7.2010 jeweils zu einem in der Zukunft liegenden Stichtag (hier: 26.1.2011 bzw. 29.7.2011) für einen bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses festgelegten Betrag Devisen (JPY) an das Kreditinstitut veräußert. Die zum Ausgleich erforderlichen Devisen erwarb er erst später (hier: 26.1.2011 bzw. 7.3.2011) mit Wirkung zum Fälligkeitstag. Die Devisengeschäfte waren als Liefergeschäfte abgeschlossen und abgewickelt worden.
In dem Einkommensteuerbescheid vom 13.6.2012 blieben die Verluste unberücksichtigt. Hiergegen wandten sich die Kläger mit ihrem Einspruch, in dem sie darlegten, es handele sich um Differenzausgleichsgeschäfte i.S. des § 20 Abs. 2 EStG.
Während des Einspruchsverfahrens erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) u.a. am 26.4.2013 einen Einkommensteueränderungsbescheid für das Streitjahr, in dem er die streitigen Verluste als solche aus privaten Veräußerungsgeschäften erfasste. In dem Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12.2011 vom gleichen Tag stellte es einen verbleibenden Verlustvortrag für Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG in Höhe von 10.292 € für den Kläger fest. Gegen beide Bescheide legten die Kläger Einspruch ein.
Sodann änderte das FA seine Auffassung. Es hob - nach Anhörung der Kläger - mit Einspruchsentscheidung vom 10.7.2013 den Einkommensteueränderungsbescheid und den Verlustfeststellungsbescheid vom 26.4.2013 auf und wies den Einspruch der Kläger zurück, da die Geschäfte nicht innerhalb der Spekulationsfrist erfolgt seien.
Mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 563 veröffentlichtem Urteil vom 10.9.2015, 15 K 2243/13 gab das Finanzgericht (FG) der hiergegen gerichteten Klage statt. Es war der Auffassung, die streitigen Verluste seien von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG erfasst, da die Devisentermingeschäfte auf den Differenzausgleich gerichtet gewesen seien. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Streitfalls könne die Verbuchung der streitigen Geschäfte am Fälligkeitstag über die Währungskonten des Klägers bei wirtschaftlicher Betrachtung als "Bruttoverbuchung" des Differenzausgleichs gewürdigt werden, die nicht zu einer Lieferung der Devisen mit anschließendem Rücktausch i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG führe. Dafür spreche auch, dass diese Geschäfte nur in Höhe eines eventuellen Verlusts in den dem Kläger von dem Kreditinstitut gewährten Kreditrahmen einfließen sollten.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt sinngemäß, das angefochtene FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Das FG ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die streitigen Verluste gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG zu berücksichtigen sind.
Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG gehört zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch der Gewinn bei Termingeschäften, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt.
a) Das Termingeschäft ist in § 20 Abs. 2 EStG nicht definiert. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) folgt der Begriff des Termingeschäftes den Regelungen des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG); Termingeschäfte in diesem Sinne sind nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG u.a. Festgeschäfte oder Optionsgeschäfte, die zeitlich verzögert zu erfüllen sind und deren Wert sich unmittelbar oder mittelbar vom Preis oder Maß eines bestimmten Basiswertes ableitet (BFH-Urteil vom 12.5.2015 VIII R 4/15, BFHE 250, 75, BStBl II 2015, 835, unter Verweis auf BFH-Urteil vom 13.1.2015 IX R 13/14, BFHE 248, 340, BStBl II 2015, 827).
Entsprechend seinem Wortlaut erfasst § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG Termingeschäfte, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich erlangt. Maßgeblich ist insoweit die Zweckbestimmung des Termingeschäftes, die von dem anhand objektiver Umstände nachvollziehbaren Willen der Vertragsbeteiligten abhängt. Erfasst sind demnach Termingeschäfte, die auf die Erzielung eines Differenzausgleiches gerichtet sind, nicht aber Termingeschäfte, die auf die tatsächliche ("physische") Lieferung des Basiswertes am Ende der Laufzeit gerichtet sind (vgl. BFH-Urteil vom 6.7.2016 I R 25/14, BFHE 254, 326, zu § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG 1999 m.w.N.; von Beckerath in Kirchhof, EStG, 16. Aufl., § 20 Rz 130; Jochum, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 20 Rz D 3 3; Jachmann/Lindenberg in Lademann, EStG, § 20 EStG Rz 648; Hamacher/Dahm in Korn, § 20 EStG Rz 577; Moritz/Strohm in Frotscher, EStG, Freiburg 2011, § 20 n.F. Rz 239).
Ein auf Differenzausgleich gerichtetes Devisentermingeschäft liegt vor, wenn die Vertragsbeteiligten ausdrücklich oder stillschweigend vereinbaren, dass keine effektive Lieferung, sondern ein Differenzausgleich erfolgen soll. Devisentermingeschäfte können auch dann auf einen Differenzausgleich gerichtet sein, wenn sie äußerlich in die Form eines Kaufvertrages gekleidet sind (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 18.1.2016 IV C 1-S 2252/08/10004:017, 2015/0468306, BStBl I 2016, 85, Rz 38, ebenso BMF-Schreiben vom 9.10.2012 IV C 1-S 2252/10/10013, BStBl I 2012, 953, Rz 38). Dies gilt auch bei Abschluss eines Eröffnungsgeschäftes mit nachfolgendem Gegengeschäft (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2016, 85, und in BStBl I 2012, 953, jeweils Rz 38). Das Termingeschäft muss allerdings auf einen Differenzausgleich in Bezug auf ein Gegengeschäft gerichtet sein, d.h. beide Geschäfte müssen derart miteinander verknüpft sein, dass der auf die Realisierung einer positiven oder negativen Differenz aus Eröffnungs- und Gegengeschäft gerichtete Wille der Vertragsbeteiligten erkennbar ist. Demgegenüber genügt es nicht, dass dem Eröffnungsgeschäft tatsächlich ein Gegengeschäft lediglich nachfolgt, das dessen Erfüllung dient.
b) Nach diesen Maßstäben ist die tatsächliche und rechtliche Würdigung des FG, die Devisengeschäfte seien bei wirtschaftlicher Betrachtung auf den sich nach Verbuchung ergebenden Differenzbetrag aus Eröffnungs- und Gegengeschäft gerichtet gewesen, rechtsfehlerhaft. Es fehlt an einer hinreichenden Verknüpfung von Eröffnungs- und Gegengeschäft.
Für eine solche reicht es nicht aus, dass der Kläger die Devisen vor ihrem Erwerb veräußert hat, ohne zu diesem Zeitpunkt über entsprechende Devisen zur Erfüllung des Eröffnungsgeschäftes zu verfügen (Leerverkauf). Allein die tatsächliche Notwendigkeit, zur Erfüllung des Eröffnungsgeschäftes entsprechende Devisen erwerben zu müssen und dies auch später tatsächlich zu tun, lässt nicht erkennen, dass es den Vertragsbeteiligten um die Realisierung einer (positiven oder negativen) Differenz aus Eröffnungs- und Gegengeschäft geht. Eine hinreichende Verknüpfung von Eröffnungs- und Gegengeschäft ergibt sich auch nicht daraus, dass das Vorgehen nach den Feststellungen des FG den Vereinbarungen mit dem Kreditinstitut entsprochen hat, nach denen die Devisengeschäfte nur in Höhe eines eventuellen Verlustes in den dem Kläger gewährten Kreditrahmen einfließen sollten. Denn obwohl sich der Kläger im Eröffnungsgeschäft gegenüber dem Kreditinstitut zur Lieferung der Devisen auf den Fälligkeitszeitpunkt verpflichtet hatte, stand es ihm frei, in welcher Weise er dieser Verpflichtung nachkommen wollte. Das FG hat nicht festgestellt, dass der Kläger in Bezug auf ein entsprechendes Deckungsgeschäft Beschränkungen oder Verpflichtungen unterlag. Eröffnungs- und Gegengeschäft standen demnach unabhängig nebeneinander; sie waren nicht auf die Erzielung eines Differenzausgleiches gerichtet.
c) Aus der Entscheidung des I. Senats des BFH in BFHE 254, 326 ergibt sich kein anderes Ergebnis. Soweit der I. Senat für den Fall, dass der Steuerpflichtige mit der Vertragspartei des Eröffnungsgeschäftes (oder einem Dritten) vor dem Fälligkeitszeitpunkt die Ausführung eines Gegengeschäftes vereinbart, dargelegt hat, aus wirtschaftlicher Sicht spiele es keine Rolle, ob der Differenzausgleich "brutto" durch Leistung, d.h. durch Lieferung der Devisen mit anschließendem Rücktausch, oder "netto" durch Leistung nur der Differenz durch denjenigen, zu dessen Nachteil sich der Devisenkurs entwickelt habe, herbeigeführt werde, ist dies im besonderen Regelungskontext der Verlustausgleichs- und Abzugsbeschränkung des § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG 1999 zu verstehen. Zudem kann der Entscheidung in Bezug auf § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG nicht entnommen werden, dass Leerverkäufe stets - und damit unabhängig von einer Verknüpfung von Eröffnungs- und Gegengeschäft - als auf einen Differenzausgleich gerichtet anzusehen sind, wenn das Gegengeschäft vor dem Fälligkeitszeitpunkt des Eröffnungsgeschäftes ausgeführt wird.
2. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen, da die Verluste auch nicht als solche aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu berücksichtigen sind.
Danach sind private Veräußerungsgeschäfte solche Veräußerungsgeschäfte bei anderen (als in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG genannten) Wirtschaftsgütern, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt.
Dieser Regelung unterfallen in ihrer im Streitjahr geltenden Fassung nur private Veräußerungsgeschäfte, bei denen die Anschaffung des entsprechenden Wirtschaftsgutes - anders als im Streitfall - vor dessen Veräußerung erfolgt (vgl. zur Maßgeblichkeit der obligatorischen Verträge z.B. BFH-Urteile vom 1.10.2014 IX R 55/13, BFHE 247, 397, BStBl II 2015, 265, zu § 23 EStG 1997; vom 8.12.1981 VIII R 125/79, BFHE 135, 426, BStBl II 1982, 618, m.w.N.).
Dies ergibt sich nicht nur aus dem Gesetzeswortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, der ausdrücklich auf den Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung abstellt, sondern auch aus der Gesetzeshistorie des § 23 Abs. 1 EStG. Der bis zur Einführung der Abgeltungsteuer durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14.8.2007 (BGBl I 2007, 1912) geltende § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG a.F., nach dem private Veräußerungsgeschäfte auch solche waren, bei denen die Veräußerung der Wirtschaftsgüter vor dem Erwerb erfolgt, ist mit der Einführung der Abgeltungsteuer entfallen. Der Gesetzgeber sah derartige Geschäfte als von § 20 EStG erfasst an (vgl. BTDrucks 16/4841, S. 59). Erst mit dem Gesetz zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen vom 20.12.2016 (BGBl I 2016, 3000) wurde § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG erneut in das Gesetz aufgenommen (vgl. § 52 Abs. 31 Satz 3 EStG zum zeitlichen Anwendungsbereich), weil - so die Begründung - Fremdwährungsgeschäfte, bei denen die Veräußerung früher erfolgt als der Erwerb (Leerverkäufe), derzeit steuerlich nicht erfasst seien (vgl. BTDrucks 18/9956, S. 10). Mit der Wiederaufnahme der Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG sollte eine Besteuerungslücke geschlossen werden (vgl. auch Verfügung der Oberfinanzdirektion Niedersachsen vom 10.2.2016 S 2256-194-St 234, S 2252-421-St 231, juris).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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