BFH: Übertragung einer § 6b-Rücklage auf eine EU-Betriebsstätte
- Die Übertragung einer § 6b-Rücklage setzt u.a. voraus, dass die angeschafften oder hergestellten Ersatzwirtschaftsgüter zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen gehören (§ 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG).
- Es ist unionsrechtlich weder zu beanstanden, dass § 6b Abs. 2a EStG i.d.F. des StÄndG 2015 die auf den Veräußerungsgewinn entfallende Steuer nur stundet, noch bestehen gegen den Stundungszeitraum von fünf Jahren Bedenken.
- Wurden nach § 6b Abs. 1 Satz 1 EStG begünstigte Wirtschaftsgüter in einem Wirtschaftsjahr vor Inkrafttreten des StÄndG 2015 veräußert und die Steuererklärung vor dem 6.11.2015 bereits abgegeben, genügt ein Stundungsantrag "für" das betreffende Wirtschaftsjahr. Der Steuerpflichtige ist auf Antrag so zu stellen, als habe er Stundung rechtzeitig beantragt.
BFH-Urteil vom 22.6.2017, VI R 84/14 (veröffentlicht am 23.8.2017)
EStG § 6b Abs. 1 Sätze 1 und 2
EStG i.d.F. des StÄndG 2015 § 6b Abs. 2a
AEUV Art. 49
Vorinstanz: FG München vom 7.7.2014, 5 K 1206/14 (EFG 2014 S. 1775 = SIS 14 23 76)
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die für das Streitjahr (2009) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Der Kläger betrieb im Streitjahr einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, dessen Gewinn er durch Bestandsvergleich gemäß § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr gültigen Fassung (EStG) ermittelte. Zu diesem Betrieb, den er zum 1.7.2006 von seinen Eltern unentgeltlich übernommen hatte, gehörte eine Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG aus der Veräußerung eines Grundstücks im Wirtschaftsjahr 2005/2006 in Höhe von 173.450 €.
Außerdem beteiligte sich der Kläger am 15.6.2010 als Kommanditist zu 50 % an der ungarischen R-KG, die einer deutschen Kommanditgesellschaft entspricht. Dieses Unternehmen, das in Ungarn Land- und Forstwirtschaft betreibt, erwarb am 24.6.2010 ein landwirtschaftliches Grundstück zum Preis von umgerechnet 1.827,37 €.
Im Wirtschaftsjahr 2009/2010 übertrug der Kläger 900 € aus der - noch mit 160.400 € in der Bilanz ausgewiesenen - Rücklage auf das Grundstück in Ungarn. 158.400 € zog er von den Anschaffungskosten begünstigter Wirtschaftsgüter i.S. des § 6b Abs. 1 Satz 2 EStG einer inländischen Betriebsstätte ab. Den restlichen Betrag der Rücklage in Höhe von 1.100 € löste er gewinnerhöhend auf.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) folgte dieser Sachbehandlung bezüglich des Grundstücks in Ungarn nicht und löste die Rücklage nach § 6b Abs. 3 Satz 5 EStG in Höhe von 900 € zum 30.6.2010 erfolgswirksam und unter Berücksichtigung eines Gewinnzuschlags nach § 6b Abs. 7 EStG auf. Er war der Auffassung, die Voraussetzung des § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG sei nicht erfüllt, da das Grundstück in Ungarn nicht zu einer inländischen Betriebsstätte des Klägers gehöre.
Der dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 1775 veröffentlichten Gründen statt.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt, das Urteil des FG München vom 7.7.2014, 5 K 1206/14 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage vorzulegen, ob § 6b Abs. 2a EStG mit der Niederlassungsfreiheit des Art. 49 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zu vereinbaren ist, soweit es um die Übertragung stiller Reserven auf Grundstücke im Ausland der Europäischen Union (EU) geht.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hatzu Unrecht entschieden, dass die gewinnerhöhende Auflösung der § 6b-Rücklage in Höhe von 900 € durch Bildung eines passiven Postens auszugleichen sei.
1. Gemäß § 6b Abs. 3 EStG können Steuerpflichtige, wenn sie bei Veräußerung in § 6b Abs. 1 Satz 1 EStG aufgeführter Wirtschaftsgüter eine gewinnmindernde Rücklage gebildet haben, von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten bestimmter in § 6b Abs. 1 Satz 2 EStG genannter Wirtschaftsgüter, die in den folgenden vier Wirtschaftsjahren angeschafft oder hergestellt worden sind, einen Betrag bis zur Höhe der Rücklage abziehen. Im Gegenzug ist die Rücklage insoweit aufzulösen. Sind keine Reinvestitionsobjekte angeschafft oder hergestellt worden und ist die Rücklage am Schluss des vierten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahrs noch vorhanden, so ist sie nach § 6b Abs. 3 Satz 5 EStG in diesem Zeitpunkt gewinnerhöhend aufzulösen.
a) Wird ein Betrieb im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen (§ 6 Abs. 3 EStG), tritt der Betriebsübernehmer in die Rechte und Pflichten des Betriebsübergebers ein. Eine vom Betriebsübergeber gebildete Rücklage ist deshalb vom Nachfolger zu übernehmen und entsprechend fortzuführen. Dies hat zur Folge, dass eine Übertragung der Rücklage auf Reinvestitionsobjekte oder eine gewinnerhöhende Auflösung der Rücklage ausschließlich beim Betriebsübernehmer zu erfassen ist (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 23.4.2009 IV R 9/06, BFHE 225, 15, BStBl II 2010, 664).
b) Die Übertragung der Rücklage kommt nur dann in Betracht, wenn ein Reinvestitionsobjekt i.S. des § 6b Abs. 1 Satz 2 EStG bis zum Ablauf der vierjährigen Reinvestitionsfrist angeschafft oder hergestellt wird (§ 6b Abs. 3 Satz 2 EStG). Voraussetzung ist ferner u.a., dass die angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen gehören (§ 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG).
2. Das FA hat hiernach zu Recht den - hier allein streitigen - Betrag von 900 € zum 30.6.2010 erfolgswirksam erfasst.
Die Eltern des Klägers konnten gemäß § 6b Abs. 3 Satz 1 EStG als dessen Rechtsvorgänger den Gewinn aus der Veräußerung des dem Anlagevermögen zugehörigen landwirtschaftlichen Grundstücks (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG) im Wirtschaftsjahr 2005/2006 in der Bilanz zum 30.6.2006 in eine § 6b-Rücklage einstellen, die der Kläger als Betriebsübernehmer fortführen musste. Der Reinvestitionszeitraum von vier Jahren endete mit Ablauf des 30.6.2010, ohne dass der Kläger hinsichtlich des Betrags von 900 € nach § 6b Abs. 1 Satz 2 EStG begünstigte Wirtschaftsgüter angeschafft oder hergestellt hatte, die zu einer ihm zuzurechnenden Betriebsstätte im Inland gehörten. Das Grundstück in Ungarn, das ihm bei Anwendung des § 6b EStG grundsätzlich entsprechend seiner Beteiligungsquote anteilig zuzurechnen war, diente dem Betrieb der R-KG und war damit - was zwischen den Beteiligten nicht im Streit ist - keiner inländischen Betriebsstätte des Klägers zuzuordnen. Da weder § 6b EStG noch eine andere Vorschrift bei Reinvestitionen in eine Betriebsstätte des Steuerpflichtigen innerhalb der EU die Bildung eines passiven Ausgleichspostens vorsieht, war der Betrag von 900 € zum 30.6.2010 gewinnwirksam aufzulösen und zur Hälfte bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG im Streitjahr zu erfassen (§ 4a Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 EStG).
3. An diesem Ergebnis hat die rückwirkende Einfügung des § 6b Abs. 2a EStG durch das Steueränderungsgesetz 2015 (StÄndG 2015) vom 2.11.2015 (BGBl I 2015, 1834, BStBl I 2015, 846) nichts geändert.
a) Der EuGH hat mit Urteil Kommission/Deutschland vom 16.4.2015 C-591/13 (EU:C:2015:230) entschieden, dass § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) verstoße. Zwar dürfe die Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) die auf den Veräußerungsgewinn entstandene Steuer festsetzen, bevor die im Rahmen seiner Steuerhoheit erzielten Gewinne ins Ausland transferiert würden. Es spiele auch keine Rolle, ob es sich um realisierte oder nicht realisierte Gewinne handle. Die sofortige Erhebung der Steuer sei jedoch unverhältnismäßig, da sie über das hinausgehe, was erforderlich sei, um die Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren. Die festgesetzte Steuer sei auf Antrag des Steuerpflichtigen wahlweise zu stunden.
Der Gesetzgeber hat daraufhin § 6b Abs. 2a EStG i.d.F. des StÄndG 2015 geschaffen, der gemäß § 52 Abs. 14 EStG i.d.F. des StÄndG 2015 auch auf Veräußerungsgewinne anzuwenden ist, die vor Gesetzesverkündung (6.11.2015) entstanden sind.
b) Nach § 6b Abs. 2a Satz 1 EStG i.d.F. des StÄndG 2015 kann die festgesetzte Steuer, die auf einen Gewinn i.S. des Abs. 2 entfällt, auf Antrag des Steuerpflichtigen in fünf gleichen Jahresraten entrichtet werden. Voraussetzung ist, dass im Jahr der Veräußerung eines nach Abs. 1 Satz 1 begünstigten Wirtschaftsguts oder in den folgenden vier Jahren ein in Abs. 1 Satz 2 bezeichnetes Wirtschaftsgut angeschafft oder hergestellt wird, das einem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) zuzuordnen ist. § 36 Abs. 5 Satz 2 bis 5 EStG ist sinngemäß anzuwenden (§ 6b Abs. 2a Satz 3 EStG i.d.F. des StÄndG 2015).
c) Der Kläger hat demnach auch nach § 6b Abs. 2a EStG i.d.F. des StÄndG 2015 weder einen Anspruch darauf, dass er die § 6b-Rücklage gewinnmindernd von den Anschaffungskosten des ihm anteilig zuzurechnenden Grundstücks in Ungarn abziehen kann, noch ermöglicht die Vorschrift die Bildung eines passiven Ausgleichspostens. § 6b Abs. 2a EStG i.d.F. des StÄndG 2015 vermittelt vielmehr nur einen Anspruch auf zinslose Stundung (§ 6b Abs. 2a EStG i.d.F. des StÄndG 2015 i.V.m. § 36 Abs. 5 Satz 3 EStG) der auf den Veräußerungsgewinn entfallenden Steuer. Im Rahmen der Steuerfestsetzung bleibt es jedoch bei der bisherigen Regelung. Das FA hat daher auch unter Berücksichtigung des § 6b Abs. 2a EStG i.d.F. des StÄndG 2015 zu Recht die § 6b-Rücklage insoweit (900 €) zum Ende des Rücklagezeitraums gewinnwirksam aufgelöst, als der Kläger begehrt, diese auf das in Ungarn gelegene Grundstück zu übertragen.
4. Es ist unionsrechtlich weder zu beanstanden, dass § 6b Abs. 2a EStG i.d.F. des StÄndG 2015 die auf den Veräußerungsgewinn entfallende Steuer nur stundet, noch bestehen gegen den Stundungszeitraum von fünf Jahren Bedenken.
Der EuGH hat in seinem Urteil Kommission/Deutschland (EU:C:2015:230) unter Hinweis auf sein Urteil National Grid Indus vom 29.11.2011 C-371/10 (EU:C:2011:785) ausgeführt, Deutschland habe das Recht, die im Rahmen seiner Steuerhoheit erzielten Gewinne vor deren Transfer ins Ausland zu besteuern; es sei den Steuerpflichtigen jedoch eine Stundungsmöglichkeit einzuräumen. Auch in seinen Urteilen Verder LabTec vom 21.5.2015 C-657/13 (EU:C:2015:331) und DMC vom 23.1.2014 C-164/12 (EU:C:2014:20) hat er bekräftigt, es sei verhältnismäßig, wenn ein Mitgliedstaat in Fällen der Entstrickung die Steuer auf die in seinem Hoheitsgebiet entstandenen noch nicht realisierten stillen Reserven festsetzt. Lediglich die sofortige Erhebung sei unverhältnismäßig. Es ist daher - entgegen der Auffassung der Kläger - unionsrechtlich nicht geboten, den Verstoß gegen Art. 49 AEUV im Steuerfestsetzungsverfahren zu beheben.
Auch der Stundungszeitraum von fünf Jahren ist nicht zu beanstanden. Der EuGH hat in seinen Urteilen Verder LabTec (EU:C:2015:331, Rz 52) und DMC (EU:C:2014:20, Rz 62) einen fünfjährigen Stundungszeitraum ausdrücklich für verhältnismäßig erachtet. Die Staffelung der Zahlung der vor der tatsächlichen Realisierung der stillen Reserven geschuldeten Steuer in fünf Jahresraten stelle in Anbetracht des mit der Zeit steigenden Risikos der Nichteinbringung eine Maßnahme dar, die für die Erreichung des Ziels, die Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren, angemessen und verhältnismäßig sei.
Soweit im Schrifttum vorgebracht wird, im Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG und § 16 Abs. 3a EStG seien vor allem abnutzbare Wirtschaftsgüter mit kurzer Nutzungsdauer betroffen, wohingegen § 6b EStG vor allem Grundstücke und Gebäude erfasse (Förster, Die Wirtschaftsprüfung - WPg - 2015, 1319, 1324; Marcziniak/Gebhardt/Buchholz, Die Unternehmensbesteuerung - Ubg - 2015, 685, 688), wird nicht hinreichend beachtet, dass der EuGH die sofortige Steuerfestsetzung ungeachtet der Art des Wirtschaftsguts, in dem sich die stillen Reserven angesammelt haben, im Grundsatz zur Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten für gerechtfertigt hält. Ebenso wenig bemisst er den zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit des Steuerzugriffs erforderlichen Stundungszeitraum nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts, sondern allein danach, dass die Durchsetzung des Steueranspruchs umso gefährdeter erscheint, je mehr Zeit verstreicht. Er wägt demnach nur die mit der sofortigen Entrichtung der Steuerschuld auf nicht realisierte stille Reserven verbundene Härte für den Steuerpflichtigen einerseits mit dem berechtigten Interesse des Mitgliedstaats an der Durchsetzung seines Steueranspruchs andererseits ab, nicht hingegen fordert er, den Stundungszeitraum so zu bemessen, dass er zu einem mit einem Inlandsfall möglichst vergleichbaren Ergebnis führt. Sowohl die Stundung als auch deren Zeitdauer von fünf Jahren entsprechen daher europarechtlichen Vorgaben (gl.A. z.B. Bannes/Holle, Internationales Steuerrecht 2016, 411, 414, m.w.N.; Schiefer/Scheuch, Finanz-Rundschau 2016, 11, 14; Weiss, Ertrag-Steuerberater - EStB - 2016, 102, 103; Kanzler, Neue Wirtschafts-Briefe - NWB - 2015, 3814; Loschelder, Deutsches Steuerrecht - DStR - 2016, 9; Jachmann-Michel in Kirchhof, EStG, 15. Aufl., § 6b Rz 2). Auch Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2016/1164/EU des Rates vom 12.7.2016 (ATAD) mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts sieht in Fällen der Entstrickung nur Teilzahlungen der geschuldeten Steuer über fünf Jahre vor.
5. Nach § 6b Abs. 2a Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2015 kann allerdings der Stundungsantrag nur "im Wirtschaftsjahr" der Veräußerung der in § 6b Abs. 1 Satz 1 EStG bezeichneten Wirtschaftsgüter gestellt werden.
a) Damit soll nach der Gesetzesbegründung eine Gleichbehandlung mit Inlandsfällen hergestellt werden, weil auch bei diesen Fallgestaltungen der Steuerpflichtige bereits im Wirtschaftsjahr der Veräußerung entscheiden müsse, ob er den Veräußerungsgewinn unmittelbar auf ein Ersatzwirtschaftsgut übertragen oder aber (alternativ) eine Rücklage gemäß § 6b Abs. 3 EStG bilden wolle. Ausreichend sei es aber, wenn der Antrag des Steuerpflichtigen zusammen mit der Steuererklärung für das Veräußerungsjahr gestellt werde (BTDrucks 18/6094, S. 81 f.).
b) Auch wenn man dem trotz des eindeutigen Wortlauts folgen wollte (zweifelnd Loschelder, DStR 2016, 9, 12), sodass ein Stundungsantrag des Steuerpflichtigen bei Abgabe der Steuererklärung für das Veräußerungsjahr ausreicht, kann diesem Erfordernis jedenfalls dann nicht mehr genügt werden, wenn nach § 6b Abs. 1 Satz 1 EStG begünstigte Wirtschaftsgüter in einem Wirtschaftsjahr vor Inkrafttreten des StÄndG 2015 veräußert wurden und die Steuererklärung vor dem 6.11.2015 bereits abgegeben war.
c) In diesen Fällen genügt jedoch ein nachträglich gestellter Stundungsantrag "für" das betreffende Wirtschaftsjahr. Andernfalls liefe die Vorschrift, soweit sie rückwirkend anzuwenden ist (§ 52 Abs. 14 Satz 1 EStG i.d.F. des StÄndG 2015), ins Leere. Der Unionsrechtsverstoß wäre dann nicht behoben und der Anwendung des § 6b EStG stünde nach wie vor vorrangiges Unionsrecht entgegen. Der Steuerpflichtige ist daher auf Antrag so zu stellen, als habe er rechtzeitig Stundung begehrt (gl.A. Förster, WPg 2015, 1319, 1324; Kanzler, NWB 2015, 3814; Marcziniak/Gebhardt/Buchholz, Ubg 2015, 685; Weiss, EStB 2016, 102, 106; Loschelder, DStR 2016, 9, 12).
d) Ist der Veräußerungsgewinn - wie im Streitfall - ganz oder teilweise vor Verkündung des StÄndG 2015 einer Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG zugeführt worden, ist hiernach auf Antrag die auf den Auflösungsbetrag entfallende Steuer (ohne Zinszuschlag nach § 6b Abs. 7 EStG) in fünf gleichen Jahresbeträgen zu stunden. Denn erstmals mit der Auflösung der Rücklage wird auf den Veräußerungsgewinn des nach § 6b Abs. 1 Satz 1 EStG begünstigten Wirtschaftsguts eine Steuer festgesetzt, die gestundet werden kann. Als Wirtschaftsjahr der Veräußerung gilt für diese bereits vor Verkündung des StÄndG 2015 verwirklichten Sachverhalte daher das Jahr der Auflösung der Rücklage. War die streitige Steuer aus der Auflösung der Rücklage von der Vollziehung ausgesetzt, bedeutet dies, dass die Erhebung von Aussetzungszinsen für die Zeit vor Verkündung des StÄndG 2015 nur insoweit möglich ist, als der Steuerbetrag zu den einzelnen Stichtagen (§ 6b Abs. 2a EStG i.d.F. des StÄndG 2015 i.V.m. § 36 Abs. 5 Satz 2 EStG) fällig war. Denn hätte der Steuerpflichtige rechtzeitig Stundung nach Maßgabe des § 6b Abs. 2a EStG i.d.F. des StÄndG 2015 beantragt, hätten auch nur die zu den einzelnen Stichtagen fälligen Steuerbeträge von der Vollziehung ausgesetzt werden müssen. Wurde die streitige Steuer mit der Steuerfestsetzung im Jahr der Auflösung der Rücklage entrichtet, ist die zu den einzelnen Stichtagen jeweils zu viel entrichtete Steuer entsprechend § 233a der Abgabenordnung zu verzinsen, wobei der Zinslauf mit der erstmaligen Steuerfestsetzung beginnt. Bei einem Stundungsantrag im Veräußerungsjahr - hier im Jahr der Auflösung der Rücklage - hätte der Steuerpflichtige nur die fällige Steuer entrichten müssen und den überzahlten Betrag zinsbringend anlegen können. Auf diese Weise werden in beiden Varianten Ergebnisse erzielt, die einer Stundung der auf den Veräußerungsgewinn entfallenden Steuer in fünf gleichen Jahresraten wirtschaftlich am ehesten entsprechen.
6. Die Rügen der Kläger, § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG sei auch nach Einfügung des § 6b Abs. 2a EStG unionsrechtswidrig, weil eine vergleichbare Regelung für die Gewerbesteuer fehle und § 6b Abs. 2a EStG auf Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften (§ 6b Abs. 10 EStG) nicht anwendbar sei, bedürfen im Streitfall schon deshalb keiner Entscheidung, weil der streitige Gewinn aus einer Grundstücksveräußerung herrührt und in einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb erzielt wurde. Ebenso wenig ist im Streitfall der Vortrag der Kläger entscheidungserheblich, der Inlandsbezug in § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG gelte auch dann, wenn in ausländische Betriebsstätten investiert werde, deren Erträge im Inland steuerpflichtig seien; § 6b Abs. 2a EStG sei in diesen Fällen nicht anwendbar. Ungeachtet dessen, ob dem zu folgen ist, unterliegen die Erträge aus der Betriebsstätte in Ungarn - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - nicht der inländischen Besteuerung. Auch der Einwand der Kläger, es sei unionsrechtswidrig, dass während des Reinvestitionszeitraums nicht zwischen Stundung und Bildung einer Rücklage gewechselt werden könne, ist für den Streitfall nicht bedeutsam, weil der Kläger, obwohl er den streitigen Veräußerungsgewinn zunächst einer Rücklage zuführte, gleichwohl eine Stundung des Veräußerungsgewinns verlangen kann.
Soweit die Kläger geltend machen, § 6b Abs. 2a EStG gelte für alle Veräußerungen i.S. des § 6b Abs. 1 EStG unabhängig davon, ob eine Auslandsinvestition tatsächlich erfolge, so dass der Unionsrechtsverstoß nicht behoben sei, folgt dem der Senat nicht. § 6b Abs. 2a EStG knüpft die Stundung daran, dass innerhalb des Reinvestitionszeitraums tatsächlich ein nach § 6b Abs. 1 EStG begünstigtes Wirtschaftsgut angeschafft oder hergestellt wird, das einem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder des EWR zuzuordnen ist. Selbst wenn eine unterbliebene Investition in eine ausländische Betriebsstätte sanktionslos bliebe, ist nicht erkennbar, weshalb die Vorschrift trotz einer fünfjährigen Stundung der festgesetzten Steuer weiterhin unverhältnismäßig sein und damit gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) verstoßen soll. Gleiches gilt für den Vortrag der Kläger, die Bildung einer Rücklage nach § 6b Abs. 3 Satz 1 EStG und deren zinspflichtige (§ 6b Abs. 7 EStG) Auflösung führten zu günstigeren Ergebnissen als die Inanspruchnahme des § 6b Abs. 2a EStG. Selbst wenn dies zuträfe, änderte dies nichts daran, dass der Gesetzgeber mit der Einfügung des § 6b Abs. 2a EStG den Vorgaben des EuGH, den Steuerpflichtigen eine Stundungsmöglichkeit von fünf Jahren für die festgesetzte Steuer einzuräumen, genügt hat.
7. Da § 6b EStG in seiner gegenwärtigen Fassung, soweit für den Streitfall bedeutsam, unionsrechtlichen Anforderungen auch für bereits abgeschlossene Fälle genügt, ist er anzuwenden. Der Rücklagebetrag von 900 € ist daher vom FA zu Recht aufgelöst worden.
8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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