BFH: Keine Rückstellung für Zusatzbeiträge zur Handwerkskammer
1. Eine Rückstellung kann auch für Verpflichtungen aus öffentlichem Recht gebildet werden, wenn die Verpflichtung wirtschaftlich in den bis zum Bilanzstichtag abgelaufenen Wirtschaftsjahren verursacht ist.
2. Die Verpflichtung muss nicht nur an Vergangenes anknüpfen, sondern auch Vergangenes abgelten. Das ist der Fall, wenn sie auch dann zu erfüllen ist, wenn der Betrieb zum Ende des Bilanzzeitraums aufgegeben würde.
3. Das Going-Concern-Prinzip bezieht sich auf die Bewertung, nicht den Ansatz von Bilanzpositionen.
4. Für Kammerbeiträge eines künftigen Beitragsjahres, die sich nach der Höhe des in einem vergangenen Steuerjahr erzielten Gewinns bemessen, kann keine Rückstellung gebildet werden.
BFH-Urteil vom 5.4.2017, X R 30/15 (veröffentlicht am 21.6.2017)
EStG § 5 Abs. 1 Satz 1
HGB § 249 Abs. 1 Satz 1, § 252 Abs. 1 Nr. 2
HwO § 90, § 113
Vorinstanz: Thüringer FG vom 7.7.2015, 2 K 505/14 (EFG 2015 S. 1513 = SIS 15 27 86)
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielte im Streitjahr 2009 aus dem Betrieb eines Einzelunternehmens Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Er ermittelt seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich.
Der Kläger ist Mitglied der Handwerkskammer A. Diese erhebt von ihren Mitgliedern Beiträge. Die Beiträge werden auf Grundlage des § 113 der Handwerksordnung (HwO) i.V.m. der Beitragsordnung der Handwerkskammer A vom 23.10.2004 in der seit dem 8.4.2005 gültigen Fassung (BeitragsO) - abgelöst durch die am 30.10.2010 beschlossene und seit dem 4.2.2011 in Kraft befindliche Fassung - für jedes Kalenderjahr festgesetzt. Der Beitrag setzt sich nach § 4 Abs. 1 BeitragsO aus einem Grundbeitrag und einem Zusatzbeitrag zusammen. § 4 Abs. 2 BeitragsO ermöglicht darüber hinaus Sonderbeiträge. Die Bemessungsgrundlagen, das Bemessungsjahr sowie die Beitragshöhe werden gemäß § 4 Abs. 3 BeitragsO jährlich durch die Vollversammlung der Handwerkskammer beschlossen. Nach § 6 BeitragsO ist Bemessungsgrundlage für den Zusatzbeitrag der Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz, wenn für das Bemessungsjahr ein einheitlicher Gewerbesteuermessbetrag festgesetzt worden ist, andernfalls der nach dem Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuergesetz ermittelte Gewinn aus Gewerbebetrieb.
Die Vollversammlung der Handwerkskammer setzt Jahr für Jahr jeweils im letzten Quartal des Jahres die Beiträge für das kommende Beitragsjahr fest. Seit 2001 und jedenfalls bis 2014 bestimmte sie den Zusatzbeitrag mit 1,5 % des Gewerbeertrags. Als Bemessungsjahr für den Zusatzbeitrag wurde jeweils das drei Jahre vor dem Beitragsjahr liegende Steuerjahr bestimmt (für das Beitragsjahr 2010 das Steuerjahr 2007, für das Beitragsjahr 2011 das Steuerjahr 2008 etc.). Der Beitragsbescheid gegenüber dem einzelnen Handwerksbetrieb ergeht im Frühjahr des jeweiligen Beitragsjahres.
Mit der Überlegung, die langjährige gleichbleibende Festsetzungspraxis werde auch in Zukunft wegen des Prinzips der gleichmäßigen Beitragsfestsetzung fortgesetzt, passivierte der Kläger in der Bilanz zum 31.12.2009 seinen zu erwartenden Zusatzbeitrag für die Jahre 2010, 2011 und 2012 aufgrund seines jeweiligen Gewerbeertrags der Jahre 2007, 2008 und 2009 unter "sonstige Rückstellungen" in Höhe von insgesamt 13.260 €.
Nach einer Betriebsprüfung erachtete der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Rückstellung für unzulässig, da die Zusatzbeiträge erst in dem jeweiligen Beitragsjahr wirtschaftlich verursacht seien. Das FA änderte die Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheide entsprechend. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens reduzierte der Kläger die Rückstellung aus rechnerischen Gründen auf 12.804 € (6.285 € für 2010, 4.632 € für 2011, 1.887 € für 2012). Der Einspruch blieb insoweit erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) hat mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 1513 veröffentlichtem Urteil der Klage stattgegeben. In der Bilanz des Klägers auf den 31.12.2009 sei die begehrte Rückstellung als solche für ungewisse Verbindlichkeiten i.S. des § 249 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 des Handelsgesetzbuchs in der für das Streitjahr geltenden Fassung (HGB) auszuweisen. Auch die Voraussetzungen der Rückstellung für Verpflichtungen aus öffentlichem Recht seien erfüllt.
Es bestehe eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass die Verbindlichkeit dem Grunde nach künftig entstehe und der Kläger ernsthaft mit seiner Inanspruchnahme rechnen müsse. Soweit es das Beitragsjahr 2010 betreffe, habe der Kläger bereits wegen des Beschlusses der Vollversammlung vom 24.10.2009 fest damit rechnen müssen, dass er durch einen entsprechenden Beitragsbescheid im Frühjahr 2010 in der festgelegten Höhe in Anspruch genommen werde. Aufgrund der langjährigen gleichmäßigen Festsetzungspraxis seit 2001 sei aber auch für die beiden Folgejahre 2011 und 2012 die Inanspruchnahme für Zusatzbeiträge ganz überwiegend wahrscheinlich gewesen. Diese Verpflichtungen seien zeitlich konkretisiert und sanktionsbewehrt.
Sie seien auch in der Zeit vor dem Bilanzstichtag wirtschaftlich verursacht, da sich ihre Höhe nach dem drei Jahre zurückliegenden Gewerbeertrag bzw. Gewinn bestimme. Anders als der Grundbeitrag werde der Zusatzbeitrag ohne einen Gewinn in diesen früheren Jahren nicht erhoben. Das Erfordernis fortbestehender Kammerzugehörigkeit sei kein entscheidendes Kriterium, da nach dem Rechtsgedanken des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB auch im Bereich der Rückstellungen von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen sei (Going-Concern-Prinzip).
Schließlich führten die Aufwendungen in künftigen Wirtschaftsjahren nicht zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten für ein Wirtschaftsgut.
Mit der Revision macht das FA geltend, eine ungewisse Verbindlichkeit aufgrund öffentlichen Rechts sei wirtschaftlich verursacht, wenn sie so eng mit dem betrieblichen Geschehen des Wirtschaftsjahres verknüpft sei, dass sie wirtschaftlich als Aufwand des jeweiligen Wirtschaftsjahres behandelt werden müsse. Sie müsse nicht nur an Vergangenes anknüpfen, sondern auch Vergangenes abgelten. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei eine Verbindlichkeit nur dann vergangenheitsorientiert, wenn die Pflicht unabhängig davon zu erfüllen sei, ob der Unternehmer seine Tätigkeit fortführe. Das FG habe insoweit das Going-Concern-Prinzip zu sehr ausgedehnt. Tatsächlich sei die Verpflichtung zur Entrichtung auch des Zusatzbeitrags an die weitere Mitgliedschaft in der Handwerkskammer geknüpft und überdies von einem jährlich neu zu fassenden Beschluss der Vollversammlung der Handwerkskammer abhängig. Scheide der Kläger aus der Handwerkskammer aus, sei kein Beitrag mehr zu entrichten. Vor diesem Hintergrund sei die Heranziehung des Gewerbeertrags eines früheren Jahres als Bezugsgröße für die Berechnung der Beitragshöhe lediglich eine Berechnungsmodalität, um die Anknüpfung an noch nicht ermittelte Gewinne zu vermeiden.
Das FA beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Das FG habe zutreffend entschieden, dass angesichts der Beschlusspraxis der Handwerkskammer die künftige Entstehung der Verpflichtung zur Entrichtung des Zusatzbeitrags ausreichend wahrscheinlich und konkretisiert sei und ein gedachter Erwerber des Handwerksbetriebs diese Zahlungsverpflichtungen bei der Kaufpreisberechnung berücksichtigen würde. Wirtschaftlich seien diese Beiträge in dem Jahr verursacht, in dem der ihre Bemessungsgrundlage darstellende Gewinn erzielt worden sei. Die theoretische Möglichkeit der Betriebseinstellung dürfe für die Rückstellung keine Rolle spielen.
II. Die Revision ist begründet und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Eine Rückstellung für die Verpflichtung zur Entrichtung der Zusatzbeiträge ist nicht zu bilden.
1. Nach § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB sind in der Handelsbilanz u.a. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Die daraus folgende Passivierungspflicht gehört zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und ist daher gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) auch in der Steuerbilanz zu beachten (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. bereits BFH-Urteil vom 23.7.1980 I R 28/77, BFHE 131, 463, BStBl II 1981, 62, unter 1.; aus jüngerer Zeit BFH-Urteile vom 6.2.2013 I R 8/12, BFHE 240, 252, BStBl II 2013, 686, unter II.1.; ebenfalls vom 6.2.2013 I R 62/11, BFHE 240, 314, BStBl II 2013, 954, unter II.1.; vom 17.10.2013 IV R 7/11, BFHE 243, 256, BStBl II 2014, 302, unter B.I.1.; vom 5.11.2014 VIII R 13/12, BFHE 248, 296, BStBl II 2015, 523, unter II.2.a; vom 9.11.2016 I R 43/15, BFHE 256, 270, unter II.1.a aa, m.w.N.).
a) Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten setzen entweder das Bestehen einer ihrer Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit oder die hinreichende oder überwiegende Wahrscheinlichkeit des Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde nach voraus, deren Höhe zudem ungewiss sein kann (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt BFH-Urteil in BFHE 256, 270).
Diese Voraussetzungen sind im Einzelfall auf der Grundlage objektiver, am Bilanzstichtag vorliegender Tatsachen aus der Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns zu beurteilen. Dieser muss ernsthaft mit seiner Inanspruchnahme rechnen. Besteht die Verbindlichkeit rechtlich noch nicht, ist ein wirtschaftlicher Bezug zum Zeitraum vor dem jeweiligen Bilanzstichtag erforderlich. Die Aufwendungen dürfen keine (nachträglichen) Herstellungs- oder Anschaffungskosten eines Wirtschaftsguts sein, und es muss sich um eine rechtliche oder faktische Leistungsverpflichtung gegenüber einem Dritten im Sinne einer Außenverpflichtung handeln (im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 248, 296, BStBl II 2015, 523, unter II.2.b, m.w.N. zu allen Punkten).
b) Diese Voraussetzungen gelten auch für Verpflichtungen aus öffentlichem Recht (grundlegend BFH-Urteile vom 26.10.1977 I R 148/75, BFHE 123, 547, BStBl II 1978, 97, unter 3.a; in BFHE 131, 463, BStBl II 1981, 62, unter 1.). Zusätzlich müssen öffentlich-rechtliche Verpflichtungen bereits konkretisiert, d.h. inhaltlich hinreichend bestimmt, in zeitlicher Nähe zum Bilanzstichtag zu erfüllen sowie sanktionsbewehrt sein (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile in BFHE 248, 296, BStBl II 2015, 523, unter II.2.c; in BFHE 256, 270, unter II.1.a bb, jeweils m.w.N.).
aa) Konkretisiert wird eine öffentlich-rechtliche Pflicht regelmäßig durch einen gesetzeskonkretisierenden Rechtsakt (Verwaltungsakt, Verfügung oder verwaltungsrechtliche Vereinbarung) oder durch unmittelbare Erfüllung der Merkmale des gesetzlichen Tatbestands (vgl. BFH-Urteil in BFHE 248, 296, BStBl II 2015, 523, unter II.2.c, m.w.N.). In diesen Fällen ist eine Verbindlichkeit bereits entstanden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 240, 252, BStBl II 2013, 686, unter II.2., 3.a).
Ist die Verpflichtung am Bilanzstichtag nicht nur der Höhe nach ungewiss, sondern auch dem Grunde nach noch nicht rechtlich entstanden, so kann eine Rückstellung gleichwohl gebildet werden, wenn sie wirtschaftlich in den bis zum Bilanzstichtag abgelaufenen Wirtschaftsjahren verursacht ist (vgl. BFH-Urteile in BFHE 240, 252, BStBl II 2013, 686, unter II.2., 3.b; in BFHE 243, 256, BStBl II 2014, 302, unter B.I.2.b aa, und in BFHE 256, 270, unter II.1.a bb, jeweils m.w.N.).
bb) Eine Verursachung in diesem Sinne liegt vor, wenn die Verpflichtung so eng mit dem betrieblichen Geschehen des Wirtschaftsjahres verknüpft ist, dass es geboten ist, sie wirtschaftlich als Aufwand des jeweiligen Wirtschaftsjahres zu behandeln. Dafür müssen die wesentlichen Tatbestandsmerkmale des die Verpflichtung auslösenden Tatbestands erfüllt sein und das Entstehen der Verbindlichkeit nur noch von wirtschaftlich unwesentlichen Tatbestandsmerkmalen abhängen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 243, 256, BStBl II 2014, 302, unter B.I.2.b aa; ebenso BFH-Beschluss vom 11.11.2015 I B 3/15, BFH/NV 2016, 387). Bei der Unterscheidung zwischen wirtschaftlich wesentlichen und wirtschaftlich unwesentlichen Tatbestandsmerkmalen ist die rechtliche Struktur des die Verbindlichkeit begründenden Tatbestands zu beachten (BFH-Urteile in BFHE 240, 252, BStBl II 2013, 686, unter II.3.b; in BFHE 256, 270, unter II.1.a cc ccc). Der rechtliche und wirtschaftliche Bezugspunkt der Verpflichtung muss in der Vergangenheit liegen, so dass die Verbindlichkeit nicht nur an Vergangenes anknüpft, sondern auch Vergangenes abgilt (BFH-Urteile vom 8.9.2011 IV R 5/09, BFHE 235, 241, BStBl II 2012, 122, unter II.2.d aa; in BFHE 243, 256, BStBl II 2014, 302, unter B.I.2.b).
Den Beweis für eine ursächliche Verknüpfung einer Verpflichtung mit der Vergangenheit hat der BFH vor allem darin gesehen, dass sie auch zu erfüllen wäre, wenn der Betrieb zum Ende des Bilanzzeitraums aufgegeben würde (BFH-Urteile in BFHE 131, 463, BStBl II 1981, 62, unter 1.; vom 19.8.2002 VIII R 30/01, BFHE 199, 561, BStBl II 2003, 131, unter II.2.a). So ist etwa auch geklärt, dass eine Verpflichtung, die lediglich darauf gerichtet ist, die objektive Nutzbarkeit eines Wirtschaftsguts in Zeiträumen nach Ablauf des Bilanzstichtags zu ermöglichen, in den bis dahin abgeschlossenen Rechnungsperioden wirtschaftlich noch nicht verursacht ist (vgl. BFH-Urteile in BFHE 240, 252, BStBl II 2013, 686, unter II.3.b; in BFHE 243, 256, BStBl II 2014, 302, unter B.I.2.b aa).
2. Nach diesen Maßstäben ist eine Rückstellung für die Zusatzbeiträge nicht zu bilden. Der Senat pflichtet dem FG zwar insoweit bei, als angesichts der langjährigen Praxis der Handwerkskammer eine überwiegende Wahrscheinlichkeit bestand, dass die Zusatzbeiträge für die künftigen Beitragsjahre in der vom Kläger geltend gemachten Höhe künftig entstehen werden und er hierfür in Anspruch genommen werden wird. Wegen der Anknüpfung an die Gewerbeerträge der vorangehenden Gewinnermittlungszeiträume besteht ein wirtschaftlicher Bezug zur Vergangenheit, es handelt sich nicht um aktivierungspflichtige Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts und es besteht eine Außenverpflichtung gegenüber einem Dritten. Der Vergangenheitsbezug reicht jedoch nach den jedenfalls für die Verbindlichkeitsrückstellung öffentlich-rechtlicher Pflichten geltenden Maßstäben nicht aus.
a) Die Handwerkskammern sind nach § 90 Abs. 1 Halbsatz 2 HwO (ebenso § 1 Abs. 2 Satz 1 der Satzung der Handwerkskammer A) Körperschaften des öffentlichen Rechts. Die auf Grundlage des § 113 HwO nach der BeitragsO erhobenen Beiträge sind daher Verpflichtungen aus öffentlichem Recht im Sinne der unter II.1.b aufgeführten Rechtsprechung. Dementsprechend ist nach § 1 Abs. 3 BeitragsO der Beitrag eine öffentliche Abgabe.
b) Zum Bilanzstichtag 2009 waren die Beitragspflichten für die Jahre 2010, 2011 und 2012 rechtlich noch nicht entstanden, weder durch konkretisierenden Verwaltungsakt noch durch unmittelbare Erfüllung der Merkmale des gesetzlichen Tatbestands. Die jeweiligen Beitragsbescheide, die die Verpflichtungen konkretisierten, waren zum 31.12.2009 noch nicht erlassen. Aber auch mit den jeweiligen Beitragsfestsetzungen waren die Merkmale des gesetzlichen Tatbestands noch nicht unmittelbar erfüllt. Das bedeutet, dass auch die Beitragspflicht für das Jahr 2010 zum Bilanzstichtag noch nicht entstanden war, obwohl die Beitragsfestsetzung für 2010 zum 31.12.2009 bereits beschlossen und bekannt war und auch der Gewerbeertrag des Jahres 2007 als Bemessungsgrundlage für den Zusatzbeitrag 2010 bereits feststand.
aa) Die Zugehörigkeit zur Handwerkskammer im Beitragsjahr ist konstitutives Merkmal für die Entstehung der Beitragspflicht, was sich aus den für die Erhebung der Beiträge maßgebenden Rechtsgrundlagen ergibt.
Nach § 113 Abs. 1 HwO werden die durch die Errichtung und Tätigkeit der Handwerkskammer entstehenden Kosten, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, von den Inhabern eines Betriebs eines Handwerks und eines handwerksähnlichen Gewerbes sowie den Mitgliedern der Handwerkskammer nach § 90 Abs. 3 HwO getragen. § 113 Abs. 2 Satz 1, 2 HwO sieht Grundbeiträge, Zusatzbeiträge und Sonderbeiträge vor, die nach der Leistungskraft der beitragspflichtigen Kammerzugehörigen gestaffelt werden können. Gemäß § 90 Abs. 2 HwO gehören zur Handwerkskammer die Inhaber eines Betriebs eines Handwerks und eines handwerksähnlichen Gewerbes des Handwerkskammerbezirks sowie die Gesellen, andere Arbeitnehmer mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung und die Lehrlinge dieser Gewerbetreibenden. § 90 Abs. 3, 4 HwO enthält eine Erweiterung der Kammerzugehörigkeit auf ähnliche Personengruppen.
Nach § 1 BeitragsO werden die durch die Errichtung und Tätigkeit der Handwerkskammer entstehenden Kosten, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, von den Inhabern eines Betriebs eines Handwerks und eines handwerksähnlichen Gewerbes nach einem von der Handwerkskammer festgesetzten Maßstab getragen. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1, 2 BeitragsO sind Beitragspflichtige alle in der Handwerksrolle oder in dem Verzeichnis der Gewerbe, die als handwerksähnliche Gewerbe betrieben werden können, eingetragenen natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften sowie solche, die nach § 90 Abs. 3, 4 HwO Mitglieder der Handwerkskammer sind. Die Beitragspflicht beginnt und endet nach § 2 Abs. 4, 5 BeitragsO mit der Eintragung bzw. Löschung des Beitragspflichtigen unter Einschluss des jeweiligen Monats. Den Entstehungszeitpunkt der Beitragsschuld legt § 3 Abs. 1 BeitragsO mit dem Beginn des Beitragsjahres bzw. bei unterjähriger Eintragung mit Beginn des Eintragungsmonats fest.
bb) Nach alledem ist die Beitragspflicht unmittelbar und zwingend an die Kammerzugehörigkeit im Beitragsjahr geknüpft. Das bedeutet, dass die entsprechende Verpflichtung rechtlich nicht vor dem Zeitraum entstehen kann, auf den sich die Beitragspflicht bezieht, denn vor diesem Zeitraum besteht die Kammerzugehörigkeit nicht. Zu einem bestimmten Bilanzstichtag ist daher die rechtliche Entstehung der Beitragspflicht für künftige Jahre nicht denkbar.
c) Schließlich kann eine Rückstellung auch nicht gebildet werden, weil die Beitragspflicht in einem bis zum Bilanzstichtag abgelaufenen Wirtschaftsjahr wirtschaftlich verursacht worden wäre.
aa) Die Kammerzugehörigkeit im Beitragsjahr ist nicht lediglich ein wirtschaftlich unwesentliches Tatbestandsmerkmal. Sie ist aus den soeben dargestellten Gründen vielmehr Grundlage der Beitragspflicht als solcher, und zwar sowohl hinsichtlich des Grundbeitrags als auch des Zusatzbeitrags. Daher liegt nur der wirtschaftliche, nicht aber der rechtliche Bezugspunkt der Verpflichtung in der Vergangenheit. Dem Kläger ist zwar darin recht zu geben, dass der Zusatzbeitrag an Vergangenes, nämlich den Gewerbeertrag des drittletzten Jahres anknüpft. Er wird aber nicht für das drittletzte Jahr entrichtet, sondern ebenso wie der Grundbeitrag für die Kammerzugehörigkeit im Beitragsjahr und wurzelt in dieser. Damit knüpft der Zusatzbeitrag lediglich der Höhe nach an den vergangenen Gewerbeertrag an, während er dem Grunde nach wie der Grundbeitrag zeitraumbezogen an das Beitragsjahr gebunden ist und dieses abgelten will.
bb) Der Einwand des Klägers, bei der Bilanzierung sei von dem Fortbestand des Betriebs auszugehen, ist richtig, soweit es um die Bewertung von Bilanzpositionen geht. Im Streitfall aber geht es um den Bilanzansatz dem Grunde nach. Es handelt sich um Verpflichtungen, die ihrerseits maßgebend zeitraumbezogen definiert sind und schon dem Grunde nach von der Existenz des klägerischen Betriebs in der Zukunft abhängen. Gäbe der Kläger seinen Betrieb zum 31.12.2009 auf, wären die Beitragsverpflichtungen für die Jahre 2010 bis 2012 nicht nur nicht mehr zu erfüllen, was der BFH bereits hat ausreichen lassen, um den Vergangenheitsbezug zu verneinen, sondern sie entstünden schon nicht. Damit liegt keine hinreichende Verknüpfung dieser Verpflichtungen mit der Vergangenheit mehr vor.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
4. Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten nach § 121 Satz 1 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung.
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