BFH zur Abfärbung gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG
Die Einkünfte einer Ärzte-GbR sind insgesamt solche aus Gewerbebetrieb, wenn die GbR auch Vergütungen aus ärztlichen Leistungen erzielt, die in nicht unerheblichem Umfang ohne leitende und eigenverantwortliche Beteiligung der Mitunternehmer-Gesellschafter erbracht werden.
BFH-Urteil vom 3.11.2015, VIII R 62/13 (veröffentlicht am 30.3.2016)
EStG § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1
GewStG § 2 Abs. 1 Satz 2, § 7
Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 19.9.2013, 11 K 3969/11 G = SIS 14 12 46
I. Streitig ist, ob die Einkünfte, die die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) im Streitjahr (2007) aus dem Betrieb einer Arztpraxis erzielt hat, als gewerblich zu qualifizieren sind.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), bestehend aus den Ärzten Dr. L und Dr. G. Diese hatten im Streitjahr mit Dr. N - einer weiteren Ärztin - eine Arztpraxis betrieben. Für die weiteren Einzelheiten nimmt der Senat auf den Tatbestand seines Urteils vom 3.11.2015 VIII R 63/13 (zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt) Bezug.
Im Rahmen einer im Jahr 2009 bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung gelangte der Außenprüfer nicht nur zu der Auffassung, dass Dr. N steuerlich nicht als Mitunternehmerin der Klägerin anzusehen und die Einkünfte der Klägerin somit nicht gesondert und einheitlich für die Herren Dr. L und Dr. G sowie Frau Dr. N festzustellen seien. Er war zudem der Meinung, dass die Klägerin, soweit sie Honorarumsätze aus der Behandlung der Patienten durch Frau Dr. N vereinnahmt habe, gewerbliche Einkünfte erziele. Ihr Betrieb gelte deshalb gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) in vollem Umfang als Gewerbebetrieb.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) schloss sich dieser Auffassung an und erließ am 27.8.2010 einen an die Klägerin bekannt gegebenen Bescheid für 2007 über den Gewerbesteuermessbetrag, in dem es den gesamten Gewinn der Klägerin in den Gewerbeertrag gemäß § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) einbezog. Der "Gewinnanteil" der Dr. N blieb bei der Feststellung des Gewerbesteuermessbetrages unberücksichtigt.
Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg, ebenso die nachfolgende Klage.
Ihre Revision begründet die Klägerin mit der Verletzung materiellen Rechts. Das Finanzgericht (FG) habe die Mitunternehmerstellung der Dr. N fälschlicherweise verneint.
Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil vom 19.9.2013, 11 K 3969/11 G und den Gewerbesteuermessbetragsbescheid 2007 vom 27.8.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.10.2011 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Das FG hat zu Recht erkannt, dass die Klägerin gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG insgesamt Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielte und gemäß § 2 Abs. 1 GewStG i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG der Gewerbesteuer unterlag.
1. Eine Personengesellschaft entfaltet nur dann eine Tätigkeit, die die Ausübung eines freien Berufs i.S. von § 18 EStG darstellt, wenn sämtliche Gesellschafter die Merkmale eines freien Berufs erfüllen (z.B. Senatsurteile vom 28.10.2008 VIII R 69/06, BFHE 223, 206, BStBl II 2009, 642; vom 27.8.2014 VIII R 6/12, BFHE 247, 513, BStBl II 2015, 1002; vom 26.1.2011 VIII R 3/10, BFHE 232, 453, BStBl II 2011, 498; vom 15.6.2010 VIII R 10/09, BFHE 230, 47, BStBl II 2010, 906; vom 4.7.2007 VIII R 77/05, BFH/NV 2008, 53).
Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ist ein Angehöriger eines freien Berufs auch dann noch freiberuflich tätig, wenn er sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient, die die Arbeit des Berufsträgers jedenfalls in Teilbereichen ersetzt und nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist. Fachlich vorgebildetes Personal sind die im Betrieb des Freiberuflers beschäftigten Personen, aber auch Subunternehmer oder freie Mitarbeiter (z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14.3.2007 XI R 59/05, BFH/NV 2007, 1319; vom 20.12.2000 XI R 8/00, BFHE 194, 206, BStBl II 2002, 478, m.w.N.). Fachlich vorgebildet ist sowohl der Mitarbeiter, der dieselbe Qualifikation wie der Betriebsinhaber erworben hat, als auch derjenige, der eine weniger qualifizierte Berufsausbildung aufzuweisen hat (z.B. BFH-Urteil in BFH/NV 2007, 1319).
Bedient sich der Angehörige eines freien Berufs einer entsprechenden Mithilfe, muss er aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig werden (z.B. Senatsurteile in BFHE 223, 206, BStBl II 2009, 642; in BFH/NV 2008, 53; in BFHE 221, 238, BStBl II 2008, 681; BFH-Urteil vom 18.10.2006 XI R 9/06, BFHE 215, 210, BStBl II 2007, 266). Für einen Arzt bedeutet dies, dass er eine höchstpersönliche, individuelle Arbeitsleistung am Patienten schuldet und deshalb einen wesentlichen Teil der ärztlichen Leistungen selbst erbringen muss (vgl. Senatsurteil vom 16.7.2014 VIII R 41/12, BFHE 247, 195, BStBl II 2015, 216; BFH-Urteil vom 22.1.2004 IV R 51/01, BFHE 205, 151, BStBl II 2004, 509, m.w.N.).
Erbringen die Gesellschafter einer Personengesellschaft ihre Leistungen teilweise freiberuflich und teilweise - mangels Eigenverantwortlichkeit - gewerblich, so ist ihre Tätigkeit nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG insgesamt als gewerblich zu qualifizieren (z.B. Senatsurteile in BFHE 247, 513, BStBl II 2015, 1002; in BFH/NV 2008, 53).
2. Das FG ist unter Anwendung dieser Grundsätze zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin, deren Mitunternehmer-Gesellschafter Dr. L und Dr. G als Ärzte tätig waren, insoweit eine freiberufliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausgeübt hat. Es hat - ebenso zutreffend - Dr. N nicht als Mitunternehmerin der Klägerin angesehen. Der Senat verweist insoweit auf die Ausführungen in seinem Urteil vom 3.11.2015 in dem unter dem Aktenzeichen VIII R 63/13 geführten Verfahren (zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt).
3. Das FG hat ferner ohne Rechtsfehler erkannt, dass die Vergütungen aus den von Dr. N im Namen der Klägerin erbrachten ärztlichen Leistungen nicht auf eine leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit der Mitunternehmer-Gesellschafter der Klägerin, der Herren Dr. L und Dr. G, entfielen, und die Einkünfte der Klägerin daher als solche aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren sind (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG).
Es hat mit bindender Wirkung festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO), dass Dr. N ihre Patienten eigenverantwortlich behandelte. Eine Überwachung durch Dr. L und Dr. G erfolgte ebenso wenig wie deren persönliche Mitwirkung bei der Behandlung dieser Patienten.
War die Klägerin hiernach nicht in vollem Umfang freiberuflich tätig, so waren ihre Einkünfte in solche aus Gewerbebetrieb umzuqualifizieren (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG). Die aus der Tätigkeit der Dr. N auf der Ebene der Klägerin erzielten Einkünfte waren nicht von lediglich untergeordneter Bedeutung (vgl. zur Bagatellgrenze für die Nichtanwendung der Abfärberegelung in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG das Senatsurteil in BFHE 247, 513, BStBl II 2015, 1002).
4. Die Höhe des Gewerbesteuermessbetrages ist zwischen den Beteiligten unstreitig und unterliegt auch aus Sicht des Senates keinen Bedenken.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
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