BFH: Zur Vorgreiflichkeit und zum Inhalt eines Feststellungsbescheides gemäß § 15b Abs. 4 Satz 1 EStG
- Die gemäß § 15b Abs. 4 Satz 1 EStG vorgesehene gesonderte Feststellung des gemäß § 15b Abs. 1 EStG nicht ausgleichsfähigen Verlustes ist auch für Einzelinvestitionen durchzuführen.
- Die gesonderte Feststellung des nicht ausgleichsfähigen Verlustes umfasst bei Einzelinvestitionen verschiedene Elemente. Ist dem Feststellungsbescheid nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass (auch) ein nicht ausgleichsfähiger Verlust gemäß § 15b Abs. 1 EStG festgestellt wird, fehlt es an einer für die Einkommensteuerfestsetzung des Verlustentstehungsjahres bindenden Feststellung.
BFH-Urteil vom 11.11.2015, VIII R 74/13 (veröffentlicht am 30.3.2016)
EStG § 15b Abs. 1, Abs. 4
AO § 179, § 182
Vorinstanz: FG Münster vom 10.1.2013, 5 K 4513/09 E (EFG 2013 S. 1014 = SIS 13 15 47)
I. Zwischen den Klägern und Revisionsklägern (Kläger) und dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) ist noch streitig, ob die vom Kläger im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr (2006) geltend gemachten Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen aus der Anschaffung einer sog. Asset Linked Note gemäß § 15b i.V.m. § 20 Abs. 2b des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung des Jahressteuergesetzes 2007 (JStG 2007) vom 13.12.2006 (BGBl I 2006, 2878) - EStG - zu berücksichtigen sind. Streit besteht insbesondere auch darüber, ob hierzu ein für die Einkommensteuerfestsetzung 2006 bindender Feststellungsbescheid gemäß § 15b Abs. 4 EStG vorliegt.
Der Kläger, der im Streitjahr zusammen mit der Klägerin zur Einkommensteuer veranlagt wurde, hatte mit der Einkommensteuererklärung 2006 Werbungskosten zu inländischen Kapitalerträgen in Höhe von rund 14,9 Mio. € geltend gemacht. Der Betrag resultiert im Wesentlichen aus vorschüssig gezahlten Zinsen sowie einem Disagio für ein Darlehen, das der Kläger zum Erwerb einer Schuldverschreibung der M-Bank am 21.11.2006 aufgenommen hatte. Das FA berücksichtigte die Werbungskosten im Einkommensteuerbescheid vom 10.11.2008 unter Verweis auf das Vorliegen eines sog. Steuerstundungsmodells i.S. von § 15b i.V.m. § 20 Abs. 2b EStG nicht.
Am 2.1.2009 erließ das FA einen mit "Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum Schluss des Veranlagungszeitraums 2006" überschriebenen, unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid. Dieser stellte unter "A. Feststellungen" den "verbleibenden Verlustvortrag [...] nach § 15b Abs. 4 EStG [...] für die [Einkunftsart/-quelle] Kap.vermögen, Asset Linked Note" der M-Bank "vom 28.11.2006 auf 14.895.445 €" fest. Unter "B. Feststellungsgrundlagen" wird ein "nicht ausgeglichener Verlustvortrag zum 31.12.2006" in Höhe von 14.895.445 € ermittelt, und zwar ausgehend von nicht ausgeglichenen negativen Einkünften im Jahr 2006 (lfd. Veranlagungszeitraum) in Höhe von 14.895.445 € unter "Hinzurechnung" eines festgestellten verbleibenden Verlustvortrags zum 31. Dezember des Vorjahres (§ 15b Abs. 4 EStG) in Höhe von 0 € sowie unter "Abzug" der im Jahr 2006 (lfd. Veranlagungszeitraum) verrechneten Einkünfte ("Verlustvortrag") in Höhe von 0 €. Unter "D. Wichtige Hinweise" ist erläutert, dass der Feststellungsbescheid Grundlagenbescheid sowohl des Einkommensteuerbescheides des darauf folgenden Jahres als auch eines zum Schluss des darauf folgenden Jahres ergehenden Bescheides über die verbleibenden Verlustvorträge i.S. der §§ 2b, 15 Abs. 4 EStG und/oder § 15b EStG (Folgebescheid) sei. Den Feststellungsbescheid vom 2.1.2009 hat der Kläger nicht angefochten. Einen Änderungsantrag gemäß § 164 der Abgabenordnung (AO) hat er ebenfalls nicht gestellt.
Der gegen den Einkommensteueränderungsbescheid für das Streitjahr vom 10.11.2008 eingelegte Einspruch der Kläger blieb ohne Erfolg.
Mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 1014 veröffentlichtem Urteil vom 10.1.2013, 5 K 4513/09 E hat das Finanzgericht (FG) die Klage abgewiesen.
Während des Revisionsverfahrens hat das FA die Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr mit Bescheiden vom 6.2.2014, 9.5.2014 und 10.9.2014 aus nicht mehr streitbefangenen Gründen erneut geändert.
Die Kläger sind der Auffassung, der Feststellungsbescheid vom 2.1.2009 stehe der Berücksichtigung des streitigen Verlustes aus der Asset Linked Note nicht entgegen, denn er enthalte keine für die Einkommensteuerfestsetzung des Streitjahres bindende Feststellung des gemäß § 15b Abs. 1 EStG nicht ausgleichsfähigen Verlustes. Sie sind weiterhin der Meinung, die Regelung des § 15b EStG sei verfassungswidrig und greife im Streitfall zudem nicht ein, weil es an einer modellhaften Gestaltung fehle.
Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Einkommensteuer 2006 unter Änderung des Einkommensteuerbescheides vom 10.9.2014 unter Berücksichtigung eines Verlustes im Zusammenhang mit dem Erwerb der Schuldverschreibung in Höhe von 14.895.445 € niedriger festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen und die Klage gegen den Einkommensteuerbescheid vom 10.9.2014 abzuweisen.
Es ist unter Verweis auf die Ausführungen des angefochtenen Urteils der Auffassung, dass über die streitige Frage, ob ein nicht ausgleichsfähiger Verlust i.S. des § 15b Abs. 1 EStG vorliege, in dem - für den Einkommensteuerbescheid des Streitjahres bindenden - Feststellungsbescheid vom 2.1.2009 entschieden worden sei. Zudem seien die Voraussetzungen des § 15b EStG erfüllt.
II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Das Urteil des FG ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Während des Revisionsverfahrens ist zuletzt der geänderte Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 10.9.2014 an die Stelle des ursprünglich angefochtenen Einkommensteuerbescheides getreten und zum Gegenstand des Verfahrens geworden (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 68 FGO), sodass die Vorentscheidung keinen Bestand haben kann (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28.5.2015 IV R 27/12, BFHE 249, 544, BStBl II 2015, 837, unter Rz 17 f.). Der Senat kann über den geänderten Einkommensteuerbescheid vom 10.9.2014 für das Streitjahr nicht abschließend entscheiden, da die Sache nicht spruchreif ist. Denn der Senat kann aufgrund des Fehlens der vorgreiflichen gesonderten Feststellung des nicht ausgleichsfähigen Verlustes des Klägers gemäß § 15b Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 EStG über die Rechtmäßigkeit der Einkommensteuerfestsetzung nicht abschließend entscheiden (s. nachfolgend unter 1. und 2.). Die Sache wird aus diesem Grund an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (§ 127 FGO).
1. Die angefochtene Entscheidung ist aufzuheben, weil eine für die streitige Einkommensteuerfestsetzung 2006 bindende gesonderte Feststellung eines gemäß § 15b Abs. 1 EStG nicht ausgleichsfähigen Verlustes (§ 15b Abs. 4 EStG) fehlt.
a) Die Entscheidung über den gemäß § 15b Abs. 1 EStG nicht ausgleichsfähigen Verlust für das Streitjahr hat im Rahmen eines Feststellungsbescheides gemäß § 15b Abs. 4 Satz 1 EStG zu erfolgen. Hierbei handelt es sich um eine gesonderte Feststellung i.S. der §§ 179 ff. AO (vgl. Hallerbach in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 15b EStG Rz 53; Reiß in Kirchhof, EStG, 14. Aufl., § 15b Rz 57; Kaeser, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 15b Rz D 21; FG Münster, Urteil vom 18.6.2015, 12 K 689/12 F, EFG 2015, 1696, nicht rechtskräftig, Az. des beim BFH anhängigen Revisionsverfahrens VIII R 29/15).
Die in § 15b Abs. 1 EStG vorgesehene Verlustverrechnungsbeschränkung erfasst grundsätzlich auch Investitionen von Einzelpersonen mit modellhaftem Charakter (s.a. BTDrucks 16/107, S. 6; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 17.7.2007, BStBl I 2007, 542, unter Rz 7). Da § 15b Abs. 4 Satz 1 EStG die Feststellung des nicht ausgleichsfähigen Verlustes gemäß § 15b Abs. 1 EStG anordnet, ohne dabei die Fälle der Einzelinvestition auszunehmen, ist auch für Investitionen von Einzelpersonen das in § 15b Abs. 4 Satz 1 EStG vorgesehene Feststellungsverfahren durchzuführen (so i.E. auch Urteil des FG Münster in EFG 2015, 1696; anders ohne Begründung Niedersächsisches FG, Urteil vom 26.9.2013, 3 K 12341/11, EFG 2014 S. 131). Dass § 15b Abs. 4 EStG verschiedene verfahrensrechtliche Regelungen enthält (insbesondere § 15b Abs. 4 Satz 4 und 5 EStG), die auf Fälle zugeschnitten sind, in denen es sich bei dem Steuerstundungsmodell um eine Gesellschaft oder Gemeinschaft mit gesondert und einheitlich festzustellenden Einkünften handelt, steht dem nicht entgegen. Vielmehr ist auch im Falle einer Einzelinvestition zur Vermeidung widersprüchlicher rechtlicher Wertungen eine klare und verbindliche Regelung in einem Feststellungsbescheid gemäß § 15b Abs. 4 Satz 1 EStG sachgerecht und geboten.
b) Der gemäß § 15b Abs. 1 EStG nicht ausgleichsfähige Verlust ist jährlich gesondert festzustellen (§ 15b Abs. 4 Satz 1 EStG), und zwar auch dann, wenn der Steuerpflichtige nicht Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt, sondern - wie im Streitfall - Einkünfte aus Kapitalvermögen. § 15b Abs. 4 Satz 1 EStG ist gemäß § 20 Abs. 2b EStG (eingefügt durch Art. 1 Nr. 13 Buchst. b JStG 2007 und gemäß § 52 Abs. 37d EStG erstmals für den Veranlagungszeitraum 2006 anwendbar) sinngemäß anzuwenden. Aufgrund der in § 15b Abs. 1 Satz 2 EStG geregelten engen Verlustverrechnungsmöglichkeit hat die gesonderte Feststellung für je eine Einkunftsquelle zu erfolgen (Kaeser, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 15b Rz D 3).
c) Die gesonderte Feststellung des nicht ausgleichsfähigen Verlustes umfasst bei Einzelinvestitionen mehrere Elemente.
§ 15b Abs. 1 Satz 1 EStG regelt, dass Verluste im Zusammenhang mit einem Steuerstundungsmodell weder mit Einkünften aus Gewerbebetrieb, noch mit anderen Einkunftsarten ausgeglichen oder nach § 10d EStG abgezogen werden dürfen. Nach Satz 2 der Vorschrift mindern diese Verluste jedoch die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in den folgenden Wirtschaftsjahren aus derselben Einkunftsquelle erzielt.
Die gesetzlichen Regelungen zum Verfahrensrecht in § 15b Abs. 4 Satz 1 und 2 EStG sind für Einzelinvestitionen widersprüchlich. Das Gesetz spricht in Satz 1 von der Feststellung "nicht ausgleichsfähiger Verluste", die gesondert festzustellen sind. Hiermit bezieht es sich auf die materielle Regelung des § 15b Abs. 1 EStG, die im Verlustentstehungsjahr den Abzug der Verluste aus dem jeweiligen Steuerstundungsmodell verbietet. Zudem setzt das Gesetz in § 15b Abs. 4 Satz 2 und 3 EStG voraus, dass die fortzuentwickelnden "verrechenbaren Verluste" festzustellen und nur hinsichtlich der Differenzbeträge eines Verlustentstehungsjahres anfechtbar sind.
Aus Sicht des Senats meint die gesonderte Feststellung des § 15b Abs. 4 Satz 1 EStG damit für Einzelinvestitionen nur eine Feststellung, die sowohl die Einordnung der Einkunftsquelle als Steuerstundungsmodell i.S. von § 15b Abs. 2, § 20 Abs. 2b EStG - das als solches hinreichend genau bezeichnet werden muss (vgl. Kaeser, in: Kirchhoff/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 15b Rz D 2) -, die Höhe des nicht ausgleichsfähigen Verlustes des Verlustentstehungsjahres und den zum Ende eines Veranlagungszeitraums ermittelten verrechenbaren Verlust als Einzelelemente umfasst. Einer Auslegung, dass es sich bei den Einzelelementen um jeweils verfahrensrechtlich abgrenzbare eigenständige Feststellungen wie bei gesonderten und einheitlichen Feststellungen gemäß §§ 179 ff. AO handelt, die in einem Bescheid verbunden werden können, steht der unklare Gesetzeswortlaut entgegen, der nur die gesonderte Feststellung des nicht ausgleichsfähigen Verlustes anordnet und in der Folge Bestimmungen zu verrechenbaren Verlusten enthält.
d) Hiernach kann ein solcher Feststellungsbescheid für Einzelinvestitionen auf der Ebene des Einkommensteuerbescheides für ein Verlustentstehungsjahr Bindungswirkung gemäß § 182 Abs. 1 AO nur dann entfalten, wenn seinem Regelungsgehalt (auch) zu entnehmen ist, in welcher Höhe ein nicht ausgleichsfähiger Verlust gemäß § 15b Abs. 1 Satz 1 EStG aus einem Steuerstundungsmodell entstanden ist. Eine solche - für die streitgegenständliche Einkommensteuerfestsetzung 2006 bindende - Feststellung eines nicht ausgleichsfähigen Verlustes gemäß § 15b Abs. 1 Satz 1 EStG lässt sich dem Feststellungsbescheid vom 2.1.2009 jedoch nicht entnehmen.
aa) Der Umfang der Bindungswirkung eines Feststellungsbescheides bestimmt sich grundsätzlich nach dessen Verfügungssatz und damit danach, in welchem Umfang und mit welchem Inhalt die Behörde Besteuerungsgrundlagen in den Tenor dieses Verwaltungsaktes aufgenommen hat (z.B. BFH-Urteil vom 8.11.2005 VIII R 11/02, BFHE 211, 277, BStBl II 2006, 253).
Die demnach erforderliche Abgrenzung zwischen den bindenden Verfügungssätzen eines Feststellungsbescheides und dessen (bloßer) Begründung erfolgt durch - in der Revisionsinstanz in vollem Umfang überprüfbare (s. z.B. BFH-Urteile in BFHE 211, 277, BStBl II 2006, 253; vom 12.6.1997 I R 72/96, BFHE 183, 30, BStBl II 1997, 660) - Auslegung des Feststellungsbescheides. Dabei ist entsprechend § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs darauf abzustellen, wie ein verständiger Empfänger nach den ihm bekannten Umständen den Bescheid unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste (s. BFH-Urteile in BFHE 211, 277, BStBl II 2006, 253; vom 11.12.1997 III R 14/96, BFHE 185, 177, BStBl II 1999, 401). Dementsprechend kommt es nicht darauf an, was die Finanzbehörde mit ihrer Erklärung gewollt hat. Es kommt auch nicht darauf an, wie ein außenstehender Dritter die Erklärung der Behörde auffassen konnte bzw. musste. Unerheblich ist auch, ob die notwendige Feststellung unbewusst unterblieben ist oder ob das FA auch dann eine Feststellung in einem Ergänzungsbescheid nach § 179 Abs. 3 AO treffen kann, wenn es zuvor bewusst auf diese Feststellung verzichtet hat. Weil der Verwaltungsakt nur mit dem bekannt gegebenen Inhalt wirksam wird (vgl. § 124 Abs. 1 Satz 2 AO), muss aber die Auslegung zumindest einen Anhalt in der bekannt gegebenen Regelung haben. Maßgebend sind deshalb auch nicht die erst nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zutage tretenden Umstände. Im Zweifel ist das den Betroffenen weniger belastende Auslegungsergebnis vorzuziehen, da er als Empfänger einer auslegungsbedürftigen Willenserklärung der Verwaltung durch etwaige Unklarheiten aus deren Sphäre nicht benachteiligt werden darf (z.B. BFH-Urteile vom 11.7.2006 VIII R 10/05, BFHE 214, 18, BStBl II 2007, 96, mit zahlreichen Nachweisen, und vom 11.11.2014 VIII R 37/11, juris).
bb) Nach diesen Maßstäben fehlt es in dem Bescheid vom 2.1.2009 an der Feststellung eines nicht ausgleichsfähigen Verlustes gemäß § 15b Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 EStG.
In dem mit "Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum Schluss des Veranlagungszeitraums 2006" überschriebenen Bescheid vom 2.1.2009 ist unter "A. Feststellungen" - und damit im bindenden Verfügungssatz (Tenor) - lediglich der "verbleibende Verlustvortrag [...] nach § 15b Abs. 4 EStG [...] für die [Einkunftsart/-quelle] Kap.vermögen, Asset Linked Note" der M-Bank vom "28.11.2006 auf 14.895.445 €" zum 31.12.2006 festgestellt. Der Bescheidtenor enthält indes keine - der Feststellung des Verlustvortrags sachlogisch vorgeschaltete - ausdrückliche Feststellung des gemäß § 15b Abs. 1 Satz 1 EStG im Feststellungszeitraum (dem Verlustentstehungsjahr) nicht ausgleichsfähigen Verlustes. Ihm ist damit nicht mit hinreichender Deutlichkeit eine für die Einkommensteuerfestsetzung 2006 bindende Feststellung des nicht ausgleichsfähigen Verlustes zu entnehmen.
Die ausdrückliche Feststellung des "verbleibenden Verlustvortrages" zum Ende des Streitjahres beinhaltet auch keine konkludente Feststellung des gemäß § 15b Abs. 1 Satz 1 EStG nicht ausgleichsfähigen Verlustes für das Streitjahr als Verlustentstehungsjahr (vgl. zur konkludenten Feststellung im Zusammenhang mit vorgreiflichen Umständen z.B. BFH-Urteil in BFHE 211, 277, BStBl II 2006, 253; s.a. BFH-Urteil vom 11.11.2014 VIII R 37/11, juris, zur Auslegung eines einen anteiligen Gewinn von 0 € feststellenden Bescheides).
Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass die Feststellung eines gemäß § 15b Abs. 1 Satz 1 EStG nicht ausgleichsfähigen Verlustes für den "verbleibenden Verlustvortrag" gemäß § 15b Abs. 1 Satz 2 EStG grundsätzlich nur beschränkt vorgreiflich ist. Denn die Höhe des verbleibenden Verlustvortrags zum Ende des jeweiligen Feststellungszeitraums ergibt sich nur aus der Gesamtschau des verbleibenden Verlustvortrags zum Ende des Vorjahres und des nicht ausgleichsfähigen Verlustes des Verlustentstehungsjahres. Nur im Erstjahr der Investition entsprechen sich der nicht ausgleichsfähige Verlust und der verbleibende Verlustvortrag zum Ende diesen Jahres.
Eine bindende Feststellung des nicht ausgleichsfähigen Verlustes für den Einkommensteuerbescheid des Streitjahres lässt sich gleichwohl dem Feststellungsbescheid vom 2.1.2009 nicht entnehmen, obwohl es sich um das Erstjahr der Investition handelt.
Unter "B. Feststellungsgrundlagen" wird zwar ausgehend von nicht ausgeglichenen negativen Einkünften im Jahr 2006 (lfd. Veranlagungszeitraum) in Höhe von 14.895.445 € die Ermittlung des "nicht ausgeglichenen Verlustvortrags zum 31.12.2006" durchgeführt. In der Begründung des Bescheides wird demnach die Ermittlung des im Tenor festgestellten Verlustvortrags erläutert. Hieraus mag folgen, dass das FA im Rahmen der Berechnung des verbleibenden Verlustvortrags zum 31.12.2006 von einem nicht ausgleichsfähigen Verlust i.S. des § 15b Abs. 1 Satz 1 EStG in Höhe von 14.895.445 € ausgegangen ist. Nicht erkennbar ist indes, dass es diesen damit zugleich für die Einkommensteuerfestsetzung 2006 bindend festgestellt hat. Auch bei einer solchen Auslegung konnte der Kläger dem Tenor des Bescheides lediglich entnehmen, dass das FA die Verluste nur als im Folgejahr mit Einkünften aus der streitgegenständlichen Asset Linked Note verrechenbar ansah (§ 15b Abs. 1 Satz 2 EStG). Für ihn ergab sich damit eine bindende Feststellung für das Folgejahr, nicht aber eine mit bindender Wirkung für den Einkommensteuerbescheid 2006 getroffene Feststellung des nicht ausgleichsfähigen Verlustes gemäß § 15b Abs. 1 Satz 1 EStG.
Dies entnimmt der Senat auch den im Feststellungsbescheid unter D. zu findenden "Wichtigen Hinweisen", die lediglich auf eine Wirkung des Feststellungsbescheides als Grundlagenbescheid für Folgejahre - und damit den ausdrücklich festgestellten Verlustvortrag - hinweisen, nicht aber Ausführungen zur Bindungswirkung des Bescheides für das Verlustentstehungsjahr beinhalten.
Auch aus den weiteren Umständen des Streitfalles ergab sich für den Kläger kein hinreichender Anlass, den Inhalt des Feststellungsbescheides vom 2.1.2009 anders zu verstehen. Die Tatsache, dass das FA den streitigen Verlust als gemäß § 15b Abs. 1 Satz 1 EStG nicht ausgleichsfähig behandelt und daher im Einkommensteuerbescheid 2006 unberücksichtigt gelassen hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn mit Blick auf die auch im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung 2006 erfolgten Ausführungen zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 15b EStG und den zeitlichen Ablauf war für den Kläger nicht zweifelsfrei erkennbar, in welchem Bescheid das FA mit bindender Wirkung für das Jahr 2006 über die Berücksichtigung des streitigen Verlustes entschieden hat.
2. Wegen der danach fehlenden gesonderten Feststellung des nicht ausgleichsfähigen Verlustes des Klägers gemäß § 15b Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 EStG wird die Sache an das FG zurückverwiesen (§ 127 FGO). Das Fehlen der entsprechenden Feststellung steht einer Entscheidung des Senats über die Klage entgegen. Denn die Beachtung der Vorgreiflichkeit des Feststellungsverfahrens für das Einkommensteuerveranlagungsverfahren hinsichtlich der gesondert festzustellenden Besteuerungsgrundlagen gehört zu der auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Grundordnung des Verfahrens (z.B. BFH-Urteile vom 14.2.2008 IV R 44/05, BFH/NV 2008, 1156; vom 20.8.2015 IV R 41/12, BFH/NV 2016, 227). Das FG muss das Verfahren im zweiten Rechtsgang gemäß § 74 FGO aussetzen und damit dem FA Gelegenheit geben, die fehlende Feststellung des verrechenbaren Verlustes gemäß § 15b Abs. 1 Satz 1 EStG nachzuholen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 10.12.1998 III R 61/97, BFHE 187, 526, BStBl II 1999, 390).
3. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens wird dem FG übertragen (§ 143 Abs. 2 FGO).
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