EuGH: Portugal, Anteilstausch, Wohnsitzverlegung
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Art. 21, 45 und 49 AEUV – Art. 28 und 31 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum – Freizügigkeit – Freizügigkeit der Arbeitnehmer – Niederlassungsfreiheit – Besteuerung der Wertzuwächse aus einem Tausch von Gesellschaftsanteilen bei natürlichen Personen – Besteuerung der Wertzuwächse aus der Übertragung des gesamten für unternehmerische oder Erwerbstätigkeit verwendeten Vermögens bei natürlichen Personen – Wegzugsbesteuerung bei Einzelpersonen – Sofortige Einziehung der Steuer – Ungleichbehandlung zwischen natürlichen Personen, die Gesellschaftsanteile tauschen und ihren Wohnsitz im Inland beibehalten, und denen, die einen solchen Tausch vornehmen und ihren Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums verlegen – Ungleichbehandlung zwischen natürlichen Personen, die das gesamte für eine persönlich ausgeübte unternehmerische oder Erwerbstätigkeit verwendete Vermögen an eine Gesellschaft mit Sitz und tatsächlicher Geschäftsleitung im portugiesischen Hoheitsgebiet übertragen, und denen, die eine solche Übertragung an eine Gesellschaft mit Sitz oder tatsächlicher Geschäftsleitung im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums vornehmen – Verhältnismäßigkeit
EuGH-Urteil vom 21. Dezember 2016, Rechtssache C-503/14
Die Portugiesische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 21, 45 und 49 AEUV sowie den Art. 28 und 31 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 verstoßen, dass sie Art. 10 Abs. 9 Buchst. a des Código do Imposto sobre o Rendimento das Pessoas Singulares (Einkommensteuergesetz) erlassen und beibehalten hat, nach dem bei einem Steuerpflichtigen, der seinen Wohnsitz im portugiesischen Hoheitsgebiet aufgibt, für die Zwecke der Besteuerung in dem Jahr, in dem der Wohnsitz im portugiesischen Hoheitsgebiet aufgegeben wurde, zu den Wertzuwächsen der Betrag hinzuzurechnen ist, der nach Art. 10 Abs. 8 dieses Gesetzes beim Tausch von Gesellschaftsanteilen nicht besteuert wurde. Die Portugiesische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49 AEUV und Art. 31 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum verstoßen, dass sie Art. 38 Abs. 1 Buchst. a dieses Gesetzes erlassen und beibehalten hat, der den nach dieser Bestimmung vorgesehenen Aufschub bei der Besteuerung natürlichen Personen vorbehält, die das gesamte für eine persönlich ausgeübte unternehmerische oder Erwerbstätigkeit verwendete Vermögen an eine Gesellschaft übertragen, die ihren satzungsmäßigen Sitz und ihre tatsächliche Geschäftsleitung im portugiesischen Hoheitsgebiet hat. Die Portugiesische Republik trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Europäischen Kommission. Die Bundesrepublik Deutschland trägt ihre eigenen Kosten.
1 Mit der vorliegenden Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass die Portugiesische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 21, 45 und 49 AEUV sowie den Art. 28 und 31 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) verstoßen hat, dass sie die Bestimmungen der Art. 10 und 38 des Código do Imposto sobre o Rendimento das Pessoas Singulares (Einkommensteuergesetz, im Folgenden: CIRS) erlassen und beibehalten hat, nach denen ein Steuerpflichtiger, der Gesellschaftsanteile tauscht und seinen Wohnsitz in einen anderen Staat als die Portugiesische Republik verlegt oder der Aktiva und Passiva aus einer persönlich ausgeübten Tätigkeit im Tausch gegen Gesellschaftsanteile eines gebietsfremden Unternehmens überträgt, im ersten Fall – in Bezug auf die fraglichen Transaktionen – sämtliche nicht verrechneten Einkünfte in die Bemessungsgrundlage des letzten Veranlagungszeitraums einbeziehen muss, in dem er noch als gebietsansässiger Steuerpflichtiger galt, und im zweiten Fall – infolge der fraglichen Transaktion – keinerlei Aufschub bei der Besteuerung erhält.
I – Rechtlicher Rahmen
A – EWR-Abkommen
2 Art. 28 des EWR-Abkommens bestimmt:
„(1) Zwischen den EG-Mitgliedstaaten und den EFTA-Staaten wird die Freizügigkeit der Arbeitnehmer hergestellt.
(2) Sie umfasst die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der EG-Mitgliedstaaten und der EFTA-Staaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen.
(3) Sie gibt – vorbehaltlich der aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigten Beschränkungen – den Arbeitnehmern das Recht,
a) sich um tatsächlich angebotene Stellen zu bewerben;
b) sich zu diesem Zweck im Hoheitsgebiet der EG-Mitgliedstaaten und der EFTA-Staaten frei zu bewegen;
c) sich im Hoheitsgebiet eines EG-Mitgliedstaats oder eines EFTA-Staates aufzuhalten, um dort nach den für die Arbeitnehmer dieses Staates geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften eine Beschäftigung auszuüben;
d) nach Beendigung einer Beschäftigung im Hoheitsgebiet eines EG-Mitgliedstaats oder eines EFTA-Staates zu verbleiben.
(4) Dieser Artikel findet keine Anwendung auf die Beschäftigung im öffentlichen Dienst.
(5) Die besonderen Bestimmungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer sind in Anhang V enthalten.“
3 Art 31 des EWR-Abkommens lautet:
„(1) Im Rahmen dieses Abkommens unterliegt die freie Niederlassung von Staatsangehörigen eines EG-Mitgliedstaats oder eines EFTA-Staates im Hoheitsgebiet eines dieser Staaten keinen Beschränkungen. Das gilt gleichermaßen für die Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines EG-Mitgliedstaats oder eines EFTA-Staates, die im Hoheitsgebiet eines dieser Staaten ansässig sind.
Vorbehaltlich des Kapitels 4 umfasst die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen, insbesondere von Gesellschaften im Sinne des Artikels 34 Absatz 2, nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen.
(2) Die besonderen Bestimmungen über das Niederlassungsrecht sind in den Anhängen VIII bis XI enthalten.“
B – Portugiesisches Recht
4 In Art. 10 CIRS („Wertzuwächse“) heißt es:
„1. Wertzuwächse sind die erzielten Gewinne, die keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb und kein Erwerbseinkommen, keine Kapitalerträge oder Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen darstellen und sich aus Folgendem ergeben:
a) aus der entgeltlichen Veräußerung dinglicher Rechte an Immobilien und der Verwendung von Gütern des Privatvermögens für die unternehmerische oder Erwerbstätigkeit, die ihr Eigentümer persönlich ausübt;
b) aus der entgeltlichen Veräußerung von Gesellschaftsanteilen – einschließlich deren Rücknahme und deren Abschreibung mit Kapitalherabsetzung – und anderen Wertpapieren sowie aus dem Wert, der den Anteilsinhabern aufgrund von Verteilung zuerkannt wird und einen Wertzuwachs im Sinne von Art. 81 des Código do Imposto sobre o Rendimento das Pessoas Coletivas [Körperschaftsteuergesetz] darstellt;
...
3. Die Gewinne gelten ... im Zeitpunkt der Vornahme der in Abs. 1 vorgesehenen Rechtsakte als erzielt.
...
4. Der der Einkommensteuer unterliegende Gewinn besteht in:
a) der Differenz zwischen dem Veräußerungs- und dem Anschaffungswert, beide in den Fällen des Abs. 1 Buchst. a, b und c gegebenenfalls abzüglich des als Kapitalertrag anzusehenden Teils;
...
8. Werden Gesellschaftsanteile unter den Voraussetzungen der Art. 73 Abs. 5 und 77 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes getauscht und werden infolge dieses Tausches die Gesellschaftsanteile den Gesellschaftern der erworbenen Gesellschaft zugeordnet, so werden diese nicht besteuert, wenn sie in Zukunft die neuen Gesellschaftsanteile zu steuerlichen Zwecken gleich hoch wie die alten Anteile bewerten. Dieser Wert bestimmt sich nach den Bestimmungen dieses Gesetzes; die Besteuerung der gegebenenfalls an sie ausgekehrten Geldbeträge bleibt unberührt.
9. In dem im vorstehenden Absatz genannten Fall ist überdies zu beachten:
a) Gibt der Gesellschafter seinen Sitz im portugiesischen Hoheitsgebiet auf, ist für die Zwecke der Besteuerung in dem Jahr, in dem der Sitz im portugiesischen Hoheitsgebiet aufgegeben wurde, zu dem Wertzuwachs der Betrag hinzuzurechnen, der nach Abs. 8 bei dem Tausch von Anteilen nicht besteuert wurde und der dem Unterschied zwischen dem tatsächlichen Wert der erhaltenen Anteile und dem Anschaffungswert der alten Anteile entspricht, berechnet nach den Bestimmungen dieses Gesetzes;
b) die Bestimmungen von Art. 73 Abs. 10 des Körperschaftsteuergesetzes gelten entsprechend.
10. Die Bestimmungen der Abs. 8 und 9 gelten ebenfalls entsprechend bezüglich der Zuordnung von Anteilen oder Aktien im Fall einer Fusion oder Spaltung, auf die Art. 74 des Körperschaftsteuergesetzes Anwendung findet.
...“
5 Art. 38 CIRS („Zufluss von Vermögen zur Erhöhung des Gesellschaftskapitals“) bestimmt:
„1. Ein steuerpflichtiges Ergebnis ist nicht zu ermitteln, wenn eine Erhöhung des Gesellschaftskapitals erfolgt, die das Ergebnis einer Übertragung des gesamten für unternehmerische oder Erwerbstätigkeit verwendeten Vermögens einer natürlichen Person ist, sofern die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
a) Das Unternehmen, auf das das Vermögen übertragen wird, ist eine Gesellschaft und hat seinen satzungsmäßigen Sitz und seine tatsächliche Geschäftsleitung im portugiesischen Hoheitsgebiet;
b) die natürliche Person, die die Übertragung vornimmt, hält mindestens 50 % des Gesellschaftskapitals, und die von ihr ausgeübte Tätigkeit ist im Wesentlichen identisch mit der Tätigkeit, die persönlich ausgeübt wurde;
c) die übertragenen Aktiva und Passiva werden für diese Übertragung zu den in den Büchern und Aufzeichnungen der natürlichen Person eingetragenen Werten berücksichtigt, d. h. den Werten, die sich aus den Bestimmungen dieses Gesetzes oder aus einer Neubewertung aufgrund steuerlicher Vorschriften ergeben;
d) die als Gegenleistung für die Übertragung erhaltenen Kapitalanteile werden für die Besteuerung der bei ihrer späteren Übertragung realisierten Gewinne oder Verluste nach dem Nettowert der übertragenen, nach Maßgabe des vorstehenden Buchstaben[s] festgestellten Aktiva und Passiva bewertet;
e) die oben in Buchst. a genannte Gesellschaft gibt eine Erklärung ab, mit der sie sich zur Einhaltung der Bestimmungen von Art. 77 des Körperschaftsteuergesetzes verpflichtet; die Erklärung ist der regelmäßigen Einkommensteuererklärung der natürlichen Person bezüglich der Übertragung beizufügen.
2. Die Bestimmungen des vorstehenden Absatzes finden keine Anwendung, wenn Güter, für die die Gewinnbesteuerung nach Art. 10 Abs. 3 Buchst. b aufgeschoben wurde, zum übertragenen Vermögen gehören.
3. Die Gewinne aus der entgeltlichen Veräußerung der als Gegenleistung für die in Abs. 1 genannte Übertragung erhaltenen Kapitalanteile, auf welchem Rechtsgrund die Veräußerung auch beruht, werden während eines Zeitraums von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der Übertragung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Erwerbseinkommen eingestuft und gelten als Nettoeinkünfte der Kategorie B. In diesem Zeitraum kann eine Transaktion in Bezug auf Gesellschaftsanteile, für die steuerneutrale Regelungen gelten, nicht vorgenommen werden, da andernfalls davon ausgegangen wird, dass die Gewinne zum Zeitpunkt der Durchführung dieser Transaktionen realisiert wurden, und sie für jedes Jahr oder jeden Teil des abgelaufenen Jahres, von dem an der Zufluss von Vermögen zur Erhöhung des Gesellschaftskapitals festgestellt wurde, um 15 % höher angesetzt und zum Einkommen des Jahres, in dem diese Transaktionen festgestellt wurden, hinzugerechnet werden müssen.“
6 Nach Art. 77 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes gilt:
„Wenn die in Art. 38 Abs. 1 [CIRS] genannte Regelung anwendbar ist, sind die Rechtsgüter, die als Aktiva und Passiva übertragen werden, in der Buchhaltung der Gesellschaft, an die sie übertragen werden, bei den in Art. 38 Abs. 1 Buchst. c genannten Werten auszuweisen und ist das steuerpflichtige Ergebnis wie folgt zu ermitteln:
a) [D]ie Ergebnisse zu den Gütern des übertragenen Vermögens werden berechnet, als ob die Übertragung nicht stattgefunden hätte;
b) Hinzurechnungen oder Abschreibungen auf Güter des Anlagevermögens werden nach der Regelung vorgenommen, die für die Bestimmung des steuerpflichtigen Ergebnisses der natürlichen Person angewandt wurde;
c) übertragene Rückstellungen fallen in steuerlicher Hinsicht unter die Regelung, die auf sie für die Bestimmung des steuerpflichtigen Ergebnisses der natürlichen Person anwendbar war.“
II – Vorverfahren
7 Am 17. Oktober 2008 sandte die Kommission ein Mahnschreiben an die Portugiesische Republik, in dem sie die Auffassung vertrat, dass diese gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 18, 39 und 43 EG, jetzt Art. 21, 45 und 49 AEUV, sowie den Art. 28 und 31 des EWR-Abkommens verstoßen habe, indem sie nicht realisierte Wertzuwächse beim Tausch von Gesellschaftsanteilen besteuere, wenn eine natürliche Person ihren Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat verlege oder Aktiva und Passiva aus einer wirtschaftlichen oder beruflichen Tätigkeit auf eine Gesellschaft übertrage, sofern die Gesellschaft, auf die die Aktiva und Passiva übertragen worden seien, ihren Sitz oder ihre tatsächliche Geschäftsleitung in einem anderen Staat habe.
8 Die Portugiesische Republik beantwortete das genannte Mahnschreiben mit einem Schreiben vom 15. Mai 2009, in dem sie der Auffassung der Kommission widersprach.
9 Da diese Antwort die Kommission nicht überzeugte, versandte sie am 3. November 2009 eine mit Gründen versehene Stellungnahme, in der sie die Auffassung vertrat, dass die Portugiesische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen verstoßen habe, dass sie die Bestimmungen der Art. 10 und 38 CIRS erlassen und beibehalten habe, nach denen ein Steuerpflichtiger, der seinen Wohnsitz in einen anderen Staat verlege oder Aktiva und Passiva aus einer persönlich ausgeübten Tätigkeit im Tausch gegen Gesellschaftsanteile eines Unternehmens, das seinen Sitz oder seine tatsächliche Geschäftsleitung auf dem Gebiet eines anderen Staates habe, übertrage, sämtliche nicht verrechneten Einkünfte in die Bemessungsgrundlage des letzten Veranlagungszeitraums einbeziehen müsse, in dem er noch als gebietsansässiger Steuerpflichtiger gegolten habe. Ferner forderte die Kommission den Mitgliedstaat auf, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang der mit Gründen versehenen Stellungnahme die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um ihr nachzukommen.
10 Die Portugiesische Republik beantwortete die mit Gründen versehene Stellungnahme dahin, dass die Rügen der Kommission jeder Grundlage entbehrten.
11 Am 28. Oktober 2011 übersandte die Kommission ihr ein ergänzendes Mahnschreiben, in der sie sich – mit dem Hinweis, dass ihre im Mahnschreiben und der mit Gründen versehenen Stellungnahme geäußerte Auffassung unverändert aufrechterhalten bleibe – auf die aktuelle Fassung von Art. 10 Abs. 9 Buchst. a CIRS bezog. Die Kommission erhielt ferner ihren Standpunkt zu Art. 38 CIRS, wie er sich aus dem Mahnschreiben und der mit Gründen versehenen Stellungnahme ergab, aufrecht.
12 Im Anschluss an die Antwort der Portugiesischen Republik auf dieses ergänzende Mahnschreiben, in der diese weiterhin die Meinung vertrat, dass die Rügen der Kommission einer Grundlage entbehrten, richtete die Kommission am 22. November 2012 eine ergänzende mit Gründen versehene Stellungnahme an diesen Mitgliedstaat, in der sie zum einen ihre Rüge wiederholte, die Art. 10 und 38 CIRS verstießen gegen die Art. 21, 45 und 49 AEUV sowie gegen die Art. 28 und 31 des EWR-Abkommens, und zum anderen den Mitgliedstaat aufforderte, der ergänzenden mit Gründen versehenen Stellungnahme innerhalb einer Frist von zwei Monaten nachzukommen.
13 Da die Portugiesische Republik in ihrer Antwort vom 23. Januar 2013 erneut vortrug, dass die Auffassung der Kommission nicht zutreffe, beschloss diese, die vorliegende Klage zu erheben.
III – Zur Klage
A – Zum vorgetragenen Mangel an Klarheit und Genauigkeit bei der Eingrenzung des Streitgegenstands
1. Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
14 Ohne eine förmliche Einrede der Unzulässigkeit der Klage zu erheben, macht die Portugiesische Republik geltend, dass die von der Kommission vorgenommenen Änderungen an den Anträgen in der Klage im Verhältnis zum Tenor der mit Gründen versehenen Stellungnahme und der ergänzenden mit Gründen versehenen Stellungnahme über bloße Klarstellungen hinausgingen und wesentliche Änderungen des ursprünglichen Streitgegenstands, wie er sich aus diesen mit Gründen versehenen Stellungnahmen ergebe, darstellten. Die in diesen mit Gründen versehenen Stellungnahmen aufgeführten Rügen entsprächen nämlich nicht dem Wortlaut der Art. 10 und 38 CIRS. Da sich die Kommission jedoch gerade auf diese Bestimmungen gestützt habe, komme keine Vertragsverletzung in Betracht.
15 Die Kommission betont, dass sie geringfügige Änderungen an den Anträgen ihrer Klageschrift im Vergleich zum Tenor ihrer ergänzenden mit Gründen versehenen Stellungnahme vorgenommen habe, um den zusätzlichen Angaben Rechnung zu tragen, die die Portugiesische Republik im Verlauf des Verwaltungsverfahrens und insbesondere in ihrer Beantwortung der ergänzenden mit Gründen versehenen Stellungnahme gemacht habe. Sie ist der Auffassung, dass diese Änderungen den Sinn und den Umfang der gegen diesen Mitgliedstaat erhobenen Rügen nicht änderten und dass die Verteidigungsrechte des Mitgliedstaats vollständig gewahrt worden seien.
2. Würdigung durch den Gerichtshof
16 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs wird der Gegenstand der nach Art. 258 AEUV erhobenen Klage durch das in dieser Vorschrift vorgesehene vorprozessuale Verfahren umschrieben, weshalb die mit Gründen versehene Stellungnahme der Kommission und die Klage auf dieselben Rügen gestützt werden müssen. Dieses Erfordernis kann aber nicht so weit gehen, dass sie in jedem Fall völlig übereinstimmend formuliert sein müssen, sofern nur der Streitgegenstand nicht erweitert oder geändert worden ist. Die Kommission kann somit ihre ursprünglichen Rügen in der Klageschrift präzisieren, sofern sie nicht den Streitgegenstand ändert (vgl. Urteil vom 21. Januar 2016, Kommission/Zypern, C‑515/14, EU:C:2016:30, Rn. 12 und 13 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
17 Im vorliegenden Fall hat die Kommission sowohl im Rahmen des Vorverfahrens als auch vor dem Gerichtshof eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie der Portugiesischen Republik vorwirft, dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 21, 45 und 49 AEUV sowie den Art. 28 und 31 des EWR-Abkommens verstoßen zu haben, dass sie die Art. 10 und 38 CIRS erlassen und beibehalten hat.
18 Ferner konnte die Portugiesische Republik dem verfügenden Teil der mit Gründen versehenen Stellungnahme und der ergänzenden mit Gründen versehenen Stellungnahme in Verbindung mit den Art. 10 und 38 CIRS zum einen entnehmen, auf welche von den in Rede stehenden Bestimmungen vorgesehenen Fälle sich die Kommission in diesen mit Gründen versehenen Stellungnahmen bezog, und zum anderen, welche Rechtsfolgen, die sich aus diesen Bestimmungen für diese Fälle ergaben, die Kommission für unionsrechtswidrig ansah.
19 Daraus ergibt sich, dass die Kommission den Gegenstand der Klage, wie er durch das Vorverfahren umschrieben wurde, weder erweitert noch geändert hat.
20 Unter diesen Umständen kann das auf einen Mangel an Klarheit und Genauigkeit bei der Eingrenzung des Streitgegenstands gestützte Vorbringen der Portugiesischen Republik die Zulässigkeit der Klage nicht in Frage stellen und ist daher zurückzuweisen.
B – Zur Begründetheit
21 Die Kommission wirft der Portugiesischen Republik zum einen vor, dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 21, 45 und 49 AEUV sowie den Art. 28 und 31 des EWR-Abkommens verstoßen zu haben, dass sie Art. 10 CIRS erlassen und beibehalten habe, nach dem ein Steuerpflichtiger, der Gesellschaftsanteile tauscht und seinen Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat oder in einen anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) verlegt, in Bezug auf die fraglichen Transaktionen sämtliche nicht verrechneten Einkünfte in die Bemessungsgrundlage des letzten Veranlagungszeitraums einbeziehen muss, in dem er noch als gebietsansässiger Steuerpflichtiger galt.
22 Zum anderen rügt die Kommission, dieser Mitgliedstaat habe dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 49 AEUV und 31 des EWR-Abkommens verstoßen, dass er Art. 38 CIRS erlassen und beibehalten habe, nach dem ein Steuerpflichtiger, der Aktiva und Passiva aus einer persönlich ausgeübten Tätigkeit im Tausch gegen Geschäftsanteile eines Unternehmens, das seinen Sitz oder seine tatsächliche Geschäftsleitung im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats oder eines anderen Staats des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) hat, infolge der fraglichen Transaktionen keinerlei Aufschub bei der Besteuerung erhalten kann.
23 Diese Rügen sind getrennt zu prüfen.
1. Zu den Wertzuwächsen aus einem Tausch von Gesellschaftsanteilen
a) Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
24 Die Kommission macht geltend, dass Art. 10 CIRS bei der Besteuerung von Wertzuwächsen aus einem Tausch von Gesellschaftsanteilen Steuerpflichtige, die Portugal verließen, steuerlich ungünstiger behandle als Steuerpflichtige, die ihren Wohnsitz in Portugal beibehielten. Ein Teilhaber oder ein Gesellschafter werde nämlich aufgrund des bloßen Wegzugs aus Portugal für die in Rede stehenden Wertzuwächse in Form der Differenz zwischen dem tatsächlichen Wert der erhaltenen und dem Anschaffungswert der ursprünglichen Anteile steuerpflichtig. Wenn der Teilhaber oder Gesellschafter seinen Wohnsitz in Portugal beibehalte, werde der Wert der erhaltenen Anteile dem der abgegebenen hingegen gleichgesetzt. Bei Beibehaltung des Wohnsitzes in Portugal werde der Teilhaber oder Gesellschafter somit erst zum Zeitpunkt des endgültigen Verkaufs der erhaltenen Anteile besteuert, ausgenommen im Fall einer zusätzlichen Barzahlung.
25 Die Kommission geht davon aus, dass der Vorteil, der Steuerpflichtigen mit Wohnsitz in Portugal durch den Aufschub der Besteuerung der Wertzuwächse aus einem Tausch von Gesellschaftsanteilen gewährt werde, eine Ungleichbehandlung zwischen diesen Steuerpflichtigen und Steuerpflichtigen schaffe, die sich für eine Verlegung ihres Wohnsitzes in einen anderen Mitgliedstaat oder EWR-Staat entschieden, was weder mit den Art. 21, 45 und 49 AEUV noch mit den Art. 28 und 31 des EWR-Abkommens vereinbar sei.
26 Insoweit stützt sie sich auf die Urteile vom 11. März 2004, de Lasteyrie du Saillant (C‑9/02, EU:C:2004:138), und vom 7. September 2006, N (C‑470/04, EU:C:2006:525), die sich mit der Wegzugsbesteuerung von natürlichen Personen befassen und die ihrer Ansicht nach auf den vorliegenden Fall anwendbar sind. Das Urteil vom 29. November 2011, National Grid Indus (C‑371/10, EU:C:2011:785), in dem der Gerichtshof zum ersten Mal anerkannt habe, dass ein nationales Gesetz im Bereich der Wegzugsbesteuerung durch das Ziel der Sicherstellung einer ausgeglichenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten gerechtfertigt sein könne, ist nach der Auffassung der Kommission hingegen nicht anwendbar, da es sich lediglich auf die Besteuerung von juristischen Personen beziehe.
27 Auch wenn die Kommission die Berechtigung des vom portugiesischen Gesetzgeber verfolgten Ziels, die Wirksamkeit der Steuerregelung sicherzustellen, anerkennt, hält sie die in Rede stehende nationale Bestimmung für unverhältnismäßig, da das Unionsrecht und, genauer, die Richtlinien 2011/16/EU des Rates vom 15. Februar 2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG (ABl. 2011, L 64, S. 1) sowie 2010/24/EU des Rates vom 16. März 2010 über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen (ABl. 2010, L 84 S. 1) bereits Informations- und Amtshilfemechanismen zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der Beitreibung von Steuern vorsähen, die eine Erreichung dieses Ziels ohne einen Rückgriff auf Beschränkungen der im AEU-Vertrag niedergelegten Grundfreiheiten ermöglichten.
28 Ferner könnte die Portugiesische Republik beispielsweise von einem Steuerpflichtigen, der aus Portugal wegziehe, verlangen, regelmäßig Informationen zu den erhaltenen Gesellschaftsanteilen zur Prüfung zu übermitteln, ob er noch ihr Inhaber sei. Die Besteuerung würde die Wertzuwächse somit erst zu dem Zeitpunkt erfassen, zu dem der Steuerpflichtige, der aus Portugal weggezogen sei, die erhaltenen Gesellschaftsanteile veräußere.
29 Die Portugiesische Republik meint, dass Art. 10 CIRS weder gegen die Art. 21, 45 und 49 AEUV noch gegen die Art. 28 und 31 des EWR-Abkommens verstoße. Die sehr eng eingegrenzte Situation, auf die sich die in Rede stehende Bestimmung des CIRS beziehe, betreffe nämlich das Ende des Aufschubs der Besteuerung von Wertzuwächsen, die im Rahmen eines vorherigen Tausches von Gesellschaftsanteilen tatsächlich realisiert worden seien, aufgrund des Wegzugs des Steuerpflichtigen aus Portugal. Daher sei das Urteil vom 11. März 2004, de Lasteyrie du Saillant (C‑9/02, EU:C:2004:138), das sich auf die Besteuerung noch nicht realisierter Wertzuwächse bei Verlegung des steuerlichen Wohnsitzes eines Steuerpflichtigen in einen anderen Mitgliedstaat beziehe, im vorliegenden Fall nicht anwendbar.
30 Nach Auffassung der Portugiesischen Republik ist eine etwaige, sich aus Art. 10 CIRS ergebende Beschränkung der Freizügigkeit zunächst durch das Ziel der Sicherstellung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten nach dem Grundsatz der steuerlichen Territorialität gerechtfertigt, ein Ziel, das der Gerichtshof in der Rechtssache, in der das Urteil vom 29. November 2011, National Grid Indus (C‑371/10, EU:C:2011:785, Rn. 45), ergangen sei, anerkannt habe. Die Befugnis zur Besteuerung von Wertzuwächsen aus einem Tausch von Gesellschaftsanteilen liege nach den nationalen Rechtsvorschriften in Verbindung mit den von ihr mit allen Mitgliedstaaten abgeschlossenen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung grundsätzlich ausschließlich bei dem Wohnsitzmitgliedstaat des Steuerpflichtigen, der die Gesellschaftsanteile veräußere, d. h. im vorliegenden Fall bei der Portugiesischen Republik. Die Portugiesische Republik schließt daraus, dass eine Verpflichtung, solche Wertzuwächse bei einer Verlegung des Wohnsitzes in einen anderen Mitgliedstaat nicht zu besteuern, ihr endgültig ihr Besteuerungsrecht hierfür entzöge und somit ihr Recht beeinträchtigen würde, ihre Besteuerungszuständigkeit in Bezug auf die in ihrem Hoheitsgebiet durchgeführten Tätigkeiten auszuüben (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 29. März 2007, Rewe Zentralfinanz, C‑347/04, EU:C:2007:194, Rn. 42, und vom 8. November 2007, Amurta, C‑379/05, EU:C:2007:655, Rn. 58).
31 Die Portugiesische Republik beruft sich sodann auf Gründe in Zusammenhang mit der Kohärenz des Steuersystems. Im vorliegenden Fall bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem steuerlichen Vorteil und dem Ausgleich eines solchen Vorteils durch eine bestimmte steuerliche Abgabe. Denn mit der in Rede stehenden Bestimmung solle verhindert werden, dass der dem Steuerpflichtigen in Form eines Aufschubs der Besteuerung der realisierten Wertzuwächse gewährte steuerliche Vorteil die tatsächliche Besteuerung dieser Wertzuwächse in Portugal später unmöglich mache. Es sei nämlich für das ordnungsgemäße Funktionieren der Regelung zum Aufschub der Besteuerung bestimmter Aktiva unabdingbar, dass die Gewährung des steuerlichen Vorteils zu einem bestimmten Zeitpunkt mit der tatsächlichen Besteuerung dieser Aktiva zu einem späteren Zeitpunkt einhergehe.
32 Die Portugiesische Republik beruft sich zur Rechtfertigung schließlich noch darauf, dass die Wirksamkeit der Steuerprüfungen und der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerflucht sichergestellt werden müsse.
33 Die Bundesrepublik Deutschland ist der Auffassung, dass eine sich aus Art. 10 CIRS ergebende etwaige Beschränkung der Freizügigkeit insofern gerechtfertigt sei, als dieser Artikel eine Besteuerung der in Portugal erwirtschafteten Gewinne bezwecke, bevor die Portugiesische Republik ihre Besteuerungsbefugnis verliere. Nach Ansicht der Bundesrepublik Deutschland sind die vom Gerichtshof im Urteil vom 29. November 2011, National Grid Indus (C‑371/10, EU:C:2011:785, Rn. 45), aufgestellten Grundsätze unabhängig davon gültig, ob es sich um eine auf natürliche Personen oder auf juristische Personen anwendbare Regelung zur Wegzugsbesteuerung handelt.
b) Würdigung durch den Gerichtshof
34 Bevor die in Art. 10 CIRS vorgesehene Steuerregelung im Hinblick auf die Art. 28 und 31 des EWR-Abkommens geprüft wird, ist sie im Hinblick auf die Art. 21, 45 und 49 AEUV zu untersuchen.
i) Zur Rüge eines Verstoßes gegen die Art. 21, 45 und 49 AEUV
35 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs findet Art. 21 AEUV, in dem das Recht eines jeden Unionsbürgers, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, in allgemeiner Form niedergelegt ist, in Art. 45 AEUV hinsichtlich der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und in Art. 49 AEUV hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit eine besondere Ausprägung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juli 2012, Kommission/Spanien, C‑269/09, EU:C:2012:439, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).
36 Daher ist die fragliche Steuerregelung zunächst im Hinblick auf die Art. 45 und 49 AEUV zu prüfen, bevor sie im Licht von Art. 21 AEUV in Bezug auf Personen untersucht wird, die sich von einem Mitgliedstaat in einen anderen begeben, um sich dort aus Gründen, die nicht mit der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit zusammenhängen, niederzulassen.
– Zum Vorliegen von Beschränkungen der Art. 45 und 49 AEUV
37 Sämtliche Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit sollen den Unionsangehörigen die Ausübung beruflicher Tätigkeiten aller Art im gesamten Gebiet der Europäischen Union erleichtern und stehen Maßnahmen entgegen, die die Unionsangehörigen benachteiligen könnten, wenn sie eine Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausüben wollen (vgl. Urteil vom 12. Juli 2012, Kommission/Spanien, C‑269/09, EU:C:2012:439, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).
38 Auch wenn diese Vertragsbestimmungen nach ihrem Wortlaut die Inländerbehandlung im Aufnahmemitgliedstaat sichern sollen, ist festzustellen, dass die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten in diesem Zusammenhang insbesondere das unmittelbar aus dem Vertrag abgeleitete Recht haben, ihr Herkunftsland zu verlassen, um sich zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats zu begeben und sich dort aufzuhalten (Urteil vom 12. Juli 2012, Kommission/Spanien, C‑269/09, EU:C:2012:439, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).
39 Bestimmungen, die einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats daran hindern oder davon abhalten, seinen Herkunftsstaat zu verlassen, um entweder von seinem Recht auf Freizügigkeit oder von seinem Recht auf Niederlassungsfreiheit Gebrauch zu machen, stellen daher Beeinträchtigungen dieser Freiheit dar, auch wenn sie unabhängig von der Staatsangehörigkeit des betroffenen Staatsangehörigen Anwendung finden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 27. September 1988, Daily Mail and General Trust, 81/87, EU:C:1988:456, Rn. 16, und vom 12. Juli 2012, Kommission/Spanien, C‑269/09, EU:C:2012:439, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).
40 Ebenfalls nach ständiger Rechtsprechung sind als Beschränkungen der Freizügigkeit und der Niederlassungsfreiheit alle Maßnahmen anzusehen, die die Ausübung dieser Freiheit unterbinden, behindern oder weniger attraktiv machen (vgl. Urteil vom 12. Juli 2012, Kommission/Spanien, C‑269/09, EU:C:2012:439, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).
41 Im vorliegenden Fall sieht Art. 10 Abs. 8 CIRS vor, dass bei einem Tausch von Gesellschaftsanteilen, die infolge dieses Tausches den Gesellschaftern der erworbenen Gesellschaft zugeordneten Gesellschaftsanteile – unbeschadet der Besteuerung der gegebenenfalls an sie ausgekehrten Geldbeträge – nicht besteuert werden, wenn sie in Zukunft die neuen Gesellschaftsanteile zu steuerlichen Zwecken gleich hoch wie die alten Anteile bewerten. Wie die Portugiesische Republik in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, wird die Steuer auf die Wertzuwächse, die sich aus einem solchen Tausch ergeben, bei dem Steuerpflichtigen nur im Fall und erst zum Zeitpunkt einer endgültigen Veräußerung der bei diesem Tausch erhaltenen Anteile erhoben.
42 Als Ausnahme zu dieser Regel verlangt Art. 10 Abs. 9 Buchst. a CIRS von Steuerpflichtigen, die ihren Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat als die Portugiesische Republik verlegen, dass sie den Betrag, der nach Art. 10 Abs. 8 CIRS beim Tausch der Gesellschaftsanteile nicht versteuert wurde, in das zu versteuernde Einkommen des Geschäftsjahrs einbeziehen, in dem diese Verlegung des Wohnsitzes stattgefunden hat.
43 Steuerpflichtige, die aus Portugal wegziehen, sind also aufgrund dieses Wegzugs verpflichtet, die Steuer auf die Wertzuwächse aus dem Tausch der Gesellschaftsanteile sofort zu entrichten, während Steuerpflichtige, die in Portugal wohnen bleiben, in den Genuss eines Aufschubs der Besteuerung der Wertzuwächse aus diesem Tausch bis zur späteren Veräußerung der beim Tausch erhaltenen Gesellschaftsanteile kommen.
44 Diese Ungleichbehandlung im Hinblick auf den Zeitpunkt der Besteuerung der in Rede stehenden Wertzuwächse stellt einen Liquiditätsnachteil für den Steuerpflichtigen dar, der aus Portugal wegziehen möchte, verglichen mit einem Steuerpflichtigen, der in Portugal wohnen bleibt. Während der Erstere allein wegen eines solchen Wegzugs für einen Wertzuwachs steuerpflichtig wird, der noch nicht realisiert ist und über den er somit nicht verfügt, muss der Letztere die geschuldete Steuer nur entrichten, wenn und soweit die Wertzuwächse tatsächlich realisiert worden sind (vgl. entsprechend Urteil vom 11. März 2004, de Lasteyrie du Saillant, C‑9/02, EU:C:2004:138, Rn. 46).
45 Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass der Ausschluss eines Liquiditätsvorteils bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt, wenn ein solcher Vorteil bei einem entsprechenden innerstaatlichen Sachverhalt gewährt wird, eine Beschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und der Niederlassungsfreiheit darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juli 2012, Kommission/Spanien, C‑269/09, EU:C:2012:439, Rn. 59 und 61).
46 Aus dem Inhalt der Akte ergibt sich jedoch nicht, dass sich diese Ungleichbehandlung durch eine objektiv unterschiedliche Situation erklären ließe, und die Portugiesische Republik hat vor dem Gerichtshof im Übrigen auch nicht vorgetragen, dass dies der Fall sei. Denn was die Regelung eines Mitgliedstaats über die Besteuerung der in seinem Hoheitsgebiet entstandenen Wertzuwächse betrifft, gleicht die Situation einer Person, die ihren Wohnsitz von diesem Mitgliedstaat in einen anderen verlegt, in Bezug auf die Besteuerung der Wertzuwächse beim Vermögen, die im ersten Mitgliedstaat vor der Verlegung des Wohnsitzes erzielt wurden, der Situation einer Person, die ihren Wohnsitz im ersten Mitgliedstaat beibehält (vgl. entsprechend Urteil vom 29. November 2011, National Grid Indus, C‑371/10, EU:C:2011:785, Rn. 38).
47 Daraus folgt, dass die Ungleichbehandlung im Bereich der Besteuerung von Wertzuwächsen aus einem Tausch von Gesellschaftsanteilen nach Art. 10 Abs. 9 Buchst. a CIRS, der ein Steuerpflichtiger, der aus Portugal wegzieht, gegenüber einem Steuerpflichtigen unterliegt, der in Portugal wohnen bleibt, eine Beschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und der Niederlassungsfreiheit im Sinne der Art. 45 und 49 AEUV darstellt.
– Zur Rechtfertigung der Beschränkungen der in den Art. 45 und 49 AEUV niedergelegten Freiheiten
48 Es ist zu prüfen, ob die Beschränkung der in den Art. 45 und 49 AEUV niedergelegten Freiheiten, die sich aus Art. 10 Abs. 9 Buchst. a CIRS ergibt, durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. In einem solchen Fall muss die Beschränkung aber außerdem geeignet sein, die Erreichung des fraglichen Ziels zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. u. a. Urteile vom 18. Januar 2007, Kommission/Schweden, C‑104/06, EU:C:2007:40, Rn. 25, und vom 29. November 2011, National Grid Indus, C‑371/10, EU:C:2011:785, Rn. 42).
49 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es Sache des Mitgliedstaats ist, nachzuweisen, dass seine Regelung zum einen einem zwingenden Erfordernis des Allgemeininteresses und zum anderen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. September 2007, Kommission/Italien, C‑260/04, EU:C:2007:508, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).
50 Die Portugiesische Republik führt zur Rechtfertigung erstens die Notwendigkeit an, eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten nach dem Territorialitätsprinzip zu wahren, zweitens die Notwendigkeit, die Kohärenz des Steuersystems zu gewährleisten, und drittens die Notwendigkeit, die Wirksamkeit der Steuerprüfungen sowie der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerflucht sicherzustellen.
51 Was zunächst das Ziel angeht, die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten sicherzustellen, ist zum einen darauf hinzuweisen, dass dies ein vom Gerichtshof anerkanntes legitimes Ziel ist, und zum anderen festzustellen, dass die Mitgliedstaaten nach ständiger Rechtsprechung in Ermangelung unionsrechtlicher Vereinheitlichungs- oder Harmonisierungsmaßnahmen befugt bleiben, zur Beseitigung der Doppelbesteuerung die Kriterien für die Aufteilung ihrer Steuerhoheit vertraglich oder einseitig festzulegen (Urteil vom 16. April 2015, Kommission/Deutschland, C‑591/13, EU:C:2015:230, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).
52 Die Kommission macht jedoch geltend, dass sich die Portugiesische Republik nicht auf das Urteil vom 29. November 2011, National Grid Indus (C‑371/10, EU:C:2011:785), stützen könne, um eine Beschränkung der Grundfreiheiten mit der Notwendigkeit zu rechtfertigen, eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis der Mitgliedstaaten sicherzustellen, da sich dieses Urteil auf die Besteuerung der latenten Wertzuwächse bei Unternehmen beziehe und nicht auf die Besteuerung dieser Wertzuwächse bei natürlichen Personen. Sie geht vielmehr davon aus, dass im vorliegenden Kontext die Urteile vom 11. März 2004, de Lasteyrie du Saillant (C‑9/02, EU:C:2004:138), und vom 7. September 2006, N (C‑470/04, EU:C:2006:525), einschlägig seien, die die Besteuerung latenter Wertzuwächse bei natürlichen Personen im Fall der Verlegung des Wohnsitzes aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beträfen.
53 Das Urteil vom 29. November 2011, National Grid Indus (C‑371/10, EU:C:2011:785), erging zwar im Kontext der Besteuerung von Wertzuwächsen bei Unternehmen, doch hat der Gerichtshof die in diesem Urteil aufgestellten Grundsätze in der Folge auch auf den Kontext der Besteuerung von Wertzuwächsen bei natürlichen Personen übertragen (vgl. Urteile vom 12. Juli 2012, Kommission/Spanien, C‑269/09, EU:C:2012:439, Rn. 75 bis 78, und vom 16. April 2015, Kommission/Deutschland, C‑591/13, EU:C:2015:230, Rn. 65 bis 67).
54 Insoweit ist der Umstand, dass es in diesen beiden Urteilen um realisierte Wertzuwächse ging und nicht, wie im vorliegenden Fall, um latente Wertzuwächse, ohne Belang. Was nämlich entscheidend ist, ist, dass in beiden Fällen ähnliche, im rein innerstaatlichen Rahmen eines Mitgliedstaats stattfindende Vorgänge, anders als ein grenzüberschreitender Vorgang, nicht zu einer sofortigen Besteuerung dieser Wertzuwächse geführt hätten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. April 2015, Kommission/Deutschland, C‑591/13, EU:C:2015:230, Rn. 71).
55 Soweit die Kommission die Legitimität des Ziels, eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Wegzugsbesteuerung natürlicher Personen für latente Wertzuwächse sicherzustellen, mit der Begründung in Zweifel zieht, dass etwaige, nach der Verlegung des Wohnsitzes in einen anderen Mitgliedstaat entstandene Wertminderungen von diesen Personen in diesem anderen Mitgliedstaat nicht in Abzug gebracht werden könnten, genügt der Hinweis, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass die eventuelle Nichtberücksichtigung von Wertminderungen durch den Aufnahmemitgliedstaat den Herkunftsmitgliedstaat keineswegs verpflichtet, zum Zeitpunkt der endgültigen Veräußerung der neuen Gesellschaftsanteile eine Steuerschuld neu zu bewerten, die zum Zeitpunkt, zu dem die Steuerpflichtigkeit der betreffenden Person im Herkunftsmitgliedstaat aufgrund der Verlegung ihres Wohnsitzes endete, endgültig bestimmt wurde (vgl. entsprechend Urteil vom 29. November 2011, National Grid Indus, C‑371/10, EU:C:2011:785, Rn. 61).
56 Daher gibt es im Rahmen der Rechtfertigung, die sich auf das Ziel der Sicherstellung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten stützt, keinen objektiven Grund, bei der Wegzugsbesteuerung für latente Wertzuwächse zwischen natürlichen Personen und juristischen Personen zu unterscheiden.
57 Sodann ist darauf hinzuweisen, dass Art. 10 Abs. 9 Buchst. a CIRS geeignet ist, die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den betreffenden Mitgliedstaaten sicherzustellen. Denn mit der Erhebung der Schlussrechnungsteuer zum Zeitpunkt der Verlegung des Wohnsitzes sollen die nicht realisierten Wertzuwächse, die unter der Steuerhoheit des Herkunftsmitgliedstaats vor der Verlegung des Wohnsitzes erzielt wurden, in diesem Mitgliedstaat der Gewinnsteuer unterworfen werden. Die nach dieser Verlegung erzielten Wertzuwächse werden ausschließlich im Aufnahmemitgliedstaat, wo sie erzielt wurden, besteuert, wodurch ihre doppelte Besteuerung vermieden wird (vgl. entsprechend Urteil vom 29. November 2011, National Grid Indus, C‑371/10, EU:C:2011:785, Rn. 48).
58 Zur Frage, ob diese Bestimmung, die die sofortige Besteuerung latenter Wertzuwächse, die aus einem Tausch von Gesellschaftsanteilen stammen, zum Zeitpunkt der Verlegung des Wohnsitzes des Steuerpflichtigen aus Portugal in einen anderen Staat vorsieht, nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des Ziels einer Aufteilung der Besteuerungsbefugnis erforderlich ist, ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im Urteil vom 29. November 2011, National Grid Indus (C‑371/10, EU:C:2011:785, Rn. 52), bereits entschieden hat, dass eine Regelung eines Mitgliedstaats, die die sofortige Einziehung der Steuer auf die nicht realisierten Wertzuwächse bei den Vermögensgegenständen einer Gesellschaft, die ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegt, zum Zeitpunkt der Verlegung vorschreibt, unverhältnismäßig ist, da es Maßnahmen gibt, die die Niederlassungsfreiheit weniger stark beeinträchtigen als die sofortige Einziehung (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 29. November 2011, National Grid Indus, C‑371/10, EU:C:2011:785, Rn. 73 und 85, sowie vom 16. April 2015, Kommission/Deutschland, C‑591/13, EU:C:2015:230, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung).
59 Insoweit ist der Gerichtshof davon ausgegangen, dass eine nationale Regelung, die einer Gesellschaft, die ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegt, die Wahl lässt zwischen einerseits der sofortigen Zahlung des Steuerbetrags und andererseits einer Aufschiebung der Zahlung dieser Steuer, gegebenenfalls zuzüglich Zinsen entsprechend der geltenden nationalen Regelung, eine Maßnahme darstellt, die die Niederlassungsfreiheit weniger stark beeinträchtigt als die sofortige Einziehung dieser Steuer (vgl. Urteile vom 29. November 2011, National Grid Indus, C‑371/10, EU:C:2011:785, Rn. 73 und 85, sowie vom 16. April 2015, Kommission/Deutschland, C‑591/13, EU:C:2015:230, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung). Der Gerichtshof hat des Weiteren entschieden, dass es dem betreffenden Mitgliedstaat freisteht, das Risiko der Nichteinziehung der Steuer, das sich mit der Zeit erhöht, im Rahmen seiner für aufgeschobene Zahlungen von Steuerschulden geltenden nationalen Regelung durch Maßnahmen wie die Stellung einer Bankgarantie zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. November 2011, National Grid Indus, C‑371/10, EU:C:2011:785, Rn. 74).
60 In Anbetracht der in den beiden vorhergehenden Randnummern angeführten Rechtsprechung ist festzustellen, dass Art. 10 Abs. 9 Buchst. a CIRS über das hinausgeht, was zur Erreichung des Ziels erforderlich ist, das an die Notwendigkeit, die Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren, geknüpft ist, da die einschlägigen Bestimmungen des nationalen Rechts dem Steuerpflichtigen, der seinen Wohnsitz aus Portugal in einen anderen Mitgliedstaat verlegt, nicht die Wahl lassen zwischen der sofortigen Zahlung des Steuerbetrags auf die Wertzuwächse, die sich aus einem Tausch von Gesellschaftsanteilen ergeben einerseits und einer Aufschiebung der Zahlung dieses Betrags – was für den betreffenden Steuerpflichtigen notwendigerweise mit Verwaltungsaufwand im Zuge der Nachverfolgung der übertragenen Aktiva verbunden ist – unter Stellung einer Bankgarantie andererseits (vgl. entsprechend Urteil vom 29. November 2011, National Grid Indus, C‑371/10, EU:C:2011:785, Rn. 73 und 74).
61 Daraus folgt, dass die Notwendigkeit, die Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten sicherzustellen, die Beschränkung der in den Art. 45 und 49 AEUV niedergelegten Freiheiten, die sich aus Art. 10 Abs. 9 Buchst. a CIRS ergibt, nicht rechtfertigen kann.
62 Soweit zweitens die Notwendigkeit, die Kohärenz des nationalen Steuersystems zu gewährleisten, zur Rechtfertigung angeführt wird, ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof dieses Erfordernis als zwingenden Grund des Allgemeininteresses anerkannt hat. Damit ein auf diesen Rechtfertigungsgrund gestütztes Argument durchgreifen kann, hat der Gerichtshof den Nachweis eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung verlangt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. April 2015, Kommission/Deutschland, C‑591/13, EU:C:2015:230, Rn. 74 und die dort angeführte Rechtsprechung).
63 Die Portugiesische Republik macht im vorliegenden Fall geltend, dass die in Rede stehende nationale Bestimmung zur Gewährleistung dieser Kohärenz erforderlich sei, da der in Form eines Aufschubs der Besteuerung gewährte steuerliche Vorteil ende, sobald eine spätere Besteuerung aus dem Grund unmöglich werde, dass der begünstigte Steuerpflichtige seinen Wohnsitz in Portugal aufgebe. Es sei für das ordnungsgemäße Funktionieren der Regelung zum Aufschub der Besteuerung jedoch unabdingbar, dass die Gewährung eines steuerlichen Vorteils in Form eines Aufschubs der Besteuerung – für denselben Steuerpflichtigen und dieselbe Besteuerung – der tatsächlichen Besteuerung der Wertzuwächse zu einem späteren Zeitpunkt entspreche.
64 Insoweit ist festzustellen, dass die Portugiesische Republik nicht nachgewiesen hat, dass zwischen dem in Art. 10 Abs. 8 CIRS vorgesehenen steuerlichen Vorteil und der Kompensation dieses Vorteils durch eine bestimmte Steuererhebung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Auch wenn der nach Art. 10 Abs. 8 CIRS gewährte steuerliche Vorteil in einem in Art. 10 Abs. 9 Buchst. a CIRS vorgesehenen grenzüberschreitenden Sachverhalt durch eine Steuererhebung ausgeglichen wird, da der Betrag der geschuldeten Steuer zwangsläufig zum Zeitpunkt des Wegzugs des Steuerpflichtigen aus Portugal eingezogen wird, verhält es sich nämlich in einem rein innerstaatlichen, in Art. 10 Abs. 8 CIRS vorgesehenen Sachverhalt anders. Aus einer Prüfung dieser Bestimmung ergibt sich nämlich, dass die Steuer auf Wertzuwächse, die sich aus einem Tausch von Gesellschaftsanteilen ergeben, nur im etwaigen Fall einer endgültigen Veräußerung der bei diesem Tausch erhaltenen Gesellschaftsanteile eingezogen wird. Wie der Generalanwalt in Nr. 60 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, kann ein Steuerpflichtiger, der seinen Wohnsitz in Portugal behält, solange er die erhaltenen Gesellschaftsanteile nicht veräußert, in den Genuss des von Art. 10 Abs. 8 CIRS gewährten steuerlichen Vorteils kommen, wodurch die zukünftige Erhebung der Steuer in seiner Person rein hypothetischer Natur ist. Daraus folgt, dass der behauptete Zusammenhang zwischen dem Vorteil, der dem Steuerpflichtigen gewährt wird, und seiner Besteuerung fraglich ist (vgl. entsprechend Urteil vom 26. Oktober 2006, Kommission/Portugal, C‑345/05, EU:C:2006:685, Rn. 27).
65 Daher ist das Vorbringen der Portugiesischen Republik, nach dem die in Rede stehende Bestimmung durch die Notwendigkeit, die Kohärenz des nationalen Steuersystems aufrechtzuerhalten, objektiv gerechtfertigt sei, zurückzuweisen.
66 Drittens ist zu der auf die Wirksamkeit der Steuerprüfungen und der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerflucht gestützten Rechtfertigung festzustellen, dass die Portugiesische Republik sich darauf beschränkt hat, diese Rechtfertigung in ihrer Klagebeantwortung zu erwähnen, ohne sie in irgendeiner Weise zu substantiieren.
67 Daraus ergibt sich, dass eine solche Rechtfertigung nicht anerkannt werden kann.
68 Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass Art. 10 Abs. 9 Buchst. a CIRS eine von den Art. 45 und 49 AEUV verbotene Beschränkung darstellt und dass die auf einen Verstoß des betreffenden Mitgliedstaats gegen seine Verpflichtungen aus diesen Artikeln des AEU-Vertrags gestützte Rüge der Kommission begründet ist.
– Zur Rüge eines Verstoßes gegen Art. 21 AEUV
69 Für Unionsbürger, die aus Gründen, die nicht mit der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit zusammenhängen, innerhalb der Union umziehen wollen, gilt bezogen auf die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 21 AUEV aus den gleichen Gründen dieselbe Schlussfolgerung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juli 2012, Kommission/Spanien, C‑269/09, EU:C:2012:439, Rn. 91).
ii) Zum Vorliegen einer Beschränkung der Art. 28 und 31 des EWR-Abkommens
70 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Bestimmungen der Art. 28 und 31 des EWR-Abkommens denjenigen der Art. 45 und 49 AEUV entsprechen (vgl. Urteil vom 12. Juli 2012, Kommission/Spanien, C‑269/09, EU:C:2012:439, Rn. 95).
71 Die Unionsrechtsprechung zu Beschränkungen der Ausübung der Verkehrsfreiheiten innerhalb der Union kann zwar nicht in vollem Umfang auf die vom EWR-Abkommen garantierten Freiheiten übertragen werden, da sich deren Ausübung in einen anderen rechtlichen Rahmen einfügt (Urteil vom 16. April 2015, Kommission/Deutschland, C‑591/13, EU:C:2015:230, Rn. 81 und die dort angeführte Rechtsprechung).
72 Im vorliegenden Fall hat die Portugiesische Republik jedoch keine Gründe aufgezeigt, weshalb die Erwägungen zur fehlenden Rechtfertigung der Beschränkungen der vom Vertrag garantierten Verkehrsfreiheiten, die zu den Feststellungen in den Rn. 61, 65 und 66 des vorliegenden Urteils geführt haben, nicht in gleicher Weise auf die vom EWR-Abkommen garantierten Freiheiten anzuwenden wären.
73 Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass Art. 10 Abs. 9 Buchst. a CIRS eine von den Art. 28 und 31 des EWR-Abkommens verbotene Beschränkung darstellt und dass die auf einen Verstoß des betreffenden Mitgliedstaats gegen seine Verpflichtungen aus diesen Artikeln des EWR-Abkommens gestützte Rüge der Kommission begründet ist.
2. Zur Übertragung des gesamten mit der persönlichen Ausübung einer Tätigkeit in Verbindung stehenden Vermögens an eine Gesellschaft
a) Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
74 Die Kommission trägt vor, dass Art. 38 CIRS die Übertragung von Aktiva und Passiva auf eine Gesellschaft durch eine natürliche Person im Tausch gegen Gesellschaftsanteile steuerlich unterschiedlich behandle, je nachdem, ob die Übertragung auf eine Gesellschaft mit Sitz und tatsächlicher Geschäftsleitung in Portugal oder auf eine Gesellschaft mit Sitz oder tatsächlicher Geschäftsleitung außerhalb Portugals erfolge. Im ersten Fall finde die Besteuerung der Wertzuwächse – soweit weitere Voraussetzungen ebenfalls erfüllt seien – nämlich erst zu dem Zeitpunkt statt, zu dem die Aktiva und Passiva von der Gesellschaft, die sie erhalten habe, veräußert würden. Im zweiten Fall finde die Besteuerung der Wertzuwächse hingegen sofort statt. Die Kommission ist der Auffassung, dass die Portugiesische Republik die gleiche Regelung unabhängig davon anwenden müsse, ob die Gesellschaft, auf die die Aktiva und Passiva übertragen worden seien, ihren Sitz und ihre tatsächliche Geschäftsleitung in Portugal habe oder nicht.
75 Sie geht daher davon aus, dass Art. 38 CIRS gegen Art. 49 AEUV und Art. 31 des EWR-Abkommens verstößt und aus den im Rahmen ihrer Rüge zu Art. 10 CIRS dargestellten Gründen über das hinausgeht, was zur Gewährleistung der Wirksamkeit der Steuerregelung erforderlich ist. Die Portugiesische Republik könne sich nämlich beispielsweise gemäß der Richtlinie 2011/16 bei den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in der sich der Sitz oder die tatsächliche Geschäftsleitung der Gesellschaft befinde, an die die Aktiva und Passiva übertragen worden seien, regelmäßig darüber informieren, ob diese Gesellschaft diese weiterhin halte. Nach Auffassung der Kommission sind die Wertzuwächse nur zu besteuern, wenn die übertragenen Aktiva und Passiva von dieser Gesellschaft nachweislich veräußert wurden. Im Übrigen verweist die Kommission auf die Richtlinie 2010/24, die auch in Fällen maßgeblich sei, in denen die Steuer auf Wertzuwächse nicht entrichtet worden sei.
76 Die Portugiesische Republik macht geltend, dass Art. 38 CIRS einen Aufschub der Besteuerung von Wertzuwächsen im Zusammenhang mit der Gründung von Gesellschaften oder der Mehrheitsbeteiligung in bereits bestehenden Gesellschaften durch Erbringung des gesamten für unternehmerische oder Erwerbstätigkeit verwendeten Vermögens einer natürlichen Person als Einlage vorsehe. Das Ziel dieser Bestimmung sei es, eine Änderung der Rechtsform zu ermöglichen, unter der eine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt werde, ohne die Wertzuwächse, die sich aus Vermögenseinlagen ergäben, zum Zeitpunkt der Erbringung der Einlage zu besteuern. Der Aufschub der Besteuerung – unter dem Vorbehalt der Einhaltung bestimmter Anforderungen für die übernehmende Gesellschaft bei der Verbuchung der übertragenen Vermögenswerte – ermögliche die Beachtung des Grundsatzes der wirtschaftlichen Kontinuität, so dass die Besteuerung der entsprechenden Einkünfte gewährleistet sei. Die an den Sitz oder die tatsächliche Geschäftsleitung der übernehmenden Gesellschaft gebundene Voraussetzung sei mangels Harmonisierungsmaßnahmen erforderlich, um die Beachtung des Grundsatzes der wirtschaftlichen Kontinuität und die spätere Besteuerung der übertragenen Aktiva und Passiva sicherzustellen, da die Steuerhoheit für die Besteuerung einer Gesellschaft, die ihren Sitz oder ihre tatsächliche Geschäftsleitung außerhalb Portugals habe, nicht mehr der Portugiesischen Republik zukomme, sondern dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet diese Gesellschaft ihren Sitz oder ihre tatsächliche Geschäftsleitung habe.
77 Die in Rede stehende Maßnahme stehe somit im Einklang mit dem steuerlichen Territorialitätsgrundsatz und sei durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu gewährleisten.
b) Würdigung durch den Gerichtshof
78 Bevor die in Art. 38 CIRS vorgesehene Steuerregelung im Hinblick auf Art. 31 des EWR-Abkommens geprüft wird, ist sie im Hinblick auf Art. 49 AEUV zu untersuchen.
i) Zur Rüge eines Verstoßes gegen Art. 49 AEUV
79 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs jeder Gebietsansässige eines Mitgliedstaats, der eine Beteiligung an einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft hält, die ihm einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft verleiht und es ihm ermöglicht, deren Tätigkeiten zu bestimmen, unabhängig von seiner Staatsangehörigkeit, in den Anwendungsbereich von Art. 49 AEUV fällt (vgl. Urteil vom 18. Dezember 2014, X, C‑87/13, EU:C:2014:2459, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).
80 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass der in Art. 38 Abs. 1 CIRS vorgesehene Aufschub der Besteuerung nach Art. 38 Abs. 1 Buchst. b CIRS unter der Bedingung steht, dass die natürliche Person, die das gesamte für unternehmerische oder Erwerbstätigkeit verwendete Vermögen an eine Gesellschaft überträgt, mindestens 50 % von deren Kapital hält.
81 Daher fällt Art. 38 Abs. 1 CIRS unter die Niederlassungsfreiheit.
82 Diese Bestimmung sieht vor, dass ein steuerpflichtiges Ergebnis nicht zu ermitteln ist, wenn eine Erhöhung des Gesellschaftskapitals erfolgt, die das Ergebnis einer Übertragung des gesamten für unternehmerische oder Erwerbstätigkeit verwendeten Vermögens einer natürlichen Person ist, sofern die in Art. 38 Abs. 1 Buchst. a bis e CIRS genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Gemäß Art. 38 Abs. 1 Buchst. a CIRS muss es sich bei dem Unternehmen, auf das das Vermögen übertragen wird, um eine Gesellschaft handeln, die ihren satzungsmäßigen Sitz und ihre tatsächliche Geschäftsleitung in Portugal hat. In einem solchen Fall wird die Steuer – wie die Portugiesische Republik in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat – bei der übernehmenden Gesellschaft zum Zeitpunkt der späteren Veräußerung der in Rede stehenden Vermögensgegenstände erhoben. Wenn die übernehmende Gesellschaft ihren satzungsmäßigen Sitz oder ihre tatsächliche Geschäftsleitung nicht in Portugal hat, ist die natürliche Person, die die Vermögensübertragung vornimmt, hingegen von dem in Art. 38 Abs. 1 CIRS vorgesehenen Steuervorteil ausgeschlossen und wird damit sofort Steuerschuldner der Steuer auf den Wertzuwachs.
83 Daraus ergibt sich, dass die Steuer auf Wertzuwächse im Fall von natürlichen Personen, die das gesamte in Rede stehende Vermögen an eine Gesellschaft übertragen, die ihren Sitz und ihre tatsächliche Geschäftsleitung in Portugal hat, von der übernehmenden Gesellschaft zum Zeitpunkt der späteren Veräußerung der Bestandteile dieses Vermögens zu entrichten ist, wohingegen natürliche Personen, die das gesamte in Rede stehende Vermögen an eine Gesellschaft übertragen, die ihren Sitz oder ihre tatsächliche Geschäftsleitung im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als der Portugiesischen Republik hat, zum Zeitpunkt dieser Übertragung im Hinblick auf die Wertzuwächse steuerpflichtig werden.
84 Eine solche Steuerregelung führt für einen Steuerpflichtigen, der das gesamte in Rede stehende Vermögen an eine Gesellschaft überträgt, die ihren Sitz oder ihre tatsächliche Geschäftsleitung außerhalb Portugals hat, im Vergleich zu einem Steuerpflichtigen, der dasselbe Vermögen an eine Gesellschaft überträgt, die ihren Sitz und ihre tatsächliche Geschäftsleitung in Portugal hat, zu einem Liquiditätsnachteil und stellt damit eine Beschränkung der Ausübung der Niederlassungsfreiheit im Sinne der in den Rn. 37 bis 40 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung dar.
85 Ferner ergibt sich aus der Akte nicht, dass dieser Unterschied durch eine objektiv unterschiedliche Situation erklärbar wäre, was die Portugiesische Republik im Übrigen vor dem Gerichtshof auch nicht geltend gemacht hat.
86 Zur Rechtfertigung der sich aus der in Rede stehenden Bestimmung ergebenden Beschränkung der vom Vertrag garantierten Niederlassungsfreiheit beruft sich die Portugiesische Republik zum einen auf die Notwendigkeit, eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten nach dem Territorialitätsprinzip sicherzustellen, und zum anderen auf die Notwendigkeit, die wirtschaftliche Kontinuität zu gewährleisten.
87 Was zum einen das Ziel angeht, eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten sicherzustellen, ist in Anbetracht der Ausführungen in Rn. 59 des vorliegenden Urteils festzustellen, dass Art. 38 Abs. 1 Buchst. a CIRS über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist, da es Maßnahmen gibt, die die Niederlassungsfreiheit weniger stark beeinträchtigen als die sofortige Besteuerung.
88 Daher kann die sich aus Art. 38 Abs. 1 Buchst. a CIRS ergebende Beschränkung der Niederlassungsfreiheit nicht durch die Notwendigkeit gerechtfertigt werden, eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten sicherzustellen.
89 Was zum anderen die Rechtfertigung betrifft, dass die wirtschaftliche Kontinuität gewährleistet werden müsse, beruft sich die Portugiesische Republik auf die Notwendigkeit, den Aufschub der Besteuerung an die Einhaltung bestimmter Anforderungen bei der Verbuchung der übertragenen Vermögenswerte für die übernehmende Gesellschaft zu knüpfen. Nach der Auffassung dieses Mitgliedstaats kann die Beachtung solcher Anforderungen mangels Harmonisierungsmaßnahmen nämlich im Hinblick auf Gesellschaften, die ihren Sitz oder ihre tatsächliche Geschäftsleitung im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats haben, nicht gewährleistet werden, da die Zuständigkeit im Hinblick auf diese Gesellschaften nicht bei der Portugiesischen Republik liege, sondern beim Sitzstaat.
90 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass das Erfordernis, nach dem die übernehmende Gesellschaft ihren Sitz und ihre tatsächliche Geschäftsleitung in Portugal haben muss, letztlich die Möglichkeit des portugiesischen Staates sicherstellen soll, die in Rede stehenden Wertzuwächse tatsächlich zu besteuern. Wie in den Rn. 87 und 88 des vorliegenden Urteils ausgeführt wurde, kann dieses Ziel allerdings keine Ungleichbehandlung natürlicher Personen danach rechtfertigen, ob sie das gesamte in Rede stehende Vermögen an eine Gesellschaft übertragen, die ihren Sitz und ihre tatsächliche Geschäftsleitung in Portugal hat, oder an eine Gesellschaft, die ihren Sitz oder ihre tatsächliche Geschäftsleitung im Hoheitsgebiet eines anderen Staates hat, da ein solches Ziel erreicht werden kann, ohne dass es erforderlich wäre, eine Unterscheidung zwischen einer rein innerstaatlichen Situation und einer grenzüberschreitenden Situation vorzunehmen. Aus den in den angeführten Randnummern dargestellten Gründen ist die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, die sich aus Art. 38 Abs. 1 Buchst. a CIRS ergibt, auf dieses Ziel bezogen unverhältnismäßig.
91 Nach alledem ist festzustellen, dass Art. 38 Abs. 1 Buchst. a CIRS eine von Art. 49 AEUV verbotene Beschränkung darstellt und dass die auf einen Verstoß des betreffenden Mitgliedstaats gegen seine Verpflichtungen aus diesem Artikel des AEU-Vertrags gestützte Rüge der Kommission begründet ist.
ii) Zur Rüge eines Verstoßes gegen Art. 31 des EWR-Abkommens
92 Die Portugiesische Republik hat nicht aufgezeigt, weshalb die Erwägungen zur fehlenden Rechtfertigung der Beschränkungen der vom AEU-Vertrag garantierten Niederlassungsfreiheit, die zu den Feststellungen in den Rn. 87 bis 90 des vorliegenden Urteils geführt haben, nicht in gleicher Weise auf die vom EWR-Abkommen garantierte Niederlassungsfreiheit anzuwenden wären.
93 Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass Art. 38 Abs. 1 Buchst. a CIRS eine von Art. 31 des EWR-Abkommens verbotene Beschränkung darstellt und dass die auf einen Verstoß des betreffenden Mitgliedstaats gegen seine Verpflichtungen aus diesem Artikel des EWR-Abkommens gestützte Rüge der Kommission begründet ist.
94 Nach allem ist festzustellen, dass
- die Portugiesische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 21, 45 und 49 AEUV sowie den Art. 28 und 31 des EWR-Abkommens verstoßen hat, dass sie Art. 10 Abs. 9 Buchst. a CIRS erlassen und beibehalten hat, nach dem bei einem Steuerpflichtigen, der seinen Wohnsitz im portugiesischen Hoheitsgebiet aufgibt, für die Zwecke der Besteuerung in dem Jahr, in dem der Wohnsitz im portugiesischen Hoheitsgebiet aufgegeben wurde, zu den Wertzuwächsen der Betrag hinzuzurechnen ist, der nach Art. 10 Abs. 8 CIRS beim Tausch von Gesellschaftsanteilen nicht besteuert wurde, und
- dass die Portugiesische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49 AEUV und Art. 31 des EWR-Abkommens verstoßen hat, dass sie Art. 38 Abs. 1 Buchst. a CIRS erlassen und beibehalten hat, der den nach dieser Bestimmung vorgesehenen Aufschub bei der Besteuerung natürlichen Personen vorbehält, die das gesamte für eine persönlich ausgeübte unternehmerische oder Erwerbstätigkeit verwendete Vermögen an eine Gesellschaft übertragen, die ihren satzungsmäßigen Sitz und ihre tatsächliche Geschäftsleitung im portugiesischen Hoheitsgebiet hat.
An dieser Fassung sind noch Änderungen möglich; verbindlich sind nur die in der "Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts" und im "Amtsblatt der Europäischen Union" veröffentlichten Fassungen.
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