EuGH: Verlust aus der Veräußerung eines in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Grundstück, kein Abzug vom Gewinn aus der Veräußerung von Aktien im Inland
Vorabentscheidungsersuchen – Art. 63 AEUV und 65 AEUV – Freier Kapitalverkehr – Steuervorschriften eines Mitgliedstaats, nach denen der Verlust aus der Veräußerung von unbeweglichem Vermögen, das in einem anderen Mitgliedstaat belegen ist, nicht vom Gewinn aus der Veräußerung von beweglichem Vermögen im Mitgliedstaat der Besteuerung abgezogen werden kann
EuGH-Urteil vom 7.11.2013, Rechtssache C-322/11
Die Art. 63 AEUV und 65 AEUV stehen einer Steuerregelung eines Mitgliedstaats nicht entgegen, die es wie die im Ausgangsverfahren streitige Regelung einer in diesem Mitgliedstaat wohnenden und dort unbeschränkt steuerpflichtigen Person nicht gestattet, Verluste aus der Veräußerung von unbeweglichem Vermögen, das in einem anderen Mitgliedstaat belegen ist, von den im erstgenannten Mitgliedstaat zu versteuernden Einkünften aus beweglichem Vermögen in Abzug zu bringen, während dies unter bestimmten Voraussetzungen möglich wäre, wenn sich das unbewegliche Vermögen im erstgenannten Mitgliedstaat befände.
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 63 AEUV und 65 AEUV.
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Verfahrens, das von K, einer in Finnland unbeschränkt steuerpflichtigen Person, wegen der Weigerung der finnischen Finanzverwaltung eingeleitet wurde, K den Abzug der Verluste aus der Veräußerung einer in Frankreich belegenen Immobilie von seinen in Finnland besteuerten Einkünften zu gestatten.
Rechtlicher Rahmen
Finnisches Recht
3 § 45 Abs. 1 des Gesetzes 1992/1535 über die Einkommensteuer (tuloverolaki [1992/1535]) vom 30. Dezember 1992 in der im entscheidungserheblichen Zeitraum, d. h. im Steuerjahr 2004, geltenden Fassung (im Folgenden: Einkommensteuergesetz) sieht vor, dass Gewinne aus der Veräußerung von Vermögen steuerpflichtige Kapitaleinkünfte sind.
4 § 50 des Einkommensteuergesetzes lautete:
„Verluste aus der Veräußerung von Vermögen werden im Steuerjahr und in den drei darauf folgenden Jahren von den Gewinnen aus der Veräußerung von Vermögen entsprechend der jeweils entstehenden Gewinne abgezogen und bei der Verlustfeststellung für die Kapitaleinkunftsart nicht berücksichtigt.“
5 In § 6 des Gesetzes 1995/1552 zur Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung (kansainvälisen kaksinkertaisen verotuksen poistamisesta annettu laki [1995/1552]) heißt es:
„In einem anderen Staat erzielte Einkünfte, auf deren Besteuerung Finnland in einer internationalen Übereinkunft verzichtet hat, gelten als steuerpflichtige Einkünfte einer natürlichen Person ... Der Teil, der dem nach Ursprung und Art des Einkommens steuerfreien Teil der Einkünfte entspricht, ist jedoch von der Einkommensteuer des Steuerpflichtigen abzuziehen (Methode der Befreiung mit Progressionsvorbehalt). Bei der Berechnung des Einkommens aus einem anderen Staat werden die durch den Erwerb und die Erhaltung des Einkommens entstandenen Ausgaben und Zinsen abgezogen, sofern nichts anderes bestimmt ist. Soweit die Ausgaben und Zinsen den Betrag des Einkommens aus einem anderen Staat übersteigen, sind sie jedoch ... nicht abzugsfähig ... Der Abzug von den verschiedenen Steuern, die auf das Einkommen entfallen, wird im proportionalen Verhältnis dieser Steuern zueinander vorgenommen.“
6 Das vorlegende Gericht erläutert, dass in Finnland die Besteuerung von Kapitalerträgen proportional sei. Nach § 124 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes lag der Einkommensteuersatz für Kapitalerträge im Jahr 2004 bei 29 %.
Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
7 Nach Art. 6 Abs. 1 des am 11. September 1970 in Helsinki unterzeichneten Abkommens zwischen der Regierung der Französischen Republik und der Regierung der Republik Finnland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von Einkommen und Vermögen sowie der Steuerhinterziehung (im Folgenden: französisch-finnisches Abkommen) können Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich dieses Vermögen befindet.
8 Art. 13 Abs. 1 des französisch-finnischen Abkommens sieht vor, dass Gewinne aus der Veräußerung von unbeweglichem Vermögen in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich das unbewegliche Vermögen befindet.
9 Art. 23 des französisch-finnischen Abkommens bestimmt:
„Die Doppelbesteuerung wird wie folgt vermieden:
- ...
- in Finnland:
a) Anderes Einkommen oder Vermögen als das nachstehend in Buchst. b dieses Absatzes bezeichnete ist von der finnischen Steuer im Sinne des Art. 2 Abs. 3 Buchst. b befreit, wenn das betreffende Einkommen oder Vermögen nach dem vorliegenden Abkommen in Frankreich besteuert werden kann.
...
c) Unbeschadet der Bestimmungen der Buchst. a und b dieses Absatzes kann die finnische Steuer für den Teil des Einkommens, der nach dem vorliegenden Abkommen in Finnland besteuert wird, anhand des Steuersatzes festgesetzt werden, der dem Gesamtbetrag des steuerpflichtigen Einkommens nach dem finnischen Steuerrecht entspricht.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
10 K verkaufte 2004 eine in Frankreich belegene Immobilie, die er 2001 erworben hatte. Er gab an, dabei einen Verlust in Höhe von 172 623 Euro erlitten zu haben. Nach seinem Vorbringen hatte er in Frankreich keine Einkünfte, von denen der Verlust hätte in Abzug gebracht werden können; er habe im Jahr 2004 in Frankreich auch kein sonstiges Vermögen erworben, bei dessen Veräußerung er den Verlust hätte in Abzug bringen können. K erzielte jedoch im Steuerjahr 2004 in Finnland dort zu versteuernde Veräußerungsgewinne aus Wertpapieren und wollte den Verlust aus dem Verkauf der in Frankreich belegenen Immobilie von diesen Gewinnen abziehen. K übt keine unternehmerische Tätigkeit aus, zu deren Betriebsstätte die Immobilie und die Wertpapiere gehören würden.
11 Das Verovirasto (Finanzamt) war der Auffassung, K sei nicht berechtigt, den Verlust aus dem Verkauf der in Frankreich belegenen Immobilie von seinen in Finnland erzielten Einkünften aus beweglichem Vermögen in Abzug zu bringen.
12 Nachdem der von K beim Lounais-Suomen verotuksen oikaisulautakunta (Steuerberichtigungsausschuss Südwest-Finnland) gestellte Antrag auf Abzug am 13. April 2006 zurückgewiesen worden war, erhob K Klage beim Turun hallinto-oikeus (Verwaltungsgericht Turku). Gegen die Abweisung dieser Klage mit Beschluss vom 31. Oktober 2007 legte K beim Korkein hallinto-oikeus Rechtsmittel ein.
13 K macht geltend, wenn seinem Rechtsmittel nicht stattgegeben werde, werde der Verlust endgültig nicht als Abzug berücksichtigt, da er in Finnland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sei und in Frankreich kein sonstiges Einkommen oder Vermögen habe. Die Nichtabzugsfähigkeit stelle einen Verstoß gegen die Grundsätze der Niederlassungsfreiheit und des freien Kapitalverkehrs dar, der nicht mit der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten gerechtfertigt werden könne.
14 Die Ausübung einer konkurrierenden Besteuerungszuständigkeit werde durch den Abzug der Verluste aus der Veräußerung der in Frankreich belegenen Immobilie von Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien in Finnland nicht in Frage gestellt. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, insbesondere den Urteilen vom 13. Dezember 2005, Marks & Spencer (C‑446/03, Slg. 2005, I‑10837, Randnr. 40), und vom 29. März 2007, Rewe Zentralfinanz (C‑347/04, Slg. 2007, I‑2647, Randnr. 69), ergebe sich, dass auch der Umstand, dass die Republik Finnland den Gewinn aus der Veräußerung einer in Frankreich belegenen Immobilie nicht besteuere, als solcher nicht genüge, um das Recht auf Abzug des Veräußerungsverlusts an die Voraussetzung zu knüpfen, dass die Immobilie in Finnland liege.
15 Die Verhinderung des doppelten Abzugs von Verlusten könne ebenfalls nicht angeführt werden, da K in Frankreich kein Vermögen habe, keine Tätigkeit ausübe und über keine Einkünfte verfüge.
16 Das vorlegende Gericht führt aus, eine in Finnland unbeschränkt steuerpflichtige Person könne den Verlust aus der Veräußerung einer in Finnland belegenen Immobilie gemäß dem Einkommensteuergesetz in Abzug bringen, nicht jedoch den Verlust aus der Veräußerung einer in Frankreich belegenen Immobilie. In einem dem Ausgangsverfahren ähnlichen Fall sei bereits entschieden worden, dass Verluste aus dem Verkauf einer in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Immobilie nicht von den in Finnland steuerpflichtigen Einkünften in Abzug gebracht werden könnten, aber diese Entscheidung sei vor den Urteilen des Gerichtshofs vom 15. Mai 2008, Lidl Belgium (C‑414/06, Slg. 2008, I‑3601), und vom 23. Oktober 2008, Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt (C‑157/07, Slg. 2008, I‑8061) ergangen.
17 Darüber hinaus unterscheide sich die vorliegende Rechtssache dadurch von den Urteilen Lidl Belgium und Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt, dass der K entstandene Verlust nicht mit einer in einem anderen Mitgliedstaat über eine Betriebsstätte ausgeübten unternehmerischen Tätigkeit zusammenhänge. Eine in einem solchen Kontext ausgeübte Tätigkeit sei nämlich grundsätzlich auf Dauer angelegt, so dass vernünftigerweise davon auszugehen sei, dass später Gewinne erwirtschaftet würden, von denen die Verluste wieder abgezogen werden könnten. In einem solchen Fall sei daher nicht sicher, dass die Verluste endgültig seien, und es bestehe die Gefahr einer doppelten Verlustberücksichtigung. Verbleibe dem Steuerpflichtigen in dem anderen Mitgliedstaat dagegen keine Einkommensquelle, von der er die Verluste in Abzug bringen könnte, stelle sich die Lage hinsichtlich der Beurteilung der Endgültigkeit der Verluste anders dar, obwohl auch die französische Steuerregelung die Möglichkeit enthalte, Verluste aus der Veräußerung von Vermögen von den Einkünften der Folgejahre in Abzug zu bringen. In einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens, die nicht mit der Ausübung einer unternehmerischen Tätigkeit zusammenhänge, könne nämlich nicht angenommen werden, dass der Steuerpflichtige im Mitgliedstaat, in dem die Immobilie belegen sei, später Einkünfte erzielen werde, von denen die Verluste wieder abgezogen werden könnten.
18 Unter diesen Umständen hat der Korkein hallinto-oikeus beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Sind die Art. 63 AEUV und 65 AEUV dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, wonach eine in Finnland unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Person den Verlust aus der Veräußerung einer in Frankreich belegenen Immobilie nicht von dem in Finnland zu versteuernden Gewinn aus der Veräußerung von Aktien in Abzug bringen darf, während sie den Verlust aus der Veräußerung einer entsprechenden in Finnland belegenen Immobilie unter bestimmten Voraussetzungen von den Veräußerungsgewinnen abziehen darf?
Zur Vorlagefrage
19 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 63 AEUV und 65 AEUV einer Steuerregelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die es wie die im Ausgangsverfahren streitige Regelung einer in diesem Mitgliedstaat wohnenden und dort unbeschränkt steuerpflichtigen Person nicht gestattet, Verluste aus der Veräußerung von unbeweglichem Vermögen, das in einem anderen Mitgliedstaat belegen ist, von den im erstgenannten Mitgliedstaat zu versteuernden Einkünften aus beweglichem Vermögen in Abzug zu bringen, während dies unter bestimmten Voraussetzungen möglich wäre, wenn sich das unbewegliche Vermögen im erstgenannten Mitgliedstaat befände.
Zum Vorliegen einer Beschränkung
20 Nach ständiger Rechtsprechung behält mangels einer im AEU-Vertrag enthaltenen Definition des Begriffs „Kapitalverkehr“ im Sinne des Art. 63 Abs. 1 AEUV die Nomenklatur in Anhang I der Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages [Artikel aufgehoben durch den Vertrag von Amsterdam] (ABl. L 178, S. 5) Hinweischarakter, obwohl diese Richtlinie auf die Art. 69 und 70 Abs. 1 EWG-Vertrag (später Art. 69 EG und 70 Abs. 1 EG, Artikel aufgehoben durch den Vertrag von Amsterdam) gestützt ist; nach dem dritten Absatz der Einleitung dieses Anhangs ist die darin enthaltene Nomenklatur aber keine erschöpfende Aufzählung zur Definition des Begriffs des Kapitalverkehrs (vgl. u. a. Urteile vom 14. September 2006, Centro di Musicologia Walter Stauffer, C‑386/04, Slg. 2006, I‑8203, Randnr. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 12. Februar 2009, Block, C‑67/08, Slg. 2009, I‑883, Randnr. 19, und vom 15. Oktober 2009, Busley und Cibrian Fernandez, C‑35/08, Slg. 2009, I‑9807, Randnr. 17).
21 Zu den in Abschnitt II („Immobilieninvestitionen“) des Anhangs I der Richtlinie 88/361 aufgezählten Kapitalbewegungen gehören Immobilieninvestitionen von Gebietsansässigen im Ausland.
22 Verbotene Beschränkungen des Kapitalverkehrs im Sinne von Art. 63 Abs. 1 AEUV sind u. a. Maßnahmen, die geeignet sind, Gebietsfremde von Investitionen in einem Mitgliedstaat oder die dort Ansässigen von Investitionen in anderen Staaten abzuhalten (vgl. Urteile vom 25. Januar 2007, Festersen, C‑370/05, Slg. 2007, I‑1129, Randnr. 24, vom 18. Dezember 2007, A, C‑101/05, Slg. 2007, I‑11531, Randnr. 40, vom 22. Januar 2009, STEKO Industriemontage, C‑377/07, Slg. 2009, I‑299, Randnr. 23, sowie Busley und Cibrian Fernandez, Randnr. 20).
23 Als derartige Beschränkungen können nationale Maßnahmen angesehen werden, die geeignet sind, den Erwerb einer in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Immobilie zu verhindern oder zu beschränken (vgl. in diesem Sinne Urteil Busley und Cibrian Fernandez, Randnr. 21).
24 Zu der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Steuerregelung ist jedoch festzustellen, dass nach § 50 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes gebietsansässige Steuerpflichtige Verluste aus der Veräußerung von beweglichem oder unbeweglichem Vermögen im Steuerjahr und in den drei darauf folgenden Jahren von den Gewinnen aus der Veräußerung von sonstigem beweglichen oder unbeweglichen Vermögen entsprechend der jeweils entstehenden Gewinne abziehen können.
25 Diese Abzugsfähigkeit stellt jedoch einen steuerlichen Vorteil dar, der, sofern es sich um unbewegliches Vermögen handelt, nur dann gewährt wird, wenn die Verluste durch die Veräußerung von Vermögen entstanden sind, das im Wohnsitzmitgliedstaat des Steuerpflichtigen belegen ist, nicht aber, wenn sich das unbewegliche Vermögen in einem anderen Mitgliedstaat befindet.
26 Gemäß § 6 Abs. 1 des Gesetzes 1995/1552 sind die in einem anderen Mitgliedstaat entstandenen Verluste nämlich nicht abzugsfähig, soweit sie den Betrag der in diesem Staat erzielten Einkünfte übersteigen.
27 Daher kann ein gebietsansässiger Steuerpflichtiger Verluste aus der Veräußerung von unbeweglichem Vermögen, das in einem anderen Mitgliedstaat belegen ist, nicht von Gewinnen aus der Veräußerung von beweglichem Vermögen in Abzug bringen, das in Finnland zu versteuern ist.
28 Unter diesen Umständen ist die steuerliche Situation eines gebietsansässigen, in Finnland unbeschränkt Steuerpflichtigen, dem durch den Verkauf einer in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Immobilie ein Verlust entsteht, weniger günstig als die eines Steuerpflichtigen, dem durch den Verkauf einer in Finnland belegenen Immobilie ein Verlust entsteht.
29 Entgegen dem Vorbringen der finnischen Regierung ergibt sich die fehlende Möglichkeit eines gebietsansässigen Steuerpflichtigen eines Mitgliedstaats, Verluste aus dem Verkauf einer in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Immobilie von den im erstgenannten Mitgliedstaat steuerpflichtigen Gewinnen in Abzug zu bringen, nicht daraus, dass die beiden betroffenen Mitgliedstaaten ihre Besteuerungsbefugnis parallel ausüben.
30 Im vorliegenden Fall hat sich die Republik Finnland nämlich dafür entschieden, zum einen gebietsansässigen Steuerpflichtigen zu gestatten, Verluste aus der Veräußerung von Vermögen von den Gewinnen aus der Veräußerung weiteren Vermögens abzuziehen, und zum anderen die Berücksichtigung solcher Verluste zu beschränken und insbesondere nicht zuzulassen, dass in Finnland zu besteuernde Gewinne mit Verlusten verrechnet werden, die in einem anderen Mitgliedstaat entstanden sind.
31 Eine solche unterschiedliche Behandlung je nach dem Belegenheitsort des unbeweglichen Vermögens ist geeignet, einen Steuerpflichtigen davon abzuhalten, Immobilieninvestitionen in einem anderen Mitgliedstaat zu tätigen, und stellt daher eine nach Art. 63 AEUV grundsätzlich verbotene Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar.
32 Zu prüfen ist jedoch, ob den Bestimmungen des AEU-Vertrags eine Rechtfertigung für eine derartige Beschränkung des freien Kapitalverkehrs entnommen werden kann.
Zur Rechtfertigung der Beschränkung des freien Kapitalverkehrs
33 Nach Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV „berührt [Art. 63 AEUV] nicht das Recht der Mitgliedstaaten, ... die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln“.
34 Diese Bestimmung ist, da sie eine Ausnahme vom Grundprinzip des freien Kapitalverkehrs darstellt, eng auszulegen. Sie kann somit nicht dahin verstanden werden, dass jede Steuerregelung, die zwischen Steuerpflichtigen nach ihrem Wohnort oder nach dem Staat ihrer Kapitalanlage unterscheidet, ohne Weiteres mit dem Vertrag vereinbar wäre (vgl. Urteile vom 11. September 2008, Eckelkamp u. a., C‑11/07, Slg. 2008, I‑6845, Randnr. 57, vom 22. April 2010, Mattner, C‑510/08, Slg. 2008, I‑3553, Randnr. 32, sowie vom 10. Februar 2011, Haribo Lakritzen Hans Riegel und Österreichische Salinen, C‑436/08 und C‑437/08, Slg. 2011, I‑305, Randnr. 56).
35 Die in der genannten Bestimmung vorgesehene Ausnahme wird nämlich ihrerseits durch Art. 65 Abs. 3 AEUV eingeschränkt, wonach die in dessen Abs. 1 genannten nationalen Vorschriften „weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs im Sinne des Artikels 63 darstellen [dürfen]“ (Urteil Haribo Lakritzen Hans Riegel und Österreichische Salinen, Randnr. 57).
36 Die nach Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV zulässigen Ungleichbehandlungen müssen daher von den nach Art. 65 Abs. 3 AEUV verbotenen Diskriminierungen unterschieden werden. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann eine nationale Steuerregelung wie die im Ausgangsverfahren streitige aber nur dann als mit den Vertragsbestimmungen über den freien Kapitalverkehr vereinbar angesehen werden, wenn die von ihr vorgesehene Ungleichbehandlung Situationen betrifft, die nicht objektiv miteinander vergleichbar sind, oder durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist (Urteil Haribo Lakritzen Hans Riegel und Österreichische Salinen, Randnr. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).
37 In diesem Zusammenhang machen die finnische und die deutsche Regierung sowie die Europäische Kommission geltend, die Situation eines Steuerpflichtigen, der eine Immobilieninvestition in einem anderen Mitgliedstaat getätigt habe, unterscheide sich objektiv von der eines Steuerpflichtigen, der eine solche Investition in seinem Wohnsitzstaat getätigt habe.
38 Nach Ansicht der finnischen Regierung beruht die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung auf einer symmetrischen steuerlichen Behandlung von Einkünften und Verlusten, da der Abzug nur für Verluste im Zusammenhang mit in Finnland zu versteuernden Einkünften gewährt werde. Es verstoße deshalb nicht gegen das Unionsrecht, wenn gebietsansässige Steuerpflichtige, die Immobilieninvestitionen in einem anderen Mitgliedstaat getätigt und damit Einkünfte erzielt hätten, die nur in diesem anderen Mitgliedstaat zu versteuern seien, im Einklang mit der im Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung festgelegten Aufteilung der steuerlichen Befugnisse anders behandelt würden als gebietsansässige Steuerpflichtige, die Immobilieninvestitionen im Mitgliedstaat ihres Wohnsitzes vorgenommen und damit Einkünfte erzielt hätten, die in diesem Mitgliedstaat zu versteuern seien.
39 Die deutsche Regierung macht geltend, der Eigentümer einer im Inland belegenen Immobilie und der Eigentümer einer in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Immobilie befänden sich nicht in einer objektiv vergleichbaren Lage, da der erstgenannte Eigentümer der inländischen Steuer unterliege, während der letztgenannte Eigentümer in dem anderen Mitgliedstaat steuerpflichtig sei, sofern nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung die Verluste und Gewinne aus der Veräußerung von Immobilien ausschließlich der Steuerhoheit des Mitgliedstaats unterlägen, in dem sich das veräußerte Vermögen befinde.
40 Die Kommission führt aus, in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens könne nicht gesagt werden, dass sich die finnischen Eigentümer einer in Frankreich oder in Finnland belegenen Immobilie in Bezug auf die Abzugsfähigkeit des Verlusts aus der Veräußerung einer Immobilie in einer vergleichbaren Lage befänden. Anders als im finnischen Steuerrecht sei eine solche Abzugsfähigkeit im französischen Steuerrecht nämlich grundsätzlich nicht vorgesehen, so dass die Versagung des Abzugs durch den finnischen Staat aufgrund dieser unterschiedlichen Situation gerechtfertigt sei.
41 Zum Vorbringen der finnischen und der deutschen Regierung, mit dem dargetan werden soll, dass sich die Situation eines Steuerpflichtigen, der in einem anderen Mitgliedstaat eine Investition getätigt habe, aufgrund der Aufteilung der Besteuerungszuständigkeit für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen, wie sie sich aus einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ergebe, anders darstelle als die eines Steuerpflichtigen, der in seinem Wohnsitzstaat eine Investition getätigt habe, ist erstens darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten in Ermangelung von Vereinheitlichungs- oder Harmonisierungsmaßnahmen der Europäischen Union dafür zuständig bleiben, die Kriterien für die Besteuerung des Einkommens und des Vermögens festzulegen, um – gegebenenfalls im Vertragsweg – Doppelbesteuerungen zu beseitigen (vgl. Urteile vom 3. Oktober 2006, FKP Scorpio Konzertproduktionen, C‑290/04, Slg. 2006, I‑9461, Randnr. 54, vom 12. Dezember 2006, Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation, C‑374/04, Slg. 2006, I‑11673, Randnr. 52, vom 18. Juli 2007, Oy AA, C‑231/05, Slg. 2007, I‑6373, Randnr. 52, sowie Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt, Randnr. 48).
42 Das französisch-finnische Abkommen weist in Art. 6 Abs. 1 dem Mitgliedstaat der Belegenheit des unbeweglichen Vermögens die Befugnis zur Besteuerung der Einkünfte zu, die der Steuerpflichtige damit erzielt. Außerdem ist in Art. 13 Abs. 1 dieses Abkommens vorgesehen, dass Gewinne aus der Veräußerung von unbeweglichem Vermögen in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich das unbewegliche Vermögen befindet.
43 Wie das vorlegende Gericht ausführt, ist die Republik Finnland jedoch aufgrund des französisch-finnischen Abkommens befugt, zur Vermeidung der Doppelbesteuerung die Methode der Befreiung mit Progressionsvorbehalt anzuwenden. So bestimmt Art. 23 Abs. 2 Buchst. c dieses Abkommens, dass die finnische Steuer für den Teil des Einkommens, der nach dem Abkommen in Finnland besteuert wird, anhand des Steuersatzes festgesetzt werden kann, der dem Gesamtbetrag des steuerpflichtigen Einkommens nach dem finnischen Steuerrecht entspricht.
44 Den Erläuterungen des vorlegenden Gerichts sowie von K und der finnischen Regierung in der mündlichen Verhandlung ist zu entnehmen, dass zwar aufgrund des französisch-finnischen Abkommens für die Anwendung der progressiven Besteuerung das in Frankreich steuerpflichtige Einkommen bei der Berechnung der in Finnland zu versteuernden Einkommensteuer berücksichtigt werden kann, doch wird von dieser Möglichkeit bei Kapitaleinkünften, die einem festen Steuersatz unterliegen, kein Gebrauch gemacht.
45 Da das französisch-finnische Abkommen, nach dessen Wortlaut es Sache des Mitgliedstaats der Belegenheit von unbeweglichem Vermögen ist, die damit erzielten Einkünfte zu besteuern, der Berücksichtigung von Einkünften aus in Frankreich belegenem Vermögen bei der Berechnung der Steuer eines in Finnland ansässigen Steuerpflichtigen nicht entgegensteht, folgt aus der genannten Möglichkeit gleichwohl, dass dies auch für die Berücksichtigung eines Verlusts des Steuerpflichtigen im Rahmen der Veräußerung dieses Vermögens gelten muss.
46 Dadurch, dass die Besteuerungsbefugnis nach dem französisch-finnischen Abkommen dem Mitgliedstaat zugewiesen wird, in dem sich das unbewegliche Vermögen befindet, unterscheidet sich die Situation eines solchen Steuerpflichtigen in Bezug auf die Berücksichtigung der Einkünfte einschließlich negativer Einkünfte im Mitgliedstaat des Wohnsitzes deshalb nicht zwangsläufig von der eines Steuerpflichtigen, der dort seine gesamten Einkünfte erzielt.
47 Zweitens stellt sich auch durch den von der Kommission angeführten Umstand, dass der Mitgliedstaat, in dem sich das unbewegliche Vermögen befindet, kein Recht zum Abzug von Verlusten aus der Veräußerung von unbeweglichem Vermögen vorsieht, die Situation eines Steuerpflichtigen in Bezug auf die Rechtsvorschriften seines Wohnsitzstaats nicht anders dar, denn – wie bereits in den Randnrn. 30 und 45 des vorliegenden Urteils ausgeführt – die Weigerung, solche Verluste zu berücksichtigen, beruht auf der vom Wohnsitzmitgliedstaat des Steuerpflichtigen getroffenen Entscheidung, und das französisch-finnische Abkommen steht der Berücksichtigung solcher Verluste nicht entgegen.
48 Daraus folgt, dass die unterschiedliche Behandlung in Bezug auf die Möglichkeit, Verluste aus der Veräußerung von unbeweglichem Vermögen in Abzug zu bringen, nicht mit einer sich aus dem Belegenheitsort dieses Vermögens ergebenden unterschiedlichen Situation gerechtfertigt werden kann.
49 Deshalb ist ferner zu prüfen, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Beschränkung mit den von den verschiedenen Regierungen, die beim Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sowie von der Kommission angeführten zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden kann, die auf der Notwendigkeit beruhen, eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen der Republik Finnland und der Französischen Republik sicherzustellen, die doppelte Berücksichtigung von Verlusten sowie Steuerhinterziehungen zu vermeiden und die Kohärenz der finnischen Steuerregelung zu gewährleisten.
50 Was erstens die – von allen Regierungen, die Erklärungen abgegeben haben, sowie von der Kommission angeführte – ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten angeht, ist darauf hinzuweisen, dass es sich um ein vom Gerichtshof anerkanntes legitimes Ziel handelt (vgl. u. a. Urteile vom 29. November 2011, National Grid Indus, C‑371/10, Slg. 2011, I‑12273, Randnr. 45, und vom 6. September 2012, Philips Electronics UK, C‑18/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 23), aufgrund dessen es erforderlich sein kann, auf die wirtschaftlichen Tätigkeiten der in einem dieser Mitgliedstaaten ansässigen Steuerpflichtigen, sowohl was Gewinne als auch was Verluste betrifft, nur dessen Steuerrecht anzuwenden (vgl. in diesem Sinne Urteile Marks & Spencer, Randnr. 45, Oy AA, Randnr. 54, sowie Lidl Belgium, Randnr. 31).
51 Dieses Ziel bezweckt, wie der Gerichtshof bereits hervorgehoben hat, u. a. die Wahrung der Symmetrie zwischen dem Recht zur Besteuerung der Gewinne und der Möglichkeit, Verluste in Abzug zu bringen (vgl. Urteile Lidl Belgium, Randnr. 33, und Philips Electronics UK, Randnr. 24), um insbesondere zu verhindern, dass der Steuerpflichtige den Mitgliedstaat, in dem er solche Gewinne oder Verluste geltend macht, frei wählt (vgl. in diesem Sinne Urteile Oy AA, Randnr. 56, und Lidl Belgium, Randnr. 34).
52 Im Ausgangsverfahren hätte die Republik Finnland ohne das französisch-finnische Abkommen das Recht, die Gewinne eines in Finnland wohnenden Steuerpflichtigen aus der Veräußerung von unbeweglichem Vermögen, das in Frankreich belegen ist, zu besteuern.
53 Die Anwendung des französisch-finnischen Abkommens in Verbindung mit den finnischen Steuervorschriften führt jedoch dazu, dass die Republik Finnland keine Steuerhoheit über die Gewinne aus der Veräußerung in Frankreich belegener Immobilien ausübt, da diese Gewinne in Finnland weder besteuert noch sonst berücksichtigt werden.
54 Müssten die Verluste aus dem Verkauf einer in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Immobilie im Wohnsitzmitgliedstaat des Steuerpflichtigen unabhängig von der zwischen den Mitgliedstaaten vereinbarten Aufteilung der Besteuerungsbefugnis abzugsfähig sein, könnte dieser Steuerpflichtige den Mitgliedstaat, in dem die Berücksichtigung solcher Verluste in steuerlicher Hinsicht am günstigsten ist, frei wählen (vgl. in diesem Sinne Urteil Lidl Belgium, Randnr. 34).
55 Unter diesen Umständen kann, wie der Generalanwalt in Nr. 40 seiner Schlussanträge im Kern ausführt, durch die Versagung des Abzugs der Verluste aus der Veräußerung einer in Frankreich belegenen Immobilie die Symmetrie zwischen dem Recht zur Besteuerung von Gewinnen und der Möglichkeit, Verluste in Abzug zu bringen, gewahrt werden. Diese Maßnahme trägt außerdem zu dem Ziel bei, eine ausgewogene Verteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten sicherzustellen.
56 Was zweitens den von der deutschen und der schwedischen Regierung angeführten Rechtfertigungsgrund des Erfordernisses der Vermeidung einer doppelten Berücksichtigung von Verlusten angeht, hat der Gerichtshof anerkannt, dass die Mitgliedstaaten in der Lage sein müssen, dies zu verhindern (vgl. Urteile Marks & Spencer, Randnr. 47, Rewe Zentralfinanz, Randnr. 47, und Lidl Belgium, Randnr. 35).
57 Unter Umständen, wie sie dem Ausgangsverfahren zugrunde liegen, dürfte jedoch keine Gefahr bestehen, dass ein Steuerpflichtiger denselben Verlust zweimal geltend macht.
58 Wie der Generalanwalt in Nr. 32 seiner Schlussanträge ausführt, können in Frankreich erlittene Verluste aus der Veräußerung einer in diesem Mitgliedstaat belegenen Immobilie nämlich weder von den Gesamteinkünften noch vom Gewinn aus der Veräußerung eines anderen Vermögensgegenstands in Abzug gebracht werden.
59 Drittens soll die im Ausgangsverfahren in Rede stehende finnische Regelung nach Ansicht der schwedischen Regierung und der Regierung des Vereinigten Königreichs die Gefahr der Steuerflucht vermeiden, die durch die Möglichkeit der Übertragung der einer natürlichen Person entstandenen Verluste zwischen zwei Mitgliedstaaten entstünde, da eine solche Möglichkeit dazu führen könne, dass derartige Verluste in den Mitgliedstaat übertragen würden, in dem sie am vorteilhaftesten steuerlich abzugsfähig seien.
60 Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass der bloße Umstand, dass ein gebietsansässiger Steuerpflichtiger eine in einem anderen Mitgliedstaat belegene Immobilie erwirbt und später mit Verlust veräußert, keine allgemeine Vermutung der Steuerhinterziehung begründen und keine Maßnahme rechtfertigen kann, die die Ausübung einer durch den Vertrag gewährleisteten Grundfreiheit beeinträchtigt (vgl. entsprechend Urteile vom 21. November 2002, X und Y, C‑436/00, Slg. 2002, I‑10829, Randnr. 62, vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas, C‑196/04, Slg. 2006, I‑7995, Randnr. 50, vom 13. März 2007, Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, C‑524/04, Slg. 2007, I‑2107, Randnr. 73, vom 17. Januar 2008, Lammers & Van Cleeff, C‑105/07, Slg. 2008, I‑173, Randnr. 27, vom 4. Dezember 2008, Jobra, C‑330/07, Slg. 2008, I‑9099, Randnr. 37, sowie vom 5. Juli 2012, SIAT, C‑318/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 38).
61 Damit sich eine innerstaatliche Maßnahme, die eine durch den Vertrag gewährleistete Verkehrsfreiheit einschränkt, mit Gründen der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerflucht rechtfertigen lässt, muss das spezifische Ziel einer solchen Einschränkung die Verhinderung von Verhaltensweisen sein, die darin bestehen, rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Konstruktionen zu errichten, um die Steuer zu umgehen, die normalerweise auf die durch Tätigkeiten im Inland erzielten Gewinne zu zahlen ist (vgl. in diesem Sinne Urteile Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas, Randnr. 55, Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, Randnr. 74, sowie SIAT, Randnr. 40).
62 Zur Erheblichkeit einer solchen Rechtfertigung angesichts von Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens genügt die Feststellung, dass die in dieser Rechtssache anwendbare finnische Steuerregelung nicht speziell verhindern soll, dass rein künstliche Konstruktionen in den Genuss eines Steuervorteils kommen, sondern allgemein jede Situation betrifft, in der Verluste aus einer in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Immobilie entstehen.
63 Deshalb kann die Notwendigkeit, Steuerflucht und Steuerhinterziehung zu vermeiden, die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Steuerregelung nicht rechtfertigen.
64 Viertens vertreten die finnische und die deutsche Regierung die Ansicht, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende finnische Regelung aufgrund der Notwendigkeit gerechtfertigt sei, die Kohärenz der Steuerregelung zu gewährleisten, deren Grundprinzip die symmetrische Behandlung von Gewinnen und Verlusten sei. In Finnland würden Arbeitseinkünfte und Kapitaleinkünfte gesondert behandelt. Erstere unterlägen einem progressiven Steuersatz, da ihre Besteuerung insbesondere der persönlichen Situation des Steuerpflichtigen Rechnung trage, während Kapitaleinkünfte mit einem einheitlichen Steuersatz belegt würden. Daraus ergebe sich, dass diese Einkünfte, wenn die Besteuerungsbefugnis für sie in einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung einem anderen Mitgliedstaat zugewiesen werde, in Finnland keiner Besteuerung unterlägen und sich nicht auf den Satz der finnischen Steuer oder deren Bemessungsgrundlage auswirkten. In der finnischen Regelung bestehe deshalb ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Nichtbesteuerung von Gewinnen und der fehlenden Möglichkeit, Verluste in Abzug zu bringen.
65 Wie der Gerichtshof bereits anerkannt hat, kann die Notwendigkeit, die Kohärenz einer Steuerregelung zu wahren, eine Beschränkung der Ausübung der durch den Vertrag gewährleisteten Verkehrsfreiheiten rechtfertigen (Urteile vom 28. Januar 1992, Bachmann, C‑204/90, Slg. 1992, I‑249, Randnr. 21, vom 7. September 2004, Manninen, C‑319/02, Slg. 2004, I‑7477, Randnr. 42, Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt, Randnr. 43, vom 1. Dezember 2011, Kommission/Belgien, C‑250/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 70, vom 1. Dezember 2011, Kommission/Ungarn, C‑253/09, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 71, sowie vom 13. November 2012, Test Claimants in the FII Group Litigation, C‑35/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 57).
66 Nach ständiger Rechtsprechung kann ein auf eine solche Rechtfertigung gestütztes Argument jedoch nur dann Erfolg haben, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dem Ausgleich dieses Vorteils durch eine bestimmte steuerliche Belastung nachgewiesen ist (Urteil Kommission/Belgien, Randnr. 71 und die dort angeführte Rechtsprechung), wobei die Unmittelbarkeit dieses Zusammenhangs anhand des mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziels beurteilt werden muss (Urteile vom 27. November 2008, Papillon, C‑418/07, Slg. 2008, I‑8947, Randnr. 44, vom 18. Juni 2009, Aberdeen Property Fininvest Alpha, C‑303/07, Slg. 2009, I‑5145, Randnr. 72, sowie Test Claimants in the FII Group Litigation, Randnr. 58).
67 Wie in den Randnrn. 52 und 53 des vorliegenden Urteils ausgeführt, hätte die Republik Finnland ohne das französisch-finnische Abkommen das Recht, die Gewinne eines in Finnland wohnenden Steuerpflichtigen aus der Veräußerung einer in Frankreich belegenen Immobilie zu besteuern. Die Anwendung dieses Abkommens in Verbindung mit den finnischen Steuervorschriften führt jedoch dazu, dass die Gewinne aus der Veräußerung in Frankreich belegener Immobilien jeder Form der Besteuerung in Finnland entgehen, da sie in diesem Mitgliedstaat weder besteuert noch sonst berücksichtigt werden.
68 Die finnische Regelung folgt deshalb einer spiegelbildlichen Logik, indem sie vorsieht, dass ein gebietsansässiger Steuerpflichtiger, dem bei der Veräußerung einer in Frankreich belegenen Immobilie ein Verlust entsteht, diesen Verlust in Finnland nicht geltend machen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt, Randnr. 42, Kommission/Belgien, Randnr. 73, und Kommission/Ungarn, Randnr. 74).
69 Angesichts des mit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung verfolgten Ziels besteht somit, da es sich um denselben Steuerpflichtigen und um dieselbe Steuer handelt, ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem gewährten Steuervorteil, d. h. der Berücksichtigung der durch eine Kapitalanlage entstandenen Verluste, einerseits und der Besteuerung der mit ihr erzielten Gewinne andererseits.
70 In diesem Kontext ist zu beachten, dass diese beiden Voraussetzungen – derselbe Steuerpflichtige und dieselbe Besteuerung – vom Gerichtshof als ausreichend für den Nachweis eines solchen Zusammenhangs angesehen worden sind (vgl. u. a. Urteil vom 6. Juni 2000, Verkooijen, C‑35/98, Slg. 2000, I‑4071, Randnr. 58, sowie Urteile Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt, Randnr. 42, Kommission/Belgien, Randnr. 76, und Kommission/Ungarn, Randnr. 77).
71 Deshalb ist festzustellen, dass sich Rechtsvorschriften wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden mit zwingenden Gründen des Allgemeininteresses rechtfertigen lassen, die auf der Notwendigkeit beruhen, die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren und die Kohärenz der finnischen Steuerregelung zu gewährleisten, und zur Erreichung dieser Ziele geeignet sind.
72 Gleichwohl ist noch zu prüfen, ob die genannten Rechtsvorschriften nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist, deren Anforderungen sich, wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, decken können (vgl. in diesem Sinne Urteil National Grid Indus, Randnr. 80).
73 Das vorlegende Gericht fragt in diesem Zusammenhang nach der Bedeutung, die dem Umstand beizumessen sei, dass der entstandene Verlust nicht mit einer in einem anderen Mitgliedstaat mittels einer Betriebsstätte ausgeübten unternehmerischen Tätigkeit zusammenhänge und dass er endgültig sein könnte, da dem Steuerpflichtigen im fraglichen Mitgliedstaat keine Einkommensquelle mehr verbleibe, von der er den Verlust in Abzug bringen könnte.
74 Insoweit hat K beim vorlegenden Gericht geltend gemacht, den Anforderungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sei nicht genügt, wenn ein Verlust endgültig werde.
75 Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass eine Maßnahme, die es einer gebietsansässigen Muttergesellschaft verwehrt, von ihrem steuerpflichtigen Gewinn Verluste abzuziehen, die einer Tochtergesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat dort entstanden sind, während sie einen solchen Abzug für Verluste einer gebietsansässigen Tochtergesellschaft zulässt, oder die im Rahmen einer Fusion die Möglichkeit der in einem Mitgliedstaat ansässigen Muttergesellschaft ausschließt, die Verluste der in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen übertragenden Tochtergesellschaft von ihren steuerpflichtigen Einkünften abzuziehen, aufgrund der Notwendigkeit gerechtfertigt sein kann, die Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren und den Gefahren der doppelten Berücksichtigung von Verlusten sowie der Steuerflucht zu begegnen (vgl. in diesem Sinne Urteile Marks & Spencer, Randnrn. 44 bis 51, und vom 21. Februar 2013, A, C‑123/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 40 bis 46), aber über das hinausgeht, was erforderlich ist, um die verfolgten Ziele im Wesentlichen zu erreichen, wenn die gebietsfremde Tochtergesellschaft die in ihrem Sitzmitgliedstaat bestehenden Möglichkeiten der Berücksichtigung von Verlusten ausgeschöpft hat (vgl. in diesem Sinne Urteile Marks & Spencer, Randnr. 55, und A, Randnr. 49).
76 In einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens kann jedoch, unabhängig von den vom vorlegenden Gericht festgestellten tatsächlichen Umständen, nicht angenommen werden, dass ein Steuerpflichtiger wie K die Möglichkeiten der Berücksichtigung von Verlusten in dem Mitgliedstaat, in dem sich die Immobilie befindet, ausgeschöpft hat.
77 Da der Mitgliedstaat, in dem die Immobilie belegen ist, nämlich keine Möglichkeit der Berücksichtigung von Verlusten aus der Veräußerung der Immobilie vorsieht, hat eine solche Möglichkeit nie bestanden.
78 Würde man unter diesen Umständen den Wohnsitzmitgliedstaat des Steuerpflichtigen verpflichten, gleichwohl den Abzug der mit der Immobilie verbundenen Verluste von den in diesem Mitgliedstaat steuerpflichtigen Gewinnen zu gestatten, hätte er die nachteiligen Folgen zu tragen, die sich aus der Anwendung der Steuervorschriften des Mitgliedstaats ergeben, in dem sich die Immobilie befindet.
79 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann ein Mitgliedstaat aber nicht verpflichtet sein, bei der Anwendung seiner eigenen Steuervorschriften den möglicherweise nachteiligen Folgen der Besonderheiten einer Regelung eines anderen Mitgliedstaats Rechnung zu tragen, die für eine im Hoheitsgebiet des letztgenannten Staates belegene Immobilie gilt, deren Eigentümer ein im erstgenannten Staat wohnender Steuerpflichtiger ist (vgl. entsprechend Urteile vom 6. Dezember 2007, Columbus Container Services, C‑298/05, Slg. 2007, I‑10451, Randnr. 51, vom 28. Februar 2008, Deutsche Shell, C‑293/06, Slg. 2008, I‑1129, Randnr. 42, und Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt, Randnr. 49).
80 Der freie Kapitalverkehr kann nicht dahin verstanden werden, dass ein Mitgliedstaat verpflichtet ist, seine Steuervorschriften auf diejenigen eines anderen Mitgliedstaats abzustimmen, um in allen Situationen eine Besteuerung zu gewährleisten, die jede Ungleichheit, die sich aus den nationalen Steuerregelungen ergibt, beseitigt, da die Entscheidungen, die ein Steuerpflichtiger in Bezug auf eine Investition im Ausland trifft, je nach Fall mehr oder weniger vorteilhaft oder nachteilig für ihn sein können (vgl. entsprechend Urteile Deutsche Shell, Randnr. 43, und Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt, Randnr. 50).
81 Deshalb sind die vom vorlegenden Gericht und von K unter Hinweis darauf, dass der Verlust endgültig sein könnte, angeführten tatsächlichen Umstände für die Verhältnismäßigkeit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden beschränkenden Maßnahme ohne Bedeutung, wenn die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem sich die Immobilie befindet, keine Berücksichtigung von Verlusten aus der Veräußerung der Immobilie vorsehen.
82 Nach alledem geht die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Steuerregelung nicht über das hinaus, was zur Erreichung der mit ihr verfolgten Ziele erforderlich ist.
83 Auf die Vorlagefrage ist daher zu antworten, dass die Art. 63 AEUV und 65 AEUV einer Steuerregelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, die es wie die im Ausgangsverfahren streitige Regelung einer in diesem Mitgliedstaat wohnenden und dort unbeschränkt steuerpflichtigen Person nicht gestattet, Verluste aus der Veräußerung von unbeweglichem Vermögen, das in einem anderen Mitgliedstaat belegen ist, von den im erstgenannten Mitgliedstaat zu versteuernden Einkünften aus beweglichem Vermögen in Abzug zu bringen, während dies unter bestimmten Voraussetzungen möglich wäre, wenn sich das unbewegliche Vermögen im erstgenannten Mitgliedstaat befände.
An dieser Fassung sind noch Änderungen möglich; verbindlich sind nur die in der "Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts" und im "Amtsblatt der Europäischen Union" veröffentlichten Fassungen.
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