BFH: Keine Anwendung des Halbabzugsverbots im Rahmen von § 17 EStG bei dem Anrechnungsverfahren unterliegenden Einnahmen
Bei der Ermittlung eines Auflösungsverlusts i.S. von § 17 Abs. 1, 4 EStG ist der Erwerbsaufwand nicht gemäß § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG begrenzt abziehbar, wenn der Steuerpflichtige lediglich solche durch seine Beteiligung an der GmbH vermittelten Einnahmen erzielt hat, für die noch das Anrechnungsverfahren galt.
BFH-Urteil vom 6.4.2011, IX R 28/10 (BStBl 2011 II S. 814 = SIS 11 27 17; veröffentlicht am 24.8.2011)
EStG § 3 Nr. 40 Buchst. c, § 3c Abs. 2, § 17 Abs. 1, 4, § 52 Abs. 4b
KStG i.d.F. des StSenkG § 34 Abs. 10a Satz 1 Nr. 1
Vorinstanz: Niedersächsisches FG vom 18.5.2010, 2 K 61/09 (EFG 2010 S. 1588 = SIS 10 29 27)
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war an der G-GmbH (GmbH) mit einer Stammeinlage von 13.500 €, entsprechend 50 % des Stammkapitals, beteiligt und zugleich deren Geschäftsführer. Mit Verträgen vom 1.4.1999 und 10.10.2001 gewährte der Kläger der GmbH Darlehen in Höhe von 23.000 DM bzw. 20.000 DM. Einnahmen aus dieser Beteiligung sind dem Kläger einmalig als Gewinnausschüttungen im Jahr 2001 für das Jahr 2000 zugeflossen.
Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH wurde mit Beschluss des zuständigen Amtsgerichts vom 13.2.2006 mangels Masse abgewiesen. Die Auflösung der Gesellschaft wurde in das Handelsregister eingetragen.
Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr (2006) setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lediglich einen Verlust in Höhe von 6.750 € (statt der ursprünglich geltend gemachten 105.803 €) an.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte z.T. Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2010, 1588 veröffentlichten Urteil, die Klage sei in Höhe eines Teilbetrags in Höhe von 6.750 € begründet, da der Ausfall mit dem Stammkapital nicht lediglich zur Hälfte zu berücksichtigen sei. Im Übrigen stehe nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass dem Kläger weitere Anschaffungskosten im Zusammenhang mit der GmbH entstanden seien.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der dieses die Verletzung von § 3c Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres (EStG) rügt. Das Halbabzugsverbot greife nur dann nicht ein, wenn der Steuerpflichtige keinerlei durch seine Beteiligung vermittelten Einnahmen erzielt habe, es sei aber immer dann anzuwenden, wenn eine GmbH Gewinnausschüttungen an den Gesellschafter vorgenommen habe, egal wann.
Dass im Streitfall die Ausschüttung in einem Jahr stattgefunden habe, in dem die Neuregelung des Halbeinkünfteverfahrens nach § 3 Nr. 40 i.V.m. § 3c Abs. 2 EStG noch nicht gegolten habe, sei im Rahmen der vom Gesetzgeber in zulässiger Weise gewählten Typisierung unbeachtlich. Es komme nicht darauf an, dass der § 3 Nr. 40 EStG für die gewährte Ausschüttung noch nicht anwendbar gewesen sei (vgl. FG Rheinland-Pfalz vom 12.11.2009, 6 K 2084/07, EFG 2010 S. 318).
Das Halbeinkünfteverfahren ziele ebenso wie das Anrechnungsverfahren auf einen Ausgleich der Körperschaftsteuer-Vorbelastung. Durch die frühere Körperschaftsteuer-Anrechnung seien also faktisch die früheren Ausschüttungen teilweise steuerfrei geblieben, weil die Körperschaftsteuer keine Steuervorauszahlung des Anteilseigners sei und die Anrechnung beim Anteilseigner somit nicht zwingend gewesen sei.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2006 dahingehend zu bestätigen, dass die festgesetzte Einkommensteuer 35.594 € beträgt.
Der Kläger hat keinen Antrag gestellt.
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung). Zutreffend hat das FG im Streitfall das Halbabzugsverbot (§ 3c Abs. 2 EStG) nicht angewandt.
1. Der Abzug von Erwerbsaufwand, insbesondere von Anschaffungskosten, ist im Rahmen der Ermittlung von Einkünften aus § 17 Abs. 1 und 4 EStG dann nicht gemäß § 3c Abs. 2 EStG begrenzt, wenn der Steuerpflichtige keinerlei durch seine Beteiligung vermittelten Einnahmen erzielt hat. Fallen keine Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen an, kommt eine hälftige Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 40 EStG nicht in Betracht. Folgerichtig tritt die nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG maßgebende Bedingung dafür, entsprechende Aufwendungen nur zur Hälfte zu berücksichtigen, nicht ein. Denn dieser Aufwand steht nicht - wie dies § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG schon dem Wortlaut nach für die hälftige Kürzung verlangt - in wirtschaftlichem Zusammenhang mit lediglich zur Hälfte anzusetzenden Einnahmen. Fließen keine Einnahmen zu, kommt § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG nicht zur Anwendung; mithin ist der Erwerbsaufwand in vollem Umfang abziehbar. Dies entspricht dem Gesetzeszweck des Halbabzugsverbots, eine Doppelbegünstigung auszuschließen (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25.6.2009 IX R 42/08, BFHE 225, 445, BStBl II 2010, 220; vom 14.7.2009 IX R 8/09, BFH/NV 2010, 399; BFH-Beschluss vom 18.3.2010 IX B 227/09, BFHE 229, 177, BStBl II 2010, 627).
2. Setzt die begrenzte Abziehbarkeit von Erwerbsaufwand gemäß § 3c Abs. 2 EStG danach dessen wirtschaftlichen Zusammenhang mit lediglich zur Hälfte anzusetzenden Einnahmen voraus, so ist der Aufwand in vollem Umfang anzusetzen, wenn der Steuerpflichtige lediglich solche durch seine Beteiligung an der GmbH vermittelten Einnahmen erzielt hat, für die noch das Anrechnungsverfahren galt.
Soweit - ungeachtet des eindeutigen Gesetzeswortlauts des § 3c Abs. 2 EStG - das FA darauf verweist, das Anrechnungsverfahren habe faktisch eine ähnliche Steuerbefreiung bewirkt wie das Halbeinkünfteverfahren, ergibt sich daraus nichts anderes. Denn bei Halbeinkünfteverfahren und Halbabzugsverbot handelt es sich um eine gegenüber dem Anrechnungsverfahren grundlegend neue und andere Systementscheidung des Steuergesetzgebers (vgl. dazu BFH-Urteil vom 20.10.2010 IX R 56/09, BFHE 231, 171, BStBl II 2011, 409). Eine Kombination beider durch Koppelung von Gewinnausschüttungen, die noch dem Anrechnungsverfahren unterfielen, mit Erwerbsaufwand, der unter Geltung des Halbeinkünfteverfahrens entstand, kommt nicht in Betracht.
3. Nach diesen Maßstäben hat das FG die Anschaffungskosten zutreffend in voller Höhe abgezogen. Denn der Kläger erzielte nicht nur zur Hälfte anzusetzende Einnahmen; die Ausschüttung, die der Kläger im Jahr 2001 erhielt, unterfiel noch nicht § 3 Nr. 40 EStG (§ 52 Abs. 4b Nr. 2 EStG i.d.F. des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002, BGBl I 2002, 4621).
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