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BFH: Abzug ersparter Mietaufwendungen als außergewöhnliche Belastung

Ersparte Mietaufwendungen, die beim Gesellschafter zu einer verdeckten Ge­winnausschüttung führen, können insoweit als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden, als sie behinderungsbedingten Mehraufwand darstellen.

FGO § 118 Abs. 2, § 143 Abs. 2
BGB § 133, § 157
EStG § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d, § 3c Abs. 2 Satz 1, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 8 Satz 1, § 33 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1

BFH-Urteil vom 17.6.2025, VI R 15/23 (veröffentlicht am 16.10.2025)

Vorinstanz: FG München vom 27.10.2022, 10 K 3292/18 = SIS 23 19 09

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind verheiratet und werden in den Streitjahren (2011 bis 2014) zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Ihr gemeinsamer Sohn … ‑‑M‑‑ (2003 geboren) leidet seit seiner Geburt an einer spinalen Muskelatrophie und ist auf einen Rollstuhl angewie­sen. Der Grad seiner Behinderung beträgt 100, zudem erfüllt er die Merkzei­chen G, aG, B und H. Die Kläger haben zwei weitere in den Jahren 2012 und 2013 geborene Kinder.

Der Kläger ist Geschäftsführer der … GmbH (GmbH) mit Sitz in B‑Stadt und am Stammkapital der Gesellschaft zu 94 % beteiligt. Er un­terhält zudem einen Gewerbebetrieb, in dessen Betriebsvermögen er seine Beteiligung an der GmbH hält.

Im Eigentum der GmbH steht das Grundstück A‑Straße in B‑Stadt, das ursprünglich mit zwei freistehenden Häusern bebaut war: einem Wohnhaus mit sechs Zimmern, Küche und Bad zu 151,39 m² (A‑Straße, Haus 1) und einem als Büro mit einer Einliegerwohnung von zwei Zimmern, Küche und Bad nutzbaren Haus zu 161,11 m² (A‑Straße, Haus 2).

Mit Mietvertrag vom 01.10.1998 vermietete die GmbH das Wohnhaus in der A‑Straße ("Haus 1") als in § 1 (Mieträume) geregelten Mietgegen­stand an den Kläger. Nach § 4 Abs. 1 (Miete und Nebenkosten) betrug die Miete 2.000 DM inklusive Nebenkosten wie Grundsteuer, Müllabfuhr, Strom, Wasser und Abwasser. § 15 Abs. 2 des Vertrags sah vor, dass Änderungen oder Ergänzungen des Mietvertrags der Schriftform bedurften.

Im Jahr 2009 ließ die GmbH auf eigene Kosten einen barrierefreien Verbin­dungsbau von circa 70 m² zwischen den Häusern 1 und 2 erstellen, in dem ‑‑abgestimmt auf die Behinderung von M‑‑ ein behindertengerechtes Pflegebad mit Dusche, Badewanne, Waschbecken und Toilette zu 34,92 m² eingebaut wurde. Der Verbindungsbau ist nicht unterkellert, hat ein Flachdach und besteht nur aus einem Erdgeschoss. Die Baukosten betrugen insgesamt 297.511,17 € und entfielen auf die Errichtung des Verbindungsbaus, die dafür erforderlichen Veränderungen an den beiden bereits bestehenden Wohnhäu­sern und den Carport. Die Kläger trugen lediglich die Kosten für das Wasch­becken in dem Pflegebad, für das sie im Jahr 2009 einen Zuschuss von der Pflegekasse in Höhe von 2.600 € erhalten hatten. Im Erdgeschoss des Hauses 2 befand sich nun auch der Schlafbereich von M.

Im September 2009 änderten der Kläger und die GmbH mit einer schriftlichen Vereinbarung den Mietvertrag vom 01.10.1998 "aufgrund des behindertenge­rechten Umbaus" mit Wirkung ab dem 01.10.2009 dahingehend ab, dass die in § 4 (Miete und Nebenkosten) geregelte monatliche Miete inklusive Neben­kosten auf 2.250 € erhöht wurde. Die übrigen Bestimmungen des Mietvertrags vom 01.10.1998 sollten unverändert bestehen bleiben.

In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre erklärten die Kläger unter anderem im Zusammenhang mit der Behinderung ihres Sohnes M außergewöhnliche Belastungen in Form einer "Mehrmiete" infolge des behin­dertengerechten Umbaus des Anwesens A‑Straße in Höhe von insge­samt jeweils 14.498 € (= 1.208,16 € * 12).

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) lehnte eine Berück­sichtigung zunächst jeweils ab. Im Einspruchsverfahren erkannte er eine be­hinderungsbedingte Mehrmiete in Höhe von jeweils 7.128 € für die Streitjahre an. Daneben setzte er jeweils den Pflege-Pauschbetrag in Höhe von 924 € an. Aufgrund von Kontrollmitteilungen über verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) der GmbH an den Kläger erhöhte das FA zudem zuletzt dessen Einkünf­te aus Gewerbebetrieb für die Streitjahre 2012 bis 2014 um jeweils 7.000 €. Im Übrigen wies es die Einsprüche der Kläger als unbegründet zurück.

Mit der im Anschluss erhobenen Klage begehrten die Kläger für das Streitjahr 2011 die Berücksichtigung weiterer außergewöhnlicher Belastungen in Höhe von 7.370 € (behinderungsbedingte Mehrmiete). Für die Streitjahre 2012 bis 2014 begehrten sie zusätzliche außergewöhnliche Belastungen in Höhe von jeweils 14.370 € (behinderungsbedingte Mehrmiete und fiktive Aufwendungen in Höhe der vGA) sowie einen Ansatz der vGA in Höhe von jeweils 4.200 €.

Nach Einholung mehrerer Sachverständigengutachten gab das Finanzgericht (FG) der Klage teilweise statt. Das FA habe die außergewöhnlichen Belastun­gen der Kläger für die Streitjahre zu Recht nur mit jeweils 7.128 € berücksich­tigt. Die durch die Errichtung des behindertengerechten Verbindungsbaus mit Pflegebad zwischen den Häusern 1 und 2 veranlasste Erhöhung der jährlichen Miete sei insoweit als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, als sie sich in gegenständlicher Hinsicht auf den Verbindungsbau erstrecke und der Höhe nach auf im Mittelwert geschätzte Baukosten in Höhe von 148.500 € inklusive Umsatzsteuer sowie eine Verzinsung in Höhe von 4,8 % ("rund 5 %") zurückzuführen sei. Die unentgeltliche Überlassung des Hauses 2 sei nach Anwendung des Teileinkünfteverfahrens in Höhe von 8.484,60 € (2012), 6.884,40 € (2013) und 6.945,60 € (2014) als vGA bei den Einkünften des Klä­gers aus Gewerbebetrieb zu erfassen. Insoweit komme ein korrespondieren­der, fiktiver Ansatz als außergewöhnliche Belastung nicht in Betracht.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Sie beantragen sinngemäß,
das FG-Urteil sowie die Einspruchsentscheidung vom 04.12.2018 aufzuheben, den Einkommensteuerbescheid 2011 vom 02.05.2017 dahingehend zu ändern, dass der Festsetzung der Einkommensteuer zusätzliche außergewöhnliche Be­lastungen in Höhe von 7.370 € zugrunde gelegt werden, sowie die Einkom­mensteuerbescheide 2012, 2013 und 2014 jeweils vom 26.02.2018 dahinge­hend zu ändern, dass der Festsetzung der Einkommensteuer bei den Einkünf­ten des Klägers aus Gewerbebetrieb jeweils eine vGA nach Anwendung des Teileinkünfteverfahrens in Höhe von lediglich 4.200 € und jeweils zusätzliche außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 14.370 € zugrunde gelegt werden.

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision der Kläger wegen Einkommensteuer 2011 ist teilweise begründet. Sie führt insoweit zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur teilweisen Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Die Revision wegen Einkommensteuer 2012 bis 2014 ist begründet. Sie führt insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurück­verweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

Das FG ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausge­gangen, dass durch die Änderungsvereinbarung vom September 2009 lediglich der behinderungsbedingte Verbindungsbau in das bestehende Mietverhältnis betreffend das Haus 1 einbezogen worden ist (dazu unter 1.).

Der Ansatz der vGA durch das FG in den Streitjahren 2012 bis 2014 ist dem Grunde und der Höhe nach revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden (dazu unter 2.).

In Bezug auf den Verbindungsbau zwischen den Häusern 1 und 2 kommt eine Berücksichtigung weiterer außergewöhnlicher Belastungen nur in geringem Umfang in Betracht (dazu unter 3.).

Die Berücksichtigung weiterer außergewöhnlicher Belastungen hinsichtlich des von M im Haus 2 genutzten Schlafbereichs hat das FG zu Unrecht abge­lehnt (dazu unter 4.). Die Feststellungen der Vorinstanz reichen insoweit nicht aus, um abschließend beurteilen zu können, in welcher Höhe den Klägern in den Streitjahren 2012 bis 2014 hierdurch behinderungsbedingte Mehraufwen­dungen entstanden sind. Die Sache muss deshalb insoweit an die Vorinstanz zurückverwiesen werden.

1. Das FG ist davon ausgegangen, die Änderungsvereinbarung vom September 2009 habe zusätzlich zur ursprünglichen Anmietung des Hauses 1 lediglich den behinderungsbedingten Verbindungsbau betroffen und diesen damit in das Mietverhältnis einbezogen, nicht jedoch auch das Erdgeschoss des Hauses 2 mit dem Schlafbereich von M, dieses sei vielmehr unentgeltlich über­lassen worden.

Diese Auslegung des Mietvertrags und der Änderungsvereinbarung ist jeden­falls möglich und damit für den Senat im Ergebnis gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend. Denn die Auslegung von Verträgen und Willenserklärungen gehört zum Bereich der tatsächlichen Feststellungen und bindet den Bundesfinanzhof (BFH) als Revisionsgericht nach § 118 Abs. 2 FGO, wenn sie den Grundsätzen der §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches entspricht und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt, das heißt jedenfalls möglich ist (ständige Rechtsprechung, s. Senatsurteil vom 14.09.2023 ‑ VI R 27/21, BFHE 282, 268, BStBl II 2024, 38, Rz 29, m.w.N.). Hiergegen wenden sich die Klä­ger auch nicht.

2. Der Ansatz der vGA in den Streitjahren 2012 bis 2014 bei den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb durch das FG ist dem Grunde und der Höhe nach revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.

a) Dass der Kläger, der die Beteiligung an der GmbH nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) im Betriebsvermögen seines Ge­werbebetriebs hält, in den Streitjahren 2012 bis 2014 durch die ‑‑nach den vorstehenden Ausführungen bedingte‑‑ unentgeltliche Überlassung des Anwe­sens A‑Straße, Haus 2 seitens der GmbH dem Grunde nach jeweils eine vGA vereinnahmt hat, die nach Berücksichtigung des Teilein­künfteverfahrens zu Einkünften aus Gewerbebetrieb führt (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 8 Satz 1 des Einkommensteuergeset­zes ‑‑EStG‑‑, § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG), ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht mehr streitig. Der erkennende Senat sieht insoweit von einer weiteren Begründung ab.

b) Aber auch der Höhe nach kommt eine Minderung der vGA ‑‑wie von den Klägern weiterhin beantragt‑‑ nicht in Betracht.

aa) Gegen die Ermittlung der vGA durch die Sachverständige unter Heranzie­hung der Kostenmiete (hierzu s. BFH-Urteile vom 17.11.2004 ‑ I R 56/03, BFHE 208, 519; vom 27.07.2016 ‑ I R 8/15, BFHE 255, 32, BStBl II 2017, 214 und vom 27.07.2016 ‑ I R 12/15, BFHE 255, 39, BStBl II 2017, 217) im Gutachten vom 17.11.2021 sowie den Ergänzungsgutachten vom 04.03.2022, 03.06.2022 und 07.07.2022 haben die Kläger im Revisionsverfahren keine Einwendungen mehr vorgebracht.

bb) Soweit die Kläger auch im Revisionsverfahren den Ansatz der vGA nach Anwendung des Teileinkünfteverfahrens ‑‑abweichend von den vom FG festge­stellten Einkünften‑‑ mit jährlich 4.200 € begehren, weil sie nur 60 % des Hauses 2 genutzt hätten, vermögen sie damit nicht durchzudringen. Die Ermittlung der vGA durch das FG basiert auf der vollständigen Überlassung des Hauses 2 an die Kläger. Hiergegen haben die Kläger im Revisions­verfahren ebenfalls keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe erho­ben, so dass dieser Umstand als tatsächliche Feststellung für den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO bindend ist.

3. Eine Berücksichtigung weiterer außergewöhnlicher Belastungen in Bezug auf den Verbindungsbau kommt nur in geringem Umfang in Betracht.

a) Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhält­nisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen. Aufwendungen entstehen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und ei­nen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

aa) Auch Mehraufwendungen für einen behindertengerechten Um- oder Neu­bau eines Hauses oder einer Wohnung können als außergewöhnliche Belastun­gen im Sinne des § 33 Abs. 1 EStG abziehbar sein (s. Senatsurteile vom 24.02.2011 ‑ VI R 16/10, BFHE 232, 518, BStBl II 2011, 1012, Rz 10, und vom 17.07.2014 ‑ VI R 42/13, BFHE 246, 360, BStBl II 2014, 931, Rz 10). Diese Aufwendungen sind weder durch den Grund- oder Kinderfreibetrag (§ 32a Abs. 1 EStG, § 32 Abs. 6 EStG) noch durch den Behinderten- und Pfle­ge-Pauschbetrag abgegolten (s. Senatsurteil vom 22.10.2009 ‑ VI R 7/09, BFHE 226, 536, BStBl II 2010, 280, unter II.1.a, m.w.N.).

bb) Mehraufwendungen für die behindertengerechte Gestaltung des Wohnum­felds erwachsen in der Regel auch zwangsläufig (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Denn eine Behinderung des Steuerpflichtigen oder eines Angehörigen begrün­det eine tatsächliche Zwangslage, die eine behindertengerechte Gestaltung des Wohnumfelds unausweichlich macht (s. Senatsurteile vom 24.02.2011 ‑ VI R 16/10, BFHE 232, 518, BStBl II 2011, 1012, Rz 11, und vom 17.07.2014 ‑ VI R 42/13, BFHE 246, 360, BStBl II 2014, 931, Rz 11).

Die Notwendigkeit einer behindertengerechten Ausgestaltung des Wohnum­felds und damit die Zwangsläufigkeit der darauf entfallenden Mehrkosten aus tatsächlichen Gründen beruht nicht auf der frei gewählten Wohnsituation des Steuerpflichtigen, sondern auf seiner Krankheit oder Behinderung (Senatsur­teil vom 24.02.2011 ‑ VI R 16/10, BFHE 232, 518, BStBl II 2011, 1012, Rz 12).

cc) Dagegen sind Aufwendungen, die ‑‑wie die Größe des Grundstücks und die konkrete Gestaltung des Hauses, insbesondere dessen Wohnfläche‑‑ auf dem Geschmack, den Lebensgewohnheiten, den dem Steuerpflichtigen für den Bau zur Verfügung stehenden Mitteln und anderen selbstbestimmten Vorentschei­dungen beruhen ‑‑das heißt auf seinen persönlichen Wohnvorstellungen‑‑ auch dann nicht zwangsläufig, wenn der Steuerpflichtige oder ein in seinem Haushalt lebender Angehöriger infolge einer Krankheit oder eines Unfalls in seiner bisherigen Wohnung beziehungsweise in seinem bisherigen Haus nicht wohnen bleiben kann (s. Senatsurteil vom 17.07.2014 ‑ VI R 42/13, BFHE 246, 360, BStBl II 2014, 931, Rz 14). Dies gilt auch für solche Mehrkosten, die erforderlich sind, um die persönlichen Wohnvorstellungen behinderten- oder krankheitsgerecht zu verwirklichen. Denn diese Mehrkosten sind, anders als bauliche Maßnahmen, die ‑‑wie beispielsweise der Einbau einer barrierefreien Dusche oder eines Treppenlifts (vgl. Senatsurteil vom 06.02.2014 ‑ VI R 61/12, BFHE 244, 395, BStBl II 2014, 458)‑‑ den krankheits- und behin­derungsbedingten Lebenserschwernissen des Steuerpflichtigen oder eines An­gehörigen Rechnung tragen, nicht vornehmlich der Krankheit oder Behinde­rung geschuldet, sondern in erster Linie Folge der frei gewählten Wohnungs­größe (Wohnflächenbedarf) des Steuerpflichtigen. Sie werden daher ebenfalls von der Abgeltungswirkung des Grundfreibetrags erfasst und können nicht nochmals nach § 33 EStG steuerliche Berücksichtigung finden (Senatsurteil vom 17.07.2014 ‑ VI R 42/13, BFHE 246, 360, BStBl II 2014, 931, Rz 14).

b) Bei Heranziehung dieser Grundsätze kommt eine Berücksichtigung weiterer außergewöhnlicher Belastungen in Bezug auf den Verbindungsbau nur teilwei­se in Betracht. Das FG ist insoweit im Ausgangspunkt zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die behinderungsbedingte Mehrmiete nicht auf Grundlage der von der GmbH für den Verbindungsbau tatsächlich aufgewandten Baukos­ten, sondern basierend auf den insoweit bei einer konventionellen (Stan­dard‑)Bauweise anfallenden Baukosten zu ermitteln ist (dazu unter bb). Dabei hat es die Baukosten aber zu Unrecht auf einen geschätzten Mittelwert be­grenzt (dazu unter cc).

aa) Das FG ist zunächst zu Recht davon ausgegangen, dass die von der GmbH getragenen Baukosten für die Errichtung des Verbindungsbaus zwischen den Häusern 1 und 2 und darauf resultierend die von den Klägern hierfür gezahlte Mehrmiete dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastung ab­zugsfähig sind. Insbesondere hat die Sachverständige hierzu folgende Fest­stellungen getroffen:

  • im Gutachten vom 07.06.2016, dass die baulichen Maßnahmen mit Ausnahme des Daches des Carports der behindertengerechten Ausge­staltung für ein Pflegebad und für die rollstuhlgerechte Nutzung der Wohnräume durch M dienten;
  • in der ergänzenden Stellungnahme vom 29.09.2016, dass der Umbau des im Haus 1 vorhandenen Bads in ein behindertengerechtes Pfle­gebad nicht möglich gewesen wäre;
  • in der ergänzenden Stellungnahme vom 17.01.2017, dass in das Erd­geschoss des Hauses 1 kein behindertengerechtes Schlafzimmer für M hätte eingebaut werden können.

Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig, so dass der erkennende Senat von weiteren Ausführungen absieht.

bb) Das FG hat dem Grunde nach auch zu Recht entschieden, dass die Auf­wendungen für die behindertengerechte Gestaltung des Wohnumfelds nicht nach dem freien Ermessen der Kläger, sondern vorliegend der Höhe nach be­grenzt nur auf den Mehraufwand abzugsfähig sind, der bei Erstellung des Ver­bindungsbaus in konventioneller Bauweise angefallen wäre.

(1) Die Sachverständige hat in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 17.01.2017 festgestellt, dass der behindertengerechte Verbindungsbau mit Pflegebad gegenüber den von der GmbH aufgewendeten Baukosten in Höhe von 297.511,17 € im Fall der Herstellung in konventioneller Bauweise mit ge­schätzten Kosten zwischen 143.000 € bis 154.000 € inklusive Nebenkosten und Umsatzsteuer hätte erstellt werden können.

Durch Zugrundelegung der Baukosten für eine Herstellung in konventioneller (Standard‑)Bauweise lassen sich im Streitfall die Baukosten, die infolge der Behinderung von M zwangsläufig anfielen und denen sich die Kläger daher nicht entziehen konnten, von denjenigen abgrenzen, die Folge einer von ihrem Geschmack, ihren Lebensgewohnheiten und ihren finanziellen Möglichkeiten abhängenden frei beeinflussbaren Entscheidung waren.

Auf diese Weise wird einerseits berücksichtigt, dass aufgrund der Behinderung von M weder ein Umbau des vorhandenen Bads im Haus 1 noch die Einrich­tung eines behindertengerechten Schlafzimmers im Erdgeschoss des Hauses 1 möglich waren und folglich der Verbindungsbau mit Pflegebad und Über­gang zum Schlafbereich von M im Haus 2 als solcher erforderlich war. Andererseits wird berücksichtigt, dass die insoweit entstandenen Baukosten auch maßgeblich vom Geschmack, den Lebensgewohnheiten und den finanzi­ellen Möglichkeiten der Kläger (beziehungsweise der von dem Kläger be­herrschten GmbH) abhingen, indem der Verbindungsbau konstruktiv und ge­stalterisch an die bestehenden Häuser 1 und 2 angepasst wurde. In­soweit besteht kein Bezug der Baukosten zu der Behinderung von M. Gewählt wurde vielmehr ein Verbindungsbau in gehobener Ausführung in Holzständer­bauweise mit einem hohen Anteil an Verglasung der Firma, von der auch die Häuser 1 und 2 stammen. Im Vergleich dazu hat die Sachverständige die Kosten geschätzt, die für einen Verbindungsbau in konventioneller Bauwei­se mit denselben Ausmaßen und Anpassungsarbeiten entstanden wären.

(2) Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Kläger nicht aus den Senatsurteilen vom 01.02.1957 ‑ VI 30/55 und vom 17.07.1981 ‑ VI R 77/78 (BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711), weil es sich ‑‑so die Kläger‑‑ bei der Frage der Höhe, des Umfangs und der Zweckmäßigkeit einer Krankheitsbe­handlung um eine höchstpersönliche Angelegenheit des Steuerpflichtigen han­dele. Vorliegend geht es indes um die ‑‑insoweit nicht vergleichbare‑‑ Aner­kennung von Aufwendungen anlässlich einer behindertengerechten Ausgestal­tung des privaten Wohnumfelds. Diese hängen ‑‑wie vorstehend ausgeführt‑‑ auch vom Geschmack, den Lebensgewohnheiten, den ihm für den Bau zur Verfügung stehenden Mitteln und anderen selbstbestimmten Vorentscheidun­gen des Steuerpflichtigen ab. Die Mehrkosten sind, wie der erkennende Senat bereits entschieden hat, auch nur insoweit abziehbar, als sie einen angemes­senen Betrag nicht überschreiten (s. Senatsurteil vom 24.02.2011 ‑ VI R 16/10, BFHE 232, 518, BStBl II 2011, 1012, Rz 16).

cc) Das FG ist allerdings zu Unrecht von einem Mittelwert in Höhe von vorlie­gend 148.500 € ausgegangen.

(1) Ist der angemessene Betrag der behinderungsbedingten Mehraufwendun­gen im Einzelfall zu schätzen, ist auch zu berücksichtigen, dass regelmäßig nicht nur ein bestimmter Mehraufwand als angemessen angesehen werden kann, sondern der Bereich des Angemessenen sich auf eine gewisse Bandbrei­te von Beträgen erstreckt. Nicht mehr allein zwangsläufig infolge der durch Krankheit oder Behinderung notwendig gewordenen Umgestaltung des priva­ten Wohnumfelds und damit nicht mehr angemessen im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG sind dann nur diejenigen Beträge, die den oberen Rand dieser Bandbreite übersteigen.

(2) Bei einem geschätzten Kostenrahmen für die Herstellung in konventioneller Bauweise von bis zu 154.000 € inklusive Nebenkosten und Umsatzsteuer ist unter Heranziehung der vom Kläger und der GmbH ermittelten Mieterhöhung durch Verzinsung der Baukosten mit 4,8 % danach von (angemessenen) be­hinderungsbedingten Mehraufwendungen in Höhe von jährlich 7.392 € auszu­gehen. Der vom FA für die Streitjahre bereits berücksichtigte Betrag von jähr­lich 7.128 € ist folglich jeweils um 264 € zu erhöhen, was für die Streitjahre 2012 bis 2014 vom FG im zweiten Rechtsgang zu beachten ist.

4. Das FG ist zudem unzutreffend davon ausgegangen, dass ‑‑bezogen auf die behinderungsbedingte Nutzung des Hauses 2 (Schlafbereich des M)‑‑ ein anteiliger (fiktiver) Abzug der vGA als außergewöhnliche Belastung nicht in Betracht kommt.

a) Mit dem in § 33 Abs. 1 EStG verwendeten Begriff der "Aufwendungen" stellt das Gesetz ‑‑wie bei den Begriffen "Werbungskosten", "Betriebsausgaben" und "Sonderausgaben" auch‑‑ auf das Merkmal der tatsächlichen Verausgabung ab. Insoweit gilt ein einheitlicher Aufwendungsbegriff (s. BFH-Urteil vom 10.06.1988 ‑ III R 248/83, BFHE 154, 63, BStBl II 1988, 814, unter 2.b aa). Hierunter fallen Vermögensabflüsse in Geld oder in Geldeswert (s. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 04.07.1990 ‑ GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830, unter C.III.2.d aa) im Sinne einer bewussten und gewoll­ten Vermögensverwendung (s. BFH-Beschluss vom 19.06.2006 ‑ III B 37/05, BFH/NV 2006, 2057, unter II.2.b).

b) Nach allgemeinen Grundsätzen können außergewöhnliche Belastungen nur bei demjenigen steuermindernd berücksichtigt werden, der sie getragen hat. Denn das Einkommensteuergesetz ist durch die Grundsätze des objektiven und subjektiven Nettoprinzips sowie der Individualbesteuerung geprägt. Eine Zurechnung von Einnahmen und Ausgaben setzt danach grundsätzlich voraus, dass der Steuerpflichtige den Tatbestand des Einkommensteuergesetzes selbst verwirklicht hat. Ausgaben Dritter (sogenannter Drittaufwand) können grund­sätzlich nicht bei dem insoweit nicht belasteten Steuerpflichtigen berücksich­tigt werden. Sie können nur im Fall eines abgekürzten Zahlungs- oder Ver­tragswegs als Aufwendungen des Steuerpflichtigen zu werten sein (s. Senats­urteil vom 06.12.2017 ‑ VI R 41/15, BFHE 260, 252, BStBl II 2018, 355, Rz 25).

c) Im Fall von vGA in Form von ersparten Aufwendungen (hier: ersparte Mie­te) geht die Rechtsprechung indes davon aus, dass die vGA aus Gleichheits­gesichtspunkten so zu behandeln ist wie eine offene Ausschüttung und ein hin­zutretender Leistungsaustausch, wie er unter Dritten durchgeführt worden wä­re (vgl. BFH-Urteil vom 14.08.1975 ‑ IV R 30/71, BFHE 117, 44, BStBl II 1976, 88, unter 2.c bb). Darum wird auch berücksichtigt, dass dem Gesell­schafter ‑‑hätte er eine offene Ausschüttung empfangen und sich die Leistung (hier: das Nutzungsrecht) wie ein fremder Dritter beschafft‑‑ Aufwendungen entstanden wären, die er durch die vGA erspart hat. Diese ersparten Aufwen­dungen sind beim Gesellschafter grundsätzlich als (fiktive) Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar (s. BFH-Urteile vom 15.11.1960 ‑ I 189/59 S, BFHE 72, 210, BStBl III 1961, 80; vom 09.03.1962 ‑ I 203/61 S, BFHE 75, 193, BStBl III 1962, 338; vom 03.02.1971 ‑ I R 51/66, BFHE 101, 501, BStBl II 1971, 408; vom 19.03.1975 ‑ I R 137/73, BFHE 116, 12, BStBl II 1975, 722; vom 14.08.1975 ‑ IV R 30/71, BFHE 117, 44, BStBl II 1976, 88, unter 2.c bb, und Beschluss des Großen Senats des BFH vom 26.10.1987 ‑ GrS 2/86, BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348, unter C.II.2.b; s.a. Senatsurteil vom 25.09.1970 ‑ VI R 122/67, BFHE 100, 301, BStBl II 1971, 53; ebenso z.B. Desens in Herrmann/Heuer/Raupach, § 3c EStG Rz 63; Hamacher/Dahm in Korn, § 20 EStG Rz 167; Schlarb in HK GmbH-Recht, 9. Aufl., Kapitel III B.I.2.g bb (2) Rz 163; Kohlhepp, Der Betrieb 2011, 1598, 1603 f.).

d) Bei Heranziehung dieser Grundsätze hat das FG die Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen im Zusammenhang mit der unentgeltlichen Nutzung des behindertengerechten Schlafzimmers von M im Haus 2 zu Unrecht nicht (anteilig) anerkannt.

aa) Nach der vom FG vorgenommenen möglichen und daher bindenden Ausle­gung des Mietvertrags erfolgte die Überlassung des Hauses 2 an die Klä­ger unentgeltlich. Für die Nutzung unter anderem auch des dort eingerichteten Schlafzimmers von M erbrachten die Kläger gegenüber der GmbH als Eigentü­merin keine Aufwendungen, so dass eine Berücksichtigung als außergewöhn­liche Belastung nach allgemeinen Grundsätzen ausscheidet.

bb) Ein Fall des abgekürzten Zahlungs- oder Vertragswegs ist im Streitfall ebenfalls nicht gegeben. Insoweit kommt ein Abzug der von der GmbH getra­genen Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Wege der Absetzung für Abnutzung als außergewöhnliche Belastung nicht in Betracht. Denn den Klä­gern ist von der GmbH lediglich die unentgeltliche Nutzungsmöglichkeit des Schlafzimmers und kein Teil eines Wirtschaftsguts oder dessen Herstellungs­kosten zugewendet worden (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 23.08.1999 ‑ GrS 2/97, BFHE 189, 160, BStBl II 1999, 782, unter C.IV.1.c). Mit den Herstellungskosten für das Schlafzimmer bleibt allein die GmbH belas­tet. Die (anteiligen) Herstellungskosten können ‑‑losgelöst von einer tatsäch­lichen Belastung‑‑ zivilrechtlich und steuerrechtlich nicht übertragen oder zu­gewendet werden (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 23.08.1999 ‑ GrS 2/97, BFHE 189, 160, BStBl II 1999, 782, unter C.IV.1.c cc).

cc) Durch die vGA wird nach den vorstehenden Ausführungen aber durch die ersparten Aufwendungen insoweit ausnahmsweise (anteilig) abzugsfähiger Aufwand bedingt. Für außergewöhnliche Belastungen kann im Hinblick auf den einheitlichen Aufwendungsbegriff nichts anderes gelten als für Betriebsausga­ben, Werbungskosten oder Sonderausgaben. Dabei sind die Aufwendungen in vollem Umfang abzugsfähig. § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG ist schon deshalb nicht anwendbar, weil es sich nicht um Betriebsausgaben oder Werbungskosten handelt.

e) Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Es hat daher ‑‑von seinem Standpunkt aus zu Recht‑‑ keine hinreichenden Feststellungen dazu getroffen, in welcher Höhe die vGA in den Streitjahren 2012 bis 2014 auf die behinderungsbedingte Nutzung des Schlafzimmers im Haus 2 durch M entfallen. Dies hat das FG im zweiten Rechtsgang nachzuholen. Die Sache geht daher mangels Spruchreife an die Vorinstanz zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück.

5. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2, § 121 Satz 1 FGO).

6. Die Übertragung der Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 2 FGO. Auch bei nur teilweiser Zurückverweisung der Sache muss dem FG die Entscheidung über die gesamten Kosten des Verfahrens übertragen werden (Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung, z.B. BFH-Urteile vom 28.11.2019 ‑ IV R 43/16, Rz 43, und vom 17.11.2011 ‑ IV R 2/09, Rz 50).

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