BFH zur Besteuerung von Leistungen einer Schweizer Familienstiftung
- Die wirtschaftliche Vergleichbarkeit einer Stiftungsleistung mit einer Gewinnausschüttung erfordert, dass die Stellung des Leistungsempfängers wirtschaftlich derjenigen eines Anteilseigners entspricht. Die Leistung muss sich außerdem als Verteilung des erwirtschafteten Überschusses darstellen (Bestätigung des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 28.02.2018 ‑ VIII R 30/15, BFHE 261, 47 = SIS 18 08 29).
- Die Stellung des Empfängers einer Stiftungsleistung entspricht wirtschaftlich derjenigen eines Anteilseigners, wenn er in seiner Person die Voraussetzungen erfüllt, die die Stiftungssatzung für einen Leistungsbezug aufstellt, er also zum Kreis der begünstigungsfähigen Personen gehört, und eine Gegenleistung nicht zu erbringen ist.
- Die Einräumung von Vermögens- oder Organisationsrechten durch die Stiftungssatzung, die die Rechtsstellung des Destinatärs darüber hinaus an die rechtliche Stellung eines Anteilseigners einer Kapitalgesellschaft annähern, ist nicht erforderlich.
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 und 2
KStG § 1 Abs. 1 Nr. 4
BFH-Urteil vom 1.10.2024, VIII R 25/21 (veröffentlicht am 28.11.2024)
Vorinstanz: FG Hamburg vom 20.8.2021, 6 K 196/20 = SIS 21 17 19
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die einmalige Auskehrung einer Geld- und Sachleistung, die der Kläger und Revisionskläger (Kläger) im Jahr 2017 (Streitjahr) von der B‑Stiftung mit Sitz in der Schweiz erhalten hat, zu Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geführt hat.
Die B‑Stiftung wurde im Dezember 2008 als rechtsfähige Familienstiftung im Sinne der Art. 80 ff. i.V.m. Art. 335 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB) gegründet.
Nach Art. 2 der Stiftungsurkunde der B‑Stiftung verfolgt diese die Zwecke einer Familienstiftung im Sinne von Art. 335 ZGB. Als Familienstiftung bezweckt sie die Unterstützung von Angehörigen der Familie X zum Zwecke der Ausstattung und soll als Starthilfe für Mitglieder dieses Personenkreises verwendet werden. Als Angehörige der Familie X im Sinne der Stiftungsstatuten gelten die Nachkommen der Familienstämme von A und B. Nach Art. 3 der Stiftungsurkunde stehen zur Erfüllung des Stiftungszwecks sowohl die Erträge des Stiftungsvermögens als auch das Stiftungsvermögen selbst zur Verfügung. Nach Art. 4 der Stiftungsurkunde können die Unterstützungsleistungen Angehörigen der Familie X einmalig in jugendlichen Jahren ausgerichtet werden, wobei der Stiftungsrat im Rahmen des Stiftungszwecks nach seinem Ermessen darüber entscheidet, ob eine Zuwendung erfolgt, über den Empfänger, die Höhe und den Zeitpunkt der auszurichtenden Unterstützungsleistung, ein Rechtsanspruch auf die Gewährung von Mitteln aus der Stiftung besteht nicht.
Der Kläger ist Angehöriger der Familie X im Sinne der Stiftungsstatuten. Er erhielt im Jahr 2017 ebenso wie sechs weitere Angehörige der Familie X die Gelegenheit, sich bei der B‑Stiftung vorzustellen. Im Rahmen dieses Vorstellungstermins hielt der Kläger einen Vortrag. Mit Schreiben vom 18.05.2017 wurde dem Kläger mitgeteilt, der Stiftungsrat habe beschlossen, ihm aus den Erträgen der B‑Stiftung eine einmalige Geldunterstützung (Starthilfe) in Höhe von … € (darin enthalten … X‑Aktien) zuzuwenden. Auf die Zuwendung habe der Kläger keinen Rechtsanspruch. Die Zuwendung könne aber unter Einhaltung einer angemessenen Frist ohne Angabe von Gründen widerrufen werden. Die B‑Stiftung wies außerdem darauf hin, dass die Leistung möglicherweise als Schenkung unter Lebenden nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) oder nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Halbsatz 2 ErbStG schenkungsteuerpflichtig sein könne. Sollte die Zuwendung schenkungsteuerpflichtig sein oder einer anderen Steuer unterliegen, werde die B‑Stiftung die auf die Zuwendung entfallende Steuer übernehmen.
Die B‑Stiftung meldete die Auskehrung an den Kläger dem seinerzeit zuständigen Erbschaft- und Schenkungsteuerfinanzamt, welches daraufhin einen entsprechenden Schenkungsteuerbescheid gegen den Kläger erließ. Nachdem der Bundesfinanzhof (BFH) durch Urteil vom 03.07.2019 ‑ II R 6/16 (BFHE 265, 421, BStBl II 2020, 61) die Zahlung der Stiftung an einen anderen Zahlungsempfänger nicht als freigebige Zuwendung gemäß § 7 Abs. 1 ErbStG qualifiziert hatte, hob das Erbschaft- und Schenkungsteuerfinanzamt den Schenkungsteuerbescheid gegen den Kläger auf und teilte dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ‑‑FA‑‑) mit, dass der Kläger eine Zuwendung der B‑Stiftung in Höhe von … € erhalten habe. Das FA forderte daraufhin den Kläger zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr auf. In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger keine Angaben zu den erhaltenen Leistungen der B‑Stiftung. Auf Nachfrage des FA übersandte er das Schreiben des Stiftungsrates der B‑Stiftung vom 18.05.2017 und erklärte, es sei keine Steuer einbehalten worden.
Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 19.06.2020 berücksichtigte das FA die Auskehrung der B‑Stiftung in Höhe von … € neben weiteren nicht streitigen Kapitalerträgen als Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 32d Abs. 1 EStG. Gegen den Bescheid legte der Kläger Einspruch ein, welchen das FA mit Einspruchsentscheidung vom 12.10.2020 als unbegründet zurückwies.
Die hiergegen erhobene Klage hatte aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2022, 241 mitgeteilten Gründen keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat entschieden, die Auskehrung der B‑Stiftung in Höhe von … € habe beim Kläger zu steuerpflichtigen Kapitalerträgen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG geführt. Die B‑Stiftung als ausländische Familienstiftung unterfalle § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 EStG. Die Leistung der B‑Stiftung sei einer Gewinnausschüttung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG wirtschaftlich vergleichbar.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Bundesrechts sowie einen Verfahrensfehler des FG.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG Hamburg vom 20.08.2021 ‑ 6 K 196/20 sowie die Einspruchsentscheidung vom 12.10.2020 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2017 vom 19.06.2020 dahingehend zu ändern, dass die Zuwendung der B‑Stiftung in Höhe von … € als nicht steuerbar behandelt wird.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 11.02.2022, das FA mit Schriftsatz vom 13.01.2022 auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Der Kläger hat außerdem mit Schriftsatz vom 13.09.2021 beim FG einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung gemäß § 107 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestellt und hierzu unter anderem im Einzelnen ausgeführt, in welchen Punkten das FG die wörtlich zitierten Passagen der Stiftungsurkunde im Urteil nicht zutreffend wiedergegeben habe. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 13.09.2021 Bezug genommen. Das FG hat über den Antrag nicht entschieden.
II. 1. Die Revision ist unbegründet und daher gemäß § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen. Das FG hat zutreffend entschieden, dass es sich bei der Auskehrung der B‑Stiftung in Form von Geld und Aktien der X AG an den Kläger um einen steuerpflichtigen Kapitalertrag im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 EStG handelt.
a) Nach § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 Halbsatz 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Einnahmen aus Leistungen einer nicht von der Körperschaftsteuer befreiten Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG), die Gewinnausschüttungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG wirtschaftlich vergleichbar sind, soweit sie nicht bereits zu den Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören. Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 EStG ist Satz 1 der Vorschrift auf Leistungen von vergleichbaren Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen, die weder Sitz noch Geschäftsleitung im Inland haben, entsprechend anzuwenden.
b) Diese Voraussetzungen hat das FG im Streitfall zu Recht als erfüllt angesehen. Bei der Auskehrung der B‑Stiftung, die einer inländischen sonstigen juristischen Person des privaten Rechts im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG vergleichbar ist, handelt es sich um Einnahmen aus Leistungen, die Gewinnausschüttungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG wirtschaftlich vergleichbar sind und die nicht bereits zu den Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören.
aa) Die B‑Stiftung, die ihren Sitz nicht im Inland, sondern in der Schweiz hat, ist einer sonstigen juristischen Person des privaten Rechts im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 EStG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG vergleichbar.
aaa) § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 EStG erstreckt den Anwendungsbereich von § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 EStG auf vergleichbare Leistungen von Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen, die weder Sitz noch Geschäftsleitung im Inland haben. Der nach ausländischem Recht gegründete Rechtsträger muss hierfür in seinen wesentlichen Grundstrukturen mit einer nicht von der Körperschaftsteuer befreiten inländischen Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 KStG vergleichbar sein.
bbb) Nach den Feststellungen des FG handelt es sich bei der B‑Stiftung um eine rechtsfähige Familienstiftung im Sinne der Art. 80 ff., Art. 335 ZGB, die einer inländischen rechtsfähigen Stiftung vergleichbar ist. Rechtsfähige Stiftungen des Privatrechts fallen als sonstige juristische Personen des privaten Rechts in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG (Levedag in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2. Aufl., § 1 Rz 82).
bb) Die Auskehrung der B‑Stiftung in Form von Geld und Aktien der X AG führte bei dem Kläger zu Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG. Der Begriff der Einnahme entspricht § 8 Abs. 1 EStG (Brandis/Heuermann/Ratschow, § 20 EStG Rz 336).
cc) Die Auskehrung in Form von Geld und Aktien der X AG stellt auch eine Leistung der B‑Stiftung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 EStG dar. Der Begriff der Leistung entspricht mangels abweichender Regelung dem des § 22 Nr. 3 EStG. Er umfasst alle Arten von Vermögenstransfers in Form von Geld‑, Sach- und Dienstleistungen sowie Nutzungsüberlassungen (Buge in Herrmann/Heuer/Raupach, § 20 EStG Rz 341; Brandis/Heuermann/Ratschow, § 20 EStG Rz 336) und damit auch die Übertragung von Geld und Aktien.
dd) Die Leistung der B‑Stiftung in Form der Übertragung von Geld und Aktien der X AG ist auch einer Gewinnausschüttung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG wirtschaftlich vergleichbar und gehört bei dem Kläger nicht bereits zu den Einnahmen im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
aaa) Die wirtschaftliche Vergleichbarkeit einer Stiftungsleistung mit einer Gewinnausschüttung erfordert, dass die Stellung des Leistungsempfängers wirtschaftlich derjenigen eines Anteilseigners entspricht (BFH-Urteile vom 28.02.2018 ‑ VIII R 30/15, BFHE 261, 47, Rz 12; vom 03.11.2010 ‑ I R 98/09, BFHE 232, 22, BStBl II 2011, 417, Rz 15; dazu unter bbb). Die Leistung muss sich im Grundfall des § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 Halbsatz 1 EStG außerdem als Verteilung des erwirtschafteten Überschusses darstellen (vgl. BFH-Urteil vom 28.02.2018 ‑ VIII R 30/15, BFHE 261, 47, Rz 19; dazu unter ccc).
bbb) Die Stellung des Empfängers einer Stiftungsleistung entspricht wirtschaftlich derjenigen eines Anteilseigners, wenn er in seiner Person die Voraussetzungen erfüllt, die die Stiftungssatzung für einen Leistungsbezug aufstellt, er also zum Kreis der begünstigungsfähigen Personen gehört, und sich die Leistung der Stiftung auch nicht als Gegenleistung für einen Beitrag des Empfängers darstellt. Die Einräumung und Ausübung von Vermögens- oder Organisationsrechten durch die Stiftungssatzung, die die Rechtsstellung des Destinatärs darüber hinaus an die rechtliche Stellung eines Anteilseigners annähern, ist hingegen nicht erforderlich, um eine wirtschaftliche Vergleichbarkeit des Destinatärs mit einem Anteilseigner zu bejahen.
(1) Wie der Senat bereits entschieden hat, kommt es für die Annahme von Einnahmen aus Leistungen, die Gewinnausschüttungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG wirtschaftlich vergleichbar sind, grundsätzlich nicht darauf an, ob der Leistungsempfänger im Verhältnis zur Stiftung und ihren Organen rechtlich eine Stellung innehat, die derjenigen eines Anteilseigners entspricht. Ausschlaggebend ist, ob die Stellung des Leistungsempfängers wirtschaftlich derjenigen eines Anteilseigners entspricht (BFH-Urteile vom 28.02.2018 ‑ VIII R 30/15, BFHE 261, 47, Rz 12; vom 03.11.2010 ‑ I R 98/09, BFHE 232, 22, BStBl II 2011, 417, Rz 15).
(2) Zwar hat der Senat entschieden, dass die Stellung des Empfängers einer Stiftungsleistung wirtschaftlich zumindest dann derjenigen eines Anteilseigners entspricht, wenn der Leistungsempfänger unmittelbar oder mittelbar Einfluss auf das Ausschüttungsverhalten der Stiftung nehmen kann (BFH-Urteil vom 28.02.2018 ‑ VIII R 30/15, BFHE 261, 47, Rz 12; so auch Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 07.05.2009 ‑ 5 K 277/06, Rz 33, EFG 2009, 1558; FG Münster, Urteil vom 16.01.2019 ‑ 9 K 1107/17 F, EFG 2019, 1010, Rz 23; FG Nürnberg, Urteil vom 21.02.2019 ‑ 6 K 719/18, EFG 2020, 1610, Rz 62; auch Schmidt/Levedag, EStG, 43. Aufl., § 20 Rz 131; Bleschick in Kirchhof/Seer, EStG, 23. Aufl., § 20 Rz 61; Jachmann-Michel in Lademann, EStG, § 20 EStG Rz 849; Jochum in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 20 Rz C/9 14; anderer Ansicht Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 27.06.2006, BStBl I 2006, 417; Fischer, Finanz-Rundschau 2017, 897, 901; Kutac, Internationales Steuerrecht 2021, 409, 413). Damit hat der Senat aber nur Umstände identifiziert, unter denen stets eine wirtschaftliche Vergleichbarkeit zu bejahen ist. Nicht beantwortet ist bislang die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen auch dann von einer wirtschaftlichen Vergleichbarkeit mit der Rechtsstellung eines Anteilseigners und einer Gewinnausschüttung ausgegangen werden kann, wenn die Rechtsstellung des Destinatärs hinter den so beschriebenen Rechten zurückbleibt (dies offenlassend auch BFH-Urteil vom 03.11.2010 ‑ I R 98/09, BFHE 232, 22, BStBl II 2011, 417, Rz 19).
(3) Die Entstehungsgeschichte des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG spricht dafür, die "wirtschaftliche Vergleichbarkeit" mit einer Gewinnausschüttung weit auszulegen und mit Blick auf Leistungen einer Stiftung dann zu bejahen, wenn der Leistungsempfänger zum Kreis der nach der Stiftungssatzung begünstigungsfähigen Personen gehört. Wie aus der Gesetzesbegründung (BTDrucks 14/2683, S. 114) ersichtlich, war dem Gesetzgeber bewusst, dass bei Stiftungen mangels einer kapitalmäßigen Beteiligung des Destinatärs grundsätzlich keine Ausschüttungen an Anteilseigner oder Mitglieder möglich sind. Zudem hat der Gesetzgeber Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG aus den unter § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 EStG fallenden Leistungen ausgenommen ("soweit"). Gleichwohl komme es, so die Gesetzesbegründung, auch bei diesen Körperschaften zu Vermögensübertragungen an die "hinter diesen Gesellschaften stehenden Personen". Diese Vermögensübertragungen könnten wirtschaftlich gesehen mit Gewinnausschüttungen vergleichbar sein.
Es ist zudem davon auszugehen, dass dem Gesetzgeber auch die weiteren strukturellen Unterschiede zwischen Kapitalgesellschaften und Stiftungen bekannt waren, er diesen Unterschieden aber keine der Besteuerung ihrer Leistungen als Kapitaleinkünfte entgegenstehende Bedeutung beigemessen hat (vgl. BFH-Urteil vom 03.11.2010 ‑ I R 98/09, BFHE 232, 22, BStBl II 2011, 417, Rz 14). Zu diesen strukturellen Unterschieden gehört insbesondere, dass Destinatären als den nach dem Stiftungszweck Begünstigten nach der gesetzlichen Konzeption des Bürgerlichen Gesetzbuchs weder Mitwirkungs- noch Vermögensrechte zustehen. Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über Stiftungen verleihen den Destinatären im Verhältnis zur Stiftung keine Rechtsposition im Sinne mitgliedschaftsähnlicher oder aufsichtsmäßiger Befugnisse, in deren Wahrnehmung sie auf die Verfolgung und Wahrung des Stiftungszwecks sowie die Verwaltung Einfluss nehmen könnten (Urteil des Bundesgerichtshofs ‑‑BGH‑‑ vom 15.12.2016 ‑ I ZR 63/15, BGHZ 213, 179, Rz 22). Destinatäre sind insbesondere keine Organe der Stiftung und haben auch keine mitgliedschaftsähnliche Stellung. Durch die Stiftungssatzung kann aber ein Organ vorgesehen werden, das mit Destinatären besetzt ist und welchem Mitbestimmungs- und/oder Kontrollrechte eingeräumt werden können (MüKoBGB/Weitemeyer, 9. Aufl., § 85 Rz 39; Staudinger/Hüttemann/Rawert (2017) BGB § 85 Rz 38). Auch Auskunftsrechte haben Destinatäre von Gesetzes wegen nicht, denn die Auskunfts- und Rechenschaftspflicht des Stiftungsvorstands besteht nicht gegenüber den Destinatären, sondern gegenüber der Stiftung (MüKoBGB/Weitemeyer, 9. Aufl., § 85 Rz 48; Staudinger/Hüttemann/Rawert (2017) BGB § 85 Rz 47). Destinatären stehen nach der gesetzlichen Typik der Stiftung auch keine Vermögensrechte gegenüber der Stiftung zu. Nur durch die Stiftungssatzung können den Destinatären Wertrechte zugebilligt werden, indem die Satzung ihnen Ansprüche auf die Stiftungsleistungen verschafft (MüKoBGB/Weitemeyer, 9. Aufl., § 85 Rz 40; Staudinger/Hüttemann/Rawert (2017) BGB § 85 Rz 38).
Gleichwohl hat der Gesetzgeber Stiftungsleistungen ausdrücklich in den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG einbezogen. Aus den Gesetzesmaterialien ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber gerade diejenigen Destinatäre, deren Rechtsstellung der beschriebenen gesetzlichen Typik entspricht, nicht von § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG erfasst wissen wollte und die Regelung nur für solche Destinatäre gelten sollte, denen durch die Stiftungssatzung weitere, "gesellschafterähnliche", Rechte eingeräumt wurden. Insbesondere kann dies nicht aus der untechnischen Formulierung "hinter diesen Gesellschaften stehenden Personen" (BTDrucks 14/2683, S. 114) abgeleitet werden.
(4) Auch der Gesetzeswortlaut des § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 Halbsatz 1 EStG stellt auf die wirtschaftliche Vergleichbarkeit mit einer Gewinnausschüttung ab, die nicht bereits unter § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG fällt und zielt damit für die Vergleichbarkeitsprüfung in erster Linie auf die Leistung und nicht den Leistungsempfänger ab.
(5) Für dieses Verständnis der wirtschaftlichen Vergleichbarkeit mit einer Gewinnausschüttung spricht schließlich der Gesetzeszweck des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG. Mit der im Zuge der Umstellung der Körperschaftsteuer vom Anrechnungsverfahren auf das Halb‑ beziehungsweise Teileinkünfteverfahren erfolgten Einführung des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG i.d.F. des Steuersenkungsgesetzes (StSenkG) vom 23.10.2000 (BGBl I 2000, 1433) wollte der Gesetzgeber Stiftungen/Destinatäre und Kapitalgesellschaften/Anteilseigner annähernd gleich belasten (BFH-Urteil vom 28.02.2018 ‑ VIII R 30/15, BFHE 261, 47, Rz 18). Die Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG i.d.F. des StSenkG enthielt den Zusatz, dass die Leistungen Gewinnausschüttungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG wirtschaftlich vergleichbar sein müssen, allerdings noch nicht. Dieser Zusatz wurde erst durch das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz (UntStFG) vom 20.12.2001 (BGBl I 2001, 3858) mit Wirkung zum 25.12.2001 (vgl. Art. 12 Abs. 1 UntStFG) ergänzt. Nach der Gesetzesbegründung sollte damit klargestellt werden, dass § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG die Verteilung des erwirtschafteten Überschusses erfassen und eine Leistung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG beispielsweise dann nicht vorliegen sollte, wenn ein nicht von der Körperschaftsteuer befreiter Verein in Erfüllung seiner allgemeinen satzungsmäßigen Aufgaben Leistungen an Mitglieder aufgrund von Beiträgen im Sinne von § 8 Abs. 5 KStG erbringt, die von den Mitgliedern lediglich in ihrer Eigenschaft als Mitglieder nach der Satzung zu entrichten sind. Diese Leistungen seien nicht mit einer Gewinnausschüttung vergleichbar, da sie allgemein mit den Mitgliedsbeiträgen abgegolten seien (BTDrucks 14/6882, S. 35).
Hieraus lässt sich schließen, dass solche Leistungen nicht von § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG erfasst sein sollen, denen im weitesten Sinne eine Gegenleistung des Leistungsempfängers gegenübersteht (vgl. auch BFH-Urteil vom 03.11.2010 ‑ I R 98/09, BFHE 232, 22, BStBl II 2011, 417, Rz 13). Weder der Gedanke der Belastungsgleichheit noch der Ausschluss von Leistungen aufgrund einer Gegenleistung erfordern es aber, besondere Anforderungen an die Mitwirkungs- und Vermögensrechte des Leistungsempfängers gegenüber der Stiftung als Leistender zu stellen. Vielmehr spricht der Gesichtspunkt der Belastungsgleichheit dafür, jeden Leistungsempfänger, der zum Kreis der nach der Stiftungssatzung potentiell anspruchsberechtigten Personen gehört, in den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG einzubeziehen. Sind in der Satzung Destinatäre bestimmt, ist es in einer mit einer Handelsgesellschaft vergleichbaren Weise Zweck einer Stiftung, ihr Vermögen beziehungsweise die Erträge hieraus unmittelbar oder mittelbar den Begünstigten zuzuwenden (BGH-Urteil vom 08.09.2016 ‑ III ZR 7/15, Herausgebergemeinschaft Wertpapier-Mitteilungen 2016, 1943, Rz 14). Ähnlich einem Gesellschafter, der die Früchte aus dem hingegebenen Kapital erhält, sind die nach der Stiftungssatzung potentiell anspruchsberechtigten Personen Begünstigte der Früchte aus dem einst hingegebenen Stiftungskapital (vgl. BFH-Urteil vom 03.11.2010 ‑ I R 98/09, BFHE 232, 22, BStBl II 2011, 417, Rz 17).
(6) Das FG hat danach die streitige Auskehrung zu Recht als eine einer Gewinnausschüttung wirtschaftlich vergleichbaren Leistung eingeordnet.
Nach den Feststellungen des FG erfüllte der Kläger in seiner Person die Voraussetzungen, die in der Stiftungsurkunde der B‑Stiftung für einen Leistungsbezug aufgestellt wurden und er gehörte zum Kreis der begünstigungsfähigen Personen. Weitergehender Mitwirkungsrechte oder Einflussmöglichkeiten des Klägers auf die Verwendung der Stiftungserträge bedurfte es für die wirtschaftliche Vergleichbarkeit mit einer Gewinnausschüttung nicht.
Eine Gegenleistung hat der Kläger nicht erbracht. Nach den Feststellungen des FG war insbesondere der Vortrag, den der Kläger im Rahmen seines Vorstellungstermins bei der B‑Stiftung gehalten hat, nicht als Gegenleistung anzusehen.
Der Umstand, dass der Stiftungsrat der B‑Stiftung nach den Feststellungen des FG nach seinem Ermessen darüber entscheiden konnte, ob eine Zuwendung erfolgte sowie über den Empfänger, die Höhe und den Zeitpunkt der auszurichtenden Unterstützungsleistung, spricht nicht gegen die wirtschaftliche Vergleichbarkeit der Leistung mit einer Auskehrung aus einer inländischen Stiftung. Die Rechtsstellung des Klägers entspricht insofern der gesetzlichen Typik der Rechtsstellung eines Destinatärs nach inländischem Zivilrecht, nach der den Destinatären keine Wertrechte in Form von Ansprüchen auf Stiftungsleistungen zustehen.
ccc) Die Leistung der B‑Stiftung stellte sich auch als Verteilung des erwirtschafteten Überschusses der B‑Stiftung dar. Sie stammte nach den Feststellungen des FG ausschließlich aus Erträgen des Stiftungsvermögens.
Die Leistung der B‑Stiftung ist dabei auch insoweit einer Gewinnausschüttung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG wirtschaftlich vergleichbar, als sie … X‑Aktien auf den Kläger übertragen hat. Zu den steuerbaren Kapitalerträgen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG können auch Sachleistungen gehören. Zwar verwendet § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG den Begriff "Gewinnausschüttungen". Daraus ist aber nicht zu schließen, dass nur Leistungen, die Gewinnanteilen (Dividenden) in Form von Geldzahlungen wirtschaftlich vergleichbar sind, erfasst sein sollen. § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG verweist insgesamt auf § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Zu den Einkünften gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG gehören Gewinnanteile (Dividenden) ebenso wie sonstige Bezüge aus Aktien. Auch Sachausschüttungen in Form der Übertragung von Aktien können steuerbare Kapitalerträge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG sein (vgl. BFH-Urteil vom 01.07.2021 ‑ VIII R 9/19, BFHE 273, 306, BStBl II 2022, 359, Rz 10 f.).
2. Die vom Kläger erhobene Verfahrensrüge hat keinen Erfolg. Der vom Kläger gerügte Verfahrensmangel eines Verstoßes gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes ‑‑GG‑‑, § 96 Abs. 2 FGO) liegt nicht vor.
a) Der Kläger macht geltend, das FG habe seinen Vortrag in den Schriftsätzen vom 05.07.2021 und vom 05.08.2021 nicht berücksichtigt. Mit Schriftsatz vom 05.07.2021 habe er auf das Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 05.11.2020 ‑ 2 K 2243/17 hingewiesen. In diesem Urteil habe sich das FG Berlin-Brandenburg der Auffassung angeschlossen, wonach der Destinatär Einfluss auf das Ausschüttungsverhalten der Stiftung haben müsse. Mit Schriftsatz vom 05.08.2021 habe er auf die seines Erachtens verfassungswidrig extensive Auslegung des Tatbestandsmerkmals "einer Gewinnausschüttung wirtschaftlich vergleichbar" hingewiesen. Auch damit habe sich das FG nicht auseinandergesetzt.
b) Der Anspruch auf rechtliches Gehör im Sinne von Art. 103 Abs. 1 GG und § 96 Abs. 2 FGO verpflichtet das Gericht unter anderem, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen, sie in Erwägung zu ziehen und sich mit dem entscheidungserheblichen Kern des Vorbringens auseinanderzusetzen (BFH-Beschluss vom 14.02.2024 ‑ VIII B 108/22, BFH/NV 2024, 524, Rz 4). Das Gericht ist aber nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist erst verletzt, wenn das Gericht Sachverhalt und Sachvortrag, auf den es ankommen kann, nicht nur nicht ausdrücklich bescheidet, sondern bei seiner Entscheidung überhaupt nicht berücksichtigt (BFH-Beschluss vom 13.03.2024 ‑ VIII B 10/23, BFH/NV 2024, 539, Rz 19).
c) Daran gemessen hat das FG den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Das FG hat sich in den Entscheidungsgründen mit der Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg vom 05.11.2020 ‑ 2 K 2243/17 auseinandergesetzt und die Rechtsauffassung des Klägers zu einer verfassungswidrigen Überdehnung des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG im Sachverhalt wiedergegeben. Im Übrigen hat das FG sich in den Entscheidungsgründen ausführlich mit der Auslegung des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG und den hierzu in Rechtsprechung, Verwaltung und Schrifttum vertretenen Auffassungen auseinandergesetzt. Das FG musste dabei nicht auf jedes Vorbringen des Klägers im Einzelnen eingehen.
3. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 121 i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
III. Der Antrag des Klägers vom 13.09.2021, das Urteil des FG im Wege der Berichtigung nach § 107 Abs. 1 FGO anders zu fassen, wird abgelehnt.
1. Nach § 107 Abs. 1, § 121 Satz 1 FGO sind Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten vom Gericht zu berichtigen. Die Berichtigung ist nicht antrags- oder fristgebunden. Dem Antrag muss ein Rechtsschutzbedürfnis zugrunde liegen (BFH-Urteil vom 30.03.2017 ‑ IV R 9/15, BFHE 258, 44, BStBl II 2017, 896, Rz 32, m.w.N.). Ist ‑‑wie im Streitfall‑‑ gegen die Entscheidung Revision eingelegt worden, ist der BFH als Revisionsgericht für die Entscheidung über den Berichtigungsantrag zuständig (BFH-Urteil vom 25.05.2023 ‑ IV R 33/19, BFHE 280, 320, BStBl II 2023, 927, Rz 27).
2. Soweit der Kläger (der Sache nach zu Recht) geltend macht, das FG habe die zitierten Passagen der Stiftungsurkunde im Urteil teilweise unzutreffend wiedergegeben, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für eine Sachentscheidung über den Berichtigungsantrag. Das FG hat den Inhalt der Stiftungsurkunde der B‑Stiftung, wenn auch nicht wörtlich, so doch inhaltlich zutreffend wiedergegeben. Der genaue Wortlaut ist nicht entscheidungserheblich.
Die vom Kläger als unrichtig gerügte Formulierung des FG im Urteilstatbestand, "Mit Schreiben des Stiftungsrates der B‑Stiftung vom 18. Mai 2017 erhielt der Kläger eine einmalige Geldunterstützung", ist zwar sprachlich ungenau, führt aber nicht zu einer offenbaren Unrichtigkeit des Urteilstatbestands.
3. Das Berichtigungsverfahren ist gerichtskostenfrei (BFH-Urteil vom 25.05.2023 ‑ IV R 33/19, BFHE 280, 320, BStBl II 2023, 927, Rz 28).
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