BFH: Private Veräußerungsgeschäfte, Nutzung zu eigenen Wohnzwecken bei Abtrennung und Veräußerung eines unbebauten Teils des Wohngrundstücks
- Zwischen dem angeschafften bebauten Grundstück und dem veräußerten, durch Teilung entstandenen unbebauten (Teil‑)Grundstück besteht wirtschaftliche (Teil‑)Identität.
- Die Tatbestandsausnahme in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes erstreckt sich nicht nur auf das zu eigenen Wohnzwecken genutzte Gebäude, sondern auch auf den dazugehörenden Grund und Boden, sofern ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang zwischen dem Gebäude und dem Grundstück besteht.
- Ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang zwischen dem zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäude und dem dazugehörenden Grund und Boden entfällt, soweit von dem bisher ungeteilten Wohngrundstück ein (unbebauter) Teil abgetrennt wird. Die beiden dadurch entstandenen Grundstücke sind in Bezug auf ihre "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" jeweils getrennt zu betrachten.
EStG § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 und Satz 3
BFH-Urteil vom 26.9.2023, IX R 14/22 (veröffentlicht am 25.1.2024)
Vorinstanz: Niedersächsisches FG vom 20.7.2022, 4 K 88/21 = SIS 23 03 33
I. Streitig ist die Steuerbarkeit des Gewinns aus der Veräußerung einer vom eigenen Wohngrundstück abgetrennten unbebauten Teilfläche.
Die im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarben mit notariell beurkundetem Vertrag vom xx.xx.2014 je zur Hälfte das im Ortsteil von A‑Stadt gelegene Grundstück … (Gemarkung … Flur …, Flurstück 10; Größe 3 863 m2) zum Kaufpreis von 123.000 €. Das Grundstück ist mit einem Wohnhaus bebaut, das die Kläger seit 2015 bewohnen; die Außenflächen nutzten sie als Garten.
In zeitlichem Zusammenhang mit Verkaufsgesprächen veranlassten die Kläger die Teilung ihres Grundstücks. Im Mai 2019 entstanden aus dem Flurstück 10 die Flurstücke 10/1 und 10/2. Das Flurstück 10/2 ist 1 000 m2 groß und erhielt die Hausnummer … Es liegt vom Wohnhaus der Kläger betrachtet als Streifen am Ende des insgesamt rechteckig geschnittenen Grundstücks. Das Flurstück 10/1 umfasst das bestehende Wohngebäude und die restlichen Freiflächen. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom xx.xx.2019 veräußerten die Kläger das Flurstück 10/2 für 90.000 €.
In ihrer Einkommensteuererklärung für 2019 machten die Kläger dazu keine Angaben. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) erfasste mit Einkommensteuerbescheid vom 12.01.2021 einen Gewinn aus der Grundstücksveräußerung von 66.400 € (Veräußerungserlös 90.000 € ./. anteilige Anschaffungskosten 23.600 €; Bodenrichtwert 23,60 €/m2 x Fläche 1 000 m2), den es den Klägern jeweils zur Hälfte als privates Veräußerungsgeschäft gemäß § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zurechnete.
Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 30.03.2021). Am 12.07.2022, während des Klageverfahrens, änderte das FA den angefochtenen Bescheid nach § 10d Abs. 1 Satz 3 EStG und berücksichtigte erstmals einen Verlustrücktrag aus 2020.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage teilweise stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 20.07.2022, Entscheidungen der Finanzgerichte 2023, 494). Es berücksichtigte einen Veräußerungsgewinn von 58.160 €.
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Die Veräußerung des Flurstücks 10/2 erfülle schon mangels Nämlichkeit nicht den Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts. Jedenfalls sei die Veräußerung wegen der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken nicht steuerbar.
Die Kläger beantragen,
das angefochtene Urteil aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 2019 vom 12.07.2022 die Einkommensteuer auf den Betrag herabzusetzen, der sich ohne Ansatz von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften ergibt.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Zu Recht hat das FG sonstige Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft wegen der Veräußerung des Flurstücks 10/2 bejaht (dazu unter 1.), die nicht von der Besteuerung ausgenommen sind (dazu unter 2.).
1. Aus der Veräußerung des Flurstücks 10/2 sind den Klägern dem Grunde nach sonstige Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft nach § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 EStG entstanden.
a) Sonstige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften sind unter anderem nach § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (zum Beispiel Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht), bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt.
b) Nach dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck des § 23 EStG sollen innerhalb der Veräußerungsfrist realisierte Wertänderungen eines bestimmten Wirtschaftsguts im Privatvermögen des Steuerpflichtigen der Einkommensteuer unterworfen werden. Daraus ergibt sich das Erfordernis der Nämlichkeit von angeschafftem und innerhalb der Haltefristen veräußertem Wirtschaftsgut, wobei Nämlichkeit Identität im wirtschaftlichen Sinn bedeutet. Wirtschaftliche Teilidentität ist grundsätzlich ausreichend, begründet ein privates Veräußerungsgeschäft aber nur für diesen Teil des betreffenden Wirtschaftsguts. Ob und in welchem Umfang Nämlichkeit gegeben ist oder ein anderes Wirtschaftsgut ("aliud") vorliegt, richtet sich nach einem wertenden Vergleich von angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls. Maßgebliche Kriterien sind die Gleichartigkeit, Funktionsgleichheit und Gleichwertigkeit von angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut (Senatsurteile vom 08.11.2017 ‑ IX R 25/15, BFHE 260, 202, BStBl II 2018, 518, Rz 17 und vom 12.06.2013 ‑ IX R 31/12, BFHE 241, 557, BStBl II 2013, 1011, Rz 13 f., m.w.N.).
c) Wird ein Wirtschaftsgut angeschafft, aber (nach entsprechender Teilung) nur zum Teil veräußert, kommt wirtschaftliche Teilidentität in Betracht. Die Aufteilung des Wirtschaftsguts kann bewirken, dass die Teile eine andere Marktgängigkeit erhalten. Die wirtschaftliche Identität des aufgeteilten Wirtschaftsguts bleibt jedoch in den Teilen erhalten, wenn die Teilung ohne aufwendige technische Maßnahmen durchgeführt werden kann und sich die Marktgängigkeit des bisherigen Wirtschaftsguts in den Teilen fortsetzt. Das ist allgemein für Wirtschaftsgüter anzunehmen, die durch bloßen Rechtsakt, gegebenenfalls verbunden mit einer Vermessung, geteilt werden und weiterhin verkehrsfähig bleiben. Beispiele hierfür sind außer der Aufteilung eines unbebauten Grundstücks in Teilflächen auch die Aufteilung eines Wohngrundstücks in Eigentumswohnungen oder die Teilung eines GmbH-Geschäftsanteils (BFH-Urteil vom 19.07.1983 ‑ VIII R 161/82, BFHE 139, 251, BStBl II 1984, 26).
d) Nach diesen Maßstäben hat das FG zutreffend sonstige Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft wegen der Veräußerung des Flurstücks 10/2 angenommen. Zwischen dem im Jahr 2014 angeschafften Flurstück 10 und dem im Streitjahr veräußerten Flurstück 10/2 besteht wirtschaftliche Teilidentität. Bei dem Flurstück 10/2 handelt es sich um eine unbebaute Teilfläche des ursprünglichen Flurstücks 10 und nicht um ein qualitativ anderes Wirtschaftsgut. Die aus der Teilung des Flurstücks 10 hervorgegangenen Flurstücke sind zwar unterschiedlich groß, unterscheiden sich aber ansonsten in ihrer Art, Funktion und Wertigkeit nicht voneinander.
Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem klägerischen Vortrag, dass im Zuge der Teilung Vermessungsarbeiten sowie Arbeiten an der Umfriedung erforderlich geworden seien. Diese Arbeiten prägen das neu entstandene Flurstück nicht. Die Vermessung ist notwendige Voraussetzung für die Teilung; die Einfriedungsarbeiten waren erforderlich, um das abgeteilte Flurstück 10/2 verkehrsfähig zu machen. Entsprechendes gilt für etwaige noch von den Klägern erbrachte Abriss- und Abholzungsmaßnahmen auf dem abgeteilten Grundstück. Auch sie führen nicht zur Annahme eines anderen Wirtschaftsguts.
2. Der Veräußerungsgewinn ist nicht wegen eigener Wohnnutzung von der Besteuerung ausgenommen.
a) Ausgenommen sind nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden.
aa) Die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken setzt voraus, dass das Wirtschaftsgut vom Steuerpflichtigen selbst tatsächlich und auf Dauer angelegt bewohnt wird (Senatsurteil vom 25.05.2011 ‑ IX R 48/10, BFHE 234, 72, BStBl II 2011, 868, Rz 12 sowie Senatsbeschluss vom 28.05.2002 ‑ IX B 208/01, BFH/NV 2002, 1284, unter II.2.a, m.w.N.). Ertragsteuerlich bilden das Wohngebäude und der dazugehörende Grund und Boden unterschiedliche Wirtschaftsgüter. Begrifflich kann nur das Wohngebäude zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden. Gleichwohl erstreckt sich die Ausnahme auch auf den Grund und Boden, auf dem das Wohngebäude steht, soweit ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang zwischen der Nutzung des Gebäudes zu eigenen Wohnzwecken und der Nutzung des Grundstücks (zum Beispiel als Garten) besteht (vgl. Senatsurteil vom 25.05.2011 ‑ IX R 48/10, BFHE 234, 72, BStBl II 2011, 868, Rz 13 ff., m.w.N.).
bb) Dieser Zusammenhang muss grundsätzlich im Zeitpunkt der Veräußerung noch vorliegen. Die in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG umschriebenen zeitlichen Voraussetzungen (vgl. dazu Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz 131) beziehen sich auf das unmittelbar zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wirtschaftsgut (Senatsurteil vom 25.05.2011 ‑ IX R 48/10, BFHE 234, 72, BStBl II 2011, 868, Rz 17; zustimmend Bode, Finanz-Rundschau 2012, 89, 91).
cc) Ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang zwischen dem zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäude und dem dazugehörenden Grundstück entfällt, soweit von dem bisher ungeteilten Wohngrundstück ein (unbebauter) Teil abgetrennt wird. Davon ist das FG zu Recht ausgegangen. Für das neu entstandene unbebaute Grundstück bewirkt die Teilung in Bezug auf die Annahme eines einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhangs eine Zäsur. Auf die frühere Nutzung der ungeteilten Grundstücksfläche kommt es insoweit nicht mehr an. Mit der Teilung entstehen aus dem bis dahin einheitlichen Wirtschaftsgut Grund und Boden zwei neue Wirtschaftsgüter (Grundstücke), deren "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" jeweils getrennt zu betrachten ist.
Dafür spricht auch, dass der Zweck des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG, die berufliche Mobilität nicht zu behindern, nicht erfüllt ist, wenn die Wohnnutzung auf dem verbleibenden Grundstück fortgesetzt wird. Demgegenüber können die Kläger mit dem Einwand nicht durchdringen, sie hätten das ungeteilte Grundstück steuerfrei veräußern können. Unabhängig davon, ob die Annahme zutrifft, ist dieser Sachverhalt nicht verwirklicht. Aber selbst wenn die Annahme zuträfe, ergibt sich daraus nicht, dass auch eine abgetrennte Teilfläche stets steuerfrei veräußert werden kann.
Auch aus dem BFH-Urteil vom 10.08.1972 ‑ VIII R 80/69 (BFHE 107, 199, BStBl II 1973, 10) ergibt sich nichts anderes. Insbesondere ist danach nicht stets ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang zwischen einer Wohnung und der gesamten Grundstücksfläche anzunehmen. Die Entscheidung enthält keinen derartigen Rechtssatz. Vielmehr rechnet der VIII. Senat Hof‑, Garten- und Parkanlagen wegen der Besteuerung des Nutzungswerts nach § 21 Abs. 2 EStG a.F. zur Wohnung, soweit diese in einem räumlichen Zusammenhang mit dem Haus stehen, sodass hierdurch die Annehmlichkeit des Wohnens erhöht wird (BFH-Urteil vom 10.08.1972 ‑ VIII R 80/69, BFHE 107, 199, BStBl II 1973, 10).
dd) Wird von dem bisherigen Wohngrundstück eine unbebaute Teilfläche abgeteilt, kommt eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken insofern nicht in Betracht. Ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit dem (weiterhin) zu eigenen Wohnzwecken genutzten bebauten anderen Grundstück ist trotz der Teilung jedoch nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, unter welchen Voraussetzungen der Zusammenhang bejaht werden könnte. Denn jedenfalls dann, wenn die Teilfläche ‑‑wie hier‑‑ zum Zwecke der Veräußerung und Bebauung durch den Erwerber abgetrennt, veräußert und zielgerichtet für die Übergabe vorbereitet wird, ist ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang zwischen dem weiterhin zu eigenen Wohnzwecken genutzten Grundstück und dem zu veräußernden Grundstück nicht (mehr) anzunehmen.
Darin liegt keine Ungleichbehandlung bei der Veräußerung geteilter und ungeteilter Grundstücke. Abgesehen davon, dass ein Teil eines Grundstücks ohne vorherige Teilung nicht verkehrsfähig wäre, schließt die Teilung des Grundstücks die Anwendung von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG nicht generell aus, sondern erst der fehlende einheitliche Nutzungs- und Funktionszusammenhang zwischen den durch die Teilung entstandenen Grundstücken.
b) Nach diesen Maßstäben hat das FG zu Recht eine Nutzung des Flurstücks 10/2 "zu eigenen Wohnzwecken" bis zur Veräußerung verneint. Von vornherein unerheblich ist, wie die Kläger das ungeteilte Flurstück 10 genutzt haben. Auch wenn die Kläger das Flurstück 10/2 bis zur Übergabe noch als Garten genutzt haben sollten, ist ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit dem Wohngrundstück 10/1 nicht mehr anzunehmen. Dieser wird überlagert und verdrängt durch die mit der Grundstücksteilung dokumentierte Veräußerungsabsicht und die Aktivitäten der Kläger, die der Veräußerung des Flurstücks 10/2 dienten.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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