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BFH: Kindergeldanspruch für ein volljähriges behindertes Kind; Pflegegeld; Unterhaltsanspruch gegenüber dem Ehegatten des behinderten Kindes

  1. Das für ein behindertes Kind gezahlte Pflegegeld ist bei den dem Kind zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln als Bezug zu berücksichtigen.
  2. Bei der Prüfung, ob dem behinderten Kind gegenüber seinem Ehegatten ein Unterhaltsanspruch zusteht, mindern die vom Ehegatten auf sein Einkommen geleisteten Steuern (Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer) und So­zialversicherungsbeiträge das diesem zur Unterhaltsleistung zur Verfügung stehende Einkommen.
  3. Der vom Ehegatten des behinderten Kindes an ein (gemeinsames oder nicht gemeinsames) minderjähriges Kind geleistete Unterhalt mindert die diesem für den Ehegattenunterhalt zur Verfügung stehenden Mittel.

EStG § 63 Abs. 1 Satz 2, § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3
BGB § 1360, § 1360a, § 1361, §§ 1569 ff., § 1609, § 1612b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1

BFH-Urteil vom 20.10.2022, III R 13/21 (veröffentlicht am 9.3.2023)

Vorinstanz: FG Nürnberg vom 25.2.2021, 4 K 392/19

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Mutter einer im März 1987 geborenen Tochter (T), deren Schwerbehindertenausweis einen Grad der Be­hinderung von 70 und das Merkzeichen G aufweist. T war im Streitzeitraum ‑‑November 2018 bis Februar 2019‑‑ verheiratet und hatte mit ihrem Ehe­mann einen im Jahr 2017 geborenen Sohn (E), den Enkel der Klägerin. Der Ehemann ist zudem Vater eines weiteren Kindes aus einer früheren Beziehung (X), für das er Unterhalt in Höhe von monatlich 305 € zahlt.

Die Klägerin erhielt aufgrund eines Bescheides vom 28.01.2014 laufend Kin­dergeld. Nach dem Eingang angeforderter Belege über die finanzielle Situation der Familie der T hob die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) die Festsetzung des Kindergeldes ab November 2018 gemäß § 70 Abs. 2 des Ein­kommensteuergesetzes (EStG) auf und wies den Einspruch der Klägerin mit Einspruchsentscheidung vom 21.02.2019 als unbegründet zurück.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ermittelte durch Addition des anteiligen Grundfreibetrages sowie des von T bezogenen Pflegegeldes in Höhe von monatlich 316 € einen Bedarf der T für November und Dezember 2018 in Höhe von 1.066 € und für die Monate Januar und Februar 2019 in Hö­he von 1.080 €.

Einkünfte und Bezüge der T setzte das FG wie folgt an:

  November
2018
 
Dezember
2018
 
Januar
2019
 
Februar
2019
 
Elterngeld 150 €
150 € 150 € 150 €
Familiengeld 250 €
250 € 250 € 250 €
Pflegegeld 316 €
316 € 316 € 316 €
- Kostenpauschale - 15 €
- 15 € - 15 € - 15 €
Ehegattenunterhalt 783 €
650 € 392 € 392 €
Summe 1.486 € 1.351 € 1.093 € 1.093 €

Die von der Familienkasse ermittelten Einkünfte und Bezüge der T lagen somit im November 2018 um 420 €, im Dezember 2018 um 285 € und im Januar und Februar 2019 um jeweils 13 € über dem ‑‑unstreitigen‑‑ Bedarf.

Bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts zog das FG die Lohnsteuer, den Solidaritätszuschlag und die Kirchensteuer vom Einkommen des Ehemannes der T ab und wies darauf hin, dass der Bundesfinanzhof (BFH) die Frage, ob bei dieser Berechnung das Einkommen des Ehemannes um die abgeführten Beträge zu mindern ist, zuletzt offengelassen habe (Senatsurteil vom 23.11.2011 ‑ III R 76/09, BFHE 236, 79, BStBl II 2012, 413, Rz 13). Die vom Arbeitgeber des Ehemannes gewährten vermögenswirksamen Leistungen in Höhe von monatlich 26,59 € wurden einkommenserhöhend und die im November 2018 bezogene Jahressonderzahlung sowie das Urlaubsgeld jeweils anteilig mit ei­nem Zwölftel im Monat des Zuflusses und den nachfolgenden elf Monaten be­rücksichtigt. Im Gleichklang damit zog das FG auch die darauf entfallenden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge mit jeweils einem Zwölftel im Monat der Zahlung und den nachfolgenden elf Monaten ab. Unterhaltsleistungen an E und an X zog das FG nicht ab, weil es anderenfalls im Sinne des Senatsurteils vom 09.02.2012 ‑ III R 73/09 (BFHE 236, 407, BStBl II 2012, 463) zu einer doppelten Berücksichtigung des Bedarfs des Kindeskindes käme.

Zur Begründung ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Bundesrechts.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das FG-Urteil sowie den Bescheid vom 28.11.2018 in Gestalt der Einspruchs­entscheidung vom 21.02.2019 aufzuheben und die Familienkasse zu verpflich­ten, Kindergeld für die Monate November 2018 bis Februar 2019 zugunsten der Klägerin festzusetzen.

Die Familienkasse beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet, soweit sie das Kindergeld für die Monate Januar und Februar 2019 betrifft; insoweit wird die Familienkasse verpflichtet, Kin­dergeld festzusetzen. Im Übrigen, also hinsichtlich der Monate November und Dezember 2018, wird sie als unbegründet zurückgewiesen.

1. Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG besteht für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, ein An­spruch auf Kindergeld, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, und die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist, sofern nicht aufgrund der Übergangsregelung des § 52 Abs. 40 Satz 5 EStG i.d.F. des Steueränderungs­gesetzes 2007 vom 19.07.2006 (BGBl I 2006, 1652), inzwischen § 52 Abs. 32 Satz 1 EStG, weiterhin die vorher geltende Altersgrenze (Vollendung des 27. Lebensjahres) maßgeblich ist.

Das Tatbestandsmerkmal "außerstande [...] , sich selbst zu unterhalten" wird im Gesetz nicht näher umschrieben. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist ein behindertes Kind dann außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann (z.B. BFH-Urteil vom 15.10.1999 ‑ VI R 183/97, BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 1.b; Se­natsurteile vom 05.02.2015 ‑ III R 31/13, BFHE 249, 144, BStBl II 2015, 1017, Rz 13, und vom 13.04.2016 ‑ III R 28/15, BFHE 253, 249, BStBl II 2016, 648, Rz 10, m.w.N.). Die Fähigkeit zum Selbstunterhalt ist dabei an­hand eines Vergleichs zweier Bezugsgrößen zu prüfen, nämlich des aus dem Grundbedarf und dem behinderungsbedingten Mehrbedarf bestehenden ge­samten existenziellen Lebensbedarfs des Kindes einerseits und seiner finanzi­ellen Mittel andererseits (z.B. Senatsurteile in BFHE 253, 249, BStBl II 2016, 648, Rz 10; vom 19.01.2017 ‑ III R 44/14, BFH/NV 2017, 735, Rz 29, und vom 27.11.2019 ‑ III R 28/17, BFHE 268, 13, BStBl II 2021, 807, Rz 16). Die­se Prüfung hat für jeden Monat gesondert zu erfolgen (ständige Rechtspre­chung, z.B. Senatsurteil vom 11.04.2013 ‑ III R 35/11, BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037).

Der behinderungsbedingte Mehrbedarf umfasst Aufwendungen, die gesunde Kinder nicht haben. Dazu gehören alle mit einer Behinderung zusammenhän­genden außergewöhnlichen Belastungen, insbesondere solche für Hilfen bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des tägli­chen Lebens (Senatsurteil in BFHE 268, 13, BStBl II 2021, 807, Rz 19). Diese können einzeln nachgewiesen oder mit dem maßgeblichen Pauschbetrag (§ 33b Abs. 1 bis 3 EStG) angesetzt werden. Wird Pflegegeld gezahlt, welches den Behinderten-Pauschbetrag übersteigt, so ist zu vermuten, dass mindes­tens ein Mehrbedarf in Höhe des gezahlten Pflegegeldes besteht (Senatsurteil vom 27.10.2021 ‑ III R 19/19, BFHE 275, 44, BStBl II 2022, 469, Rz 16). Da im Streitfall das Pflegegeld in Höhe von monatlich 316 € den anteiligen monat­lichen Pauschbetrag für Menschen mit Behinderungen in Höhe von 74,17 € übersteigt, ist es vom FG zu Recht als Mehrbedarf angesetzt worden.

2. Das FG hat das Pflegegeld zutreffend bei den T zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln als Bezug berücksichtigt.

a) Bezüge sind alle Zuflüsse in Geld oder Naturalleistungen, die nicht im Rah­men der einkommensteuerrechtlichen Einkünfteermittlung erfasst werden (zu­letzt Senatsurteil in BFHE 275, 44, BStBl II 2022, 469, Rz 17, m.w.N.). Sozial­leistungen, mit deren Hilfe das Kind seinen existenziellen Grundbedarf oder behinderungsbedingten Mehrbedarf decken kann, sind zu berücksichtigen, so­weit das Kind nicht vom Sozialleistungsträger zu einem Kostenbeitrag heran­gezogen wird. Dies gilt auch für nachrangige Sozialleistungen, soweit der So­zialleistungsträger nicht bei den Eltern Regress nimmt (Senatsurteil in BFHE 268, 13, BStBl II 2021, 807, Rz 23 und 24, m.w.N., betreffend Eingliede­rungshilfeleistungen nach §§ 53 ff. des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und Hilfe zum Lebensunterhalt).

b) Bezüge, die nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts des Kindes be­stimmt oder geeignet sind, werden allerdings nicht als dem Kind zur Verfü­gung stehende Mittel berücksichtigt. Schmerzensgeld nimmt ‑‑unabhängig davon, ob es in einem Einmalbetrag oder in Rentenform gezahlt wird‑‑ eine Sonderstellung innerhalb der sonstigen Einkommens- und Vermögensarten ein, da es einen Ausgleich für Schäden und Lebenshemmungen nicht vermö­gensrechtlicher Art bieten und zugleich Genugtuung verschaffen soll. Wegen dieser Sonderfunktion, immaterielle Beeinträchtigungen zu mildern oder auszugleichen, ist eine Schmerzensgeldrente nicht als Bezug des Kindes zu berücksichtigen (Senatsurteil in BFHE 253, 249, BStBl II 2016, 648, Rz 16 ff.).

Pflegegeld kommt dagegen ‑‑wie auch dem Blindengeld und anderen Sozial­leistungen, die besonderen Bedarf abdecken sollen‑‑ eine derartige besondere Funktion nicht zu. Es ist daher als ein für den Unterhalt geeigneter Bezug an­zusetzen. Die Berücksichtigung derartiger Sozialleistungen als Bezüge ist auch sachgerecht. Denn bei volljährigen behinderten Kindern wird hinsichtlich der Frage der Unfähigkeit zum Selbstunterhalt immer an die tatsächlich verwirk­lichten Verhältnisse und somit an die tatsächlich gezahlten Sozialleistungen angeknüpft (Senatsurteil in BFHE 275, 44, BStBl II 2022, 469, Rz 18); die ma­terielle Lage eines Kindes, dessen behinderungsbedingter Mehrbedarf durch eine Leistung wie das Pflegegeld abgedeckt wird, ist günstiger als die eines Kindes mit einem Mehrbedarf in gleicher Höhe, das diese Leistung nicht erhält. Infolge des Pflegegeldes ist T mithin in geringerem Maße auf Mittel der Kläge­rin angewiesen.

3. Bei der Ermittlung der Unterhaltsleistungen, die T von ihrem Ehemann be­zogen hat, hat das FG dessen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zu Recht abgezogen.

a) Zu den dem behinderten Kind zur Verfügung stehenden eigenen finanziellen Mitteln gehören auch Leistungen Dritter, soweit diese zur Bestreitung des Le­bensunterhalts bestimmt und geeignet sind (z.B. Senatsurteile in BFHE 253, 249, BStBl II 2016, 648, Rz 17, und vom 09.02.2012 ‑ III R 53/10, BFHE 236, 417, BStBl II 2014, 391, Rz 11). Dabei kommt es nicht darauf an, ob sie auf­grund einer tatsächlich bestehenden zivilrechtlichen Verpflichtung (z.B. § 1615 des Bürgerlichen Gesetzbuches ‑‑BGB‑‑), einer vermeintlichen Verpflichtung oder freiwillig erbracht werden (z.B. Senatsurteile vom 11.04.2013 ‑ III R 24/12, BFHE 241, 255, BStBl II 2013, 866, und vom 12.09.2013 ‑ III R 55/12, BFH/NV 2014, 36, Rz 12, betreffend Unterhaltsleistungen des Kindsvaters als Bezüge).

b) Unter den Begriff der Bezüge sind daher auch Unterhaltsleistungen des ver­heirateten oder geschiedenen Ehegatten (§ 1360, § 1360a, § 1361, §§ 1569 ff. BGB) zu fassen. Diese können bei Ehepartnern, die in einem ge­meinsamen Haushalt leben, regelmäßig nur geschätzt werden. Dabei ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:

  • Bei einer kinderlosen Ehe fließt nach der Lebenserfahrung dem nicht ver­dienenden Ehepartner etwa die Hälfte des gemeinsamen verfügbaren Net­toeinkommens in Form von Geld- und Sachleistungen als Unterhalt zu, sofern dem unterhaltsverpflichteten Ehepartner ein verfügbares Einkom­men in Höhe des steuerlichen Existenzminimums verbleibt (Senatsurteile in BFHE 236, 79, BStBl II 2012, 413, Rz 10, und in BFHE 241, 255, BStBl II 2013, 866, Rz 15; BFH-Urteil vom 25.02.2015 ‑ XI R 14/13, BFH/NV 2015, 836, Rz 17).
  • Verfügt das Kind auch über eigene Mittel, so ist zu unterstellen, dass sich die Eheleute ihr gemeinsames verfügbares Einkommen teilen. Haben die Ehegatten eigene Kinder, so werden die Einkünfte desjenigen Ehegatten, für den Kindergeld begehrt wird, durch dessen Unterhaltsleistungen an sein eigenes Kind grundsätzlich nicht gemindert (Senatsurteil in BFHE 236, 407, BStBl II 2012, 463, Rz 18 ff.).

Soweit nach der oben dargestellten Rechtsprechung des Senats eine Halbtei­lung der verfügbaren Mittel durch die in intakter Ehe zusammenlebenden Partner anzunehmen ist, wird zugunsten des erwerbstätigen Ehegatten kein Erwerbstätigenbonus abgezogen (ebenso Niedersächsisches FG, Urteil vom 03.09.2020 ‑ 1 K 129/17 = SIS 20 16 22, juris, Rz 46; a.A. FG Münster, Urteil vom 21.02.2013 ‑ 13 K 1968/11 Kg, Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 790).

Reichen die so verteilten Einkünfte und Bezüge des Ehepartners ‑‑allein oder zusammen mit Einkünften und Bezügen des behinderten Kindes‑‑ für den voll­ständigen Unterhalt des behinderten Kindes aus und liegt kein weiterer Be­rücksichtigungstatbestand gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1 und 2 EStG vor, so entfällt der Kindergeldanspruch.

c) Bei der Ermittlung des Unterhaltsanspruchs der T hat das FG die Lohnsteu­er, den Solidaritätszuschlag und die Kirchensteuer vom Einkommen des Ehe­mannes der T bei der Ermittlung ihres Unterhaltsanspruchs zu Recht abgezo­gen. Diese Posten mindern das zur Verfügung stehende "Nettoeinkommen" im Sinne der Senatsurteile in BFHE 236, 79, BStBl II 2012, 413, in BFHE 241, 255, BStBl II 2013, 866 und in BFH/NV 2015, 836 und stehen für den Ver­brauch tatsächlich nicht zur Verfügung (ebenso A 19.5 Satz 2 der Dienstan­weisung zum Kindergeld nach dem EStG 2022). Die auf das Einkommen entfallenden Steuern mindern im Übrigen ‑‑unbeschadet der Obliegenheit, Steuervorteile in zumutbarem Rahmen in Anspruch zu nehmen‑‑ auch zivil­rechtliche Unterhaltsansprüche (z.B. Unterhaltsgrundsätze des Oberlandes­gerichts Frankfurt, Stand: 01.01.2022, unter 10.1; Urteil des Bundesgerichts­hofs vom 25.06.1980 ‑ IVb ZR 530/80, Neue Juristische Wochenschrift 1980, 2251).

Soweit der Senat zur Grenzbetragsberechnung (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F.) entschieden hat, dass die Einkünfte durch Steuern nicht gemindert werden (Senatsurteil vom 26.09.2007 ‑ III R 4/07, BFHE 219, 112, BStBl II 2008, 738), beruhte dies darauf, dass die Einkommensteuer erstattet wird, wenn das zu versteuernde Einkommen den Grundfreibetrag nicht übersteigt und ein Kind einbehaltene Lohnsteuer unter den Voraussetzungen des § 42b EStG schon im Rahmen des Lohnsteuer-Jahresausgleichs durch den Arbeitgeber bei der Lohn­abrechnung für den letzten im Ausgleichsjahr endenden Lohnzahlungszeitraum zurückerhalten konnte. Auf die Ermittlung eines Unterhaltsanspruchs des Kin­des gegen seinen steuerpflichtige Einkünfte erzielenden Ehegatten, bei dem eine Steuerschuld verbleibt, ist das nicht zu übertragen.

d) Die Sozialversicherungsbeiträge des Kindes sind ebenfalls nicht zur Bestrei­tung des Unterhalts bestimmt, da sie von Gesetzes wegen dem Kind oder des­sen Eltern nicht zur Verfügung stehen (Senatsurteil vom 19.10.2006 ‑ III R 55/06, BFH/NV 2007, 420). Werden die Sozialversicherungsbeiträge vom Ehegatten des Kindes geleistet, so stehen sie dem Ehegatten gleichfalls weder für den eigenen Verbrauch noch für den Ehegattenunterhalt zur Verfügung. Das FG hat sie daher zu Recht bei der Ermittlung des Ehegattenunterhalts ab­gezogen.

4. Das FG hat jedoch die Unterhaltszahlungen des Ehemannes für sein Kind X bei der Ermittlung des Ehegattenunterhalts an T zu Unrecht unberücksichtigt gelassen.

a) Das FG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die Einkünfte und Be­züge des behinderten Kindes, für das Kindergeld begehrt wird, nicht wegen Unterhaltsverpflichtungen des Kindes gegenüber seinem Kind, d.h. dem Enkel der Eltern des behinderten Kindes, zu kürzen sind. Denn eine unmittelbare Berücksichtigung der vom Enkelkind ausgelösten Unterhaltslasten im Rahmen der Prüfung der behinderungsbedingten Unfähigkeit zum Selbstunterhalt ist ausgeschlossen, weil sich die behinderungsbedingte Unfähigkeit zum Selbstun­terhalt danach bestimmt, ob Einkünfte und Bezüge des behinderten Kindes dessen existenziellen Lebensbedarf decken. Der Unterhaltsbedarf des Kindes­kindes vermindert jedoch weder die Einkünfte und Bezüge des behinderten Kindes noch erhöht er dessen existenziellen Lebensbedarf.

Der Senat hat in seinem Urteil in BFHE 236, 407, BStBl II 2012, 463, Rz 20 zudem darauf hingewiesen, dass nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG nur Kinder, die mit dem Steuerpflichtigen im ersten Grad verwandt sind, berücksichtigt wer­den und Belastungen für den Unterhalt eines Enkelkindes bei der Einkom­mensbesteuerung der Großeltern als Steuerpflichtige deshalb nicht berücksich­tigt würden; anderenfalls wären Einkünfte und Bezüge des Kindes faktisch bis zur doppelten Höhe des Existenzminimums unschädlich, nämlich für das Kind selbst und für das Kindeskind. Die vom Enkelkind ausgelösten Unterhaltslasten würden ausschließlich durch den für dieses (Enkel‑)Kind bestehenden An­spruch auf Kindergeld oder die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG abgegolten.

b) Im Streitfall geht es jedoch nicht wie im Senatsurteil in BFHE 236, 407, BStBl II 2012, 463 um die Frage, ob der Grundsatz des Vergleichs des gesam­ten existenziellen Lebensbedarfs des behinderten Kindes einerseits und seiner finanziellen Mittel andererseits in der Weise zu modifizieren ist, dass entweder dessen Lebensbedarf über den eigenen Grundbedarf und behinderungsbeding­ten Mehrbedarf hinaus um den Bedarf seines Kindes ‑‑des Kindeskindes‑‑ er­höht oder aber die Einkünfte und Bezüge des behinderten Kindes wegen seiner Unterhaltsverpflichtung um einen besonderen Abzugsposten vermindert wer­den. Maßgeblich ist vielmehr, ob die als Bezug der T anzusetzenden Unter­haltsleistungen ihres Ehemannes durch dessen Unterhaltspflicht gegenüber X beeinflusst werden.

Der vom Ehemann an X gezahlte Unterhalt mindert danach den an T zu leis­tenden Unterhalt. Dies gilt unabhängig davon, ob insofern auf die tatsächlich zur Verfügung stehenden Mittel oder auf die Zivilrechtslage abgestellt wird. Denn der Anspruch des Ehegatten auf Ehegattenunterhalt ist gegenüber dem Unterhaltsanspruch minderjähriger Kinder rechtlich nachrangig (§ 1609 BGB), und tatsächlich stehen Mittel, die vom Ehegatten an ein nicht im gemeinsamen Haushalt lebendes Kind gezahlt werden, auch nicht für den Unterhalt des Ehe­gatten und weiterer Haushaltsmitglieder zur Verfügung.

Das Existenzminimum von X wird damit kindergeldrechtlich nicht unzulässig sowohl bei X als auch bei T berücksichtigt, sondern mindert in Höhe der Hälfte des vom Ehemann gezahlten Unterhalts den Ehegattenunterhalt, der bei T als Bezug zu erfassen ist. Dieser T als Bezug zuzurechnende Ehegattenunterhalt mindert sich somit um die Hälfte der vom Ehemann monatlich gezahlten 305 €, also um monatlich 152,50 €. Die Revision ist bereits aus diesem Grun­de für die Monate Januar und Februar 2019 begründet.

5. Eine unmittelbare Berücksichtigung der Belastung der T mit Unterhaltsleis­tungen für das gemeinsame Kind E hat das FG ebenfalls zu Recht abgelehnt. Eine mittelbare Berücksichtigung der Unterhaltslasten für E infolge geminder­ten Ehegattenunterhalts wird durch die Grundsätze des Senatsurteils in BFHE 236, 407, BStBl II 2012, 463 jedoch nicht ausgeschlossen.

a) Beide Elternteile sind ihrem mit ihnen im gemeinsamen Haushalt lebenden unverheirateten minderjährigen Kind gleichermaßen zum Unterhalt verpflich­tet; diese Verpflichtung geht der zum Unterhalt des Ehepartners vor (§ 1609 BGB). Für den Streitfall ergibt sich daraus, dass T von ihrem Ehemann keinen Unterhalt beanspruchen kann, soweit dieser mit seinen Mitteln E unterhalten muss. Tatsächlich stehen die vom Ehemann notwendig für den Kindesunterhalt aufgewendeten Beträge für seinen und den Unterhalt der T auch nicht zur Ver­fügung.

b) Der notwendige finanzielle Aufwand für den Unterhalt von E kann nach dem Mindestunterhalt der Düsseldorfer Tabelle bemessen werden; das waren im Jahr 2018 für bis zu 5 Jahre alte Kinder monatlich 348 €. Unerheblich ist, dass der sich daraus ergebende Jahresbetrag in Höhe von 4.176 € unter dem (doppelten) Freibetrag für das sächliche Existenzminimum eines Kindes in Höhe von 4.788 € liegt (§ 32 Abs. 6 Satz 1 EStG). Denn der Freibetrag differenziert nicht nach dem Alter des Kinder, während der Mindestunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle entsprechend dem typischen Unterhaltsbedarf mit dem Alter des Kindes zunimmt und den Freibetrag bereits bei Kindern im Alter von 6 bis 11 Jahren erreicht und ihn bei mindestens 18 Jahre alten Kindern deutlich übersteigt.

c) Der Senat neigt dazu, in Anlehnung an die Zivilrechtslage (§ 1612b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB) und weil das Kindergeld auch der Deckung des Betreuungs‑, Erziehungs- und Ausbildungsbedarfs dient, von dem für den Barunterhalt er­forderlichen Betrag lediglich das halbe Kindergeld abzuziehen.

Da dies für den Streitfall im Ergebnis unerheblich ist (s. unten II.5.d), kann jedoch dahingestellt bleiben, ob der für den Barunterhalt erforderliche Betrag nicht sogar um das volle Kindergeld zu kürzen ist, weil es für Zwecke der Er­mittlung des Ehegattenunterhalts nur auf die Verteilung der zur Verfügung stehenden Geldmittel innerhalb der Familie ankommt.

Die dem Ehemann für sich und für T zur Verfügung stehenden Mittel vermin­dern sich wegen des Unterhalts für E damit ‑‑bei Abzug des vollen Kindergel­des‑‑ höchstens um weitere 154 € und der Ehegattenunterhalt der T somit um die Hälfte dieses Betrages, also um monatlich 77 €.

d) Der bei T als Bezug zu erfassende Ehegattenunterhalt mindert sich mithin aufgrund der Belastung ihres Ehemannes für X in Höhe von 152,50 € und für E in Höhe von höchstens 77 €, zusammen also monatlich in Höhe von 229,50 €.

Der vom FG für November und Dezember 2018 in Höhe von jeweils 1.066 € ermittelte Bedarf der T wird demnach auch bei einer Verringerung der Einkünf­te und Bezüge um monatlich 229,50 € für November von 1.486 € auf 1.256,50 € und für Dezember von 1.351 € auf 1.121,50 € gedeckt; die Revisi­on ist insofern unbegründet.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO.

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