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BFH: Abfindungszahlung im Scheidungsfall

Regeln zukünftige Eheleute die Rechtsfolgen ihrer Eheschließung umfassend individuell und sehen sie für den Fall der Beendigung der Ehe Zahlungen eines Ehepartners in einer bestimmten Höhe vor, die erst zum Zeitpunkt der Ehescheidung zu leisten sind ("Bedarfsabfindung"), liegt keine freigebige Zuwendung vor.

BGB § 158 Abs. 1, § 1363 Abs. 2 Satz 2, § 1378 Abs. 3 Satz 1
ErbStG § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 3, § 16 Abs. 1 Nr. 1

BFH-Urteil vom 1.9.2021, II R 40/19 (veröffentlicht am 27.1.2022)

Vorinstanz: FG München vom 2.5.2018, 4 K 3181/16 (EFG 2020 S. 796 = SIS 19 20 83)

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) schloss anlässlich ihrer Eheschließung mit ihrem früheren Ehemann E am xx.xx.1998 einen notariell beurkundeten Ehevertrag, in dem u.a. der gesetzliche Versorgungsausgleich zugunsten einer Kapitalversicherung mit Rentenwahlrecht ausgeschlossen (Vertrag Ziff. III.) und der nacheheliche Unterhalt begrenzt (Vertrag Ziff. IV.) wurde. Es wurde der Güterstand der Gütertrennung vereinbart (Vertrag Ziff. II.1.). Der Klägerin wurde ein indexierter Zahlungsanspruch "im Falle der Scheidung" eingeräumt. Dieser Zahlungsanspruch sollte bei einem Bestand der Ehe von 15 vollen Jahren x DM betragen; bei der Ehescheidung vor Ablauf dieser Frist sollte sich der Betrag "pro rata temporis" vermindern (Vertrag Ziff. II.3.).

Die am xx.xx.1998 geschlossene Ehe wurde am xx.xx.2014 geschieden. E zahlte an die Klägerin in Vollzug der getroffenen Vereinbarung zum 16.10.2014 einen Betrag von x €.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erließ am 14.09.2015 einen Schenkungsteuerbescheid für die Zuwendung vom 16.10.2014, der neben Vorschenkungen in Höhe von insgesamt x € auch den Betrag von x € als freigebige Geldzuwendung erfasste. Den dagegen eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 25.10.2016 als unbegründet zurück.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, die Zuwendung sei nicht mit einer Gegenleistung der Klägerin verknüpft gewesen. Aus der Vereinbarung der Gütertrennung könne kein Verzicht der Klägerin auf eine Zugewinnausgleichsforderung abgeleitet werden. Bei Abschluss des Ehevertrags sei ungewiss gewesen, ob die zu diesem Zeitpunkt noch nicht geschlossene Ehe später wieder geschieden werden würde. E habe auch gewusst, dass er weder zum Abschluss des Ehevertrags noch zur Zusage der Ausgleichszahlung verpflichtet gewesen sei. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2020, 796 veröffentlicht.

Mit der Revision macht die Klägerin eine Verletzung von § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) geltend. Nach ihrer Auffassung hat der Bundesfinanzhof (BFH) bislang nur entschieden, dass die mit Abschluss eines Ehevertrags für den Verzicht auf Scheidungsfolgen unverzüglich zu leistende Zahlung ("Pauschalabfindung") als freigebige Zuwendung zu versteuern sei. Diese Qualifikation gelte indes nicht, wenn wie im Streitfall die Leistung nur für den Fall der Ehescheidung vereinbart werde, also nur und erst dann zu erbringen sei, wenn der erklärte Verzicht auf Scheidungsfolgen tatsächlich zum Tragen komme.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG vom 02.05.2018 - 4 K 3181/16, die Einspruchsentscheidung vom 25.10.2016 und den Schenkungsteuerbescheid vom 14.09.2015 aufzuheben.

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG-Urteil, die Einspruchsentscheidung sowie der Schenkungsteuerbescheid sind aufzuheben. Die Leistung des E an die Klägerin ist nicht nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG steuerbar; die Vorerwerbe übersteigen nicht den Freibetrag für Ehegatten.

1. Die Leistung erfüllt nicht den Besteuerungstatbestand einer freigebigen Zuwendung.

a) Der Steuer unterliegt als Schenkung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Der Erwerb eines zugewendeten Gegenstandes, auf den kein Rechtsanspruch besteht, ist unentgeltlich, wenn er nicht rechtlich abhängig ist von einer den Erwerb ausgleichenden Gegenleistung des Erwerbers (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 27.11.2013 - II R 25/12, BFH/NV 2014, 537, Rz 9). Dabei kommen als die Unentgeltlichkeit ausschließende und die Entgeltlichkeit begründende rechtliche Abhängigkeiten Verknüpfungen sowohl nach Art eines gegenseitigen Vertrags als auch durch Setzung einer Bedingung oder eines entsprechenden Rechtszwecks in Betracht (grundlegend BFH-Urteil vom 02.03.1994 - II R 59/92, BFHE 173, 432, BStBl II 1994, 366, unter II.1.; vgl. auch BFH-Urteil vom 17.10.2007 - II R 53/05, BFHE 218, 409, BStBl II 2008, 256, unter II.1.a, jeweils m.w.N.).

b) Zur Erfüllung des subjektiven Tatbestandes einer freigebigen Zuwendung bedarf es des Bewusstseins des Zuwendenden, die Leistung ohne Verpflichtung und ohne rechtlichen Zusammenhang mit einer Gegenleistung oder einem Gemeinschaftszweck zu erbringen. Der subjektive Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG entfällt, wenn der Zuwendende seine Leistung --wenn auch irrtümlich-- als entgeltlich ansieht. Für die zutreffende Vorstellung des Zuwendenden von dem Begriff der (Un-)Entgeltlichkeit genügt es, wenn er dessen rechtlich-sozialen Bedeutungsgehalt laienhaft zutreffend erfasst (vgl. BFH-Urteil vom 03.07.2019 - II R 6/16, BFHE 265, 421, BStBl II 2020, 61, Rz 15, m.w.N.).

c) Die Zahlung einer "Pauschalabfindung" unter Preisgabe eines (möglicherweise) künftig entstehenden Zugewinnausgleichanspruchs vor Eingehung der Ehe erfüllt als freigebige Zuwendung den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Denn diese Zahlung wird weder zur Befriedigung eines (außervertraglichen) Forderungsrechts des Preisgebenden noch als Gegenleistung für einen Verzicht getätigt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 218, 409, BStBl II 2008, 256). Ein die Pauschalabfindung rechtfertigendes Forderungsrecht besteht in diesen Fällen nicht, denn die Zugewinnausgleichsforderung entsteht erst, wenn die Zugewinngemeinschaft endet (§§ 1363 Abs. 2 Satz 2, 1378 Abs. 3 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--).

Der Verzicht auf den möglicherweise künftig entstehenden Zugewinnausgleich gegen eine Pauschalabfindung erfüllt zudem die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 ErbStG. Nach dieser Vorschrift werden Gegenleistungen, die nicht in Geld veranschlagt werden können, bei der Feststellung, ob eine Bereicherung vorliegt, nicht berücksichtigt. Vor Beginn der Ehe ist ungewiss, ob und wann die Ehe wieder geschieden oder die Zugewinngemeinschaft aus anderen Gründen beendet wird. Bis zur Entstehung des Anspruchs auf Zugewinnausgleich können sich zudem noch gravierende Veränderungen ergeben. Die Zugewinnausgleichsforderung kann in der Person des Zuwendungsempfängers entweder überhaupt nicht oder nicht in der im Zeitpunkt der Zuwendung erwarteten Höhe entstehen oder der Zuwendungsempfänger umgekehrt sogar selbst Schuldner einer Zugewinnausgleichsforderung werden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 173, 432, BStBl II 1994, 366, unter II.1.c).

d) Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die zukünftigen Eheleute die Rechtsfolgen ihrer Eheschließung --abweichend von den gesetzlichen Leitbildern-- umfassend individuell regeln und für den Fall der Beendigung der Ehe --z.B. durch Scheidung-- Zahlungen eines Ehepartners an den anderen in einer bestimmten Höhe vorsehen, die erst zu diesem Zeitpunkt zu leisten sind ("Bedarfsabfindung").

aa) In dem Fall einer Bedarfsabfindung wird keine pauschale Abfindung ohne Gegenleistung erbracht. Es werden lediglich Rechte und Pflichten der künftigen Ehegatten durch umfangreiche Modifikation denkbarer gesetzlicher familienrechtlicher Ansprüche im Falle der Scheidung im Wege einer Pauschalierung neu austariert. Wird ein derartiger Vertrag abgeschlossen, der nach Art eines Gesamtpakets alle Scheidungsfolgen regelt, kann dieses Paket nicht in Einzelleistungen aufgeteilt und eine der Einzelleistungen der Schenkungsbesteuerung unterworfen werden. Damit würde der Umstand verkannt, dass ein solcher Vertrag einen umfassenden Ausgleich aller Interessengegensätze anstrebt und insofern keine der Einzelleistungen ohne Gegenleistung ist. Wird die Ehe dann tatsächlich, z.B. durch Ehescheidung, beendet, erfolgt die Zahlung des vorab vereinbarten Betrages in Erfüllung dieser Vereinbarung.

bb) Auf eine solche Vereinbarung ist auch § 7 Abs. 3 ErbStG nicht anwendbar. Während bei Zahlung einer Pauschalabfindung zu Beginn der Ehe ein Zugewinnausgleichsanspruch in der Zukunft nur "möglicherweise" besteht, die Zahlungsverpflichtung damit ungewiss ist und nicht bewertet werden kann, ist bei der Bedarfsabfindung die Zahlung des Ausgleichsanspruchs bzw. der Abfindung an die Beendigung der Ehe --z.B. durch Ehescheidung-- geknüpft. Der Zahlungsanspruch ist damit aufschiebend bedingt (§ 158 Abs. 1 BGB) und erwächst erst mit Eintritt der betreffenden Bedingung zum Vollrecht. Allein der Umstand, dass die Eheleute es mittels eines solchen Vertrags vermeiden, die gegenseitigen Ansprüche auf diesen Zeitpunkt bewerten zu müssen, bedeutet nicht, dass diese Bewertung nicht grundsätzlich möglich wäre.

2. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Die Vorentscheidung ist aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der angefochtene Schenkungsteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

a) Die Zahlung des E erfüllt nicht den objektiven Tatbestand einer freigebigen Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Denn E hat sich nicht zu einer sofortigen Pauschalabfindung ohne Gegenleistung verpflichtet. Nach der getroffenen Vereinbarung sollte die Klägerin erst im Fall einer Scheidung eine Zahlung zur Abgeltung verschiedener ggf. gesetzlich möglicher familienrechtlicher Ansprüche erhalten. Diese wurden lediglich dem Umfang nach durch die vorherige Vereinbarung modifiziert. Hinzu tritt, dass es sich bei der Vereinbarung der Abfindungszahlung nicht um eine singuläre Abrede zwischen der Klägerin und E handelte. Vielmehr ist die Klausel in ein Vertragskonvolut über die Rechtsfolgen einer Eheschließung eingebettet, was eine isolierte Betrachtung verbietet.

b) Der Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG scheitert zudem auch am fehlenden subjektiven Willen zur Freigebigkeit. E hat nicht in dem Bewusstsein einer (objektiven) Unentgeltlichkeit seiner Zuwendung gehandelt. Aus den vom FG festgestellten Tatsachen ergibt sich, dass der Vertrag mit der Klägerin einschließlich der Abfindungszahlung aus Sicht des E dazu diente, das eigene Vermögen vor unwägbaren finanziellen Verpflichtungen infolge einer Scheidung zu schützen. Mit der Vermögenshingabe wollte er eine mit seiner Leistung jedenfalls in einem kausalen Zusammenhang stehende Gegenleistung erhalten. Dabei handelt es sich nicht, wie vom FG angenommen, um einen unbeachtlichen Subsumtionsirrtum.

3. Die weiteren Zuwendungen in Höhe von x € sind gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG steuerbar, bleiben aber steuerfrei. Zu den genannten Zeitpunkten war die Klägerin mit dem Schenker E verheiratet, so dass ihr ein Freibetrag in Höhe von 500.000 € zu gewähren war (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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