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BFH: Umstellung einer vorbeugenden Unterlassungsklage in eine Feststellungsklage; Androhung eines Auskunftsersuchens nach § 93 Abs. 1 AO

  1. Eine vorbeugende Unterlassungsklage kann nach ihrer Erledigung als Fest­stellungsklage zulässig bleiben, wenn es prozessökonomisch sinnvoll ist, die maßgebliche Rechtsfrage in dem bereits anhängigen und aufwändig betrie­benen Verfahren zu klären. Der Kläger ist trotz Schaffung vollendeter Tat­sachen in dem noch nicht rechtskräftig entschiedenen Verfahren zu halten.
  2. Gegen die Androhung eines Auskunftsersuchens an Dritte gemäß § 93 Abs. 1 Satz 3 AO ist sowohl eine vorbeugende Unterlassungsklage als auch einstweiliger Rechtsschutz nach § 114 FGO möglich.
  3. Ein Auskunftsersuchen der Finanzbehörde gemäß § 93 Abs. 1 Satz 3 AO ist bereits möglich, wenn es aufgrund konkreter Umstände angezeigt ist, weitere Auskünfte auch bei Dritten einzuholen.

AO § 93 Abs. 1 Satz 1, Satz 3, § 162 Abs. 2 Satz 2
FGO § 41 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, § 76 Abs. 1 Satz 1, § 100 Abs. 1 Satz 4, § 114

BFH-Urteil vom 14.4.2021, X R 25/19 (veröffentlicht am 19.8.2021)

Vorinstanz: FG Berlin-Brandenburg vom 14.3.2019, 9 K 9069/18 (EFG 2019, 1430 = SIS 19 12 70)

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt eine Apotheke. Neben Erlösen, die sie über die GmbH (Rezeptabrechnungsstelle) abrechne­te, überwiesen Kunden Beträge auf ihr Bankkonto. Darüber hinaus erzielte die Klägerin Bareinnahmen aus Rezeptzuzahlungen und dem freien Verkauf von Waren.

Im Rahmen einer 2017 begonnenen Außenprüfung für die Jahre 2013 bis 2015 führte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) eine Ver­probung der Rohgewinnsätze für die Freiwahl- und Sichtwahlartikel durch. Da­bei stellte die Prüferin Differenzen für die Jahre 2014 und 2015 fest, die u.a. aus den von ihr lediglich geschätzten Werten für die Aufteilung der Umsätze aus den Kassenrezepten (verschreibungspflichtig/nicht verschreibungspflich­tig) herrühren könnten. Das FA forderte die Klägerin deshalb zur Vorlage der Daten der Rezeptabrechnungsstelle für jedes einzelne Rezept in digitaler Form auf. Da die Klägerin dieser Aufforderung nicht nachgekommen war, wiederhol­te das FA seine Aufforderung und kündigte an, die einzelnen Rezepte unmit­telbar bei der Rezeptabrechnungsstelle anzufordern, wenn die Klägerin die Un­terlagen nicht vorlege. Auch dieser wiederholten Aufforderung ist die Klägerin nicht nachgekommen.

Sie stellte beim Finanzgericht (FG) einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Feststellung der Unzulässigkeit des angekündigten Aus­kunftsersuchens an die Rezeptabrechnungsstelle. Diesen verwarf das FG als unzulässig. Das beabsichtigte Auskunftsersuchen an die Rezeptabrechnungs­stelle stelle einen Verwaltungsakt dar, gegen den sich die Klägerin durch Ein­legung eines Einspruchs wenden könne, so dass sie des einstweiligen Rechts­schutzes gemäß § 114 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht bedürfe. Auch könne das FG keine Untersagungsanordnung aussprechen, da dies eine end­gültige Regelung darstelle.

Die Klägerin erhob daraufhin Sprungklage "wegen Androhung eines Aus­kunftsersuchens bei einem Dritten". Weil das FA seine Zustimmung hierzu verweigert hatte, wurde die Sprungklage als Einspruch behandelt. Das FA ver­warf diesen als unzulässig, da kein Verwaltungsakt vorliege. Die hiergegen erhobene Klage wegen des "beabsichtigten Auskunftsersuchens" sah das FG zwar als zulässig an, da es sich um eine vorbeugende Unterlassungsklage handele. Die Klage sei aber unbegründet (Entscheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 2019, 1430).

Während des Revisionsverfahrens hat das FA das angekündigte Auskunftser­suchen an die Rezeptabrechnungsstelle versandt; diese hat dem FA zwischen­zeitlich einen Datenträger übermittelt.

Die Klägerin macht im Rahmen des Revisionsverfahrens die Verletzung mate­riellen Rechts und Verfahrensmängel geltend. Aufgrund der zwischenzeitlich eingeholten Auskünfte sei die Klage auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage umzustellen. Dies müsse auch bei einer vorbeugenden Unterlassungsklage möglich sein, da ansonsten das FA, obwohl das FG die Revision zugelassen habe, eine endgültige gerichtliche Entscheidung verhindern könne. Das Fest­stellungsinteresse ergebe sich bereits aus der Qualifikation des Gewerbebe­triebs der Klägerin als Großbetrieb und der damit verbundenen Prüfungsdichte. Das Auskunftsersuchen sei, da die Buchführung nur unwesentliche Mängel aufweise, ebenso wie die Schätzung unzulässig gewesen. Die Differenzen seien allein Folge eines fehlerhaften Aufbaus der Kalkulation, der falschen Würdi­gung der Dateien und der mangelnden Kenntnisse des FA bezüglich der für Apotheken geltenden Abrechnungsvorschriften. Unstreitig seien sämtliche von der Rezeptabrechnungsstelle an die Klägerin geflossene Zahlungen in der Buchführung erfasst worden. Darüber hinaus komme der vom FA begehrten Aufteilung nach rezeptpflichtigen und nicht rezeptpflichtigen Medikamenten keine Relevanz für die Besteuerungsgrundlagen der Klägerin zu. Auch lasse sich die vom FA errechnete Differenz durch das beabsichtigte Auskunftsersu­chen nicht beseitigen. Dies habe sich im Übrigen im weiteren Verlauf der Prü­fung nach der Übermittlung des Datenträgers durch die Rezeptabrechnungs­stelle bestätigt.

Gerügt wird auch ein Verstoß des FG gegen dessen Sachaufklärungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 FGO, da die benannten Zeugen nicht zu dem von der Klä­gerin bezeichneten Thema vernommen worden seien.

Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und festzustellen, dass die Androhung eines Auskunftsersuchens bei der Rezeptabrechnungsstelle rechtswidrig war.

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Da das FA das entsprechende Auskunftsersuchen inzwischen an die Rezeptab­rechnungsstelle gestellt habe, sei die vorbeugende Unterlassungsklage unzu­lässig geworden. Durch diese Einholung des angedrohten Auskunftsersuchens habe sich das Klageverfahren erledigt. Da die Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO auf Verwaltungsakte beschränkt sei, komme sie bei der vorliegenden Unterlassungsklage nicht in Frage.

Das FA sei im Übrigen gemäß § 93 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) berech­tigt gewesen, ein schriftliches Auskunftsersuchen an die Rezeptabrechnungs­stelle zu richten. Da die Rohgewinne I und II in allen Prüfungsjahren unterhalb der veröffentlichten Richtsätze gelegen hätten und von Jahr zu Jahr gesunken seien, sei ein Anlass für Ermittlungen der Prüferin vorhanden gewesen. Erst durch die Verprobung der Rohgewinnaufschlagsätze für die Freiwahl- und Sichtwahlartikel anhand der angeforderten Rezeptdaten lasse sich nachprüfen, ob deren Umsätze vollständig erfasst worden seien.

Das FA sei auch nicht erst bei feststehenden Buchführungsmängeln zur Einho­lung der Auskünfte bei Dritten berechtigt. Es genüge vielmehr, wenn aufgrund konkreter Umstände oder allgemeiner Erfahrungen ein Auskunftsersuchen an­gezeigt sei.

II.

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet und deshalb zurückzuwei­sen (§ 126 Abs. 2 FGO).

1. Die Revision ist zulässig. Zwar hat sich die zulässigerweise erhobene vor­beugende Unterlassungsklage (unter a) während des Revisionsverfahrens durch das zwischenzeitlich tatsächlich umgesetzte Ersuchen erledigt. Dies führt allerdings nicht zum Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses und damit zur Unzulässigkeit der Revision. Vielmehr ist die Klägerin berechtigt, ihr Klagebe­gehren, die Rechtswidrigkeit der Androhung des Auskunftsersuchens feststel­len zu lassen, im Wege einer allgemeinen Feststellungsklage gemäß § 41 Abs. 1 FGO weiterzuverfolgen (unten b).

a) Die bloße Androhung des Auskunftsersuchens als Vorbereitungshandlung ist ‑‑anders als das (nachfolgende) Auskunftsersuchen gemäß § 93 Abs. 1 Satz 3 AO (vgl. zur Eigenschaft als Verwaltungsakt insoweit nur Senatsurteil vom 29.07.2015 ‑ X R 4/14, BFHE 251, 112, BStBl II 2016, 135, Rz 26, m.w.N.)‑‑ schon mangels Erzwingbarkeit der Maßnahme nach den Vorschriften der §§ 328 ff. AO (vgl. nur Senatsurteil vom 16.11.2011 ‑ X R 18/09, BFHE 235, 452, BStBl II 2012, 129, Rz 18, m.w.N.) kein Verwaltungsakt. Daher konnte die Klägerin nur im Wege einer vorbeugenden Unterlassungsklage als Unterfall der allgemeinen Leistungsklage gerichtlichen Rechtsschutz erlangen. Sie konn­te weder darauf verwiesen werden, gegen das Auskunftsersuchen oder gegen die Steuerbescheide, die Erkenntnisse des Auskunftsersuchens beinhalten, vorzugehen (so aber FG Düsseldorf, Urteil vom 25.04.2007 ‑ 7 K 4756/06, EFG 2007, 1536, für den Fall einer Klage gegen einen durchgeführten Konten­abruf nach § 93 Abs. 7 AO), noch war die vorbeugende Unterlassungsklage wegen doppelter Rechtshängigkeit unzulässig. Da das FA der vorher erhobe­nen Sprungklage, die den identischen Streitgegenstand umfasste, nicht zuge­stimmt hatte, endete die Rechtshängigkeit der Sprungklage und verlor vor der Erhebung der Unterlassungsklage ihren Charakter als Klage (vgl. hierzu auch Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 08.11.2016 ‑ I R 1/15, BFHE 256, 195, BStBl II 2017, 720, Rz 12).

b) Aufgrund des zwischenzeitlich vollzogenen Auskunftsersuchens des FA hat sich die vorbeugende Unterlassungsklage der Klägerin zwar erledigt, sie kann ihr Begehren aber als Feststellungsklage weiterverfolgen.

aa) Anders als eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage ist die Unterlas­sungsklage als Unterfall einer Leistungsklage nach ihrer Erledigung nicht in eine Fortsetzungsfeststellungsklage umstellbar. Denn die Fortsetzungsfeststel­lungsklage ist ein Unterfall der Anfechtungsklage (BFH-Urteil vom 02.06.1987 ‑ VIII R 192/83, BFH/NV 1988, 104, unter I.2.a, m.w.N.), der analog auf den Fall der Verpflichtungsklage ausgedehnt wird (BFH-Urteil vom 12.06.1996 ‑ II R 71/94, BFH/NV 1996, 873, unter II.1., m.w.N.). In beiden Fällen verlangt die Fortsetzungsfeststellungsklage somit das Vorliegen eines Verwaltungsakts, der bei der Androhung eines Auskunftsersuchens gerade (noch) nicht gegeben ist (vgl. oben unter II.1.a). Auch ist das zwischenzeitlich durchgeführte Auskunftsersuchen und damit der (nachfolgende) Verwaltungs­akt (vgl. hierzu nur Senatsurteil in BFHE 251, 112, BStBl II 2016, 135, Rz 26) in einem separaten Verwaltungsverfahren erlassen worden. Er kann schon deshalb nicht Gegenstand des streitgegenständlichen Klageverfahrens nach § 68 Satz 1 i.V.m. § 127 FGO werden.

bb) Vorliegend ist die vorbeugende Unterlassungsklage jedoch in eine Feststel­lungsklage gemäß § 41 Abs. 1 FGO übergegangen. Denn das Klageinteresse ist so zu verstehen, dass die Klägerin stets (auch) die Feststellung begehrte, die Rechtmäßigkeit eines vom FA geplanten Auskunftsersuchens im Hinblick auf ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und ihr Recht auf Wahrung des Steuergeheimnisses nachträglich gerichtlich überprüfen zu las­sen. Die Feststellungsklage scheitert nicht daran, dass die Klägerin ihr Pro­zessziel auf anderem Weg schneller, einfacher und billiger erreichen kann (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 10.02.1987 ‑ VII R 77/84, BFHE 149, 387, BStBl II 1987, 545, unter B.I.2., m.w.N.). Eine solche Möglichkeit ist hier gerade nicht (mehr) gegeben. Weder muss sich die Klägerin auf eine neue Fortsetzungs­feststellungsklage gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO in Bezug auf das Aus­kunftsersuchen verweisen lassen noch kann es relevant sein, dass sie bereits im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Androhung des Aus­kunftsersuchens vorgegangen ist.

(1) Der Übergang von einer Leistungsklage zur Feststellungsklage stellt keine nach § 123 Abs. 1 Satz 1 FGO im Revisionsverfahren unzulässige Klageände­rung dar, da es sich lediglich um eine Einschränkung der allgemeinen Leis­tungsklage handelt (vgl. BFH-Urteil vom 18.01.2012 ‑ II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168, Rz 16, m.w.N.).

(2) Die Feststellungsklage ist gemäß § 41 Abs. 1 FGO zulässig. Es besteht wei­terhin ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin. Gerade mittels einer Feststel­lungsklage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wer­den, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Um die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses in diesem Sinn geht es auch, wenn ‑‑wie hier‑‑ die Rechtswidrigkeit von Verwaltungs­handeln, das keinen Verwaltungsakt darstellt (§ 118 Satz 1 AO), gegenüber dem Betroffenen festgestellt werden soll (vgl. nur BFH-Urteil vom 29.04.2008 ‑ I R 79/07, BFH/NV 2008, 1807, unter II.1.).

(3) Der Zulässigkeit der Feststellungsklage steht § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO nicht entgegen.

(a) Hiernach kann zwar die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rech­te durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO ist aber ebenso wie die vergleichbare Rege­lung des § 43 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ihrem Zweck entsprechend einschränkend auszulegen und anzuwenden (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ‑‑BVerwG‑‑ vom 29.04.1997 ‑ 1 C 2/95, Neue Ju­ristische Wochenschrift ‑‑NJW‑‑ 1997, 2534, unter 4., m.w.N., zu § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Droht keine Umgehung der für Anfechtungs- und Verpflich­tungsklagen geltenden Bestimmungen über Fristen und Vorverfahren, steht § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO der Feststellungsklage ebenso wenig entgegen wie in Fällen, in denen diese den effektiveren Rechtsschutz bietet. Kann die zwischen den Beteiligten streitige Frage sachgerecht und dem Rechtsschutzinteresse des Rechtsmittelführers voll Rechnung tragend durch das Feststellungsurteil geklärt werden, verbietet es sich, diesen auf eine (neue) Fortsetzungsfeststel­lungsklage zu verweisen.

(b) Vorliegend werden die besonderen Sachentscheidungsvoraussetzungen, die für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen gelten, durch die Umstellung der als allgemeine Leistungsklage (in Form der vorbeugenden Unterlassungs­klage) erhobenen Klage in eine allgemeine Feststellungsklage nicht unterlau­fen. Denn auch die Zulässigkeit der allgemeinen Leistungsklage ist weder von einer Klagefrist noch von der Durchführung eines Vorverfahrens abhängig.

Die materiell-rechtliche Rechtsfrage ‑‑die Rechtswidrigkeit des (angedrohten) Auskunftsersuchens‑‑ ist zudem dieselbe, welche die Klägerin sowohl mit ihrer vorbeugenden Unterlassungsklage als auch mit der daraus erwachsenen Fest­stellungsklage klären will.

(4) Ebenso ist das erforderliche Feststellungsinteresse und damit ein Rechts­schutzinteresse der Klägerin vorliegend gegeben. Zum einen besteht neben der Wiederholungsgefahr ein Rehabilitationsinteresse. Darüber hinaus ist es prozessökonomisch wenig verständlich, warum die maßgebliche Rechtsfrage nicht im bereits anhängigen und aufwändig betriebenen Verfahren geklärt werden soll. Wie im Fall einer Fortsetzungsfeststellungsklage gilt, dass "eine Partei nicht ohne Not um die Früchte des bisherigen Prozesses gebracht wer­den darf, insbesondere dann nicht, wenn das Verfahren unter entsprechendem Aufwand einen bestimmten Stand erreicht hat und sich mit der Erledigung des ursprünglichen Antrages die Frage stellt, ob dieser Aufwand nutzlos gewesen sein soll und der Kläger der (häufig nicht auf sein Verhalten zurückgehenden) Erledigung wegen in diesem Verfahren leer ausgehen muss" (so schon BVerwG-Urteil vom 18.04.1986 ‑ 8 C 84/84 ‑ Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 69 S. 9 (13 f.) unter Hinweis auf das BVerwG-Urteil vom 28.04.1967 ‑ IV C 163.65 ‑ Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 36 S. 64 (66)).

Gerade im vorliegenden Fall, in dem allein das FA durch Schaffung vollendeter Tatsachen trotz einer noch nicht rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung die nachträgliche Unzulässigkeit der Klage und damit das Hinausdrängen der Klä­gerin aus dem schon seit längerer Zeit betriebenen Verfahren bewirken würde, muss sichergestellt sein, dass das Verfahren beendet werden kann. Dies ist aufgrund des Feststellungsantrags als "Minus" zum Leistungsantrag möglich.

(5) Das Feststellungsinteresse bzw. das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin ist im Streitfall nicht deswegen zu verneinen, weil sie bereits im Wege des einst­weiligen Rechtsschutzes gegen die Androhung des Auskunftsersuchens vorge­gangen ist und das FG diesen Weg rechtsfehlerhaft als nicht eröffnet angese­hen hat.

(a) Besteht für einen Steuerpflichtigen die Möglichkeit, eine vorbeugende Un­terlassungsklage zu erheben, wenn er von dem beabsichtigten Auskunftsersu­chen nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO in Kenntnis gesetzt worden ist, ist konse­quenterweise der einstweilige Rechtsschutz nach § 114 FGO, und zwar auch vor Erhebung der Unterlassungsklage, möglich. Denn mit einem solchen An­trag kann der Betroffene erreichen, dass die Finanzbehörde vorläufig, und zwar bis zur Entscheidung über die Hauptsache, an der Durchführung des Aus­kunftsersuchens gehindert wird (ebenso, wenn auch im Fall des Kontenabrufs nach § 93 Abs. 7 AO: Loose, EFG 2007, 1537; Maidorn, NJW 2006, 3752, 3756; Cöster/Intemann, Deutsches Steuerrecht 2005, 1249, 1250; v. Wedelstädt, AO-Steuer-Berater 2006, 118, 121). Für einen derartigen An­trag nach § 114 FGO wird regelmäßig ein Rechtsschutzbedürfnis bestehen, da ansonsten durch das Auskunftsersuchen möglicherweise endgültig und unheil­bar das Grundrecht des Steuerpflichtigen auf informationelle Selbstbestim­mung verletzt würde.

(b) Die Klägerin hatte sich bereits vor ihrer vorbeugenden Unterlassungsklage um einstweiligen Rechtsschutz beim FG bemüht. Dass ihr Antrag gemäß § 114 FGO erfolglos blieb, kann indes nicht dazu führen, eine spätere Feststellungs­klage in Bezug auf die Hauptsache unter prozessökonomischen Gründen als nicht mehr zulässig anzusehen. Dies gilt unabhängig davon, ob das FG rechts­fehlerhaft einen solchen Antrag nach § 114 FGO abgelehnt oder die Beschwer­de nach § 128 Abs. 3 FGO nicht zugelassen hat. Denn entscheidend ist, dass auch weiterhin ‑‑wie vorstehend bereits dargelegt‑‑ ein Interesse der Klägerin an der Feststellung der Rechtmäßigkeit des (vollzogenen) Auskunftsersuchens nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO besteht.

2. Die Revision ist unbegründet. Die Androhung des Auskunftsersuchens war rechtmäßig.

Zutreffend hat das FG bereits in seinem Beschluss vom 08.01.2018 ‑ 9 V 9166/17 erkannt, dass das streitige Auskunftsersuchen unter Beachtung der vom Senat in seinem Urteil in BFHE 251, 112, BStBl II 2016, 135, Rz 38 ff. dargelegten Grundsätze nicht rechtsfehlerhaft ist.

a) Die Klägerin hatte dem FA im Rahmen der Außenprüfung die angeforderten Daten der Rezeptabrechnungsstelle für jedes einzelne Rezept vorzulegen. Die­se Daten sind für die Besteuerung erheblich, da sie aus Sicht des FA erforder­lich waren, um die Kalkulationsdifferenzen aufzuklären.

aa) Die Art und der Umfang der Ermittlungen der Finanzbehörden richten sich gemäß § 88 Abs. 2 Satz 1 AO nach den Umständen des Einzelfalls sowie nach den Grundsätzen der Gleichmäßigkeit, Gesetzmäßigkeit und Verhältnismäßig­keit; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden.

Aus diesem Grunde hindert die bloße Behauptung der Klägerin, die Zahlungen der Rezeptabrechnungsstelle seien vollständig erfasst, die Finanzbehörde nicht, eine Kalkulation vorzunehmen und sich (daneben) insbesondere sämtli­che Zahlungen bescheinigen zu lassen. Denn schon aufgrund des verfassungs­rechtlich gebotenen Verifikationsprinzips (Urteil des Bundesverfassungsge­richts vom 27.06.1991 ‑ 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, unter C.I.2.) müs­sen die Finanzbehörden in der Lage sein, Angaben des Steuerpflichtigen effek­tiv auf ihre Richtigkeit überprüfen zu können (Senatsbeschluss vom 20.06.2011 ‑ X B 234/10, BFH/NV 2011, 1829, Rz 6). Der Steuerpflichtige hat gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AO die für die Kalkulation aus Sicht der Finanzbe­hörde notwendigen Auskünfte zu erteilen. Diese Mitwirkungspflicht des Steu­erpflichtigen ergibt sich im Rahmen der Außenprüfung aus § 200 Abs. 1 Satz 2 AO.

bb) Das FA durfte im Streitfall im Rahmen seiner Außenprüfung zu der Ein­schätzung gelangen, die Auskünfte könnten zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen. Es reicht aus, dass steuerlich erhebliche Tatsachen betrof­fen sind, die die finanzbehördlichen Entscheidungen in einem steuerrechtlichen Verwaltungsverfahren beeinflussen können (vgl. Schuster in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 93 AO Rz 10). Die in diesem Sinne erheblichen, mitzuteilen­den "Tatsachen" müssen lediglich im Rahmen einer Prognoseentscheidung der Finanzbehörde möglich sein (BFH-Urteil vom 29.10.1986 ‑ VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.3.a, ständige Rechtsprechung). Davon zu unterscheiden sind Einwendungen des Steuerpflichtigen gegen die Schät­zung. Sie lassen das Recht des FA, nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO weitere Aus­künfte auch bei Dritten einzuholen, unberührt.

cc) Vorliegend ergibt sich bereits aus den vom FA im Rahmen der Prüfung festgestellten Kalkulationsdifferenzen, dass die Daten zu den einzelnen Rezep­ten einer weitergehenden Überprüfung bedurften. Soweit die Klägerin behaup­tet, diese Daten hätten dem FA während der Außenprüfung in anderer Form bereits vorgelegen, ist sie ‑‑unabhängig davon, ob sich bereits deshalb die Vorlage der angeforderten Rezeptdaten erübrigt hätte‑‑ einen Nachweis für die Richtigkeit dieser Behauptung schuldig geblieben.

dd) Ein hinreichender Anlass für ein solches Auskunftsersuchen liegt auch ‑‑anders als es die Klägerin annimmt‑‑ nicht erst vor, wenn ein begründeter Verdacht dafür besteht, dass steuerrechtliche Unregelmäßigkeiten gegeben sind. Es genügt vielmehr, wenn anhand konkreter Umstände ‑‑hier die Unge­nauigkeiten der Ergebnisse der bisherigen Verprobung, die auf dem lediglich geschätzten Verhältnis zwischen rezept- und nichtrezeptpflichtigen Medika­menten beruhte‑‑ ein Auskunftsersuchen angezeigt ist. Abzustellen ist insoweit allein auf den Zeitpunkt des Auskunftsersuchens. Sollte sich, wie von der Klä­gerin lediglich behauptet, im weiteren Verfahren herausgestellt haben, dass die Rezeptdaten die Ungenauigkeiten des Verprobungsergebnisses nicht auf­geklärt hätten, ist dies deshalb im vorliegenden Verfahren ohne Bedeutung.

b) Da die Klägerin sich weigerte, dem FA die geforderten Daten zur Verfügung zu stellen, obwohl sie dazu gemäß § 93 Abs. 1 AO i.V.m. § 200 Abs. 1 Satz 2 AO verpflichtet gewesen ist, durfte sich das FA gemäß § 93 Abs. 1 Satz 3 AO an die Rezeptabrechnungsstelle als Dritte wenden.

aa) Die fehlende Mitwirkung der Klägerin ist vom FG festgestellt worden. Da die Klägerin dies nicht mit Verfahrensrügen angegriffen hat, ist der Senat ge­mäß § 118 Abs. 2 FGO an diese Feststellung gebunden.

bb) Wegen der fehlenden Mitwirkung der Klägerin war das FA berechtigt, sich gemäß § 93 Abs. 1 Satz 3 AO an die Rezeptabrechnungsstelle als andere Per­son zu wenden. Dies unterscheidet den vorliegenden Sachverhalt von demje­nigen, der dem Senatsurteil vom 28.10.2020 ‑ X R 37/18 (BFHE 271, 28, BFH/NV 2021, 365) zugrunde lag. Dort hatte sich das Finanzamt ohne vorheri­ge Sachverhaltsaufklärung beim Steuerpflichtigen unmittelbar an die andere Person gewandt. Ob insoweit die Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO beachtet worden waren, hatte der Senat mangels geeigneter Feststellungen des FG nicht überprüfen können.

3. Die von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge, das FG habe seine Sachauf­klärungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO verletzt, da es die von ihr be­nannten Zeugen nicht vernommen habe, hat der Senat geprüft. Sie ist jeden­falls mangels Erheblichkeit einer solchen Zeugeneinvernahme für die Beurtei­lung der Richtigkeit des Auskunftsersuchens unbegründet. Der Senat sieht in­soweit von einer weitergehenden Begründung ab (§ 126 Abs. 6 Satz 1 FGO).

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

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