BFH: Hinzurechnungsbesteuerung im Drittstaatenfall
- Sind die Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung gemäß § 7 Abs. 1 AStG erfüllt, kommt der in § 7 Abs. 6 AStG enthaltenen Regelung über die Hinzurechnung von Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter keine selbständige Bedeutung mehr zu.
- Wirtschaftlich zusammengehörende Tätigkeiten sind einheitlich unter § 8 Abs. 1 AStG zu subsumieren (funktionale Betrachtungsweise). Abweichendes gilt nur für Einzeltätigkeiten mit einem erheblichen wirtschaftlichen Eigengewicht.
- Die Hinzurechnung von im Wirtschaftsjahr 2000 erzielten Zwischeneinkünften einer in Ungarn tätigen Zwischengesellschaft wird von der sog. Standstill-Klausel des Art. 57 Abs. 1 EG (jetzt: Art. 64 Abs. 1 AEUV) erfasst und verstößt daher nicht gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Fortführung des Senatsurteils vom 22.05.2019 - I R 11/19, BFHE 265, 322 = SIS 19 15 64).
- Die Hinzurechnung von in den Wirtschaftsjahren 2001 bis 2003 erzielten Zwischeneinkünften einer solchen Gesellschaft verstößt gegen Unionsrecht (Fortführung des Senatsurteils vom 22.05.2019 - I R 11/19, BFHE 265, 322 = SIS 19 15 64).
AStG § 7 Abs. 1, Abs. 6, § 8 Abs. 1
EG Art. 56 Abs. 1, Art. 57 Abs. 1
AEUV Art. 63 Abs. 1, Art. 64 Abs. 1
DBA-Ungarn 1977 Art. 23 Abs. 1 Buchst. a, Buchst. c
BFH-Urteil vom 18.12.2019, I R 59/17 (veröffentlicht am 1.10.2020)
Vorinstanz: FG München vom 27.4.2015, 7 K 2819/12 = SIS 15 14 85
A.
Streitig ist die Rechtmäßigkeit der gesonderten und einheitlichen Feststellungen nach § 18 des Gesetzes über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen (Außensteuergesetz) in der in den Streitjahren (2001 bis 2004) geltenden Fassung (AStG).
Die Klägerinnen und Revisionsklägerinnen (Klägerinnen) sind Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die in den Streitjahren an der Holding-Kft, einer ungarischen Kapitalgesellschaft, zu 0,0037 % (Klägerin zu 1.) bzw. zu 99,9963 % (Klägerin zu 2.) beteiligt waren. Die Holding-Kft nahm ihre Tätigkeit am 08.08.1996 auf. Im Streitzeitraum ermittelte sie ihre Einkünfte zunächst aufgrund eines kalendergleichen Wirtschaftsjahres (bis 31.12.2000), eines Rumpfwirtschaftsjahres (01.01.2001 bis 30.09.2001) und sodann aufgrund eines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahres jeweils zum 30. September. Das Wirtschaftsjahr der inländischen Beteiligten erstreckte sich ebenfalls vom 01. Oktober bis zum 30. September.
Die Holding-Kft hielt Ende 2004 Beteiligungen an dreizehn in Ungarn operativ tätigen Märkten, die jeweils in der Rechtsform einer Kft organisiert waren. Verbunden mit dem Halten der Beteiligungen war auch die Erbringung von zentralen Dienstleistungen gegenüber den ungarischen Tochtergesellschaften, die u.a. in Hilfeleistungen bei der Eröffnung und Expansion des ungarischen Unternehmens, Einkaufs- und Vertriebsberatung, Buchhaltung und Marketing bestanden. In den Jahren 2000 bis 2003 erwirtschaftete die Holding-Kft den überwiegenden Teil ihrer Einkünfte im Zusammenhang mit der Vergabe von zahlreichen Darlehen an die Tochtergesellschaften. Die Darlehen wurden im Wesentlichen aus Eigenkapital sowie aus bei der Klägerin zu 2. aufgenommenen Krediten (re-)finanziert. Der allgemeine Körperschaftsteuersatz in Ungarn betrug bis 31.12.2003 18 % und ab 01.01.2004 16 %. Ungarn ist mit Wirkung zum 01.05.2004 der Europäischen Union (EU) beigetreten.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ging davon aus, dass die Holding-Kft mit der Erbringung von Dienstleistungen an die ungarischen Tochtergesellschaften eine aktive Tätigkeit i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG entfaltet habe. Dagegen sei die Darlehensvergabe an die ungarischen Tochtergesellschaften unter § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG zu subsumieren. Die dabei erwirtschafteten sogenannten passiven Einkünfte unterlägen der Hinzurechnungsbesteuerung. In den betreffenden Feststellungsjahren seien von den passiven Finanzerträgen jedoch geschätzte Anteile von 10.000 € (2001), 20.000 € (2002), 30.000 € (2003) und 40.000 € (2004) auszunehmen, da diese in funktionalem Zusammenhang mit der aktiven Tätigkeit stünden. Das FA stellte jeweils mit Bescheiden vom 13.01.2010 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 18 AStG dieser Auffassung entsprechende Hinzurechnungsbeträge für die Wirtschaftsjahre 2000 bis 2003/Feststellungsjahre 2001 bis 2004 fest, die es den beiden Klägerinnen im Verhältnis ihrer Beteiligungsquoten zurechnete.
Einspruch und Klage gegen die Feststellungsbescheide blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) München schloss sich in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2015, 1344 veröffentlichten Urteil im Wesentlichen der finanzbehördlichen Beurteilung des Falles an (Urteil vom 27.04.2015 - 7 K 2819/12).
Dagegen wenden sich die Klägerinnen mit ihrer Revision.
Sie beantragen, das Urteil der Vorinstanz sowie die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 18 AStG für die Wirtschaftsjahre 2000 bis 2003/Feststellungsjahre 2001 bis 2004, jeweils vom 13.01.2010, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.08.2012, aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
B.
Hinsichtlich des Wirtschaftsjahres 2000/Feststellungsjahres 2001 ist die Revision unbegründet und daher zurückzuweisen. Hinsichtlich der Wirtschaftsjahre 2001 bis 2003/ Feststellungsjahre 2002 bis 2004 ist die Revision begründet. Der Ansatz von Hinzurechnungsbeträgen verstößt für diese Jahre gegen die unionsrechtlich verbürgte Kapitalverkehrsfreiheit der Klägerinnen.
I. Wirtschaftsjahr 2000/Feststellungsjahr 2001
Das FG hat zutreffend entschieden, dass der für dieses Streitjahr ergangene Bescheid rechtmäßig ist. Die Einkünfte der Holding-Kft aus ihrer Kreditvergabetätigkeit unterlagen der allgemeinen Hinzurechnungsbesteuerung gemäß § 7 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 AStG. Dem stand auch das Unionsrecht nicht entgegen.
1. Sind unbeschränkt Steuerpflichtige an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse i.S. des Körperschaftsteuergesetzes (KStG), die weder Geschäftsleitung noch Sitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat und die nicht gemäß § 3 Abs. 1 KStG von der Körperschaftsteuerpflicht ausgenommen ist (ausländische Gesellschaft), zu mehr als der Hälfte beteiligt, so sind die Einkünfte, für die diese Gesellschaft Zwischengesellschaft ist, bei jedem von ihnen mit dem Teil steuerpflichtig, der auf die ihm zuzurechnende Beteiligung am Nennkapital der Gesellschaft entfällt (§ 7 Abs. 1 AStG). Eine ausländische Gesellschaft ist Zwischengesellschaft für Einkünfte, die einer niedrigen Besteuerung unterliegen und nicht aus in § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 9 AStG bezeichneten Tätigkeiten stammen (§ 8 Abs. 1 AStG).
Ist eine ausländische Gesellschaft Zwischengesellschaft für Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter und ist ein unbeschränkt Steuerpflichtiger an der Gesellschaft zu mindestens 10 vom Hundert beteiligt, bestimmt § 7 Abs. 6 Satz 1 AStG, dass diese Zwischeneinkünfte bei diesem Steuerpflichtigen in dem in § 7Abs. 1 AStG bestimmten Umfang steuerpflichtig sind, auch wenn die Voraussetzungen dieses Absatzes im Übrigen nicht erfüllt sind. Gemäß § 10 Abs. 6 Satz 2 AStG sind Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter solche Einkünfte der ausländischen Zwischengesellschaft, die aus dem Halten, der Verwaltung, Werterhaltung oder Werterhöhung von Zahlungsmitteln, Forderungen, Wertpapieren, Beteiligungen oder ähnlichen Vermögenswerten stammen, es sei denn, der Steuerpflichtige weist u.a. nach, dass sie aus einer Tätigkeit stammen, die einer unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG fallenden eigenen Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft dient.
a) Das Verhältnis zwischen dem auf der sog. Inländerbeherrschung beruhenden Hinzurechnungstatbestand des § 7 Abs. 1 AStG und dem in § 7 Abs. 6 AStG geregelten Tatbestand der Hinzurechnung von Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter ist dadurch gekennzeichnet, dass mit der erst durch das Steueränderungsgesetz 1992 vom 25.02.1992 (BGBl I 1992, 297, BStBl I 1992, 146) eingeführten Regelung über die Hinzurechnung von Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter lediglich Lücken in der Hinzurechnungsbesteuerung geschlossen werden sollten. § 7 Abs. 6 AStG hat damit subsidiäre Bedeutung. Greift im Einzelfall der allgemeine Hinzurechnungstatbestand des § 7 Abs. 1 AStG ein, kommt § 7 Abs. 6 AStG keine selbständige Bedeutung mehr zu. Dies entspricht der mehrheitlich in der Literatur vertretenen Meinung, der sich der Senat anschließt (vgl. Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 7 AStG Rz 8.5; Reiche in Haase, AStG/DBA, 3. Aufl., § 7 AStG Rz 115; Protzen in Kraft, Außensteuergesetz, 2. Aufl., § 7 Rz 260; Köhler in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, § 7 AStG Rz 155; a.A. Fuhrmann in Fuhrmann, Außensteuergesetz, 3. Aufl., § 7 Rz 21).
b) Zu den in § 8 Abs. 1 AStG aufgezählten sog. aktiven Tätigkeiten gehören gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG Dienstleistungen, soweit diese nicht die in Nr. 5 Buchst. a und b aufgeführten Merkmale erfüllen. Aktiv in diesem Sinne ist gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG auch die Aufnahme und darlehensweise Vergabe von Kapital, für das der Steuerpflichtige nachweist, dass es ausschließlich auf ausländischen Kapitalmärkten und nicht bei einer ihm oder der ausländischen Gesellschaft nahestehenden Person i.S. des § 1 Abs. 2 AStG aufgenommen und außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes gelegenen Betrieben oder Betriebsstätten, die ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter die Nummern 1 bis 6 fallenden Tätigkeiten beziehen, oder innerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes gelegenen Betrieben oder Betriebsstätten zugeführt wird.
c) Nach den vorstehend genannten Maßstäben kann im Streitfall offen bleiben, ob die Holding-Kft im Zusammenhang mit ihrer Kreditvergabetätigkeit Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter erzielt hat, was aufgrund des 10 %-igen Beteiligungserfordernisses allein bei der Klägerin zu 2. eine Hinzurechnung auslösen könnte. Denn beide inländischen Klägerinnen haben zusammen den Tatbestand der allgemeinen Hinzurechnungsbesteuerung gemäß § 7 Abs. 1 AStG erfüllt, dem --wie ausgeführt-- Vorrang gegenüber der Hinzurechnung von Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter zukommt.
Sämtliche Tatbestandsmerkmale der allgemeinen Hinzurechnungsbesteuerung sind erfüllt. So steht zwischen den Beteiligten zu Recht nicht im Streit, dass insbesondere eine Inländerbeherrschung i.S. des § 7 Abs. 1 AStG und eine Niedrigbesteuerung i.S. des § 8 Abs. 3 AStG im Streitjahr gegeben waren. Ferner ist davon auszugehen, dass die Tätigkeit der Holding-Kft im Zusammenhang mit der Kreditvergabe als passiv zu qualifizieren ist, weil die in § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG aufgeführten Aktivitätsvoraussetzungen für die darlehensweise Vergabe von Kapital im Streitfall nicht vorlagen. Zutreffend haben die Beteiligten und die Vorinstanz auch angenommen, dass die aufgrund der Dienstleistungsverträge erbrachten Tätigkeiten der Holding-Kft, wie z.B. die Einkaufs- und Vertriebsberatung, die Buchhaltung oder das Marketing den Dienstleistungstatbestand des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG erfüllen und auch die dort genannten (Gegen-)Ausnahmen nicht eingreifen.
d) Vor diesem Hintergrund ist die Qualifikation der Holding-Kft als Zwischengesellschaft davon abhängig, ob die im Streitfall ausgeübte passive Kreditvergabetätigkeit einer anderweitigen aktiven Tätigkeit zuzuordnen war und sie hierdurch --trotz der im Gesetz angelegten Segmentierung-- ihre außensteuerrechtliche Eigenständigkeit mit der Folge verloren hatte, dass die gesamten Einkünfte der Holding-Kft i.S. des § 8 Abs. 1 AStG ausschließlich aus aktiven Tätigkeiten stammen. Eine solche einheitliche Subsumtion unter den Katalog des § 8 Abs. 1 AStG erfordert indes, dass bei funktionaler Betrachtung von wirtschaftlich zusammen gehörenden Tätigkeiten auszugehen ist. Dabei ist die Tätigkeit für die Subsumtion maßgebend, auf der nach allgemeiner Verkehrsauffassung das wirtschaftliche Schwergewicht liegt. Stehen die verschiedenen Tätigkeiten in keinem engeren wirtschaftlichen Zusammenhang zueinander, so sind die aus ihnen stammenden Einkünfte jeweils für sich und getrennt voneinander unter § 8 Abs. 1 AStG zu subsumieren. Das Vorliegen eines solchen engeren wirtschaftlichen Zusammenhangs und damit eine einheitlich zu beurteilende Tätigkeit liegt nach bisheriger Senatsrechtsprechung insbesondere vor, wenn die Tätigkeiten im Verhältnis von Hilfs- oder Nebentätigkeiten zu einer Haupttätigkeit stehen (Senatsurteile vom 16.05.1990 - I R 16/88, BFHE 161, 495, BStBl II 1990, 1049; vom 13.10.2010 - I R 61/09, BFHE 231, 152, BStBl II 2011, 249; Wassermeyer/Schönfeld in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, a.a.O., § 8 AStG Rz 24). Um der § 8 Abs. 1 AStG zugrunde liegenden gesetzgeberischen Grundentscheidung zur segmentierenden Betrachtung Rechnung zu tragen, ist die Rechtsprechung indessen dahingehend zu präzisieren, dass Einzeltätigkeiten mit einem erheblichen wirtschaftlichen Eigengewicht eigenständig unter den Katalog des § 8 Abs. 1 AStG zu subsumieren sind, auch wenn sie mit anderen Tätigkeiten in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (ähnlich Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 14.05.2004, BStBl I 2004, Sondernummer 1/2004, 3 Tz. 8.0.2).
e) Hiernach scheidet im Streitfall eine einheitliche Subsumtion der Dienstleistungstätigkeit und der Kreditvergabetätigkeit unter den Aktivtatbestand des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG aus. Bei funktionaler Betrachtung besteht zwischen der von der Holding-Kft ausgeübten Dienstleistungstätigkeit und der Finanzierungstätigkeit kein hinreichend enger wirtschaftlicher Zusammenhang. Beide Tätigkeiten stehen insbesondere nicht im Verhältnis von Haupt- und Nebentätigkeit zueinander. Vielmehr hat die Kreditvergabe ein erhebliches wirtschaftliches Eigengewicht, erfüllt eine eigenständige Funktion und tritt gleichwertig neben die Dienstleistungstätigkeit (vgl. Wassermeyer/Schönfeld in Flick/ Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, a.a.O., § 8 AStG Rz 37). Sie dient dazu, die einzelnen Märkte mit dem erforderlichen Betriebskapital auszustatten und schafft damit eine der Grundvoraussetzungen für jedes unternehmerische Tun. Auch die einer Gesellschaft zugedachte Funktion einer "Landesholding" stellt keinen engen Zusammenhang zwischen Dienstleistungstätigkeiten und Kreditvergaben her. Vielmehr kann eine Gesellschaft nur Finanzierungsgesellschaft, nur Managementgesellschaft, nur Holdinggesellschaft sein oder eben, wie vorliegend, mehrere als wirtschaftlich eigenständig zu wertende Funktionen ausüben.
2. Die in § 8 Abs. 2 AStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2008 vom 20.12.2007 (BGBl I 2007, 3150, BStBl I 2008, 218) --AStG 2008-- geregelte Möglichkeit, den Gegenbeweis einer tatsächlichen wirtschaftlichen Betätigung der ausländischen Gesellschaft zu führen (sog. Motivtest), stand den Klägerinnen nicht zur Verfügung. § 8 Abs. 2 AStG 2008 ist nach § 21 Abs. 17 AStG 2008 für die streitgegenständlichen Zwischeneinkünfte in zeitlicher Hinsicht nicht anwendbar. Der Gesetzgeber hat den Motivtest lediglich mit Wirkung ex nunc eingeführt.
a) Die Durchführung des Motivtests unter unmittelbarer Berufung auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- (EuGH-Urteil Cadbury Schweppes vom 12.09.2006 - C-196/04, EU:C:2006:544, Internationales Steuerrecht --IStR-- 2006, 670) scheidet aus. Die streitgegenständlichen Bescheide erfassen nicht die Zwischeneinkünfte einer Gesellschaft mit Sitz oder Geschäftsleitung in einem Mitgliedstaat der EU oder des Europäischen Wirtschaftsraums, da Ungarn --der Sitz- und Ansässigkeitsstaat der Holding-Kft-- der EU erst am 01.05.2004 beigetreten ist und zuvor ein sog. Drittstaat war. Das FA hat der Hinzurechnung lediglich Einkünfte unterworfen, die vor diesem Zeitpunkt von der Holding-Kft erzielt wurden. Die Schutzwirkung der Niederlassungsfreiheit, auf der das EuGH-Urteil Cadbury Schweppes (EU:C:2006:544, IStR 2006, 670) beruht, kommt somit nicht zum Tragen.
b) Soweit die Klägerinnen ihren vermeintlichen Anspruch auf Durchführung des Motivtests hinsichtlich des Wirtschaftsjahres 2003/Feststellungsjahres 2004 auf das BMF-Schreiben vom 08.01.2007 (BStBl I 2007, 99) stützen, ist dem entgegenzuhalten, dass ihnen dieses Schreiben als norminterpretierende Verwaltungsvorschrift keine einklagbaren Ansprüche vermitteln kann. Im Übrigen ändert das BMF-Schreiben nichts daran, dass im Streitfall sämtliche Zwischeneinkünfte vor dem 01.05.2004 angefallen sind. Der Senat kann sich schließlich auch nicht der Ansicht der Revision anschließen, nach der von dem sich seit 2001 abzeichnenden EU-Beitritt Ungarns eine Vorwirkung ausgehe, die einen Motivtest erforderlich mache.
3. Das FG hat ferner zutreffend angenommen, dass die festgestellten Hinzurechnungsbeträge nicht gemäß § 10 Abs. 5 AStG i.V.m. Art. 23 des --im Streitzeitraum noch anwendbaren-- Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Ungarischen Volksrepublik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen, Ertrag und Vermögen vom 18.07.1977 --DBA-Ungarn 1977-- (BGBl II 1979, 627, BStBl II 1979, 349) von der Besteuerung freigestellt waren.
a) Nach der im Streitzeitraum zeitlich noch anzuwendenden Bestimmung des § 10 Abs. 5 AStG (vgl. § 21 Abs. 11 AStG) sind auf den Hinzurechnungsbetrag die Bestimmungen der Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung entsprechend anzuwenden, die anzuwenden wären, wenn der Hinzurechnungsbetrag an den Steuerpflichtigen ausgeschüttet worden wäre. Danach ist für die Anwendung dieser Norm und des einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommens der Hinzurechnungsbetrag wie eine ausgeschüttete Dividende zu behandeln, so dass es, worüber zwischen den Beteiligten kein Streit besteht, für die Steuerpflicht des Hinzurechnungsbetrages im Streitfall auf Art. 23 Abs. 1 Buchst. c DBA-Ungarn 1977 ankommt. Danach ist die Steuerfreistellung für Dividenden, die von einer in der Ungarischen Volksrepublik ansässigen Gesellschaft gezahlt werden, nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Ungarn 1977 nur anzuwenden, wenn die Gesellschaft, an der die Beteiligung besteht, ihre Einnahmen ausschließlich oder fast ausschließlich aus folgenden innerhalb der Ungarischen Volksrepublik ausgeübten Tätigkeiten bezieht: Herstellung oder Verkauf von Gütern oder Waren, Dienstleistung oder Ausführung von Bank- oder Versicherungsgeschäften. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, ist Buchst. b entsprechend anzuwenden, wonach die Doppelbesteuerung "lediglich" durch Steueranrechnung beseitigt wird.
b) Entgegen der Auffassung der Klägerinnen hat die Holding-Kft ihre Einnahmen nicht fast ausschließlich aus Dienstleistungstätigkeiten bezogen. Denn die betragsmäßig ins Gewicht fallende Vergabe von Krediten an die ungarischen Tochtergesellschaften stellt keine Dienstleistung i.S. des Art. 23 Abs. 1 Buchst. c DBA-Ungarn 1977 dar. Dem steht der Wortlaut der Vorschrift entgegen. Da der Begriff der Dienstleistung im Abkommen selbst nicht definiert wird, ist er nach Maßgabe des deutschen Steuerrechts zu bestimmen (Art. 3 Abs. 2 DBA-Ungarn 1977). Im deutschen Steuerrecht werden aber Dienstleistungen und die Hingabe von Darlehen unterschieden, wie etwa der Sondervergütungstatbestand des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) oder eben die Tatbestände des § 8 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 AStG zeigen. Die Differenzierungen sind zugleich Ausdruck dessen, dass im steuerrechtlichen Sprachgebrauch die Darlehenshingabe nicht etwa als spezieller Fall vom allgemeineren Begriff der Dienstleistung mitumfasst ist, sondern ein Aliud darstellt. Nichts anderes ist dem gewöhnlichen Sprachgebrauch zu entnehmen, nach dem die Leistung von Diensten als eine Tätigkeit (jeder Art) zu begreifen ist, die der Befriedigung fremder Bedürfnisse dient (vgl. Palandt/Weidenkaff, Bürgerliches Gesetzbuch, 78. Aufl., § 611 Rz 25; Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 04.06.1998 - III R 94/96, BFH/NV 1999, 163, zum Dienstleistungsbegriff des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG bzw. § 33c EStG a.F.; vgl. auch Wassermeyer/Schönfeld in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, a.a.O., § 8 AStG Rz 172.1). Ein solcher Tätigkeitsbezug fehlt bei der Darlehensgewährung, die sich in der zeitlich beschränkten Überlassung von Kapital zur Nutzung erschöpft. Erst wenn zur Kapitalüber- und -belassung weitere (Finanz-)Dienstleistungen hinzutreten, werden (nur) diese vom Dienstleistungsbegriff erfasst. Auch Bank- und Versicherungsgeschäfte können in der Tätigkeit einer Landesholding, die u.a. Finanzaufgaben innerhalb eines Konzerns übernimmt, nicht erblickt werden (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2004, Sondernummer 1/2004, 3 Tz. 8.1.3.3).
4. Das Unionsrecht steht der durch Bescheid für das Wirtschaftsjahr 2000/Feststellungsjahr 2001 angeordneten Hinzurechnungsbesteuerung nicht entgegen.
a) Ob die Hinzurechnung der Zwischeneinkünfte mit den unionsrechtlichen Grundfreiheiten vereinbar ist, ist im Rahmen des Feststellungsverfahrens nach § 18 AStG und nicht im Rahmen der nachfolgenden Steuerfestsetzung zu prüfen (Senatsurteil vom 14.11.2018 - I R 47/16, BFHE 263, 393, BStBl II 2019, 419).
b) Die Hinzurechnung führt zwar zu einer Beschränkung des Kapitalverkehrs mit einem Drittstaat i.S. von Art. 56 Abs. 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrags von Amsterdam zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte --EG-- (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1997, Nr. C 340, 1), jetzt Art. 63 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union i.d.F. des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft --AEUV-- (Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- 2008, Nr. C 115, 47), (s. nachfolgend unter II.2.a der Gründe dieses Urteils). Diese Grundfreiheit ist indes im Hinblick auf die im kalendergleichen Wirtschaftsjahr 2000 von der Holding-Kft erzielten und im Feststellungsbescheid für das Jahr 2001 erfassten Zwischeneinkünfte wegen der sog. Standstill-Klausel des Art. 57 Abs. 1 EG (jetzt Art. 64 Abs. 1 AEUV) nicht anwendbar.
aa) Nach Art. 57 Abs. 1 EG berührt Art. 56 EG nicht die Anwendung derjenigen Beschränkungen auf dritte Länder, die am 31.12.1993 aufgrund einzelstaatlicher oder gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften für den Kapitalverkehr mit dritten Ländern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen einschließlich Anlagen in Immobilien, mit der Niederlassung, der Erbringung von Finanzdienstleistungen oder der Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten bestehen.
bb) Die Standstill-Klausel ist im Hinblick auf die Hinzurechnung der im Wirtschaftsjahr 2000 von der Holding-Kft erzielten Zwischeneinkünfte einschlägig, weil die maßgeblichen Vorschriften des Außensteuergesetzes, insbesondere §§ 7, 8, 10 AStG, bereits am 31.12.1993 bestanden haben und in ihrem Kern bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz --StSenkG--) vom 23.10.2000 (BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428) am 01.01.2001 (Art. 19 Abs. 1 StSenkG) und damit bis zum Ablauf des kalendergleichen Wirtschaftsjahrs 2000 der Holding-Kft (vgl. § 21 Abs. 7 AStG i.d.F. des StSenkG zum zeitlichen Anwendungsbereich der das Außensteuergesetz betreffenden Neuregelungen) unverändert geblieben sind (vgl. zu Einzelheiten Senatsurteil vom 22.05.2019 - I R 11/19, BFHE 265, 322).
5. Über die Revision der Klägerinnen zum Streitgegenstand Bescheid für das Wirtschaftsjahr 2000/Feststellungsjahr 2001 ist abschließend zu entscheiden. Die Voraussetzungen für die Aussetzung des Verfahrens und die Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) liegen nicht vor. Die erforderliche Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Normen des Außensteuergesetzes, die dem angegriffenen Bescheid zugrunde liegen, vermochte der Senat nicht zu gewinnen.
a) Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass § 20 Abs. 1 AStG als Treaty override gegen das Grundgesetz verstößt. § 20 Abs. 1 AStG bestimmt, dass die Vorschriften §§ 7 bis 18 AStG durch die Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht berührt werden. Der Hinzurechnungsbesteuerung wird durch diese unilaterale Maßnahme der Bundesrepublik Deutschland ausdrücklich der Vorrang vor etwaigen entgegenstehenden abkommensrechtlichen Regelungen eingeräumt (Senatsurteil in BFHE 265, 322). Eine solche unilaterale Abkommensüberschreibung ist nach der Grundsatzentscheidung des BVerfG vom 15.12.2015 - 2 BvL 1/12 (BVerfGE 141, 1) verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Senat kann nicht erkennen, dass der Vortrag der Klägerinnen diese verfassungsrechtliche Beurteilung in Frage stellen könnte. Nach den vom BVerfG herangezogenen Maßstäben (Verhältnis des Völkerrechts zum nationalen Recht, Normvorrangverhältnisse im nationalen Recht) kommt --entgegen der geltend gemachten Einwände-- weder dem Umstand, dass die Hinzurechnungsbesteuerung nicht auf die Vermeidung einer doppelten Nichtbesteuerung zielt, noch der Tatsache, dass im DBA-Ungarn 1977 ein Verständigungsverfahren vereinbart war, eine ausschlaggebende Bedeutung zu.
b) Der Senat ist ferner nicht davon überzeugt, dass die Hinzurechnungsbesteuerung wegen einer Verletzung des Leistungsfähigkeitsprinzips oder eines strukturellen Vollzugsdefizites gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes verstößt. So lassen die Ausführungen zum Leistungsfähigkeitsprinzip bereits die gebotene Auseinandersetzung mit der Frage vermissen, ob außensteuerrechtliche Regelungen, wie z.B. die Hinzurechnungsbesteuerung, nicht im Grundsatz zur leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung der inländischen Steuerpflichtigen erforderlich sind. Des Weiteren beruht das Vorbringen der Klägerinnen auf der Vorstellung einer "konzernbezogenen Leistungsfähigkeit", die sich durch die konzerninternen Zinszahlungen der ungarischen Tochtergesellschaften an die Holding-Kft auch mit Blick auf den Anteilswert der Beteiligung der Klägerinnen nicht erhöht habe. Eine solche den gesamten Konzern erfassende Leistungsfähigkeit ist dem deutschen Ertragsteuerrecht indes fremd. Vielmehr bewirkt die Abschirmwirkung der eigenen Rechtspersönlichkeit (Trennungsprinzip), dass in der abgeschirmten Vermögenssphäre eine eigenständige und objektive Leistungsfähigkeit entsteht, die von der individuellen und subjektiven Leistungsfähigkeit der hinter der Kapitalgesellschaft stehenden Personen getrennt und unabhängig von ihr besteuert wird (BVerfG-Beschluss vom 12.10.2010 - 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224, Rz 62). Im Hinblick auf die von den Klägerinnen gerügten Vollzugsmängel ist insbesondere nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber gegenläufige Erhebungsregelungen getroffen hat und etwaige Vollzugsmängel ihm zurechenbar wären. Vollzugsdefizite sind für sich allein genommen nicht geeignet, die Verfassungswidrigkeit der materiellen Steuernorm zu begründen (BVerfG-Urteile vom 27.06.1991 - 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, Leitsatz 4, Rz 111; vom 09.03.2004 - 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94).
II. Bescheide für die Wirtschaftsjahre 2001 bis 2003/Feststellungsjahre 2002 bis 2004
1. Hinsichtlich der Beurteilung nach den Maßstäben des nationalen Rechts wird auf die Ausführungen zum Wirtschaftsjahr 2000/Feststellungsjahr 2001 verwiesen.
2. Die Klägerinnen unterliegen indes nicht der Hinzurechnungsbesteuerung, weil diese im Streitfall mit dem Unionsrecht nicht vereinbar ist. Einer Anrufung des EuGH bedarf es nicht; die Unionsrechtslage ist durch das EuGH-Urteil X vom 26.02.2019 - C-135/17 (EU:C:2019:136, IStR 2019, 347) und das hierzu ergangene Schlussurteil des Senats in BFHE 265, 322 geklärt.
Die Hinzurechnung der streitgegenständlichen Zwischeneinkünfte führt danach zu einer Beschränkung des Kapitalverkehrs mit einem Drittstaat i.S. von Art. 56 Abs. 1 EG, die in der hier vorliegenden Konstellation einer in Ungarn ansässigen Zwischengesellschaft für Zwischeneinkünfte der Wirtschaftsjahre 2001 bis 2003 nicht aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses und insbesondere der Verhinderung der Steuerhinterziehung und Steuerumgehung gerechtfertigt werden kann.
a) Der Senat hat im Anschluss an das EuGH-Urteil X (EU:C:2019:136, IStR 2019, 347) dahin erkannt, dass die Hinzurechnung von Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter einer in der Schweiz ansässigen Zwischengesellschaft zu einer Beschränkung des freien Kapitalverkehrs führt. Wegen der Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das Senatsurteil in BFHE 265, 322 verwiesen.
Für die vorliegend streitigen Zwischeneinkünfte einer ungarischen Kapitalgesellschaft, die vor dem Beitritt Ungarns zur EU in Ungarn und damit in einem Drittstaat erzielt wurden, gilt nichts anderes. Zwar betraf das Senatsurteil in BFHE 265, 322 die Hinzurechnung von Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter, während es vorliegend um die allgemeine Hinzurechnungsbesteuerung geht. Diesem Unterschied kommt für die unionsrechtliche Beurteilung jedoch keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Vielmehr ist auch die allgemeine Hinzurechnungsbesteuerung in der vorliegenden Drittstaatenkonstellation an der Kapitalverkehrsfreiheit zu messen. Diese Grundfreiheit wird nicht durch die Niederlassungsfreiheit verdrängt
aa) Nach der Rechtsprechung des EuGH ist für die Frage, ob eine nationale Regelung unter die eine oder die andere Verkehrsfreiheit fällt, auf den Gegenstand der betreffenden Regelung abzustellen. Eine nationale Regelung, die nur auf Beteiligungen anwendbar ist, die es ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen einer Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen, fällt in den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit. Hingegen sind nationale Bestimmungen über Beteiligungen, die in der alleinigen Absicht der Geldanlage erfolgen, ohne dass auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss genommen werden soll, ausschließlich im Hinblick auf den freien Kapitalverkehr zu prüfen. Eine nationale Regelung über die steuerliche Behandlung von Dividenden aus einem Drittland, die nicht ausschließlich für Situationen gilt, in denen die Muttergesellschaft entscheidenden Einfluss auf die Gesellschaft ausübt, die die Dividenden ausschüttet, ist nach Art. 56 EG zu beurteilen; eine in einem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft kann sich daher unabhängig vom Umfang der Beteiligung, die sie an der in einem Drittland niedergelassenen Dividenden ausschüttenden Gesellschaft hält, auf diese Bestimmung berufen, um die Rechtmäßigkeit einer solchen Regelung in Frage zu stellen (vgl. Senatsbeschluss vom 12.10.2016 - I R 80/14, BFHE 256, 223, BStBl II 2017, 615, m.w.N. aus der Rechtsprechung des EuGH).
bb) Nach diesen Kriterien ist die Anwendung der Kapitalverkehrsfreiheit im Streitfall nicht aufgrund des Vorrangs der Niederlassungsfreiheit gesperrt (gl.A. z.B. Köhler in Strunk/Kaminski/Köhler, a.a.O., § 7 AStG Rz 22.1 f.; wohl auch Schönfeld in Flick/ Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, a.a.O., § 8 AStG Rz 429). Die allgemeine Hinzurechnungsbesteuerung setzt zwar voraus, dass Steuerinländer an der ausländischen Gesellschaft "zu mehr als der Hälfte beteiligt" sind. Dennoch stellt § 7 Abs. 1 AStG keine Regelung dar, die nur auf Beteiligungen anwendbar ist, die einen sicheren Einfluss vermitteln. Wie das Beispiel der nur geringfügig beteiligten Klägerin zu 1. zeigt, erfasst die Norm auch Situationen, in denen vom einzelnen Steuerpflichtigen als dem maßgeblichen Grundfreiheitsberechtigten kein nennenswerter Einfluss ausgeübt werden kann. Für § 7 Abs. 1 AStG kommt es nach dem klaren Wortlaut nur darauf an, dass ggf. eine Mehr- oder Vielzahl von Inländern zusammen das erforderliche Quorum erfüllen. Insbesondere ist auch die "zufällige" Inländerbeherrschung durch mehrere --vertraglich nicht verbundene und auch sonst einander nicht nahestehende-- Steuerpflichtige tatbestandsmäßig (allgemeine Auffassung, vgl. nur Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/ Baumhoff/Schönfeld, a.a.O., § 7 AStG Rz 39; Köhler in Strunk/Kaminski/Köhler, a.a.O., § 7 AStG Rz 71 f.; Reiche in Haase, a.a.O., § 7 AStG Rz 69). Damit ist die allgemeine Hinzurechnungsbesteuerung auch auf Portfoliobeteiligungen und folglich unabhängig von konkreten Einwirkungsmöglichkeiten des Steuerpflichtigen auf die Unternehmensleitung anzuwenden.
b) Die in Art. 57 Abs. 1 EG enthaltene Standstill-Klausel (s. dazu oben unter I.4.b der Gründe dieses Urteils) ist im Hinblick auf die Hinzurechnung der in den Wirtschaftsjahren 2001 bis 2003 von der Holding-Kft erzielten Zwischeneinkünfte nicht anwendbar, weil die maßgeblichen Vorschriften des Außensteuergesetzes, insbesondere §§ 7, 8, 10 AStG, zwar bereits am 31.12.1993 bestanden haben, sie aber durch das am 01.01.2001 in Kraft getretene Steuersenkungsgesetz in wesentlichen Punkten geändert wurden. Diese Änderungen im System der Hinzurechnungsbesteuerung betrafen nicht allein die Hinzurechnung der Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter, die Gegenstand des Senatsurteils in BFHE 265, 322 waren, sondern auch die allgemeine Hinzurechnungsbesteuerung (vgl. dazu im Einzelnen Senatsurteil in BFHE 265, 322; Senatsbeschluss in BFHE 256, 223, BStBl II 2017, 615).
c) Nach den im Senatsurteil in BFHE 265, 322 entwickelten Rechtsgrundsätzen kommt es für die Frage der Rechtfertigung der Beschränkung maßgeblich darauf an, ob im Hinblick auf die im Streitfall zu beurteilenden Zwischeneinkünfte der Wirtschaftsjahre 2001 bis 2003 eine vertragliche Verpflichtung Ungarns gegenüber den deutschen Finanzbehörden besteht, die es ermöglichen würde, die Richtigkeit der Angaben der Klägerinnen in Bezug auf die Verhältnisse der Holding-Kft und die Umstände, denen zufolge die Beteiligung an dieser Gesellschaft nicht auf einer künstlichen Gestaltung beruht, zu überprüfen. Ein "solcher rechtlicher, insbesondere vertraglicher Rahmen" i.S. der Rz 94 f. des EuGH-Urteils X (EU:C:2019:136, IStR 2019, 347) ist im Streitfall vorhanden.
So können die deutschen Behörden Auskünfte zur Tätigkeit der Holding-Kft aufgrund der von den Mitgliedstaaten der EU verpflichtend bis zum 01.01.2013 umzusetzenden Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom 15.02.2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG --Amtshilferichtlinie-- (ABlEU 2011, Nr. L 64, 1) von den ungarischen Steuerbehörden erhalten. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte geht der Senat davon aus, dass die Republik Ungarn die Amtshilferichtlinie umgesetzt hat. Das für den Amtshilfeverkehr mit dem Ausland zuständige Bundeszentralamt für Steuern hat dem Senat auf Anfrage mitgeteilt, dass keine Erkenntnisse über Störungen der Zusammenarbeit mit Ungarn vorliegen.
Nach Art. 5 Amtshilferichtlinie übermittelt die ersuchte Behörde auf Ersuchen der ersuchenden Behörde alle in Art. 1 Abs. 1 genannten Informationen, die sie besitzt oder die sie im Anschluss an behördliche Ermittlungen erhalten hat. Nach Art. 1 Abs. 1 Amtshilferichtlinie betrifft der Austausch die Informationen, die für die Anwendung und Durchsetzung des innerstaatlichen Rechts der Mitgliedstaaten über die in Art. 2 genannten Steuern voraussichtlich erheblich sind. Die Richtlinie gilt nach Art. 2 Abs. 1 Amtshilferichtlinie für Steuern aller Art, die von einem oder für einen Mitgliedstaat bzw. von oder für gebiets- oder verwaltungsmäßige Gliederungseinheiten eines Mitgliedstaats erhoben werden. Sie gilt insbesondere nicht für die Mehrwertsteuer und die Zölle (Art. 2 Abs. 2 Amtshilferichtlinie).
Die Republik Ungarn durfte gemäß Art. 18 Abs. 3 Amtshilferichtlinie die Übermittlung der erbetenen Informationen verweigern, wenn diese Informationen vor dem 01.01.2011 liegende Besteuerungszeiträume betreffen und wenn die Übermittlung dieser Informationen auf der Grundlage des Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 77/799/EWG hätte verweigert werden können, falls vor dem 11.03.2011 um sie ersucht worden wäre. Bei der Richtlinie 77/799/EWG handelt es sich um die frühere Amtshilferichtlinie (Amtshilferichtlinie 1977), die durch die Richtlinie 2011/16/EU aufgehoben wurde. Art. 8 Abs. 1 Amtshilferichtlinie 1977 sah Grenzen des Auskunftsaustauschs vor, wenn der Durchführung von Ermittlungen oder der Übermittlung von Auskünften durch die zuständige Behörde des auskunftgebenden Staats für ihre eigenen steuerlichen Zwecke gesetzliche Vorschriften oder die Verwaltungspraxis entgegenstünden. Derartige punktuelle, abstrakt existierende Auskunftsverweigerungsrechte des ersuchten Staates, die im internationalen Auskunftsverkehr üblich sind (vgl. Art. 17 Amtshilferichtlinie; Art. 26 Abs. 2 und 3 des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development --OECD-Musterabkommen--; Czakert in Schönfeld/Ditz, DBA, 2. Aufl., Art. 26 Rz 78 ff.), stehen der vom EuGH in der Rechtssache X geforderten tatsächlichen Ermöglichung einer Überprüfung durch die deutschen Steuerbehörden jedoch nicht entgegen.
d) Auf der Grundlage der bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) geht der Senat mit den Beteiligten davon aus, dass die Beteiligung der Klägerinnen an der Holding-Kft nicht auf einer (sog.) künstlichen Gestaltung beruhten. Einer Bestätigung der hierfür sprechenden Tatsachen durch die ungarischen Behörden bedarf es daher ebenso wenig wie einer Zurückverweisung der Sache.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.
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