BFH: Keine Masseverbindlichkeit bei vorläufiger Eigenverwaltung
Der Umsatzsteueranspruch für einen Besteuerungszeitraum, in dem der Unternehmer einem Eröffnungsverfahren mit vorläufiger Eigenverwaltung nach § 270a InsO unterliegt, ist weder nach § 55 Abs. 2 InsO noch nach § 55 Abs. 4 InsO eine Masseverbindlichkeit; auch eine analoge Anwendung dieser Vorschriften kommt nicht in Betracht (Anschluss an BGH vom 22.11.2018, IX ZR 167/16, BGHZ 220 S. 243 = SIS 20 01 21).
InsO § 55 Abs. 2 und Abs. 4, § 270a, § 270 Abs. 1 Satz 2
BFH-Beschluss vom 7.5.2020, V R 14/19 (veröffentlicht am 30.7.2020)
Vorinstanz: FG Münster vom 12.3.2019, 15 K 1535/18 U (EFG 2019 S. 996 = SIS 19 04 94)
I.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren der X GmbH (GmbH).
Die GmbH hatte als Insolvenzschuldner am 13.12.2016 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung gemäß § 270a der Insolvenzordnung (InsO) beantragt. Das zuständige Amtsgericht bestellte den Kläger mit Beschluss vom selben Tag zum vorläufigen Sachwalter.
Mit Beschluss vom 01.09.2017 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnet. Nach dem Beschluss war die GmbH berechtigt, unter Aufsicht des Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen (§§ 270 bis 285 InsO). Zum Sachwalter wurde wiederum der Kläger bestellt.
Nachdem der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die durch die GmbH am 18.04.2017 geleistete Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Februar 2017 nach insolvenzrechtlicher Anfechtung am 22.09.2017 an die GmbH wieder ausgekehrt hatte, setzte es durch Bescheid vom 24.11.2017, der an die GmbH unter deren Massesteuernummer adressiert war, die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Februar 2017 in Höhe des unstreitigen Betrages von 6.771,42 € fest. In der Anlage zu diesem Bescheid teilte es mit, dass eine Masseverbindlichkeit nach §§ 270a, 270 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 55 Abs. 4 InsO festgesetzt werde. Zugleich meldete das FA die streitgegenständliche Forderung auch als Insolvenzforderung an, da es sich über deren insolvenzrechtliche Qualifizierung nicht sicher war.
Mit einem notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 27.11.2017 veräußerte die GmbH wesentliche, dem Betrieb ihres Unternehmens dienende Aktiva an einen Erwerber zum Zwecke der Fortführung des Geschäftsbetriebes.
Durch Beschluss vom 31.01.2018 hob das Amtsgericht die Anordnung der Eigenverwaltung auf und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der GmbH. Bereits zuvor war beim FA die Zahlung eines auf Steuerverbindlichkeiten der GmbH entfallenden Gesamtbetrages in Höhe von 250.022,60 € eingegangen, der auch den auf die Zahlung zur Umsatzsteuer für Februar 2017 entfallenden Betrag umfasste.
Der von der GmbH in Eigenverwaltung erhobene Einspruch gegen die Festsetzung zur Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Februar 2017 vom 24.11.2017 blieb erfolglos.
Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Nach seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2019, 996 veröffentlichten Urteil liegt unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 22.11.2018 - IX ZR 167/16 (BGHZ 220, 243) keine Masseverbindlichkeit vor.
Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision. Auf die Erstattung der zunächst geleisteten Zahlung aufgrund des Anfechtungsbegehrens komme es nicht an, da es sich bei der Insolvenzanfechtung um ein zivilrechtliches Verfahren handele. Nach §§ 270a, 270 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 55 Abs. 4 InsO handele es sich um eine Masseverbindlichkeit. § 55 Abs. 4 InsO sei auch auf das Verfahren der vorläufigen Eigenverwaltung anzuwenden. Auch dem vorläufig eigenverwaltenden Insolvenzschuldner komme die Stellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters zu. Auch er habe nach dem Gläubigerinteresse zu handeln. Die Vorschriften für das in Fremdverwaltung abgewickelte Insolvenzverfahren seien auf das Eigenverwaltungsverfahren angepasst anzuwenden. Der Schuldner trete so an die Stelle des Insolvenzverwalters. Dementsprechend könne der eigenverwaltende Schuldner im eröffneten Insolvenzverfahren Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO begründen. Daher müsse auch § 55 Abs. 4 InsO auf das Verfahren der vorläufigen Eigenverwaltung angewendet werden. An die Stelle des vorläufigen Insolvenzverwalters trete der vorläufig eigenverwaltende Schuldner. Auf den Fall des Zustimmungsvorbehalts komme es nicht an. Dass es für die Begründung von Masseverbindlichkeiten nach § 270a InsO einer gerichtlichen Ermächtigung bedürfe, sei unerheblich, da es hierauf für § 55 Abs. 4 InsO nicht ankomme. Daher reiche es für die Anwendung dieser Vorschrift aus, dass der vorläufig eigenverwaltende Schuldner während des Eröffnungsverfahrens Forderungen einziehe und hierdurch Steuern begründet werden. Zumindest sei § 55 Abs. 4 InsO aber analog anzuwenden. Es liege eine planwidrige Gesetzeslücke vor. Diese ergebe sich aus § 270b Abs. 3 InsO. Es liege auch die erforderliche vergleichbare Interessenlage vor. Zu beachten sei auch die Bedeutung des allgemeinen Gleichheitssatzes. Unionsrechtlich sei ein Besteuerungsverzicht nicht zulässig. Im Übrigen komme es ansonsten zu einem Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten. Das FG habe auch gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verstoßen, da es insoweit die fortwährende Verlängerung der vorläufigen Eigenverwaltung außer Betracht gelassen habe. Zumindest liege eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 2 InsO vor. Das Eigenverwaltungsverfahren könne auch bei fehlender Sanierungsabsicht durchgeführt werden. Es stehe auch nicht sanierungsfähigen Unternehmen offen. Die vom BGH zur Begründung herangezogene Möglichkeit von Einzelermächtigungen werde zugunsten des FA nicht ausgeübt, da es als lästiger Gläubiger betrachtet werde, so dass es zu einer einseitigen Benachteiligung des Fiskalgläubigers komme.
Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
§ 55 Abs. 4 InsO sei nicht unmittelbar anwendbar. Aus der Pflichtenstellung des Schuldners im Eigenverwaltungsverfahren ergebe sich keine Gleichstellung mit einem vorläufigen Insolvenzverwalter. Eine planwidrige Gesetzeslücke liege nicht vor. § 270b Abs. 3 InsO komme keine Bedeutung zu. Eine vergleichbare Interessenlage bestehe nicht, da der Schuldner im eigenverwalteten Eröffnungsverfahren autonom handele. Aus einem vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren über einen Zeitraum von acht Monaten ergebe sich kein Gestaltungsmissbrauch. Maßgeblich seien die Sanierungsbemühungen gewesen.
II.
Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a FGO. Der Senat hält einstimmig die Revision des FA für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme, wobei das FA keine Rücknahme des Rechtsmittels erklärt hat. Das FG hat zutreffend entschieden, dass der Umsatzsteueranspruch für einen Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum, in dem der Unternehmer einem Eröffnungsverfahren mit vorläufiger Eigenverwaltung nach § 270a InsO unterliegt, weder nach § 55 Abs. 2 InsO noch nach § 55 Abs. 4 InsO eine Masseverbindlichkeit ist; auch eine analoge Anwendung dieser Vorschriften kommt nicht in Betracht.
1. Es liegen keine Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 2 und Abs. 4 InsO vor.
Nach § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO gelten Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten. Gleiches gilt gemäß § 55 Abs. 4 InsO für die Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind.
Für eine unmittelbare Anwendung von § 55 Abs. 2 und Abs. 4 InsO fehlt es im Streitfall bereits an der Grundvoraussetzung der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters.
2. Weder § 55 Abs. 2 InsO noch § 55 Abs. 4 InsO sind auf ein Eröffnungsverfahren mit vorläufiger Eigenverwaltung nach § 270a InsO analog anzuwenden. Der erkennende Senat schließt sich dabei dem vom FA angegriffenen BGH-Urteil in BGHZ 220, 243 an.
a) Mit seinen Einwendungen hiergegen lässt das FA die Unterschiede außer Betracht, die zwischen einem Eröffnungsverfahren mit den in § 55 Abs. 2 und Abs. 4 InsO genannten vorläufigen Insolvenzverwaltern und dem Eröffnungsverfahren in vorläufiger Eigenverwaltung bestehen.
aa) § 55 Abs. 2 und Abs. 4 InsO setzen die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters durch das Insolvenzgericht voraus (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO), dem entweder die Befugnisse nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 i.V.m. § 22 Abs. 1 InsO mit der Rechtsfolge des § 55 Abs. 2 InsO zustehen oder dem das Insolvenzgericht die Befugnisse nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 i.V.m. § 22 Abs. 2 InsO mit der Rechtsfolge des § 55 Abs. 4 InsO zugewiesen hat.
Diese vorläufigen Insolvenzverwalter üben die ihnen aufgrund ihrer Bestellung zugewiesenen Amtsbefugnisse aus und begründen daher --wie bei einer Amtstätigkeit in einem eröffneten Verfahren, die auch bei einem in Eigenverwaltung eröffneten Insolvenzverfahren vorliegt (Senatsurteil vom 27.09.2018 - V R 45/16, BFHE 262, 214, BStBl II 2019, 356, Rz 29)-- zu Lasten eines später eröffneten Insolvenzverfahrens Masseverbindlichkeiten.
bb) Demgegenüber stehen dem Insolvenzschuldner im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse über sein Vermögen aus eigenem Recht zu, soweit das Insolvenzgericht keine beschränkenden Anordnungen erlässt. Anders als im eröffneten Verfahren kann entgegen der Auffassung des FA auch nicht durch den Verweis auf die allgemeinen Vorschriften in § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO abgeleitet werden, dass der Schuldner in der vorläufigen Eigenverwaltung --wie der Eigenverwalter im eröffneten Verfahren (Senatsurteil in BFHE 262, 214, BStBl II 2019, 356, Rz 29)-- als sein eigener vorläufiger Insolvenzverwalter anzusehen ist.
Ändert somit der auf Eröffnung in Eigenverwaltung gerichtete Antrag (§§ 13, 270a InsO) nichts daran, dass der Schuldner aus eigenem Recht handelt, ist dieser Antrag für die insolvenzrechtliche Einordnung der bis zur Verfahrenseröffnung begründeten Vermögensansprüche als Insolvenzforderung (§ 38 InsO) ohne Bedeutung. Daher gilt in Bezug auf die insolvenzrechtliche Einordnung für die nach einer derartigen Antragstellung begründeten Vermögensansprüche (vorliegend aus § 13a Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes) dasselbe wie zuvor.
cc) Die Bestellung eines vorläufigen Sachwalters nach § 270a Abs. 1 Satz 2 InsO ändert hieran nichts, da diesem die bloßen Befugnisse der §§ 274 f. InsO zustehen, die denen der vorstehend genannten vorläufigen Insolvenzverwalter in keiner Weise entsprechen.
b) Zudem fehlt es für eine Analogie bereits an einer planwidrigen Unvollständigkeit der gesetzlichen Regelung (BGH-Urteil in BGHZ 220, 243).
Der erkennende Senat weist hierzu ergänzend darauf hin, dass Insolvenzgläubiger gemäß § 87 InsO nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihre Insolvenzforderungen i.S. von § 38 InsO und damit ihre zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner "begründeten" Vermögensansprüche nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen können. Daher sind nach § 251 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) Insolvenzforderungen während eines Insolvenzverfahrens nicht durch Steuerbescheid festzusetzen, sondern nur erforderlichenfalls durch Verwaltungsakt festzustellen. Demgegenüber sind Masseverbindlichkeiten nach § 55 InsO durch Steuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen (vgl. Senatsurteil vom 30.04.2009 - V R 1/06, BFHE 226, 130, BStBl II 2010, 138).
Soweit die Voraussetzungen einer Masseverbindlichkeit nicht vorliegen, folgt hieraus nicht das Vorliegen einer Regelungslücke, die durch eine Analogie zu einzelnen Bestimmungen des § 55 InsO zu schließen wäre, sondern die gesetzlich vorgesehene Anwendung von § 38 InsO. Insoweit betrachtet das FA nicht hinreichend, dass § 38 InsO grundsätzlich alle bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensansprüche erfasst und diese nur ausnahmsweise im Hinblick auf die in § 55 Abs. 2 und Abs. 4 InsO genannten Amtswaltertätigkeiten zu einer Masseverbindlichkeit erhebt.
c) Im Kern verlangt das FA nach einer gesetzlichen Regelung, durch die letztlich alle ab der Stellung eines Antrags auf Insolvenzeröffnung begründeten Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis --wie bei § 55 Abs. 4 InsO-- im später eröffneten Verfahren als Masseverbindlichkeiten zu behandeln sind. Mit der von der Rechtsprechung bei der Gesetzesauslegung zu beachtenden Wortlautgrenze ist dies nicht vereinbar. Hiergegen sprechen zudem die bereits dargestellten Unterschiede zwischen vorläufiger Eigenverwaltung und vorläufiger Insolvenzverwaltung. Ob der Gesetzgeber eine derartige Regelung treffen könnte oder sollte, hat der erkennende Senat nicht zu entscheiden. Auf die weiteren Überlegungen des FA zu einem Sanierungserfordernis oder das Unterbleiben von Einzelermächtigungen zugunsten des in seiner Gläubigerrolle als "lästig" empfundenen FA in der vorläufigen Eigenverwaltung kommt es nicht an.
3. Die auf vorläufige Insolvenzverwalter beschränkte Anwendung von § 55 Abs. 4 InsO unter Ausschluss der vorläufigen Eigenverwaltung führt entgegen der Auffassung des FA auch nicht zum Vorliegen einer Beihilfe i.S. des Unionsrechts.
a) Nach Art. 107 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union i.d.F. des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (AEUV) sind, soweit in den Verträgen nicht etwas anderes bestimmt ist, staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Die Vorschrift verbietet grundsätzlich selektive Beihilfen für bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- P vom 18.07.2013 - C-6/12, EU:C:2013:525, Rz 17, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2013, 862, und Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13.03.2019 - I R 18/19, BFHE 265, 23, Rz 49).
Für die Einordnung einer nationalen Maßnahme als "staatliche Beihilfe" i.S. von Art. 107 Abs. 1 AEUV muss es sich erstens um eine staatliche Maßnahme oder eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel handeln, muss die Maßnahme zweitens geeignet sein, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, muss dem Begünstigten drittens durch sie ein selektiver Vorteil gewährt werden und muss sie viertens den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen (EuGH-Urteile Kommission/World Duty Free Group u.a. vom 21.12.2016 - C-20/15 P und C-21/15 P, EU:C:2016:981, Rz 53, Internationales Steuerrecht --IStR-- 2017, 77, und A-Brauerei vom 19.12.2018 - C-374/17, EU:C:2018:1024, Rz 19, IStR 2019, 70, sowie BFH-Beschluss in BFHE 265, 23, Rz 50).
b) Vorliegend fehlt es an einer selektiv wirkenden staatlichen Maßnahme. Die Einordnung der bis zur Insolvenzeröffnung begründeten Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis folgt dem sich aus § 251 Abs. 2 Satz 1 AO ergebenden Grundsatz, dass der Steuergläubiger im Insolvenzfall wie alle anderen Gläubiger behandelt wird. Durchbrochen wird der hierdurch gewährleistete Gleichbehandlungsgrundsatz nur durch § 55 Abs. 4 InsO. Die hier angeordnete Masseverbindlichkeit beruht aber auf einer Amtstätigkeit bereits im Eröffnungsverfahren, an der es bei der vorläufigen Eigenverwaltung fehlt, so dass es im Übrigen beim Regelprinzip des § 38 InsO bleibt. Unabhängig von den weiteren Voraussetzungen fehlt es damit jedenfalls an einer selektiven Vorteilsgewährung.
4. Der vom FA behauptete Verfahrensmangel der Nichtberücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens entgegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO zu dem vom FA behaupteten Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO liegt nicht vor. Selbst wenn man in einem hier vorliegenden Eröffnungsverfahren mit einer Dauer von über acht Monaten angesichts einer vom FA angenommenen durchschnittlichen Verfahrensdauer von nur drei Monaten einen Gestaltungsmissbrauch sehen sollte, kommt dies im Streitfall, in dem es um den Voranmeldungszeitraum für Februar 2017 bei einem in Dezember 2016 gestellten Antrag auf Verfahrenseröffnung geht, nicht in Betracht.
Im Übrigen besteht für das FA die Möglichkeit, einen Antrag auf Aufhebung der Anordnung der Eigenverwaltung nach § 272 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 InsO zu stellen. Dies kann insbesondere dann gerechtfertigt sein, wenn die eigentlich nach § 1 Satz 1 InsO dem Insolvenzverfahren vorbehaltene Verwertung des Schuldnervermögens in das Eröffnungsverfahren vorgezogen wird oder konkrete Tatsachen dies befürchten lassen, was im Streitfall durch den Kaufvertrag vom 27.11.2017 nahegelegt wird.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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