BFH: Unzulässige Selbstentscheidung abgelehnter Richter über einen Ablehnungsantrag
- Entscheidet der abgelehnte Richter unter Verstoß gegen § 45 Abs. 1 ZPO selbst anstelle seines Vertreters über einen zulässigen Ablehnungsantrag, schlägt dieser Verstoß gegen den Anspruch auf den gesetzlichen Richter auf die Endentscheidung durch, ohne dass es darauf ankommt, ob das Ablehnungsgesuch in der Sache begründet ist oder nicht (Anschluss an BVerfG-Beschluss vom 11.03.2013 - 1 BvR 2853/11, NJW 2013, 1665, Rz 38 ff.; ebenso bereits BFH-Beschlüsse vom 05.04.2017 - III B 122/16, BFH/NV 2017, 1047 = SIS 17 12 05, und vom 05.06.2019 - IX B 121/18, BFHE 264, 409, BStBl II 2019, 554 = SIS 19 10 38; Aufgabe der bisherigen BFH-Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 10.08.2006 - II R 59/05, BFHE 214, 518, BStBl II 2009, 758 = SIS 06 42 35, unter II.1.a bb).
- Auch wenn sämtliche Mitglieder eines Spruchkörpers im Hinblick auf eine von ihnen zuvor getroffene Kollegialentscheidung abgelehnt werden, ist ein solches Ablehnungsgesuch nur dann rechtsmissbräuchlich und daher unzulässig, wenn es gar nicht oder ausschließlich mit Umständen begründet wird, die unter keinem denkbaren Gesichtspunkt eine Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen können. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Ablehnungsantrag sich bereits ohne jedes Eingehen auf den Verfahrensgegenstand als unzulässig darstellt (Anschluss an BVerfG-Beschluss vom 20.07.2007 - 1 BvR 2228/06, NJW 2007, 3771, unter II.2.a).
- § 365 Abs. 3 AO ist nicht anwendbar, wenn das Einspruchsverfahren mit dem Erlass des Änderungsbescheids objektiv beendet wird. Dies ist der Fall, wenn das FA dem Begehren des Steuerpflichtigen, so wie es sich im Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids darstellt, mit diesem Bescheid in vollem Umfang Rechnung trägt.
GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 45 Abs. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 51 Abs. 1 Satz 1
AO § 365 Abs. 3
BFH-Beschluss vom 16.10.2019, X B 99/19 (veröffentlicht am 9.4.2020)
Vorinstanz: Niedersächsisches FG vom 8.5.2019, 4 K 240/18
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erzielte im Streitjahr 2007 gewerbliche Einkünfte sowie umsatzsteuerpflichtige Einnahmen aus der Vermittlung von Immobilien. Ihre Einkommensteuer-, Gewerbesteuer- und Umsatzsteuererklärungen für 2007 reichte sie 2009 beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) ein.
Am 22.01.2013 erließ das FA eine Prüfungsanordnung u.a. für die Einkommensteuer, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer 2007. In einer Anlage zur Prüfungsanordnung bat der Prüfer die Klägerin, die Daten-Archiv-CD der Finanzbuchhaltung schon vor Prüfungsbeginn zu übersenden. Dem kam der damalige Steuerberater der Klägerin am 26.03.2013 nach. Auf dem entsprechenden Anschreiben findet sich der folgende --weder mit einem Datum noch mit einem Namenszeichen versehene-- handschriftliche Vermerk: "Daten für … Grundstücksvermittlung angefordert am 19.11.13. Bp-Beginn 3. Dezemberwoche 2013 an Amtsstelle". Entgegen § 198 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) hat der Prüfer den Beginn der Prüfung nicht aktenkundig gemacht. Das FA konnte das Beschäftigungstagebuch des Prüfers für 2013 nicht mehr vorlegen. Nach dem Beschäftigungstagebuch für 2014 war der Prüfer ab dem 24.01.2014 zeitweise mit der Prüfung befasst, intensiver dann ab dem 11.06.2014. In den Betriebsprüfungsakten wurden Prüfungshandlungen erstmals im Juni 2014 dokumentiert. In Tz. 3 des Bp-Berichts vom 17.03.2017 heißt es, die Prüfung habe am 16.12.2013 begonnen.
Am 28.04.2017 erließ das FA geänderte Bescheide u.a. zur Einkommensteuer und Umsatzsteuer sowie zum Gewerbesteuermessbetrag 2007. Darin erkannte es --neben anderen Punkten-- Beratungshonorare, die die Klägerin in erheblicher Höhe an ihre Mutter gezahlt haben wollte, nicht mehr als Betriebsausgaben an und ließ die entsprechenden Vorsteuern nicht zum Abzug zu. Die Klägerin legte gegen die Änderungsbescheide Einspruch ein. Nach einigen Besprechungen zwischen den Beteiligten ergingen am 27.06.2018 Teilabhilfebescheide zur Einkommensteuer und zum Gewerbesteuermessbetrag 2007; am 31.07.2018 folgte ein Teilabhilfebescheid zur Umsatzsteuer 2007. Darin ließ das FA einen kleinen Teil der Beratungshonorare und der Vorsteuern zum Abzug zu. In den Erläuterungen zu diesen Bescheiden hieß es jeweils, der Einspruch sei damit erledigt.
Die Klägerin legte gegen die Teilabhilfebescheide am 28.08.2018 Einspruch ein und vertrat erstmals die Auffassung, die Änderungsbescheide aus dem Jahr 2017 seien nicht mehr innerhalb der Festsetzungsfrist ergangen. In Bezug auf die Teilabhilfebescheide zur Einkommensteuer und zum Gewerbesteuermessbetrag beantragte die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung, sie habe die Einspruchsfrist wegen der irreführenden Angabe des Prüfungsbeginns im Bp-Bericht versäumt.
Das FA verwarf die Einsprüche gegen die Bescheide zur Einkommensteuer und zum Gewerbesteuermessbetrag 2007 als unzulässig und wies den Einspruch gegen den Umsatzsteuerbescheid 2007 als unbegründet zurück.
Während des anschließenden Klageverfahrens stellte die Klägerin beim Finanzgericht (FG) am 25.02.2019 einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV), mit dem sie um schnellstmöglichen vorläufigen Rechtsschutz bat. Das FG lehnte den AdV-Antrag mit Beschluss vom 11.04.2019 ab. Am 07.05.2019 --einen Tag vor der mündlichen Verhandlung im Hauptsacheverfahren-- lehnte die Klägerin die am AdV-Beschluss beteiligten Richter in einem 14-seitigen Schreiben wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Zur Begründung führte sie u.a. aus, aufgrund der langen Dauer des AdV-Verfahrens sei bei ihr der Eindruck entstanden, dass der Senat ihr Schutzbedürfnis nicht hinreichend ernst nehme. Sie habe eine Immobilie verkaufen und eine Kontenpfändung hinnehmen müssen. Teile ihres AdV-Antrags seien nicht beschieden worden. Das FG hätte zu der Frage, wann die erste Prüfungshandlung vorgenommen worden sei, entweder konkrete Erhebungen durchführen oder aber die beantragte AdV gewähren müssen.
Das FG wies die Klage unter Mitwirkung der abgelehnten Richter ab und sah den Ablehnungsantrag im Urteil als rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig an. Der Antrag sei gegen alle am AdV-Beschluss beteiligten Richter gestellt, aber nur mit Umständen begründet worden, die eine Besorgnis der Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtfertigen könnten. Der Senat habe überdurchschnittlich schnell über den AdV-Antrag entschieden und diesen auch nicht teilweise unbearbeitet gelassen. Die von der Klägerin beanstandeten Sachverhaltsfeststellungen im AdV-Beschluss seien ausweislich der Akten zutreffend. Konkrete Erhebungen zum Sachverhalt seien im summarischen Eilverfahren nicht erforderlich. Dass die vom Senat gezogenen Schlussfolgerungen nicht zugunsten der Klägerin ausgefallen seien, begründe keine Besorgnis der Befangenheit.
In der Sache selbst sah das FG den Einspruch gegen den Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheid vom 27.06.2018 als verfristet an; Wiedereinsetzung könne nicht gewährt werden. Im Übrigen seien alle Bescheide innerhalb der Festsetzungsfrist ergangen, da die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 Satz 1 Alternative 1 AO anwendbar sei. Es sei davon auszugehen, dass der Prüfer jedenfalls am 19.11.2013 mit der Prüfung begonnen habe. Ihm hätten bereits seit dem 26.03.2013 prüffähige Unterlagen vorgelegen. Aus der Anforderung weiterer Daten am 19.11.2013 sei zu schließen, dass er zu diesem Zeitpunkt die ihm vorliegenden Unterlagen bereits gesichtet und dabei festgestellt habe, dass weitere Unterlagen gefehlt hätten.
Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, zur Fortbildung des Rechts und wegen Verfahrensmängeln.
Das FA hält die gesetzlichen Darlegungsanforderungen nicht für erfüllt.
II. Die Beschwerde ist begründet. Es liegt ein von der Klägerin geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung des FG beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Die von der Klägerin jedenfalls sinngemäß erhobene Rüge, das FG habe ihren Anspruch auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes --GG--) verletzt, indem die abgelehnten Richter entgegen § 45 Abs. 1 der Zivilprozessordnung --ZPO-- (i.V.m. § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO) selbst über den Ablehnungsantrag entschieden haben, greift durch. Die Bescheidung des Ablehnungsgesuchs durch einen Spruchkörper, der hierfür nicht der gesetzliche Richter war (dazu unten a), schlägt nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) auf die Endentscheidung durch (dazu unten b).
a) Im Streitfall verstieß zunächst die Behandlung des Ablehnungsgesuchs als solches gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
aa) Zwar ist es im Allgemeinen unzulässig, pauschal einen ganzen Spruchkörper abzulehnen, weil ein Ablehnungsgesuch sich grundsätzlich auf bestimmte Richter beziehen muss. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Mitglieder eines Spruchkörpers im Hinblick auf konkrete Anhaltspunkte in einer Kollegialentscheidung abgelehnt werden, weil der Betroffene wegen des Beratungsgeheimnisses nicht wissen kann, welcher Richter die Entscheidung mitgetragen hat. In solchen Fällen liegt ein Missbrauch des Ablehnungsrechts nur dann vor, wenn das Gesuch gar nicht oder ausschließlich mit Umständen begründet wird, die unter keinem denkbaren Gesichtspunkt eine Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen können (ausführlich zum Ganzen Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27.07.1992 - VIII B 59/91, BFH/NV 1993, 112, und vom 16.04.1993 - I B 155/92, BFH/NV 1994, 637, unter 1., beide m.w.N.).
Dies ist nur dann der Fall, wenn der Ablehnungsantrag sich bereits ohne jedes Eingehen auf den Verfahrensgegenstand als unzulässig dargestellt hätte. Ist hingegen ein --wenn auch nur geringfügiges-- Eingehen auf den Verfahrensgegenstand erforderlich, scheidet eine Verwerfung des Ablehnungsantrags als unzulässig aus. Denn der abgelehnte Richter darf sich über eine bloße formale Prüfung des Ablehnungsantrags hinaus nicht durch Mitwirkung an einer näheren inhaltlichen Prüfung der Ablehnungsgründe entgegen § 45 Abs. 1 ZPO, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zum Richter in eigener Sache machen (ausführlich zum Ganzen BVerfG-Beschluss vom 20.07.2007 - 1 BvR 2228/06, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2007, 3771, unter II.2.a, ebenfalls zu einem Fall, in dem ein gesamter Senat abgelehnt worden war).
bb) Vorliegend waren die Voraussetzungen, unter denen die abgelehnten Richter ausnahmsweise entgegen der Anordnung in § 45 Abs. 1 ZPO selbst über das Ablehnungsgesuch entscheiden dürfen, nicht erfüllt. Die Klägerin hatte ihr Ablehnungsgesuch nicht ausschließlich mit Umständen begründet, die unter keinem denkbaren Gesichtspunkt --d.h. ohne jede Befassung mit der Sache als solcher-- eine Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen können.
Dies wird bereits daraus deutlich, dass die abgelehnten Richter sich im angefochtenen Urteil ausführlich inhaltlich mit den von der Klägerin vorgetragenen Ablehnungsgründen auseinandergesetzt haben. Eine solche inhaltliche Auseinandersetzung steht aber nicht ihnen, sondern gemäß § 45 Abs. 1 ZPO allein ihren Vertretern zu. Das inhaltliche Eingehen auf die Ablehnungsgründe war auch nicht etwa objektiv entbehrlich, da die von der Klägerin vorgetragenen Gründe --ohne dass es an dieser Stelle darauf ankommt, ob sie im Streitfall tatsächlich durchgreifen könnten-- beim Vorliegen eines entsprechenden Sachverhalts im Prinzip geeignet sein könnten, im Einzelfall eine Besorgnis der Befangenheit darzulegen.
b) Der Besetzungsmangel der Entscheidung über den Ablehnungsantrag schlägt auf die Endentscheidung durch.
aa) Nach der neueren Rechtsprechung des BVerfG ist in Fällen unzulässiger Selbstentscheidung über ein Ablehnungsgesuch stets davon auszugehen, dass auch die dem Ablehnungsgesuch folgenden Sachentscheidungen mit dem Makel des Verstoßes gegen den gesetzlichen Richter behaftet sind. Denn auch wenn die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs nach der maßgeblichen Prozessordnung (hier § 128 Abs. 2 FGO) unanfechtbar ist und bisher nicht feststeht, dass bei einem der abgelehnten Richter tatsächlich die Besorgnis der Befangenheit gegeben war, folgt aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zugleich, dass niemand vor einem Richter stehen muss, über dessen Ablehnung unter Verstoß gegen die Gewährleistung des gesetzlichen Richters entschieden worden ist (ausführlich BVerfG-Beschluss vom 11.03.2013 - 1 BvR 2853/11, NJW 2013, 1665, Rz 38 ff.).
Diese Rechtsprechung des BVerfG ist bereits zwei neueren BFH-Entscheidungen zugrunde gelegt worden (BFH-Beschlüsse vom 05.04.2017 - III B 122/16, BFH/NV 2017, 1047, Rz 10, und vom 05.06.2019 - IX B 121/18, BFHE 264, 409, BStBl II 2019, 554), die allerdings nicht zur Ablehnung eines gesamten Spruchkörpers ergangen sind. Nach Auffassung des Senats gilt das Selbstentscheidungsverbot aber auch dann, wenn ein ganzer Spruchkörper abgelehnt wird, die vorstehend unter a aa genannten Voraussetzungen aber nicht erfüllt sind. Dies ist hier der Fall.
bb) In seiner Rechtsprechung, die vor dieser Entscheidung des BVerfG und den beiden jüngeren BFH-Beschlüssen ergangen war, hatte der BFH derartige Rügen allerdings abweichend behandelt. Danach konnte eine auf die fehlerhafte Behandlung eines Ablehnungsantrags gestützte Verfahrensrüge nicht allein deshalb Erfolg haben, weil bei der Entscheidung über den Ablehnungsantrag die Vorschriften über den gesetzlichen Richter verletzt worden sind, sondern nur dann, wenn die Entscheidung in der Hauptsache nicht durch den gesetzlichen Richter getroffen worden ist. Allerdings hatte eine gesetzwidrige Besetzung des Gerichts bei der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch zur Folge, dass als inhaltlicher Prüfungsmaßstab für das Vorliegen einer Besorgnis der Befangenheit nicht mehr die greifbare Gesetzwidrigkeit, sondern die einfache Rechtswidrigkeit heranzuziehen war. Im Ergebnis nahm das Rechtsmittelgericht in diesen Fällen daher eine volle inhaltliche Prüfung der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch vor (ausführlich hierzu z.B. BFH-Urteil vom 10.08.2006 - II R 59/05, BFHE 214, 518, BStBl II 2009, 758, unter II.1.a bb; diese Verfahrensweise liegt aber gleichermaßen zahlreichen weiteren BFH-Entscheidungen zugrunde, vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 1993, 112).
cc) Diese Rechtsprechung ist durch die neuere Entscheidung des BVerfG überholt. Diese Einschätzung liegt der Sache nach auch den beiden BFH-Beschlüssen in BFH/NV 2017, 1047 und in BFHE 264, 409, BStBl II 2019, 554 zugrunde.
Der vorherigen Durchführung eines Verfahrens nach § 11 FGO bedarf es in derartigen Fällen nicht (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. nur Entscheidungen vom 05.08.2004 - VI R 40/03, BFHE 207, 225, BStBl II 2004, 1074, unter II.1.c cc, und vom 06.06.2016 - III B 92/15, BFHE 253, 315, BStBl II 2016, 844, Rz 13), weil auch der Große Senat des BFH nicht befugt wäre, in der --entscheidungserheblichen-- verfassungsrechtlichen Frage zu einem anderen Ergebnis als das BVerfG zu kommen.
2. Der Senat hält es für angezeigt, nach § 116 Abs. 6 FGO zu verfahren, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Für das weitere Verfahren weist der Senat --ohne Bindungswirkung für das FG-- auf die folgenden Punkte hin:
a) Hinsichtlich des --für den Eintritt der Ablaufhemmung des § 171 Abs. 4 Satz 1 AO maßgeblichen-- Beginns der Außenprüfung dürfte sich eine Vernehmung des Prüfers als Zeugen aufdrängen. Die Klägerin bringt zu Recht vor, dass die Tatsachenlage insoweit unklar war, weil das --die Feststellungslast tragende-- FA das Beschäftigungstagebuch für 2013 bereits vernichtet hatte und der Prüfer der Vorgabe des § 198 Satz 2 AO nicht nachgekommen war. Diese Versäumnisse dürfen nicht zu Lasten der Klägerin gehen. Das FG hat sich entscheidungstragend auf einen --erst fünf Jahre nach den maßgebenden Ereignissen angefertigten-- Vermerk des Prüfers gestützt, der allerdings nicht --wie im vorinstanzlichen Urteil dargestellt-- im Rahmen des Klageverfahrens gefertigt wurde, sondern lediglich in den Rechtsbehelfsakten enthalten, der Klägerin, die keine Akteneinsicht genommen hatte, jedoch nicht bekannt war. Vor diesem Hintergrund hätte es sich dem FG aufdrängen müssen, den Prüfer sowohl zur Wahrung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes als auch zur Ermöglichung von Rückfragen in der mündlichen Verhandlung als Zeugen zu vernehmen.
b) Das FG hat --ebenso wie das FA-- die Einsprüche der Klägerin gegen die geänderten Bescheide über Einkommensteuer und den Gewerbesteuermessbetrag vom 27.06.2018 als verspätet angesehen. Weder das FA noch das FG haben sich aber mit der Regelung des § 365 Abs. 3 AO befasst, wonach im Einspruchsverfahren Änderungsbescheide kraft Gesetzes --ohne dass ein erneuter Einspruch erforderlich ist-- zum Gegenstand des Verfahrens werden.
§ 365 Abs. 3 AO wäre nur dann nicht anwendbar, wenn das Einspruchsverfahren mit dem Erlass der genannten Änderungsbescheide objektiv beendet worden wäre. Dies wäre der Fall, wenn das FA dem Begehren der Klägerin in vollem Umfang Rechnung getragen hätte (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30.10.2003 - VI B 83/03, BFH/NV 2004, 356, und vom 21.12.2012 - IX B 101/12, BFH/NV 2013, 510). Ob die Klägerin ihr ursprünglich wesentlich umfassenderes und mehrere Punkte betreffendes Einspruchsbegehren vor Erlass der Änderungsbescheide mittels einer eindeutigen Erklärung entsprechend eingeschränkt hatte, wird das FG im zweiten Rechtsgang noch festzustellen haben.
3. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
4. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.
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