BFH: Geschäftsführerhaftung für Einfuhrumsatzsteuer nach Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters
Grundsatz der anteiligen Tilgung
- Wird die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer GmbH beantragt und ein vorläufiger Insolvenzverwalter unter Anordnung eines allgemeinen Zustimmungsvorbehalts bestellt, verbleibt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis beim gesetzlichen Vertreter der GmbH. Er wird durch den vorläufigen Insolvenzverwalter nicht aus seiner Pflichtenstellung verdrängt und hat weiterhin dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln der GmbH entrichtet werden.
- Ist für Einfuhrabgaben ein laufender Zahlungsaufschub gewährt worden, sind diese am Fälligkeitstag vorrangig ohne Rücksicht auf das Bestehen etwaiger anderer Zahlungsverpflichtungen zu entrichten. In diesem Fall ist daher auf die Haftung des GmbH-Geschäftsführers für die Einfuhrabgaben der sog. Grundsatz der anteiligen Tilgung nicht anzuwenden.
BFH-Urteil vom 26.9.2017, VII R 40/16 (veröffentlicht am 20.12.2017)
ZK Art. 224, Art. 226 Buchst. b
AO § 34 Abs. 1, § 69, § 191 Abs. 1 Satz 1
InsO § 21 Abs. 2 Nr. 2, § 55 Abs. 4
GmbHG § 64
UStG § 21 Abs. 3
Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 22.11.2016 4 K 1746/16 H (ZfZ 2017, Beil. 2, 28 = SIS 16 27 44)
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war neben einer weiteren Person Geschäftsführer einer GmbH. Diese ließ zwischen dem 1. und dem 25.2.2011 mehrere Einfuhrsendungen zum freien Verkehr abfertigen. Die insoweit mit verschiedenen Abgabenbescheiden festgesetzte Einfuhrumsatzsteuer war wegen eines der GmbH gewährten laufenden Zahlungsaufschubs am 16.3.2011 fällig.
Am 1.3.2011 beantragte die GmbH die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Daraufhin bestellte das Amtsgericht (AG) am 3.3.2011 einen vorläufigen Insolvenzverwalter und ordnete an, dass Verfügungen der GmbH nur mit dessen Zustimmung wirksam seien (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative der Insolvenzordnung - InsO -). Am 1.6.2011 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet.
Da die festgesetzte Einfuhrumsatzsteuer am Fälligkeitstag mangels Deckung nicht vom angegebenen Konto abgebucht werden konnte und auch sonst keine Zahlung geleistet wurde, nahm der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt - HZA -) den Kläger - gemeinsam mit dem weiteren Geschäftsführer - mit Haftungsbescheid in Anspruch.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, der Kläger sei gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) und § 69 Satz 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 AO zu Recht als Haftender in Anspruch genommen worden, weil er grob fahrlässig seine Pflicht verletzt habe, die finanziellen Mittel der GmbH so zu verwalten, dass die pünktliche Begleichung künftig fällig werdender Steuerschulden möglich gewesen sei. Wegen des gewährten laufenden Zahlungsaufschubs sei der Grundsatz der anteiligen Tilgung nicht anzuwenden. (Das FG-Urteil ist in der Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2017, Beilage 2, 28 veröffentlicht.)
Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, das FG habe zu Unrecht eine grob fahrlässige Verletzung der Mittelvorsorgepflicht angenommen. Es habe nicht berücksichtigt, dass die wirtschaftliche Krise überraschend aufgetreten sei und er (der Kläger) alles in seiner Macht Stehende unternommen habe, um die Verbindlichkeit erfüllen zu können, indem er dafür gesorgt habe, dass der erforderliche Betrag für die Zahlung der Einfuhrumsatzsteuer im Fälligkeitszeitpunkt auf dem Konto vorhanden gewesen sei. Im Zusammenhang mit der Schuldfrage habe das FG zudem die sich aus der Massesicherungspflicht des Geschäftsführers gemäß § 64 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) ergebende Pflichtenkollision nicht zutreffend bewertet. Außerdem habe das FG insolvenzrechtliche Regelungen übersehen, deren Anwendung den Steuerschaden abgewendet hätte. Zum einen habe die Einfuhrumsatzsteuer gemäß § 55 Abs. 4 InsO als Masseverbindlichkeit aus der Insolvenzmasse gezahlt werden müssen. Zum anderen habe das HZA gemäß § 51 Nr. 4 InsO ein Recht auf abgesonderte Befriedigung gehabt, weshalb ein Schaden nur unter Abzug des Verwertungserlöses entstanden sei. Auch ein Mitverschulden des HZA, das im Rahmen der Stundungsvereinbarung eine Sicherungsübereignung hätte vereinbaren können, habe das FG nicht geprüft. Schließlich könne eine Haftung nicht in voller Höhe, sondern allenfalls nach dem Grundsatz der anteiligen Tilgung angenommen werden. Der vom FG vertretenen Ansicht einer im Streitfall bestehenden Ausnahme von diesem Grundsatz sei nicht zu folgen.
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen (§ 126 Abs. 4 FGO). Der angefochtene Haftungsbescheid ist rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet, kann nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Nach § 69 Satz 1 AO haften die in §§ 34 und 35 AO bezeichneten Personen, soweit (u.a.) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt werden. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, hatte der Kläger als gesetzlicher Vertreter der GmbH gemäß § 34 Abs. 1 AO deren steuerliche Pflichten zu erfüllen, insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den für die GmbH verwalteten Mitteln entrichtet werden.
1. Im Streitfall ist diese Pflicht verletzt worden, da nach den Feststellungen des FG die für die Einfuhren der GmbH im Monat Februar 2011 entstandene Einfuhrumsatzsteuer nicht rechtzeitig im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit am 16.3.2011 gezahlt worden ist.
2. Die für das Tatbestandsmerkmal des Verschuldens i.S. des § 69 Satz 1 AO zu stellende Frage, aus welchem Grund die Zahlung der fälligen Einfuhrumsatzsteuer unterblieb, lässt sich allerdings nach den im FG-Urteil enthaltenen tatsächlichen Feststellungen nicht zweifelsfrei beantworten.
a) Da sich das FG in den Urteilsgründen ausführlich mit der Mittelvorsorgepflicht des GmbH-Geschäftsführers und dem (nach Ansicht des FG im Streitfall nicht anzuwendenden) Grundsatz der anteiligen Tilgung befasst hat, ist es anscheinend davon ausgegangen, dass der GmbH im Zeitpunkt der Fälligkeit der Einfuhrumsatzsteuer am 16.3.2011 keine ausreichenden finanziellen Mittel zur Begleichung der Steuerschuld zur Verfügung standen. Für diese Annahme des FG könnten zum einen die Angabe im angefochtenen Haftungsbescheid sprechen, für die Abbuchung des fälligen Betrags vom angegebenen Konto sei keine Deckung vorhanden gewesen, und zum anderen das im Tatbestand des FG-Urteils wiedergegebene Vorbringen des Klägers, er habe andere "früher fällig werdende Verbindlichkeiten bedienen müssen". Eindeutige Feststellungen des FG hierzu fehlen jedoch.
Wollte man den vorgenannten Sachverhalt unterstellen, wäre die Annahme des FG einer grob fahrlässigen Verletzung der dem Kläger als Geschäftsführer obliegenden Mittelvorsorgepflicht rechtlich nicht zu beanstanden. Insoweit hat das FG zutreffend die Rechtsprechung des erkennenden Senats zugrunde gelegt, der zufolge sich ein gesetzlicher Vertreter bereits vor Fälligkeit einer Steuer der Verletzung seiner Pflicht zur Bereithaltung von Mitteln schuldig machen kann. Denn von ihm ist zu verlangen, dass er vorausschauend plant und insbesondere in der Krise finanzielle Mittel zur Entrichtung der geschuldeten Steuern bereithält. Vom Eintritt der Fälligkeit der Steuern ist diese Pflicht unabhängig (vgl. Senatsbeschluss vom 11.11.2015 VII B 74/15, BFH/NV 2016, 370, unter Hinweis auf das Senatsurteil vom 9.1.1997 VII R 51/96, BFH/NV 1997, 324).
Danach bestünde im Streitfall kein Zweifel, dass der Kläger verpflichtet war, die Mittel zur Zahlung der entstandenen Einfuhrumsatzsteuer rechtzeitig zur Abbuchung durch das HZA bereitzuhalten, denn es war nach den Feststellungen des FG bereits im Februar 2011 klar, dass die Einfuhrumsatzsteuer für die vom 1. bis zum 25.2.2011 angemeldeten Einfuhren entstanden und festgesetzt und wegen des bewilligten Zahlungsaufschubs bereits in naher Zukunft, nämlich am 16.3.2011, zu entrichten war. Anhaltspunkte für die Annahme, der GmbH hätten bereits im Februar 2011 die Mittel gefehlt, um für den Fälligkeitstag vorausschauend zu planen, ergeben sich weder aus den Feststellungen des FG noch aus dem Klägervortag. Zudem ist das Vorbringen des HZA im erstinstanzlichen Verfahren unwidersprochen geblieben, die Einfuhrabgaben hätten aus den Verkaufserlösen der eingeführten Waren entrichtet werden können.
Soweit das FG die angenommene Verletzung der Mittelvorsorgepflicht als grob fahrlässig angesehen hat, hat es einen der Rechtsprechung des erkennenden Senats entsprechenden rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt. An die an diesem Maßstab ausgerichtete Würdigung der festgestellten Tatsachen ist der Senat mangels zulässiger und begründeter Revisionsgründe gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Seitens der Revision sinngemäß gerügte Verfahrensmängel wegen unterbliebener Beweiserhebung liegen schon deshalb nicht vor, weil gemäß dem Sitzungsprotokoll keine Beweisanträge in der mündlichen Verhandlung gestellt wurden. Aus welchem Grund sich dem FG auch ohne Beweisanträge unter Berücksichtigung seines - insoweit maßgeblichen - Rechtsstandpunkts eine weitere bestimmte Maßnahme der Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen, legt die Revision nicht dar.
b) Abweichend von dem Sachverhalt, den das FG seiner Entscheidung (anscheinend) zugrunde gelegt hat, verneint die Revision eine Verletzung der Mittelvorsorgepflicht durch den Kläger, indem sie sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt, der für die Zahlung der Einfuhrumsatzsteuer erforderliche Betrag sei vorhanden gewesen und sei von der "Geschäftsführung (...) auf dem Konto zur Verfügung gestellt" worden (womit offenbar nicht das seinerzeit für Abbuchungen des HZA vorgesehene Konto gemeint ist). Ob diese Behauptung zutrifft, lässt sich mangels entsprechender tatsächlicher Feststellungen des FG nicht beantworten. Gleichwohl sieht der erkennende Senat keinen Anlass, die Sache zur Klärung dieser Frage an das FG zurückzuverweisen. Sollte nämlich das Vorbringen des Klägers zutreffen, führte dies zu keinem vom FG-Urteil abweichenden rechtlichen Ergebnis, denn die insoweit vertretene Ansicht der Revision, "dies [hätte] den Pflichtverstoß mit der Folge eines stattgebenden Urteils entfallen lassen", ist unzutreffend. Vielmehr müsste gerade im Fall einer fälligen, aber trotz vorhandener Mittel nicht geleisteten Steuerzahlung eine vorsätzliche, jedenfalls aber grob fahrlässige Pflichtverletzung bejaht werden, falls keine anzuerkennenden Entschuldigungsgründe vorliegen.
Die Frage, warum der Kläger trotz angeblich ausreichend zur Verfügung stehender finanzieller Mittel der GmbH die Einfuhrumsatzsteuer nicht zahlte, ist von ihm jedoch weder im finanzgerichtlichen Verfahren noch im Revisionsverfahren in einer sein Verschulden ausschließenden Weise beantwortet worden, denn soweit im Tatbestand des FG-Urteils das Vorbringen des Klägers wiedergegeben ist, er habe die "fälligen Steuerschulden nach Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht mehr erfüllen können" und er habe im Zeitpunkt der Fälligkeit "die Steuern (...) weder zahlen können noch dürfen", kann dem nicht gefolgt werden.
Mit seinem Beschluss vom 3.3.2011 hatte das AG nämlich kein allgemeines Verfügungsverbot gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative InsO auferlegt, sondern angeordnet, dass Verfügungen der Schuldnerin (der GmbH) über Gegenstände ihres Vermögens nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam seien (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative InsO). Die für eine Verfügung nach dieser Vorschrift erforderliche Zustimmung kann im Voraus (Einwilligung) oder nachträglich (Genehmigung) erteilt werden (vgl. §§ 182 bis 184 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Solange sie fehlt, ist eine getroffene Verfügung schwebend unwirksam (Schröder, Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 6. Aufl., § 24 Rz 2, 11; MünchKommInsO/ Haarmeyer, 3. Aufl., § 24 Rz 11).
Die bereits mit der Klagebegründung im finanzgerichtlichen Verfahren vertretene Ansicht des Klägers, aufgrund mangelnder Verfügungsbefugnis sei eine Zahlung am 16.3.2011 nicht mehr möglich gewesen, es habe ein "rechtlicher absoluter Hinderungsgrund" vorgelegen und die Geschäftsführung sei nicht mehr fähig gewesen zu handeln, trifft daher nicht zu. Vielmehr war der Kläger an der Erfüllung seiner steuerlichen Pflicht nicht durch die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt gehindert. Wie der erkennende Senat bereits entschieden hat, steht die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters der haftungsrechtlichen Inanspruchnahme des Geschäftsführers der in Insolvenz geratenen GmbH nicht entgegen (Senatsurteil vom 16.5.2017 VII R 25/16, BFHE 257, 515, BStBl II 2017, 934). Denn im Fall der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters ohne Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO) verbleibt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis beim gesetzlichen Vertreter der GmbH (MünchKommInsO/ Haarmeyer, 3. Aufl., § 22 Rz 133, 184). Der vorläufige Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt ist kein Vermögensverwalter i.S. des § 34 Abs. 1 Satz 1 AO. Der GmbH-Geschäftsführer wird durch den vorläufigen Insolvenzverwalter aus seiner Pflichtenstellung nicht verdrängt (vgl. Sinz in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 14. Aufl., § 22 Rz 209, m.w.N.).
Ob bei einem angeordneten Zustimmungsvorbehalt gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative InsO ein Verschulden des GmbH-Geschäftsführers i.S. des § 69 Satz 1 AO zu verneinen ist, wenn er trotz fortbestehender Verfügungsbefugnis und vorhandener finanzieller Mittel die Begleichung der Steuerschuld in einem Fall unterlässt, in dem der vorläufige Insolvenzverwalter die erbetene Einwilligung hierzu versagt und deutlich zu erkennen gibt, eine getroffene Verfügung auch nicht genehmigen zu wollen, kann offenbleiben, weil Entsprechendes im Streitfall vom FG nicht festgestellt und im Übrigen vom Kläger auch nicht geltend gemacht worden ist. Eine derartige Situation wäre ein allein in der Sphäre der GmbH und des Klägers liegender Umstand gewesen, weshalb es dem Kläger oblegen hätte, dem FG substantiiert darzulegen und ggf. nachzuweisen, welche Schritte er zur Zahlung der Steuer am Fälligkeitstag eingeleitet hatte, deren Weiterverfolgung sich jedoch wegen der Haltung des vorläufigen Insolvenzverwalters als sinnlos darstellte. An einem solchen Vorbringen, das dem FG Anlass zu weiterer Sachaufklärung gegeben hätte, fehlt es jedoch. Das im Tatbestand des FG-Urteils wiedergegebene klägerische Vorbringen, "er habe den Insolvenzverwalter auf die Pflicht zur Steuerzahlung angesprochen", war insoweit jedenfalls nicht ausreichend. Auch dem im finanzgerichtlichen Verfahren vorgelegten Bericht des vorläufigen Insolvenzverwalters vom 27.6.2011 lässt sich kein Anhaltspunkt für von diesem verweigerte Zustimmungen nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative InsO entnehmen.
In Anbetracht der Klagebegründung im finanzgerichtlichen Verfahren sowie der Begründung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung ist vielmehr der Schluss gerechtfertigt, dass der Kläger nichts zur Zahlung der Steuerschuld am Fälligkeitstag unternahm, weil er der irrigen Ansicht war, er sei hierzu "weder rechtlich noch tatsächlich in der Lage" und müsse sich ansonsten "gegen den eindeutigen Wortlaut und Regelungsgehalt des Beschlusses des Amtsgerichts (...) verhalten".
Diese falsche Einschätzung vermag das Verhalten des Klägers nicht zu entschuldigen, weil der Irrtum in Anbetracht des Wortlauts des § 21 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative InsO, der sich auch im Beschluss des AG vom 3.3.2011 wiederfindet, offenkundig war. Ist aber nach alledem kein Grund dargelegt, der trotz vorhandener Mittel die unterbliebene Zahlung der fälligen Steuer durch den Kläger entschuldigt, so ist die Pflichtverletzung als zumindest grob fahrlässig begangen anzusehen, zumal nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats die Nichtentrichtung der Steuer zum gesetzlichen Fälligkeitstermin die Schuldhaftigkeit der damit verbundenen Pflichtverletzung indiziert (vgl. Senatsbeschluss vom 20.10.2005 VII B 17/05, BFH/NV 2006, 241, m.w.N.).
c) Anders als die Revision meint, bestand seinerzeit auch keine den Kläger entschuldigende, aus der Massesicherungspflicht des Geschäftsführers gemäß § 64 GmbHG folgende Pflichtenkollision. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats, die mit der geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) in Einklang steht, handelt ein organschaftlicher Vertreter, der bei Insolvenzreife der Gesellschaft seine steuerlichen Zahlungspflichten erfüllt, mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns i.S. des § 64 Satz 2 GmbHG und ist nicht nach § 64 Satz 1 GmbHG gegenüber der Gesellschaft erstattungspflichtig (BGH-Urteil vom 14.5.2007 II ZR 48/06, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2007, 1242; Senatsurteil vom 23.9.2008 VII R 27/07, BFHE 222, 228, BStBl II 2009, 129).
d) Eine i.S. des § 69 Satz 1 AO schuldhafte Pflichtverletzung des Klägers ist daher unabhängig davon zu bejahen, ob man von dem seitens des FG zugrunde gelegten oder dem vom Kläger beschriebenen Sachverhalt ausgeht.
3. Hinsichtlich der Frage einer nur quotalen Haftung des Klägers führen die Sachverhaltsalternativen ebenfalls zu keinen unterschiedlichen Ergebnissen. Da entweder für die Begleichung der Einfuhrumsatzsteuer am Fälligkeitstag ausreichend finanzielle Mittel bereitstanden - wie die Revision geltend macht - oder, sollte dies nicht der Fall gewesen sein - wie das FG anscheinend angenommen hat -, jedenfalls die noch im Februar 2011 zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel der GmbH ausgereicht hätten, um für den Fälligkeitstag vorzusorgen, käme die Anwendung des sog. Grundsatzes der anteiligen Tilgung allenfalls in Betracht, wenn die am Fälligkeitstag bzw. im Februar 2011 noch vorhandenen finanziellen Mittel zwar für die Zahlung der Steuerschuld, nicht jedoch der ggf. vorhandenen weiteren Schulden der GmbH ausgereicht hätten, wofür es allerdings nicht einmal einen substantiierten klägerischen Vortrag, sondern nur die allgemein gehaltene Aussage gibt, er (der Kläger) habe andere früher fällig werdende Verbindlichkeiten bedienen müssen, was sich im Übrigen mit seinem Vorbringen, der fällige Steuerbetrag habe auf den Konten bereitgestanden, nicht in Einklang bringen lässt.
Jedenfalls hat das FG richtigerweise keine Feststellungen hierzu getroffen, weil es zu Recht angenommen hat, dass der Grundsatz der anteiligen Tilgung im Streitfall nicht anzuwenden ist, da die Steuerforderung des HZA wegen des bewilligten laufenden Zahlungsaufschubs vorrangig hätte beglichen werden müssen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats hat der Schuldner der Einfuhrabgaben, wenn er einen Zahlungsaufschub in Anspruch nimmt, bei dem die Zollverwaltung auf die Sachhaftung gemäß § 76 Abs. 1 AO verzichtet hat, die Einfuhrabgaben am Fälligkeitstag ohne Rücksicht auf das Bestehen etwaiger anderer Zahlungsverpflichtungen abzuführen (Senatsurteil vom 21.2.1989 VII R 165/85, BFHE 156, 46, BStBl II 1989, 491). Wird dem Abgabenschuldner die Möglichkeit eingeräumt, den Verkaufserlös schon vor Zahlung der Abgaben realisieren zu können, indem das HZA durch Gewährung des Zahlungsaufschubs und die Freigabe der Ware vor Begleichung der Abgabenschuld auf die Sachhaftung verzichtet und es hinsichtlich der Einfuhrumsatzsteuer zudem davon absieht, eine Sicherheit zu fordern (§ 21 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes - UStG -), ist der Abgabenschuldner verpflichtet, die Abgaben am Fälligkeitstag vorrangig zu entrichten. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.
4. Die Möglichkeit der Abwendung des Steuerschadens durch insolvenzrechtliche Regelungen bestand und besteht nicht. Anders als die Revision meint, war die Einfuhrumsatzsteuerschuld nicht gemäß § 55 Abs. 4 InsO als Masseverbindlichkeit zu begleichen. Diese Steuerschuld ist durch die Einfuhren der GmbH im Februar 2011 begründet worden und nicht durch den vorläufigen Insolvenzverwalter oder die GmbH mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters. Das HZA hatte auch kein Recht auf abgesonderte Befriedigung nach § 51 Nr. 4 InsO, weil jedenfalls die nach § 76 Abs. 1 AO bestehende Sachhaftung einfuhrabgabenpflichtiger Waren im Streitfall gemäß § 76 Abs. 4 Satz 2 AO erloschen war.
5. Auch soweit das FG Ermessensfehler bei der Inanspruchnahme des Klägers verneint hat, sind Rechtsfehler nicht ersichtlich. Von einem - nur im Rahmen des Entschließungsermessens zu berücksichtigenden (vgl. Senatsurteil vom 19.9.2007 VII R 39/05, BFH/NV 2008, 18; Senatsbeschluss vom 12.9.2014 VII B 99/13, BFH/NV 2015, 161) - Mitverschulden des HZA, das nach Ansicht der Revision im Rahmen der Stundungsvereinbarung eine Sicherungsübereignung hätte vereinbaren können, kann schon deshalb keine Rede sein, weil das HZA mit der GmbH keine Stundungsvereinbarung getroffen, sondern laufenden Zahlungsaufschub gemäß Art. 224, Art. 226 Buchst. b des Zollkodex gewährt hat. Dass es den Aufschub - wie in § 21 Abs. 3 UStG vorgesehen - ohne Sicherheitsleistung bewilligte, kann ihm nicht als Mitverschulden entgegengehalten werden.
6. Schließlich sind Rechtsfehler weder seitens der Revision gerügt noch ersichtlich, soweit das FG die Haftungsschuld als nicht verjährt angesehen hat.
7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
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