Am 30.3.2024 veröffentlichte Entscheidungen des Niedersächsischen Finanzgerichts
Niedersächsisches Finanzgericht, Auszug aus dem Newsletter 4/2023 vom 20. März 2024
Entscheidungen des Niedersächsischen Finanzgerichts
Az. 5 K 3/22 - Urteil vom 23.05.2023
Umsatzbesteuerung eines Leistungsbündels aus kombinierter Sportschwimmbad- und Saunanutzung
Bereits mit rechtskräftigem Urteil vom 23. Mai 2023 hat der 5. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts entschieden, dass sich ein Leistungsbündel aus Sportschwimmbad und Sauna aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers als eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung darstellen kann mit der Folge, dass dieses umsatzsteuerlich einheitlich zu behandeln ist und nicht dem ermäßigten Steuersatz für die unmittelbar mit dem Betrieb von Schwimmbädern im Zusammenhang stehenden Umsätze nach § 12 Abs. 2 Nr. 9 Satz 1 UStG unterliegt.
Geklagt hatte die Betreiberin eines Schwimmbads (Sportschwimmbecken und Multifunktionsbecken) und einer Sauna, die der Auffassung war, die Nutzungsmöglichkeit der Sauna stelle bei qualitativer und quantitativer Betrachtung eine Nebenleistung zur Hauptleistung, der Nutzung des Schwimmbads, dar, so dass sämtliche Umsätze aus Eintrittsgeldern dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 9 Satz 1 UStG zu unterwerfen seien. Im Streitjahr war die Nutzung der Sauna im Eintrittspreis des Schwimmbads für Einzelpersonen enthalten. Die Klägerin hat die Kombination von Schwimmbad und Sauna zu einem einheitlichen Eintrittspreis werbemäßig als besonderes Angebot besonders hervorgehoben. Im Normaltarif betrug der nicht ermäßigte Eintrittspreis bis 2 Stunden 4 Euro und ab 2 Stunden 8 Euro. Der Erwerb von getrennten Eintrittsberechtigungen für Schwimmbad und Sauna war im Streitjahr nicht möglich, auch fand keine separate Einlasskontrolle zu den jeweiligen Bereichen statt.
Umsatzsteuerrechtlich ist in der Regel jede Lieferung oder Dienstleistung als eigene, selbständige Leistung zu betrachten. Bei einem Bündel aus Einzelleistungen ist aber im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers zu bestimmen, ob zwei oder mehr getrennte Umsätze vorliegen oder ein einheitlicher Umsatz, der einheitlich zu besteuern ist. Ein solcher einheitlicher Umsatz wird dabei für zwei Fallgruppen bejaht: Zum einen dann, wenn das Leistungsbündel aus Haupt- und Nebenleistungen besteht, wobei die Nebenleistungen das steuerliche Schicksal der Hauptleistung(en) teilen. Dabei ist eine Leistung insbesondere dann Neben- und nicht Hauptleistung, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Zum anderen kann sich eine einheitliche Leistung daraus ergeben, dass zwei oder mehrere Einzelleistungen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (vgl. zu alledem z. B. EuGH-Urteil vom 18. Januar 2018 Stadion Amsterdam, C-463/16, DStR 2018, 246 = SIS 18 00 08 und BFH-Urteile vom 2. August 2018 V R 6/16, BStBl II 2019, 293 = SIS 18 15 75 sowie vom 10. Januar 2013 V R 31/10, BStBl II 2013, 352 = SIS 13 07 90).
Das Niedersächsische FG kommt im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass die einheitliche Eintrittsberechtigung für die kombinierte Nutzungsmöglichkeit des Schwimmbads und der Sauna eine einheitliche Leistung bildet. Allerdings sei die Saunanutzung nicht als Nebenleistung zur Nutzungsmöglichkeit des Schwimmbads anzusehen, denn aus Sicht der Durchschnittsverbraucher bestehe gerade in der Saunanutzung ein eigenständiger Zweck. Die Nutzungsmöglichkeit der Sauna sei insoweit – anders als zum Beispiel die Nutzung der Dusch- und Umkleidekabinen – kein Mittel, um die Nutzung des Schwimmbads (als etwaige Hauptleistung) unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Vielmehr bildeten diese kombinierten Leistungen in Gestalt der Nutzungsmöglichkeit des Schwimmbads und der Sauna vorliegend eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung durch das Zusammenwirken der sportlichen Betätigung „Schwimmen“ und der Erholungskomponente „Saunieren“, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Dies sei aufgrund der Besonderheiten des Streitfalles insbesondere auch deshalb anzunehmen, weil sich das angebotene Gesamtpaket durch den einheitlichen, im Vergleich zu marktüblichen Preisen für eine Saunanutzung günstigen Eintrittspreis und die auf die kombinierte Nutzungsmöglichkeit bezogenen Werbemaßnahmen aus der insoweit maßgebenden Sicht des Durchschnittsverbrauchers als einheitliche Leistung darstelle.
Diese einheitliche Leistung unterliege sodann dem Regelsteuersatz und nicht der Besteuerung zum ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 9 Satz 1 UStG. Denn nach dem Wortlaut der Vorschrift sei die Steuersatzermäßigung nur für die unmittelbar mit dem Betrieb der Schwimmbäder verbundenen Umsätze anzuwenden, so dass die Steuersatzermäßigung ausscheide, wenn die Überlassung des Schwimmbads – wie im Streitfall – mit weiteren, nicht begünstigten Einrichtungen, die nicht Nebenleistung sind, im Rahmen einer einheitlichen Leistung erfolge.
Weitere Entscheidungen
Az. 3 K 36/22 – Urteil vom 07.02.2024
Bindungswirkung des steuerlichen Übertragungsstichtages i.S.d. § 20 Abs. 6 Satz 1 und 2 UmwStG für die Aufstellung der Übernahmebilanz und die Bemessung des Veräußerungspreises des Einbringenden i.S.v. § 20 Abs. 3 Satz 1 UmwStG
1. Stellt die übernehmende Gesellschaft auf den steuerlichen Übertragungsstichtag i.S.v. § 20 Abs. 6 Satz 1 und 2 UmwStG eine Übernahmebilanz auf, in der sie den Buchwert des Einbringenden fortführt, so ist nach § 20 Abs. 3 Satz 1 UmwStG zwingend dieser Wert als Veräußerungspreis des Einbringenden anzusetzen.
2. Die nach § 20 Abs. 3 Satz 1 UmwStG für den Veräußerungspreis des Einbringenden maßgebliche Übernahmebilanz der übernehmenden Gesellschaft ist für den Veranlagungszeitraum aufzustellen, in den der steuerliche Übertragungsstichtag fällt.
3. Ist bereits ein Antrag auf Buchwertfortführung zum steuerlichen Übertragungsstichtag gestellt worden, so ist sowohl für die Bestimmung des steuerlichen Übertragungsstichtages als auch für die Bemessung des Wertansatzes der übernehmenden Gesellschaft unschädlich, wenn die übernehmende Gesellschaft vor Abgabe der maßgeblichen Übernahmebilanz eine Bilanz auf einen Folge-Veranlagungszeitraum beim Finanzamt einreicht.
Revision zugelassen
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Az. 5 K 303/14 – Urteil vom 12.05.2022
Vorsteuerabzug und Margenbesteuerung bei sog. Kaffeefahrten sowie zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf Nahrungsergänzungsmittel
1. Die Einbeziehung der Reisevorleistungen in die Margenbesteuerung nach § 25 UStG und der damit verbundene Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach § 25 Abs. 4 Satz 1 UStG ist auch im Falle einer negativen Gesamtmarge im Sinne des § 25 Abs. 3 UStG a.F. gerechtfertigt.
2. Die Anwendung des § 25 Abs. 4 UStG scheidet nicht deswegen aus, weil der einzige Zweck der von einem Verkaufsveranstalter durchgeführten Reiseleistungen in Gestalt sog. Kaffeefahrten (Tagesausflug, Bewirtung und Besichtigung verbunden mit einer Verkaufsveranstaltung) darin besteht, den Warenverkauf bei den Verkaufsveranstaltungen zu fördern.
3. Denn die Sonderregelungen des § 25 UStG sind gleichermaßen für solche Unternehmer anzuwenden, die Ausflugsfahrten einschließlich Verkaufsveranstaltungen sowie Ausflugsfahrten ohne Verkaufsveranstaltungen gegen Entgelt durchführen und die Einbeziehung in die Sonderregelungen des § 25 UStG aus Wettbewerbsgründen erforderlich ist.
4. Flüssige Nahrungsergänzungsmittel unterliegen nicht nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 33 der Anlage 2 zum UStG dem ermäßigten Steuersatz, wenn es sich nach der Kombinierten Nomenklatur (KN) um ein Getränk im Sinne der Position 22 KN handelt.
5. Die streitgegenständlichen Q10-Ampullen gehören zu den nicht steuersatzbegünstigten Getränken, weil sie nach den Feststellungen des erkennenden Senats zum menschlichen Genuss geeignet und bestimmt sowie als trinkbar anzusehen gewesen sind, da es jedem Durchschnittsverbraucher möglich gewesen wäre, die Flüssigkeit unmittelbar, ohne Verdünnung oder sonstige Beigabe zu trinken.
6. Die Indizwirkung einer Einreihungsverordnung der Kommission zur einheitlichen Anwendung der KN für die tarifliche Einreihung gleichartiger Waren kann durch ein Sachverständigengutachten widerlegt werden.
7. Ein einheitliches Entgelt, das für zwei unterschiedliche zu besteuernde Leistungen entrichtet ist, ist nach der "einfachstmöglichen Berechnungs- oder Bewertungsmethode" aufzuteilen.
8. Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung kann gem. § 93 Abs. 3 Satz 2 FGO ermessensgerecht sein, wenn unmittelbar nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung bei Gericht ein Schriftsatz des in dieser mündlichen Verhandlung vernommenen Zeugen eingeht, der geeignet ist, die Beweiswürdigung zu beeinflussen und die Beteiligten sich hierzu ohne Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht hätten erklären können.
Revision eingelegt; BFH-AZ: V R 30/23
Inhaltsgleich: Az. 5 K 307/14 - Urteil vom 12.05.2022 (Revision eingelegt; BFH-AZ V R 29/23)
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Az. 8 K 134/23 - Urteil vom 30.01.2024
Kindergeld
Die Begriffe der erstmaligen Berufsausbildung im Rahmen des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG und der Erstausbildung in § 9 Abs. 6 Satz 2 EStG sind einheitlich auszulegen.
Revision eingelegt; BFH-AZ: III R 7/24
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Az. 11 K 113/21 - Urteil vom 16.05.2023
Zur Verfassungsmäßigkeit der Säumniszuschläge
1. Ein Verstoß der gesetzlichen Regelung zur Höhe der Säumniszuschläge (§ 240 AO) gegen geltendes Verfassungsrecht ist nicht ersichtlich.
2. Eine Übertragung der im BVerfG-Beschluss vom 8. Juli 2021 (1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17, Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen – BVerfGE – 158, 282) zu den Zinsen nach §§ 233a, 238 AO herausgearbeiteten Grundsätze auf die Säumniszuschläge ist nicht möglich.
3. Die Vorschrift des § 240 AO verstößt nicht gegen das Unionsrecht.
Revision eingelegt; BFH-AZ: XI R 18/23
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Az. 13 K 46/20 - Urteil vom 13.11.2023
Zur Einlage im Sinne des § 15a EStG
1. Einlage i.S. des § 15a EStG kann auch eine - über die Pflichteinlage hinaus bzw. neben der Pflichteinlage - geleistete, gesellschaftsvertraglich gestattete freiwillige Einlage eines Kommanditisten in das Gesellschaftsvermögen sein. Voraussetzung hierfür ist, dass die Zuführung entsprechend werthaltiger Sacheinlagen oder Geldmittel eine Erhöhung des Gesellschaftsvermögens und eine wirtschaftliche Belastung des Kommanditisten bewirkt.
2. Die gewinnerhöhende Hinzurechnung von in Vorjahren in Anspruch genommenen Investitionsabzugsbeträgen im Jahr der Investition bleibt ohne Einfluss auf die Höhe des Kapitalkontos im Sinne des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG.
Revision eingelegt; BFH-AZ: IV R 28/23
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Az. 13 K 97/23 - Urteil vom 12.12.2023
Vollstreckung nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung
1. Vollstreckt ein Finanzamt nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens und nach Erteilung der Restschuldbefreiung Steuerforderungen, die mit einem Attribut versehen sind, auf der Grundlage des Auszugs aus der Insolvenztabelle, darf kein Widerspruch des Schuldners gegen die Forderung dem Grunde nach eingetragen sein oder ein solcher Widerspruch muss beseitigt worden sein (§ 201 Abs. 2 InsO).
2. Beruft sich das Finanzamt auf die unterlassene Weiterverfolgung des Widerspruchs durch die Schuldnerin gemäß § 184 Abs. 2 InsO, muss diese besondere Form der Beseitigung des Widerspruchs entweder in entsprechender Anwendung des § 183 Abs. 2 InsO in die Tabelle eingetragen oder durch Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO festgestellt worden sein.
3. Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn ein irrtümlich nicht eingetragener Widerspruch der Schuldnerin erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens und nach Erteilung der Restschuldbefreiung im Wege der Berichtigung der Tabelle durch das Insolvenzgericht eingetragen worden ist.
4. Das Finanzamt kann in einer solchen Situation die Vollstreckung nicht auf die ursprünglich ergangenen Steuerbescheide stützen. Die in den ursprünglichen Steuerbescheiden ausgewiesenen Steuerforderungen werden von der Restschuldbefreiung erfasst.
rechtskräftig-
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