BFH: Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer bei Grundstücksschenkung unter einer Auflage
Grundstücksschenkungen unter einer Auflage unterliegen hinsichtlich des Werts der Auflage der Grunderwerbsteuer, wenn die Auflage bei der Schenkungsteuer abziehbar ist. Unerheblich ist, ob die Auflage tatsächlich bei der Schenkungsteuer abgezogen wurde. Das gilt selbst dann, wenn die Grundstücksschenkung insgesamt von der Schenkungsteuer befreit ist.
BFH-Urteil vom 12.7.2016, II R 57/14 (veröffentlicht am 31.8.2016)
GrEStG § 3 Nr. 2 Satz 2
ErbStG § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b
Vorinstanz: FG Baden-Württemberg vom 21.10.2014, 5 K 2894/12 (EFG 2015, 317 = SIS 15 01 58)
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein gemeinnütziger Verein. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 21.3.2012 erlangte er im Wege einer Schenkung den hälftigen Miteigentumsanteil an einem bebauten Grundstück. Die im Zeitpunkt der Schenkung fast 90 Jahre alte Schenkerin behielt sich das dingliche Recht zur alleinigen und ausschließlichen Nutzung der Wohnung im Obergeschoss des Hauses sowie zur Mitbenutzung aller Gemeinschaftsräume und Einrichtungen vor.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte mit Bescheid vom 5.4.2012 die Grunderwerbsteuer auf 428 € fest. Als Bemessungsgrundlage legte er den Kapitalwert des Wohnungsrechts in Höhe von 17.128 € (Jahresmietwert 4.200 € x Vervielfältiger 4,078) zugrunde und rechnete diesen hälftig dem Kläger zu.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) ist die Grundstücksschenkung zwar grundsätzlich nach § 3 Nr. 2 Satz 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) von der Besteuerung ausgenommen. Eine Ausnahme gelte nach § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG aber bei einer Schenkung unter Auflage. Der Wert der Auflage unterliege der Grunderwerbsteuer, wenn die Auflage bei der Schenkungsteuer abziehbar sei. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 317, veröffentlicht.
Dagegen richtet sich die Revision. Der Kläger rügt eine Verletzung von § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG. Der Wert der Auflage habe nicht bei der Schenkungsteuer abgezogen werden können, da die Zuwendung nach § 13 Nr. 16 Buchst. b des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) von der Schenkungsteuer befreit gewesen sei.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung, den Grunderwerbsteuerbescheid vom 5.4.2012 und die Einspruchsentscheidung vom 23.7.2012 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat zutreffend entschieden, dass die Grunderwerbsteuer nach dem Wert der Auflage zu bemessen ist, obwohl die Zuwendung des Grundstücks an den Kläger nicht der Schenkungsteuer unterliegt.
1. Der Wert des Wohnungsrechts unterliegt der Grunderwerbsteuer.
a) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegt ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks begründet, der Grunderwerbsteuer. Von der Besteuerung ausgenommen sind nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG Grundstücksschenkungen unter Lebenden i.S. des ErbStG. Schenkungen unter einer Auflage unterliegen der Besteuerung jedoch hinsichtlich des Werts solcher Auflagen, die bei der Schenkungsteuer abziehbar sind (§ 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG).
b) Eine Schenkung unter einer Auflage (§ 525 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -) in Gestalt einer Nutzungs- oder Duldungsauflage liegt vor, wenn die Leistung des Beschenkten nicht für die Zuwendung, sondern auf der Grundlage und aus dem Wert der Zuwendung erfolgen soll (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20.11.2013 II R 38/12, BFHE 243, 411, BStBl II 2014, 479, Rz 9, m.w.N.). Dies ist der Fall, wenn die Grundstücksschenkung unter der Auflage einer Nießbrauchsbestellung oder der Bestellung eines dinglichen Wohnungsrechts (§§ 1090, 1093 BGB) zugunsten des Schenkers oder eines Dritten vorgenommen wird (BFH-Urteile vom 13.4.2011 II R 27/09, BFHE 233, 174, BStBl II 2011, 730, Rz 12, und in BFHE 243, 411, BStBl II 2014, 479, Rz 9).
c) Derartige Nutzungs- oder Duldungsauflagen mindern bei der Schenkungsteuer die Bereicherung i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG (BFH-Urteil in BFHE 243, 411, BStBl II 2014, 479, Rz 10, m.w.N.). Dies gilt für Besteuerungszeitpunkte nach dem 31.12.2008 auch dann, wenn die Grundstücksnutzung dem Schenker oder dessen Ehegatten zusteht; denn das insoweit früher in § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG vorgesehene Abzugsverbot wurde durch Art. 1 Nr. 20 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 des Erbschaftsteuerreformgesetzes (ErbStRG) vom 24.12.2008 (BGBl I 2008, 3018) mit Wirkung ab 1.1.2009 aufgehoben und gilt daher gemäß § 37 Abs. 1 ErbStG i.d.F. des Art. 1 Nr. 29 Buchst. a ErbStRG nicht mehr für Erwerbe, für die die Steuer nach dem 31.12.2008 entsteht (BFH-Urteil in BFHE 243, 411, BStBl II 2014, 479, Rz 10, m.w.N.).
d) Im Streitfall liegt eine Grundstücksschenkung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vor. Die Schenkung erfolgte unter dem Vorbehalt eines Wohnungsrechts. Dabei handelt es sich um eine Nutzungs- oder Duldungsauflage, deren Wert bei der Schenkungsteuer abziehbar ist. Die Abziehbarkeit bei der Schenkungsteuer hat nach § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG zur Folge, dass der Grundstückserwerb mit dem Wert der Auflage der Grunderwerbsteuer unterliegt.
2. Der Wert der Auflage unterliegt nach § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer, obwohl die Grundstücksschenkung im Streitfall insgesamt von der Schenkungsteuer befreit ist.
a) § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG stellt seinem Wortlaut nach allein darauf ab, dass die Auflage bei der Schenkungsteuer "abziehbar ist". Dadurch hat der Gesetzgeber im Anschluss an den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15.5.1984 1 BvR 464/81 u.a. (BVerfGE 67, 70, BStBl II 1984, 608, unter C.IV.) klargestellt, dass Auflagen, die bei der Schenkungsteuer nicht abziehbar sind, sondern nur zu einer Stundung der Steuer nach § 25 ErbStG a.F. führen, der Bemessung der Grunderwerbsteuer nicht zugrunde gelegt werden dürfen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 243, 411, BStBl II 2014, 479, Rz 13, m.w.N.). Hätte der Gesetzgeber zum Ausdruck bringen wollen, dass eine Schenkung unter einer Auflage nur insoweit der Grunderwerbsteuer unterliegt, als der Wert der Auflage bei der Schenkungsteuer tatsächlich abgezogen wurde, hätte er dies durch eine entsprechende Formulierung regeln können und müssen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 243, 411, BStBl II 2014, 479, Rz 14). Es spielt für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer daher keine Rolle, ob Schenkungsteuer tatsächlich festgesetzt wurde und ggf. mit welchem Wert die Auflage sich dabei bereicherungsmindernd auswirkte (BFH-Urteil in BFHE 243, 411, BStBl II 2014, 479, Rz 12, m.w.N.). Die Festsetzung von Schenkungsteuer einerseits und von Grunderwerbsteuer andererseits haben verfahrensrechtlich und materiell-rechtlich grundsätzlich unabhängig voneinander nach den jeweils geltenden Vorschriften zu erfolgen (Meßbacher-Hönsch in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 18. Aufl., § 3 Rz 100).
b) Nach diesen Grundsätzen ist es nach § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG ohne Bedeutung, dass die freigebige Zuwendung des Grundstücks an den Kläger zwar steuerbar ist, aber nach § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b ErbStG steuerfrei bleibt. Ausreichend ist, dass der Wert des Wohnungsrechts dem Grunde nach vom Erwerb im schenkungsteuerrechtlichen Sinn abziehbar ist. Das ist - wie ausgeführt - hier der Fall.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO, die Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung auf § 121 Abs. 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO.
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