BFH: Anspruch auf Verzinsung des Erstattungsbetrags ab Zahlung einer unionsrechtswidrig erhobenen Abgabe
Abgaben, die auf der Grundlage einer für ungültig erklärten Unionsverordnung erhoben wurden, sind ab dem Zeitpunkt der Zahlung der unionsrechtswidrig erhobenen Abgabe zu verzinsen.
BFH-Urteil vom 22.9.2015, VII R 32/14 (veröffentlicht am 13.1.2016)
MOG § 12 Abs. 1 Satz 1
AO § 236, § 238 Abs. 1 Satz 1
Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 9.1.2013, 4 K 189/10 VZr = SIS 10 13 92
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist ein Zucker erzeugendes Unternehmen und war als solches gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1260/2001 (VO Nr. 1260/2001) des Rates vom 19.6.2001 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker (sog. Grundverordnung, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 178/1) für die streitgegenständlichen Wirtschaftsjahre 2002/2003 und 2004/2005 verpflichtet, Produktionsabgaben zu zahlen; diese wurden als Eigenmittel an die Europäische Kommission abgeführt.
Mit Bescheiden vom 29.12.2009 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt - HZA -) auf der Grundlage der sich zuletzt aus der Verordnung (EG) Nr. 1193/2009 (VO Nr. 1193/2009) der Kommission vom 3.11.2009 zur Berichtigung der Verordnungen (EG) Nr. 1762/2003, (EG) Nr. 1775/2004, (EG) Nr. 1686/2005 und (EG) Nr. 164/2007 sowie zur Festsetzung der Produktionsabgaben im Zuckersektor für die Wirtschaftsjahre 2002/2003, 2003/2004, 2004/2005 und 2005/2006 (Amtsblatt der Europäischen Union - ABlEU - Nr. L 321/1) ergebenden Abgabensätze gegen die Klägerin eine B-Abgabe in Höhe von ... € für das Wirtschaftsjahr 2002/2003 und eine Ergänzungsabgabe in Höhe von ... € für das Wirtschaftsjahr 2004/2005 fest.
Das gegen die Bescheide nach erfolglosen Einsprüchen gerichtete Klageverfahren wurde zunächst mit Beschluss vom 22.2.2010 ausgesetzt und der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um eine Vorabentscheidung zu der Frage ersucht, ob die VO Nr. 1193/2009 gültig ist (Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache C-113/10).
Mit Urteil Jülich II vom 27.9.2012 in den verbundenen Rechtssachen C-113/10, C-147/10 und C-234/10 (EU:C:2012:591, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 2012, 1210) erklärte der EuGH die VO Nr. 1193/2009 in ihrer Gesamtheit für nichtig. Der Gerichtshof urteilte, die Europäische Kommission habe die gemäß der VO Nr. 1260/2001 zu entrichtenden Abgaben in den betreffenden Jahren falsch berechnet und die Methode, nach der die Abgaben festgesetzt worden waren, habe zu einer überhöhten Belastung der Zuckererzeuger geführt. Darüber hinaus entschied der EuGH, dass Rechtssuchende wegen der Ungültigkeit der VO Nr. 1193/2009 einerseits Anspruch auf Erstattung der zu Unrecht erhobenen Produktionsabgaben und andererseits Anspruch auf Zahlung der auf diese Beträge anfallenden Zinsen haben.
Das Finanzgericht (FG) hob daraufhin den Bescheid des HZA für das Wirtschaftsjahr 2002/2003 insoweit auf, als die festgesetzte B-Abgabe mehr als ... € betrug; den Bescheid für das Wirtschaftsjahr 2004/2005 hob das FG insoweit auf, als die Ergänzungsabgabe auf mehr als ... € festgesetzt worden war. Darüber hinaus sprach das FG der Klägerin Zinsen auf den zu erstattenden Betrag in Höhe von 0,5 % pro Monat ab dem Zeitpunkt der Überzahlung der geschuldeten Abgaben bis zum Eintritt der Rechtshängigkeit zu.
Das FG entschied, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) für eine Aussetzung des Verfahrens bis zum Inkrafttreten einer unionsweit einheitlichen Regelung der Produktionsabgaben durch die Europäische Kommission seien nicht gegeben. Der EuGH habe der Europäischen Kommission in seinem Urteil nicht aufgegeben, die anzuwendenden Zuckerabgabensätze neu zu regeln und aus der Verpflichtung gemäß Art. 266 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union ergebe sich ebenfalls keine Pflicht des erkennenden Gerichts, eine entsprechende Entscheidung der Europäischen Kommission abzuwarten. Die Gefahr von Anlastungen für den Bundeshaushalt könne - auch angesichts der Unsicherheiten über das Ob und gegebenenfalls das Wann der Entscheidung der Europäischen Kommission - nicht zu einer Verzögerung der Festsetzung des Erstattungsanspruchs der Klägerin führen; nach Abwägung der beiderseitigen Interessen sei der Klägerin ein weiteres Abwarten nicht zuzumuten. Den in den angefochtenen Bescheiden festgesetzten Abgaben fehle die Rechtsgrundlage; einer Herabsetzung der Abgabenbeträge unter Zugrundelegung des Berechnungsvorschlags der Schwedischen Ratspräsidentschaft aus dem Jahr 2009 stehe daher nichts entgegen.
Der Zinsanspruch der Klägerin ergebe sich nach dem EuGH-Urteil Jülich II (EU:C:2012:591, HFR 2012, 1210) unmittelbar aus Unionsrecht; die Höhe des Zinssatzes betrage gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen und Direktzahlungen (MOG) i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) 0,5 % für jeden vollen Monat.
Mit Änderungsbescheid (§ 68 FGO) vom 24.3.2014 setzte das HZA die B-Abgabe für das Wirtschaftsjahr 2002/2003 gemäß der zwischenzeitlich erlassenen Verordnung (EU) Nr. 1360/2013 (VO Nr. 1360/2013) des Rates vom 2.12.2013 zur Festsetzung der Produktionsabgaben im Zuckersektor für die Wirtschaftsjahre 2001/2002, 2002/2003, 2003/2004, 2004/2005 und 2005/2006, des Koeffizienten für die Berechnung der Ergänzungsabgabe für die Wirtschaftsjahre 2001/2002 und 2004/2005 und der Beträge, die die Zuckerhersteller den Zuckerrübenverkäufern für die Differenz zwischen dem Höchstbetrag der Abgaben und dem Betrag dieser für die Wirtschaftsjahre 2002/2003, 2003/2004 und 2005/2006 zu erhebenden Abgaben zu zahlen haben (ABlEU Nr. L 343/2) auf x € fest. Hinsichtlich der für das Wirtschaftsjahr 2004/2005 zu zahlenden Ergänzungsabgabe wurde das Verfahren durch übereinstimmende Erledigungserklärungen der Beteiligten beendet.
Mit seiner Revision betreffend den verbliebenen Teil der Klage macht das HZA geltend, mit der am 19.12.2013 (richtig: 20.12.2013) in Kraft getretenen VO Nr. 1360/2013 sei der Berechnung der allein streitig verbleibenden Höhe der B-Abgabe für das Wirtschaftsjahr 2002/2003 eine neue Rechtslage zugrunde zu legen, die von der Berechnungsgrundlage des FG-Urteils abweiche und zu dem festgesetzten Betrag führe. Außerdem hätte das FG das Verfahren analog § 74 FGO bis zum Erlass der VO Nr. 1360/2013 aussetzen müssen und sei nicht berechtigt gewesen, eine eigene, vorgreifende Entscheidung zu treffen. Schließlich habe das FG gegen § 233 AO verstoßen, indem es der Klägerin einen ergänzenden Anspruch auf Zinsen ab Überzahlung der Abgaben zugesprochen habe. § 236 AO, wonach zu erstattende Beträge lediglich vom Tag der Rechtshängigkeit an zu verzinsen seien, genüge den Vorgaben des Unionsrechts.
Die Klägerin trägt vor:
Der streitig verbliebene Abgabenbescheid für das Wirtschaftsjahr 2002/2003 regele eine Abgabenlast, die mit Erlass der VO Nr. 1360/2013 nun teilweise dem Wirtschaftsjahr 2001/2002 zugerechnet werde, obwohl für diesen Zeitraum bereits ein bestandskräftiger Bescheid ergangen sei. Die im Wirtschaftsjahr 2002/2003 im Wege des Verlustvortrags überhöht festgesetzten Abgaben für das Wirtschaftsjahr 2001/2002 könnten jedoch nicht rückwirkend von der gebotenen Korrektur ausgeschlossen werden, da dies in jenen Fällen zu einer Rechtsschutzlücke führte, in denen der Bescheid für das Wirtschaftsjahr 2001/2002 nicht mehr änderbar ist und der Betroffene deshalb keine Möglichkeit der Erstattung der überzahlten Beträge mehr habe. Bezüglich eines Anspruchs auf Zinszahlung ab Überzahlung der Abgaben macht die Klägerin geltend, der EuGH habe mit seinem Urteil Irimie vom 18.4.2013 C-565/11 (EU:C:2013:250, HFR 2013, 659) die Vorgaben des Effektivitätsprinzips dahin konkretisiert, dass die Verzinsung eines Erstattungsbetrags ab Zahlung einer unionsrechtswidrig erhobenen Abgabe zwingend sei. Diese Rechtsprechung sei nicht auf von den Mitgliedstaaten unionsrechtswidrig erhobene Abgaben begrenzt. Neben dem unmittelbar aus Unionsrecht erwachsenden Erstattungsanspruch greife also ein Zinsanspruch aus § 12 Abs. 1 Satz 1 MOG i.V.m. einer europarechtskonformen Anwendung des § 233a bzw. § 236 AO.
II. Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, ist das Verfahren einzustellen. Das FG-Urteil ist insoweit gegenstandslos.
Die Revision des HZA betreffend den verbliebenen Teil der Klage ist zum Teil begründet (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Das FG-Urteil ist dahin zu ändern, dass die Klage gegen den Abgabenbescheid für das Wirtschaftsjahr 2002/2003 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 24.3.2014 abzuweisen ist (1.). Im Übrigen ist die Revision des HZA unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat insoweit zu Recht Zinsen für den Erstattungsbetrag ab dem Zeitpunkt der Überzahlung der Abgaben gewährt (2.).
1. Der Änderungsbescheid vom 24.3.2014 ist rechtmäßig. Die B-Abgabe für das Wirtschaftsjahr 2002/2003 beträgt x €.
a) Mit Änderungsbescheid vom 24.3.2014 hat das HZA die B-Abgabe für das streitige Wirtschaftsjahr 2002/2003 auf der Grundlage der aktuell gültigen VO Nr. 1360/2013 neu festgesetzt. Dabei hat es gemäß Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Nr. 1 Buchst. b des Anhangs zu VO Nr. 1360/2013 den Abgabensatz je Tonne Weißzucker in Höhe von 103,447 € (= 10,3447 €/dt) zugrunde gelegt. Die maßgebliche auch den Berechnungen der Klägerin zugrunde liegende Zuckermenge für das Wirtschaftsjahr 2002/2003 beträgt ... dt.
b) Sollte - wie von der Klägerin geltend gemacht - im ursprünglich (zuletzt mit Bescheid vom 29.12.2009) festgesetzten Abgabenbetrag für das Wirtschaftsjahr 2002/2003 eine "im Wege des Verlustvortrags" nacherhobene Abgabe für das Wirtschaftsjahr 2001/2002 enthalten sein, so ist der überschießende Betrag als in der zu erstattenden Differenz zwischen dem absoluten ursprünglich im Wirtschaftsjahr 2002/2003 erhobenen B-Abgabenbetrag und dem für das Wirtschaftsjahr 2002/2003 nach der VO Nr. 1360/2013 neu festgesetzten B-Abgabenbetrag enthalten anzusehen.
Wie die Klägerin selbst - zumindest zunächst - feststellt, gründete die erste ihr gegenüber erfolgte Abgabenfestsetzung für das Wirtschaftsjahr 2001/2002 auf der korrekten Berechnungsmethode für die Produktionsabgabe und blieb deshalb unangetastet bestehen. Die spätere "periodenfremde" Korrektur, die die Kommission im Wege der nachträglich für ungültig erklärten Verordnung (EG) Nr. 1762/2003 der Kommission vom 7.10.2003 zur Festsetzung der Produktionsabgaben im Zuckersektor für das Wirtschaftsjahr 2002/2003 (ABlEU Nr. L 254/4) für das Wirtschaftsjahr 2001/2002 vorgenommen hat, wirkte sich demnach ausschließlich durch eine zusätzliche Abgabenlast im Rahmen des Abgabenbescheids für das Wirtschaftsjahr 2002/2003 aus. Die von der Kommission zur Neuberechnung der Produktionsabgabe erlassene VO Nr. 1193/2009 änderte an dieser Berücksichtigung der zusätzlichen Abgabenlast für das Wirtschaftsjahr 2001/2002 im Rahmen des Abgabenbescheids für das Wirtschaftsjahr 2002/2003 nichts. Wird nunmehr die Abgabenlast für das Wirtschaftsjahr 2002/2003 gemäß der aktuellen VO Nr. 1360/2013 korrekt festgesetzt und der über den dadurch ermittelten Abgabenbetrag für das Wirtschaftsjahr 2002/2003 geleistete absolute Mehrbetrag der Klägerin erstattet, so muss in dieser Erstattung auch eine etwaige "periodenfremd" in diesem Wirtschaftsjahr erhobene zusätzliche Abgabenlast enthalten sein, die die Kommission durch einen "Verlustvortrag" vom Wirtschaftsjahr 2001/2002 in das Wirtschaftsjahr 2002/2003 eingerechnet hat. Die Mehrbelastung der Klägerin durch die jeweils ungültige Berücksichtigung einer Abgabennacherhebung für das Wirtschaftsjahr 2001/2002 wird also in demselben Wirtschaftsjahr rückabgewickelt, in dem sie auferlegt wurde.
c) Selbst wenn aber die zuviel erhobenen Abgaben, die vorher allein auf das Wirtschaftsjahr 2002/2003 entfielen, nach der VO Nr. 1360/2013 nun buchungsmäßig auf zwei Jahre aufgeteilt und nach Änderung der Abgabenbescheide sowohl für das - auch dem ursprünglichen Vorbringen der Klägerin - korrekt berechnete Wirtschaftsjahr 2001/2002 als auch das Wirtschaftsjahr 2002/2003 getrennt für die beiden Wirtschaftsjahre erstattet werden, ist Gegenstand des Verfahrens weiterhin ausschließlich der Abgabenbescheid für das Wirtschaftsjahr 2002/2003. Der darin ursprünglich festgesetzte B-Abgabenbetrag ist mit Änderungsbescheid vom 24.3.2014 auf der Grundlage der gültigen VO Nr. 1360/2013 auf die korrekte Höhe geändert worden. Diesen Betrag zweifelt auch die Klägerin nicht an. Die Abgabenfestsetzung für das Wirtschaftsjahr 2001/2002 steht dagegen nicht in Streit. Ob für dieses Wirtschaftsjahr der Abgabenbescheid noch geändert werden kann, ist im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden.
2. Zinsen für die zu erstattenden Beträge sind entsprechend dem FG-Urteil ab dem Zeitpunkt der Überzahlung der Abgaben zu leisten.
a) In seinem Urteil Jülich II (EU:C:2012:591, HFR 2012, 1210, Rz 66) hat der EuGH unter Verweis auf seine insoweit ständige Rechtsprechung (vgl. Urteil Metallgesellschaft vom 8.3.2001 C-397/98 und C-410/98, EU:C:2001:134, HFR 2001, 628, Rz 84 ff., und Urteil Littlewoods Retail u.a. vom 19.7.2012 C-591/10, EU:C:2012:478, HFR 2012, 1018, Rz 24 ff.) bekräftigt, dass sich im Fall von Steuerbeträgen, die unter Verstoß gegen Vorschriften des Unionsrechts erhoben worden sind, ein Anspruch auf Erstattung der erhobenen Beträge zuzüglich Zinsen unmittelbar aus dem Unionsrecht ergibt. Diesem Grundsatz folgend haben Rechtssuchende, die einen Anspruch auf die Erstattung von Beträgen haben, die aufgrund einer ungültigen Verordnung zu Unrecht gezahlt wurden, auch Anspruch auf Zahlung der entsprechenden Zinsen (Urteil Jülich II, EU:C:2012:591, HFR 2012, 1210, Rz 67, 69).
Im Hinblick auf die Konkretisierung des Begriffs "entsprechende" Zinsen stellt der EuGH in diesem Urteil (EU:C:2012:591, HFR 2012, 1210, Rz 60, 61) lediglich fest, dass es Sache der nationalen Stellen und insbesondere der nationalen Gerichte ist, in Fällen der Erstattung von Abgaben, die auf der Grundlage für ungültig erklärter Unionsverordnungen zu Unrecht erhoben wurden, alle mit dieser Erstattung zusammenhängenden Nebenfragen, wie etwa die der Zahlung von Zinsen, gemäß ihren innerstaatlichen Vorschriften über den Zinssatz und den Zeitpunkt, von dem an die Zinsen zu berechnen sind, zu regeln. Die Bedingungen für die Zahlung solcher Zinsen müssten dabei den Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität entsprechen, d.h. sie dürften insbesondere nicht so ausgestaltet sein, dass sie die Ausübung der Rechte, die die Unionsrechtsordnung einräumt, praktisch unmöglich machen. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des EuGH im Hinblick auf die Erstattung zu Unrecht erhobener Steuerbeträge und diesbezüglicher Zinsen (vgl. EuGH-Urteil Roquette frères/Kommission vom 21.5.1976 Rs. 26/74, EU:C:1976:69, Rz 9 ff.; EuGH-Urteil Express Dairy Foods vom 12.6.1980 Rs. 130/79, EU:C:1980:155, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 1981, 45, Rz 11 ff., und EuGH-Urteil Littlewoods Retail u.a., EU:C:2012:478, HFR 1012, 1018, Rz 27).
b) Die Abgabenordnung sieht im Zusammenhang mit Erstattungsansprüchen zwar lediglich einen Anspruch auf Prozesszinsen ab Rechtshängigkeit gemäß § 236 AO vor; Ausnahmen hiervon sind in § 233a AO abschließend normiert und greifen im Streitfall nicht ein. Mit Blick auf den Grundsatz der Effektivität hat der Bundesfinanzhof (BFH) zunächst entschieden, die Frage, in welcher Weise der jeweilige Mitgliedstaat eine Erstattung oder eine Entschädigung für die finanzielle Einbuße regelt, die der Steuerpflichtige infolge eines Unionsrechtsverstoßes erlitten hat, sei mangels einer Unionsrechtsregelung Sache des innerstaatlichen Rechts. Unter Umständen könne der Steuerpflichtige zusätzlich einen Schadensersatzanspruch geltend machen. Der Gesetzgeber sei aber nicht zu einer lückenlosen Verzinsung jeglicher Erstattungsansprüche verpflichtet (BFH-Beschluss vom 18.9.2007 I R 15/05, BFHE 219, 1, 3, BStBl II 2008, 332); eine Verletzung des Grundsatzes der Effektivität durch das innerstaatliche Regelungsgefüge sei dabei nicht ersichtlich.
c) Jedoch erklärt der EuGH in seinem Urteil Irimie (EU:C:2013:250, HFR 2013, 659, 660, Rz 29) eine nationale Regelung für unionsrechtswidrig, die die bei der Erstattung einer unionsrechtswidrig erhobenen Steuer zu zahlenden Zinsen auf jene Zinsen beschränkt, die ab dem auf das Datum des Antrags auf Erstattung der Steuer folgenden Tag angefallen sind. Eine derartige nationale Regelung dürfe im Hinblick auf die Erfordernisse des Grundsatzes der Effektivität nicht dazu führen, dass dem Steuerpflichtigen eine angemessene Entschädigung für die Einbußen, die er durch die zu Unrecht gezahlte Steuer erlitten habe, vorenthalten werde (EuGH-Urteil Irimie, EU:C:2013:250, HFR 2013, 659, 660, Rz 26, 27). Die Einbußen hingen u.a. davon ab, wie lange der unter Verstoß gegen das Unionsrecht zu Unrecht gezahlte Betrag nicht zur Verfügung gestanden habe und entstünden somit grundsätzlich im Zeitraum vom Tag der zu Unrecht geleisteten Zahlung der fraglichen Steuer bis zum Tag ihrer Erstattung (EuGH-Urteil Irimie, EU:C:2013:250, HFR 2013, 659, 660, Rz 28).
In seinem Irimie-Urteil (EU:C:2013:250, HFR 2013, 659), in dem er erstmals über die Unionsrechtskonformität einer nationalen Regelung zur Verzinsung von Erstattungsansprüchen zu befinden hatte, hat der EuGH eindeutig entschieden, Zinsen auf unionsrechtswidrig erhobene Steuern für den Zeitraum, in dem die Mittel nicht zur Verfügung stehen, zuzusprechen und er hat diese Rechtsprechung zum Zinsbeginn in einem späteren Urteil bestätigt (EuGH-Urteil Rafinãria Steaua Românã vom 24.10.2013 C-431/12, EU:C:2013:686, HFR 2013, 1163). Der Anspruch auf Zahlung von Zinsen ab dem Tag der zu Unrecht geleisteten Abgabenzahlung ergibt sich unmittelbar aus dem Unionsrecht. Den anderslautenden BFH-Beschluss in BFHE 219, 1, BStBl II 2008, 332 sieht der erkennende Senat als durch die aktuelle EuGH-Rechtsprechung überholt an.
3. Die Frage nach der damals gebotenen Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO bis zum Erlass einer neuen Verordnung zur Berechnung der Produktionsabgaben bedarf keiner weiteren Klärung. Selbst wenn dem FG diesbezüglich ein Verfahrensfehler anzulasten sein sollte, hätte sich die Aussetzung des Verfahrens durch den Erlass der VO Nr. 1360/2013 erledigt. Die Zurückverweisung der Sache an das FG könnte daher nicht zur Heilung einer fehlerhaft unterlassenen Aussetzung gemäß § 74 FGO führen. Vielmehr kann der Senat die Rechtmäßigkeit des Änderungsbescheids, der gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens geworden ist, anhand der VO Nr. 1360/2013 prüfen und das FG-Urteil ändern, ohne dass eine Zurückverweisung gemäß § 127 FGO erforderlich ist.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 und 2, § 138 Abs. 1 Satz 1 FGO.
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