BFH: Kraftfahrzeugsteuerbefreiung von Zugmaschinen der Land- und Forstwirtschaft
- Ob ein Fahrzeug für Zwecke der Kraftfahrzeugsteuer als land- und forstwirtschaftliche Zugmaschine einzuordnen ist, ist anhand aller objektiven Merkmale des Fahrzeugs festzustellen.
- Wesentliches Merkmal einer land- und forstwirtschaftlichen Zugmaschine ist - neben ihrer Eignung und Bestimmung zur Fortbewegung von Lasten durch Ziehen von Anhängern - ihre Eignung und Bestimmung zum Ziehen, Schieben, Tragen und Antrieb von auswechselbaren Geräten für land- oder forstwirtschaftliche Arbeiten.
BFH-Urteil vom 15.10.2014, II R 38/13 (veröffentlicht am 4.2.2015)
KraftStG § 3 Nr. 7 Satz 1 Buchst. a und b, Satz 2
Vorinstanz: FG Köln Urteil vom 5.3.2013, 6 K 745/11 (EFG 2014 S. 225 = SIS 14 01 63)
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) unterhält einen landwirtschaftlichen Betrieb. Sie ist Halterin eines Fahrzeugs "DB Unimog 427/10", das als Zugmaschine zugelassen ist. Es verfügt über eine Masse von 4 500 kg sowie über ein zulässiges Gesamtgewicht von 7 500 kg. Das Fahrzeug weist neben der Fahrerkabine mit drei Sitzplätzen eine Ladefläche von 1,95 m x 1,90 m auf.
Mit Bescheid vom 28.12.2010 setzte das seinerzeit zuständige Finanzamt die Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit vom 4.11.2010 bis zum 3.11.2011 auf 500 € fest und versagte zugleich die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 7 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG). Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit der Begründung ab, bei einem Unimog handele es sich schon aufgrund der Namensbezeichnung und nach der Beschreibung im Internet um ein vielseitig verwendbares Fahrzeug, das nicht nur zum Ziehen von Lasten geeignet und bestimmt sei. Dafür sprächen auch die Zahl der zugelassenen Sitzplätze und die Ladefläche mit einer Zulademöglichkeit von 3 000 kg. Die unstreitig bestehende Möglichkeit zur Fortbewegung von Lasten durch Ziehen von Anhängern stehe nicht dermaßen im Vordergrund, dass der Transport von Lasten dahinter völlig zurücktrete. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 225 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Das FG habe ihren Antrag auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung zu Unrecht abgelehnt.
Die Vorentscheidung verletze auch § 3 Nr. 7 KraftStG. Bereits mit Urteil vom 27.4.1962 II 173/61 U (BFHE 75, 32, BStBl III 1962, 281) habe der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass ein Unimog eine begünstigte Zugmaschine sei, wenn das Fahrzeug ausschließlich in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben eingesetzt werde. Dies sei bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug der Fall. Im Übrigen müsse nach der Rechtsprechung des BFH die Beurteilung eines Fahrzeugs für Zwecke der Kraftfahrzeugsteuer unter Berücksichtigung aller Merkmale erfolgen. Das Urteil des FG beziehe sich jedoch im Wesentlichen nur auf einen Auszug aus dem Internet.
Während des Revisionsverfahrens ist der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt - HZA -) für die Kraftfahrzeugsteuer zuständig geworden.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben, den Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 28.12.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.2.2011 zu ändern und die Kraftfahrzeugsteuer auf 0 € herabzusetzen.
Das HZA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Der während des Revisionsverfahrens eingetretene Übergang der Zuständigkeit für die Kraftfahrzeugsteuer auf das HZA führt ohne Verfahrensunterbrechung zu einem gesetzlichen Beteiligtenwechsel (vgl. BFH-Urteil vom 16.7.2014 II R 39/12, BFH/NV 2014, 1863, Rz 7).
III. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung). Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass allein die Eignung zum Transportieren von Lasten und Personen ausreicht, um das Fahrzeug nicht als Zugmaschine einzuordnen.
1. Gemäß § 3 Nr. 7 Satz 1 Buchst. a KraftStG ist u.a. das Halten von Zugmaschinen von der Steuer befreit, solange diese Fahrzeuge ausschließlich in land- oder forstwirtschaftlichen Betrieben verwendet werden.
Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH ist eine Zugmaschine i.S. des § 3 Nr. 7 KraftStG ein Fahrzeug, dessen wirtschaftlicher Wert im Wesentlichen in der Zugleistung liegt und das nach seiner Bauart und Ausstattung ausschließlich oder überwiegend zur Fortbewegung von Lasten durch Ziehen von Anhängern zu dienen geeignet und bestimmt ist (BFH-Urteile vom 3.4.2001 VII R 7/00, BFHE 194, 477, BStBl II 2001, 451, und vom 16.2.2011 II R 1/10, BFH/NV 2011, 1021, jeweils m.w.N.).
An dieser Begriffsbestimmung hält der Senat fest. Der Begriff muss jedoch für eine Zugmaschine, die nach ihrer Funktion zum Einsatz in einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb geeignet und bestimmt ist (sog. land- und forstwirtschaftliche Zugmaschine), angepasst werden. Wesentliches Merkmal einer land- und forstwirtschaftlichen Zugmaschine ist - neben ihrer Eignung und Bestimmung zur Fortbewegung von Lasten durch Ziehen von Anhängern - ihre Eignung und Bestimmung zum Ziehen, Schieben, Tragen und Antrieb von auswechselbaren Geräten für land- oder forstwirtschaftliche Arbeiten (vgl. § 2 Nr. 16 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung vom 25.4.2006, BGBl I 2006, 988). Ist eine Zugmaschine zusätzlich für diesen besonderen Zweck geeignet und bestimmt, erfüllt sie die Voraussetzungen einer Zugmaschine i.S. von § 3 Nr. 7 KraftStG, auch wenn sie zum Transport von Lasten im Zusammenhang mit land- oder forstwirtschaftlichen Arbeiten eingerichtet oder mit Beifahrersitzen ausgestattet ist. Der für land- und forstwirtschaftliche Zugmaschinen geltende Begriff ist auch für Entrichtungszeiträume maßgebend, für die die Feststellungen der Zulassungsbehörden hinsichtlich der Fahrzeugklassen noch nicht i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 KraftStG i.d.F. des Verkehrsteueränderungsgesetzes vom 5.12.2012 (BGBl I 2012, 2431) verbindlich sind.
2. Ob ein Fahrzeug danach für Zwecke der Kraftfahrzeugsteuer als land- und forstwirtschaftliche Zugmaschine einzuordnen ist, ist anhand aller objektiven Merkmale des Fahrzeugs festzustellen. Dabei ist zunächst festzustellen, ob der wirtschaftliche Wert des Fahrzeugs im Wesentlichen in der Zugleistung liegt und es nach seiner Bauart und Ausstattung ausschließlich oder überwiegend zur Fortbewegung von Lasten durch Ziehen von Anhängern zu dienen geeignet und bestimmt ist. Ist das Fahrzeug neben der Eignung zum Ziehen von Lasten auch für die Personenbeförderung oder den Transport von Lasten geeignet und bestimmt, gilt es festzustellen, ob dessen Funktion besonders in dem Betrieb von auswechselbaren land- oder forstwirtschaftlichen Geräten besteht.
Im Rahmen der dabei anzustellenden Gesamtwürdigung aller Fahrzeugmerkmale ist neben dem Verhältnis zwischen Eigengewicht, Zuladung und zulässiger Anhänge-/Zuglast auch von Bedeutung, ob das Fahrzeug über eine bloße Anhängevorrichtung hinaus über weitere, ausschließlich dem Ziehen von großen Lasten oder zum Anschluss und Betrieb von land- oder forstwirtschaftlichen Geräten dienende Vorrichtungen verfügt.
3. Im Streitfall ist das FG entgegen der vorstehenden Grundsätze davon ausgegangen, dass allein die Eignung zum Transportieren von Lasten ausreicht, um das Fahrzeug nicht als Zugmaschine einzuordnen. Dies führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat keine Feststellungen zu der zulässigen Zuglast und zu den weiteren Zugvorrichtungen getroffen. Diese wird es in einer weiteren Verhandlung festzustellen und zu bewerten haben. Nach den Angaben der Klägerin verfügt das Fahrzeug über einen Zapfwellenanschluss sowie einen Heckkraftheber und erfüllt nach Angaben des Herstellers bauartbedingt alle technischen Voraussetzungen, die eine kraftverkehrsrechtliche Einordnung als Zugmaschine-Ackerschlepper ermöglichen. Wenngleich die kraftverkehrsrechtliche Einordnung - wie das FG zutreffend ausführt - im streitigen Entrichtungszeitraum für Zwecke der Kraftfahrzeugsteuer noch nicht bindend war, sind jedoch die objektiven, technischen Gegebenheiten, die zu einer solchen Einordnung führen, im Rahmen der Gesamtabwägung auch für Zwecke der Kraftfahrzeugsteuer zu berücksichtigen.
Sollte das FG im Rahmen einer erneuten Gesamtwürdigung aller Merkmale das Fahrzeug als Zugmaschine einordnen, ist in einem weiteren Schritt festzustellen, ob das Fahrzeug auch ausschließlich in einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb verwendet wird. Nach Angaben der Klägerin war dies bislang unstreitig. Feststellungen dazu hat das FG nicht getroffen, weil es darauf nach dessen bisheriger Rechtsansicht nicht ankam.
4. Über den von der Klägerin gerügten Verfahrensverstoß braucht nicht entschieden zu werden.
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