BFH: Sachverständigenkosten zur Ermittlung des Grundstückswerts als Nachlassverbindlichkeit
Die Aufwendungen für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens zum Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks sind als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig, wenn sie in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen anfallen.
BFH-Urteil vom 19.6.2013, II R 20/12 (veröffentlicht am 31.7.2013)
ErbStG § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1, § 10 Abs. 8
BewG § 198
Vorinstanz: FG Nürnberg vom 22.3.2012, 4 K 1692/11 = SIS 12 17 72
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Alleinerbe seines im August 2009 verstorbenen Onkels. Zum Nachlass gehört u.a. ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück.
Im Zusammenhang mit der vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) angeforderten Erbschaftsteuererklärung ließ der Kläger ein Sachverständigengutachten zum Nachweis des gemeinen Werts des Grundstücks erstellen. Die Kosten hierfür beliefen sich laut Rechnung vom 24.2.2011 auf 2.593,47 €. Das für die Bedarfswertfeststellung zuständige Lagefinanzamt stellte den Grundbesitzwert entsprechend dem im Gutachten ermittelten Verkehrswert auf 270.000 € fest.
Das FA setzte unter Zugrundelegung des festgestellten Grundbesitzwerts mit Bescheid vom 18.7.2011 Erbschaftsteuer in Höhe von 264.960 € gegen den Kläger fest. Dabei zog es Erbfallkosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der für das Jahr 2009 geltenden Fassung (ErbStG) in Höhe von insgesamt 12.036 € ab, ohne jedoch die geltend gemachten Sachverständigenkosten für die Ermittlung des Grundstückswerts zu berücksichtigen. Mit Bescheid vom 19.10.2011 wurde die Erbschaftsteuer aus hier nicht streitigen Gründen auf 264.120 € herabgesetzt.
Hinsichtlich der Sachverständigenkosten blieb der Einspruch ohne Erfolg. In der Teileinspruchsentscheidung vom 11.11.2011 ist bestimmt, dass im Hinblick auf das beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängige Verfahren II R 9/11 über die Anwendung des § 19 Abs. 1 ErbStG nicht entschieden werde und insoweit auch keine Bestandskraft eintrete.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, die Kosten für ein Sachverständigengutachten zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts seien Kosten der Rechtsverfolgung zur Minderung der Erbschaftsteuer und damit nicht nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG abzugsfähig. Soweit das Verkehrswertgutachten auch der Bestimmung der Preisuntergrenze im Zusammenhang mit einem geplanten Verkauf des Anwesens gedient habe, lägen Kosten der Verwertung des Nachlasses vor, die ebenfalls nicht abzugsfähig seien. Das Urteil des FG ist veröffentlicht in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2013, 151.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und den Erbschaftsteuerbescheid vom 19.10.2011 in Gestalt der Teileinspruchsentscheidung vom 11.11.2011 dahingehend zu ändern, dass die Gutachterkosten in Höhe von 2.593,47 € als zusätzliche Nachlassverbindlichkeit berücksichtigt werden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Änderung des Erbschaftsteuerbescheids vom 19.10.2011 in Gestalt der Teileinspruchsentscheidung vom 11.11.2011 (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die im Zusammenhang mit der Erbschaftsteuererklärung angefallenen Kosten für das Sachverständigengutachten zum Nachweis des gemeinen Werts des Nachlassgrundstücks sind entgegen der Auffassung des FG als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig.
1. Gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG sind, soweit sich nicht aus den Absätzen 6 bis 9 etwas anderes ergibt, als Nachlassverbindlichkeit u.a. die Kosten abzugsfähig, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen.
a) Der Begriff der Nachlassregelungskosten ist grundsätzlich weit auszulegen (vgl. BFH-Urteil vom 11.1.1961 II 155/59 U, BFHE 72, 273, BStBl III 1961, 102). Zu den Nachlassregelungskosten gehören auch die Kosten für die Bewertung von Nachlassgegenständen, wenn sie in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen und nicht erst durch die spätere Verwaltung des Nachlasses (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG) anfallen. Nachlassregelungskosten sind insbesondere Aufwendungen für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens nach § 198 des Bewertungsgesetzes in der für 2009 geltenden Fassung zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks (Schuck in Viskorf/Knobel/Schuck/Wälzholz, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 4. Aufl., § 10 ErbStG Rz 97; Geck in Kapp/Ebeling, ErbStG, Kommentar, § 10 ErbStG Rz 150.2; Steiner, Der Erbschaft-Steuer-Berater - ErbStB - 2010, 104; Halaczinsky, ErbStB 2012, 238; auch von der Finanzverwaltung anerkannt, sofern die Kosten im Rahmen der Verpflichtung zur Abgabe einer Feststellungserklärung anfallen und vom Erwerber getragen werden, vgl. H E 10.7 Satz 2, "Steuerberatungskosten und Rechtsberatungskosten im Rahmen des Besteuerungs- und Wertfeststellungsverfahrens", Hinweise zu den Erbschaftsteuer-Richtlinien - ErbStH - 2011; a.A. FG Nürnberg, Urteil vom 21.11.2002 IV 350/2001, Entscheidungen der Finanzgerichte 2003, 633; Weinmann in Moench/ Weinmann, Erbschaft- und Schenkungsteuer, § 10 Rz 82; Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 10 Rz 220). Derartige Aufwendungen sind durch den Erbfall veranlasst und stehen unmittelbar mit der Regelung und Abwicklung des Nachlasses im Zusammenhang.
b) § 10 Abs. 8 ErbStG steht einem Abzug der Kosten für ein Sachverständigengutachten zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts des Nachlassgrundstücks nicht entgegen.
Nach dieser Vorschrift ist die von dem Erwerber zu entrichtende eigene Erbschaftsteuer nicht abzugsfähig. Das Abzugsverbot erstreckt sich zwar nach der dem § 10 Abs. 8 ErbStG zugrunde liegenden Wertung auch auf die einem Erwerber entstehenden Rechtsverfolgungskosten, die er zur Abwehr der von ihm zu entrichtenden eigenen Erbschaftsteuer aufwendet (BFH-Urteil vom 20.6.2007 II R 29/06, BFHE 217, 187, BStBl II 2007, 722). Außerdem unterliegen dem Abzugsverbot die Rechtsverfolgungskosten, die mit den gesonderten Feststellungen der Grundbesitzwerte des zum Nachlass gehörenden Grundvermögens zusammenhängen (BFH-Urteil vom 1.7.2008 II R 71/06, BFHE 222, 63, BStBl II 2008, 874). Bei den Kosten für die Bewertung von Nachlassgegenständen handelt es sich jedoch nicht um Rechtsverfolgungskosten in diesem Sinne. Der Begriff der dem Abzugsverbot unterliegenden Rechtsverfolgungskosten ist eng zu verstehen und umfasst die vom Erben aufgewendeten Verfahrens- und Prozesskosten eines Rechtsbehelfs- oder finanzgerichtlichen Klageverfahrens gegen die Erbschaftsteuerfestsetzung, nicht aber Sachverständigenkosten für die Erstellung eines Gutachtens zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts eines Nachlassgrundstücks. Für eine weiter gehende Erstreckung des Abzugsverbots auch auf die Kosten der Bewertung eines zum Nachlass gehörenden Gegenstands bietet § 10 Abs. 8 ErbStG keine Grundlage, selbst wenn die Bewertung des Nachlassgegenstands Auswirkungen auf die Höhe der Erbschaftsteuer hat. Soweit die Finanzverwaltung für ihre gegenteilige Ansicht (vgl. H E 10.7 ErbStH) ebenfalls auf das Urteil des BFH in BFHE 217, 187, BStBl II 2007, 722 verweist, wird klargestellt, dass dieses Urteil nicht zu Gutachterkosten ergangen ist.
2. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für das Sachverständigengutachten in Höhe von 2.593,47 € sind als Nachlassverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG abzugsfähig. Das Verkehrswertgutachten wurde im Rahmen des Verfahrens zur gesonderten Feststellung des Grundbesitzwerts in Auftrag gegeben und dem zuständigen Lagefinanzamt zum Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts vorgelegt. Die Kosten hierfür hängen unmittelbar mit der Regelung des Nachlasses zusammen. Der vollen Abziehbarkeit der Sachverständigenkosten steht nicht entgegen, dass die Bewertung des Grundstücks nach den Angaben des Klägers auch als Grundlage für den geplanten Verkauf des Anwesens gedient hat. Diese weitere Zwecksetzung ändert nichts am unmittelbaren Zusammenhang der Kosten mit der Regelung des Nachlasses.
Der Erwerb des Klägers mindert sich um 2.593,47 € von bisher 900.441 € auf 897.848 €. Abzüglich des Freibetrags von 20.000 € verbleibt ein steuerpflichtiger Erwerb von abgerundet 877.800 €. Bei einem Steuersatz von 30 % beläuft sich die Erbschaftsteuer auf 263.340 €.
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