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EuGH: Strengere Bedingungen an Kürzung des Gewerbeertrags um Gewinne aus Anteilen an ausländischen Kapitalgesellschaften als bei inländischen Kapitalgesellschaften unionsrechtswidrig

Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 63 bis 65 AEUV – Freier Kapitalverkehr – Kürzung steuerpflichtiger Gewinne – Beteiligungen einer Muttergesellschaft an einer Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung und Sitz in einem Drittstaat – An die Muttergesellschaft ausgeschüttete Dividenden – Steuerliche Abzugsfähigkeit, die strengeren Voraussetzungen unterliegt als die Kürzung um die Gewinne aus Beteiligungen an einer nicht steuerbefreiten inländischen Kapitalgesellschaft

EuGH-Urteil vom 20. September 2018, Rechtssache C-685/16

Vorinstanz: FG Münster 20.9.2016, 9 K 3911/13 F = SIS 17 01 35

Die Art. 63 bis 65 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, die eine Kürzung um die Gewinne aus Anteilen an einer Kapitalgesellschaft mit Geschäftsführung und Sitz in einem Drittstaat an strengere Bedingungen knüpft als die Kürzung um die Gewinne aus Anteilen an einer nicht steuerbefreiten inländischen Kapitalgesellschaft.

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 63 bis 65 AEUV.

2        Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen EV, einer Kommanditgesellschaft auf Aktien deutschen Rechts, und dem Finanzamt Lippstadt (Deutschland, im Folgenden: Finanzamt) über die EV auferlegte Gewerbesteuer.

Deutsches Recht

3        In § 8 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 des Gesetzes über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen (Außensteuergesetz) vom 8. September 1972 (BGBl. 1972 I S. 1713, im Folgenden: AStG) sind folgende Tätigkeiten aufgeführt:

  1. Land- und Forstwirtschaft,
  2. Herstellung, Bearbeitung, Verarbeitung oder Montage von Sachen, Erzeugung von Energie sowie Aufsuchen und Gewinnung von Bodenschätzen,
  3. Betrieb von Kreditinstituten oder Versicherungsunternehmen, die für ihre Geschäfte einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Betrieb unterhalten (mit Ausnahmen),
  4. Handel (mit Ausnahmen),
  5. Dienstleistungen (mit Ausnahmen),
  6. Vermietung und Verpachtung (mit Ausnahmen).

4        Das Gewerbesteuergesetz von 2002 in der durch das Jahressteuergesetz 2008 vom 20. Dezember 2007 geänderten Fassung (BGBl. 2007 I S. 3150, im Folgenden: GewStG 2002) sieht in § 2 vor:

„(1)      1Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. ... 3Im Inland betrieben wird ein Gewerbebetrieb, soweit für ihn im Inland ... eine Betriebsstätte unterhalten wird.

(2)      1Als Gewerbebetrieb gilt stets und in vollem Umfang die Tätigkeit der Kapitalgesellschaften (insbesondere Europäische Gesellschaften, Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung) ... 2Ist eine Kapitalgesellschaft Organgesellschaft im Sinne der §§ 14, 17 oder 18 des Körperschaftsteuergesetzes [(KStG)], so gilt sie als Betriebsstätte des Organträgers.“

5        Besteuerungsgrundlage für die Gewerbesteuer ist nach § 6 GewStG 2002 der Gewerbeertrag, d. h. der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) oder des KStG zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, vermehrt oder vermindert um die in den §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge (§ 7 Satz 1 GewStG 2002).

6        § 8 („Hinzurechnungen“) GewStG 2002 sieht vor:

„Dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7) werden folgende Beträge wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind:

...
  1. die nach § 3 Nr. 40 [EStG] oder § 8b Abs. 1 [KStG] außer Ansatz bleibenden Gewinnanteile (Dividenden) und die diesen gleichgestellten Bezüge und erhaltenen Leistungen aus Anteilen an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des [KStG], soweit sie nicht die Voraussetzungen des § 9 Nr. 2a oder 7 erfüllen, nach Abzug der mit diesen Einnahmen ... in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben ...
...“

7        § 9 GewStG 2002 regelt die Kürzungen, soweit sie die Gewinne aus Beteiligungen an einer inländischen Gesellschaft oder an einer Gesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat betreffen.

8        Erstens sieht § 9 Nr. 2a GewStG 2002 vor, dass die Summe der Gewinne und Hinzurechnungen um die Gewinne aus Anteilen an einer nicht steuerbefreiten inländischen Kapitalgesellschaft im Sinne von § 2 Abs. 2 dieses Gesetzes gekürzt wird, wenn die Beteiligung zu Beginn des Erhebungszeitraums mindestens 15 % des Grund- oder Stammkapitals beträgt und die Gewinnanteile bei Ermittlung des Gewinns (§ 7) angesetzt worden sind. Nach § 9 Nr. 2a Satz 3 GewStG 2002 mindern im unmittelbaren Zusammenhang mit Gewinnanteilen stehende Aufwendungen den Kürzungsbetrag, soweit entsprechende Beteiligungserträge zu berücksichtigen sind.

9        Ferner bestimmt § 9 Nr. 3 GewStG 2002 u. a., dass die Summe der Gewinne und Hinzurechnungen um den Teil des Gewerbeertrags eines inländischen Unternehmens gekürzt wird, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte dieses Unternehmens entfällt.

10      Zweitens kann in Bezug auf die Gewinne aus Anteilen an einer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Gesellschaft, die die Voraussetzungen der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. 1990, L 225, S. 6) in der durch die Richtlinie 2006/98/EG des Rates vom 20. November 2006 (ABl. 2006, L 363, S. 129) geänderten Fassung erfüllt, nach § 9 Nr. 7 Satz 1 2. Halbsatz GewStG 2002 die Kürzung vorgenommen werden, wenn die Beteiligung zu Beginn des Erhebungszeitraums mindestens einem Zehntel des Nennkapitals entspricht.

11      Drittens wird nach § 9 Nr. 7 Satz 1 1. Halbsatz GewStG 2002 die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen gekürzt um

„die Gewinne aus Anteilen an einer Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung und Sitz außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes, an deren Nennkapital das Unternehmen seit Beginn des Erhebungszeitraums ununterbrochen mindestens zu 15 Prozent beteiligt ist (Tochtergesellschaft) und die ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 [AStG] fallenden Tätigkeiten und aus Beteiligungen an Gesellschaften bezieht, an deren Nennkapital sie mindestens zu einem Viertel unmittelbar beteiligt ist, wenn die Beteiligungen ununterbrochen seit mindestens zwölf Monaten vor dem für die Ermittlung des Gewinns maßgebenden Abschlussstichtag bestehen und das Unternehmen nachweist, dass
  1. diese Gesellschaften Geschäftsleitung und Sitz in demselben Staat wie die Tochtergesellschaft haben und ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus den unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 [AStG] fallenden Tätigkeiten beziehen oder
  2. die Tochtergesellschaft die Beteiligungen in wirtschaftlichem Zusammenhang mit eigenen unter Absatz 1 Nr. 1 bis 6 fallenden Tätigkeiten hält und die Gesellschaft, an der die Beteiligung besteht, ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus solchen Tätigkeiten bezieht,
wenn die Gewinnanteile bei der Ermittlung des Gewinns (§ 7) angesetzt worden sind; ...“

12      Gemäß § 9 Nr. 7 Satz 2 GewStG 2002 gilt § 9 Nr. 2a Satz 3 dieses Gesetzes insoweit entsprechend.

13      Aus dem Vorabentscheidungsersuchen sowie den Erklärungen der deutschen Regierung ergibt sich, dass unter einer „Landesholding“ eine Tochtergesellschaft zu verstehen ist, die die Voraussetzungen von § 9 Nr. 7 Satz 1 1. Halbsatz Nr. 1 GewStG 2002 erfüllt, und unter einer „Funktionsholding“ eine Tochtergesellschaft, die die Voraussetzungen von § 9 Nr. 7 Satz 1 1. Halbsatz Nr. 2 GewStG 2002 erfüllt.

14      § 9 Nr. 7 Sätze 4 bis 7 GewStG 2002 regelt die Ausschüttungen von Enkelgesellschaften mit Geschäftsleitung und Sitz außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes wie folgt:

4Bezieht ein Unternehmen, das über eine Tochtergesellschaft mindestens zu 15 Prozent an einer Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung und Sitz außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes (Enkelgesellschaft) mittelbar beteiligt ist, in einem Wirtschaftsjahr Gewinne aus Anteilen an der Tochtergesellschaft und schüttet die Enkelgesellschaft zu einem Zeitpunkt, der in dieses Wirtschaftsjahr fällt, Gewinne an die Tochtergesellschaft aus, so gilt auf Antrag des Unternehmens das Gleiche für den Teil der von ihm bezogenen Gewinne, der der nach seiner mittelbaren Beteiligung auf das Unternehmen entfallenden Gewinnausschüttung der Enkelgesellschaft entspricht. 5Hat die Tochtergesellschaft in dem betreffenden Wirtschaftsjahr neben den Gewinnanteilen einer Enkelgesellschaft noch andere Erträge bezogen, so findet Satz 4 nur Anwendung für den Teil der Ausschüttung der Tochtergesellschaft, der dem Verhältnis dieser Gewinnanteile zu der Summe dieser Gewinnanteile und der übrigen Erträge entspricht, höchstens aber in Höhe des Betrags dieser Gewinnanteile. 6Die Anwendung des Satzes 4 setzt voraus, dass
  1. die Enkelgesellschaft in dem Wirtschaftsjahr, für das sie die Ausschüttung vorgenommen hat, ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 [AStG] fallenden Tätigkeiten oder aus unter Satz 1 Nr. 1 fallenden Beteiligungen bezieht und
  2. die Tochtergesellschaft unter den Voraussetzungen des Satzes 1 am Nennkapital der Enkelgesellschaft beteiligt ist.
7Die Anwendung der vorstehenden Vorschriften setzt voraus, dass das Unternehmen alle Nachweise erbringt, insbesondere
  1. durch Vorlage sachdienlicher Unterlagen nachweist, dass die Tochtergesellschaft ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 [AStG] fallenden Tätigkeiten oder aus unter Satz 1 Nr. 1 und 2 fallenden Beteiligungen bezieht,
  2. durch Vorlage sachdienlicher Unterlagen nachweist, dass die Enkelgesellschaft ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 [AStG] fallenden Tätigkeiten oder aus unter Satz 1 Nr. 1 fallenden Beteiligungen bezieht,
  3. den ausschüttbaren Gewinn der Tochtergesellschaft oder Enkelgesellschaft durch Vorlage von Bilanzen und Erfolgsrechnungen nachweist; auf Verlangen sind diese Unterlagen mit dem im Staat der Geschäftsleitung oder des Sitzes vorgeschriebenen oder üblichen Prüfungsvermerk einer behördlich anerkannten Wirtschaftsprüfungsstelle oder einer vergleichbaren Stelle vorzulegen.“

15      Nach § 8b Abs. 1 KStG, der Beteiligungen an anderen Körperschaften und Personenvereinigungen betrifft, bleiben Bezüge im Sinne u. a. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz.

16      In Bezug auf die Ermittlung des Einkommens bei Organschaft sieht § 15 Satz 1 Nr. 2 KStG vor, dass § 8b Abs. 1 bis 6 KStG abweichend von den allgemeinen Vorschriften bei der Organgesellschaft nicht anzuwenden ist.

17      Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen u. a. Gewinnanteile (Dividenden) aus Aktien, mit denen das Recht am Gewinn und Liquidationserlös einer Kapitalgesellschaft verbunden ist.

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

18      EV stellt Kraftfahrzeugteile her und ist die Muttergesellschaft eines weltweiten Konzerns. Ihre Tochtergesellschaften sind ihrerseits an weiteren Gesellschaften beteiligt.

19      Im Steuerjahr 2009 bildeten EV als Organträger und die Reinhold Poersch GmbH (im Folgenden: R GmbH) für die Berechnung der Gewerbesteuer eine Organschaft im Sinne des deutschen Steuerrechts. EV war zu 100 % an der R GmbH beteiligt.

20      Die R GmbH war ihrerseits zu 100 % an der Hella Asia Pacific Pty Ltd (im Folgenden: HAP Ltd), einer Kapitalgesellschaft australischen Rechts mit Sitz in Australien, beteiligt. Die HAP Ltd bezog im Jahr 2009 von ihrer Tochtergesellschaft Hella Philippinen Inc. (im Folgenden: H Inc.) eine Gewinnausschüttung in Höhe von 556 000 australischen Dollar (AUD) (ungefähr 337 584 Euro).

21      Im selben Jahr schüttete die HAP Ltd an ihre Aktionärin, die R GmbH, einen Betrag von 45 287 000 AUD (ungefähr 27 496 685 Euro) aus. Der ausgeschüttete Betrag setzte sich aus Gewinnen, die über mehrere frühere Geschäftsjahre aufgebaut worden waren, und einer Ausschüttung der in der vorstehenden Randnummer angeführten Gewinne, die die HAP Ltd von der H Inc. bezogen hatte, zusammen.

22      Im Jahr 2012 wurde bei der R GmbH eine Betriebsprüfung für die Steuerjahre 2006 bis 2009 vorgenommen. Die Prüfer stellten fest, dass die von der R GmbH bezogenen Dividenden nach § 8b Abs. 1 KStG für EV steuerfrei gewesen seien, wobei nach § 8b Abs. 5 KStG 5 % der Erträge pauschal als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben dem Einkommen der Gesellschaft wieder hinzugerechnet würden.

23      Das Finanzamt schloss sich den Schlussfolgerungen der Prüfer an und vertrat die Auffassung, dass nach § 8 Nr. 5 GewStG 2002 die von der HAP Ltd an die R GmbH gezahlten Dividenden nach Abzug der Gewinnausschüttungen der H Inc. an die HAP Ltd den Erträgen von EV wieder hinzuzurechnen seien.

24      Die von der HAP Ltd vorgenommene Gewinnausschüttung erfülle nämlich nicht in rechtlich hinreichender Weise die Voraussetzungen von § 9 Nr. 7 Satz 1 GewStG 2002 für die Inanspruchnahme einer Ausnahme vom Grundsatz der Hinzurechnung.

25      Erstens sei die HAP Ltd als Tochtergesellschaft eine Holdinggesellschaft, die aus eigener Tätigkeit keine Einkünfte im Sinne von § 8 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 AStG erziele, so dass sie nicht als „Funktionsholding“ im Sinne von § 9 Nr. 7 Satz 1 1. Halbsatz Nr. 2 GewStG 2002 angesehen werden könne. Zweitens könne sie auch nicht als eine nach § 9 Nr. 7 Satz 1 1. Halbsatz Nr. 1 GewStG 2002 günstiger besteuerte „Landesholding“ eingestuft werden, da sie an Enkelgesellschaften beteiligt sei, die ihren Sitz außerhalb Australiens hätten.

26      Dagegen falle der von der H Inc. an die HAP Ltd und sodann von dieser an die R GmbH ausgeschüttete Betrag unter § 9 Nr. 7 Sätze 4 ff. GewStG 2002 und komme in den Genuss des Enkelprivilegs. Daher seien die von der H Inc. gezahlten Dividenden dem Gewinn der R GmbH nicht hinzugerechnet worden.

27      Das Finanzamt erließ aufgrund dieser Erwägungen am 13. November 2012 einen Steuerbescheid, in dem die von der HAP Ltd an die R GmbH gezahlten Dividenden, nach Abzug der von der H Inc. an die HAP Ltd gezahlten Dividenden, im Einklang mit dem GewStG 2002 zu 95 % dem Gewinn von EV als Organträger hinzugerechnet wurden. Der Einspruch von EV gegen diesen Bescheid wurde durch Entscheidung vom 8. November 2013 zurückgewiesen.

28      Vor diesem Hintergrund hat EV Klage vor dem vorlegenden Gericht, dem Finanzgericht Münster (Deutschland), erhoben, mit der sie u. a. geltend macht, dass eine unionsrechtswidrige diskriminierende Behandlung der Dividenden aus ausländischen Quellen vorliege und dass die von der HAP Ltd an die R GmbH ausgeschütteten Dividenden in vollem Umfang vom Gewerbeertrag von EV abzuziehen seien.

29      Unter diesen Umständen hat das Finanzgericht Münster beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Sind die Bestimmungen über den freien Kapital- und Zahlungsverkehr gemäß den Art. 63 ff. AEUV dahin gehend auszulegen, dass sie der Regelung des § 9 Nr. 7 GewStG 2002 entgegenstehen, soweit durch diese die gewerbesteuerliche Kürzung des Gewinns und der Hinzurechnungen um Gewinne aus Anteilen an einer Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung und Sitz außerhalb der Bundesrepublik Deutschland an schärfere Bedingungen geknüpft wird als die Kürzung des Gewinns und der Hinzurechnungen um Gewinne aus Anteilen an einer nicht steuerbefreiten inländischen Kapitalgesellschaft oder um den Teil des Gewerbeertrags eines inländischen Unternehmens, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt?

Zur Vorlagefrage

Einleitende Bemerkungen

30      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Vorlagefrage zwar nach ihrem Wortlaut alle Kapitalgesellschaften mit Geschäftsleitung und Sitz außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets erfasst, doch steht fest, dass der Ausgangsrechtsstreit die Behandlung von Gewinnen betrifft, die von einer Gesellschaft mit Geschäftsleitung und Sitz in einem Drittstaat, nämlich Australien, bezogen wurden.

31      Unter diesen Umständen ist die Vorlagefrage dahin zu verstehen, dass sie sich nur auf die Behandlung von Gewinnausschüttungen durch Gesellschaften mit Geschäftsleitung und Sitz in Drittstaaten bezieht und nicht auf Fälle, in denen die Gewinne von Gesellschaften mit Geschäftsleitung und Sitz in einem anderen Mitgliedstaat ausgeschüttet werden.

32      Sodann ist zu prüfen, ob Art. 63 AEUV in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens herangezogen werden kann, in dem es um die unterschiedliche Behandlung von Gewinnausschüttungen einer in einem Drittstaat ansässigen Tochtergesellschaft an eine gebietsansässige Gesellschaft und von Gewinnausschüttungen gebietsansässiger Tochtergesellschaften einer gebietsansässigen Gesellschaft geht.

33      Hierzu ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die steuerliche Behandlung von Dividenden unter Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und unter Art. 63 AEUV (freier Kapitalverkehr) fallen kann. Bei der Beantwortung der Frage, ob eine nationale Regelung unter die eine oder die andere Verkehrsfreiheit fällt, ist auf den Gegenstand der betreffenden Regelung abzustellen (Urteil vom 24. November 2016, SECIL, C‑464/14, EU:C:2016:896, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      In den Anwendungsbereich von Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) fällt eine nationale Regelung, die nur auf Beteiligungen anwendbar ist, die es ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen einer Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen (Urteil vom 24. November 2016, SECIL, C‑464/14, EU:C:2016:896, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35      Hingegen sind nationale Bestimmungen über Beteiligungen, die in der alleinigen Absicht der Geldanlage erfolgen, ohne dass auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss genommen werden soll, ausschließlich im Hinblick auf den freien Kapitalverkehr zu prüfen (Urteil vom 24. November 2016, SECIL, C‑464/14, EU:C:2016:896, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36      Im Kontext der steuerlichen Behandlung von Dividenden mit Herkunft aus einem Drittstaat hat der Gerichtshof entschieden, dass die Prüfung des Gegenstands einer nationalen Regelung für die Beurteilung ausreicht, ob die steuerliche Behandlung solcher Dividenden unter die Bestimmungen des Vertrags über den freien Kapitalverkehr fällt (Urteil vom 24. November 2016, SECIL, C‑464/14, EU:C:2016:896, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37      Insoweit hat der Gerichtshof klargestellt, dass eine nationale Regelung über die steuerliche Behandlung von Dividenden, die nicht ausschließlich für Situationen gilt, in denen die Muttergesellschaft entscheidenden Einfluss auf die Gesellschaft ausübt, die die Dividenden ausschüttet, anhand von Art. 63 AEUV zu beurteilen ist. Eine in einem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft kann sich folglich unabhängig vom Umfang ihrer Beteiligung an der in einem Drittstaat ansässigen Gesellschaft, die die Dividenden ausschüttet, auf diese Bestimmung berufen, um die Rechtmäßigkeit einer solchen Regelung in Frage zu stellen (Urteil vom 24. November 2016, SECIL, C‑464/14, EU:C:2016:896, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38      Im vorliegenden Fall macht § 9 Nr. 7 GewStG 2002 die Kürzung um die Dividenden, die die gebietsansässigen Gesellschaften von ihren in Drittstaaten ansässigen Tochtergesellschaften bezogen haben, davon abhängig, dass die gebietsansässige Gesellschaft seit Beginn des Erhebungszeitraums ununterbrochen mindestens zu 15 % an der Tochtergesellschaft beteiligt ist.

39      Hierzu führen das vorlegende Gericht und die deutsche Regierung aus, dass eine solche Beteiligung in Höhe von 15 % nach dem deutschen Gesellschaftsrecht die Ausübung bestimmter Rechte von Minderheitsgesellschaftern gestatte. Dieser Umstand lässt jedoch nicht die Annahme zu, dass sich § 9 Nr. 7 GewStG 2002 ausschließlich auf Beteiligungen bezieht, die einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der die Dividenden ausschüttenden Gesellschaft verleihen.

40      Der Gerichtshof hat nämlich bereits entschieden, dass die Beteiligung von mindestens 15 % am Nennkapital der Tochtergesellschaft nicht zwangsläufig bedeutet, dass die Gesellschaft, die sie hält, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der die Dividenden ausschüttenden Gesellschaft ausübt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Dezember 2017, Deister Holding und Juhler Holding, C‑504/16 und C‑613/16, EU:C:2017:1009, Rn. 79 und 80 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

41      Folglich ist davon auszugehen, dass § 9 Nr. 7 GewStG 2002 nicht ausschließlich für Fälle gilt, in denen die Muttergesellschaft Beteiligungen hält, die es ihr ermöglichen können, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen ihrer Tochtergesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen.

42      Daher ist eine solche Regelung anhand von Art. 63 AEUV zu beurteilen.

43      Zwar setzt im vorliegenden Fall nach § 9 Nr. 7 GewStG 2002 der Anspruch der Muttergesellschaft auf Kürzung um die von ihrer außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets ansässigen Tochtergesellschaft ausgeschütteten Dividenden neben der oben genannten Schwelle von 15 % voraus, dass diese Tochtergesellschaft – vorbehaltlich des Vorliegens bestimmter weiterer Voraussetzungen – ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 AStG fallenden Tätigkeiten oder aus Beteiligungen an Enkelgesellschaften bezieht, an deren Nennkapital sie mindestens zu 25 % beteiligt ist.

44      Die Existenz dieser sekundären, die Beteiligung der Tochtergesellschaft am Nennkapital der Enkelgesellschaft betreffenden Schwelle von 25 % stellt die in Rn. 41 des vorliegenden Urteils angestellte Erwägung jedoch nicht in Frage.

45      Erstens ist nämlich nach der in den Rn. 34 und 35 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung, um zu klären, ob die betreffende nationale Regelung in den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit oder des freien Kapitalverkehrs fällt, die Art der Beteiligungen der Muttergesellschaft an der ausschüttenden Tochtergesellschaft zu prüfen, für die diese Regelung gelten soll.

46      Zweitens wird die in § 9 Nr. 7 GewStG 2002 genannte sekundäre Schwelle von 25 % im Rahmen einer der alternativen, die von der Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft ausgeschütteten Gewinne betreffenden Voraussetzungen aufgestellt. In einem Fall, in dem es nicht um mehrstufige Gesellschaftsstrukturen geht, oder in einem Fall, in dem die Muttergesellschaft zu mindestens 15 % an der Tochtergesellschaft beteiligt ist und diese ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 AStG fallenden Tätigkeiten bezieht, gilt diese Schwelle nämlich nicht. Selbst wenn sie bei der in Rn. 45 des vorliegenden Urteils angesprochenen Prüfung zu berücksichtigen sein sollte, vermag sie daher nicht in Frage zu stellen, dass § 9 Nr. 7 GewStG 2002 nicht ausschließlich für Fälle gilt, in denen die Muttergesellschaft Beteiligungen hält, die es ihr ermöglichen können, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen ihrer Tochtergesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen.

47      Art. 63 AEUV kann folglich in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens herangezogen werden, in dem es um die unterschiedliche Behandlung von Gewinnausschüttungen einer in einem Drittstaat ansässigen Tochtergesellschaft an eine gebietsansässige Gesellschaft und von Gewinnausschüttungen gebietsansässiger Tochtergesellschaften einer gebietsansässigen Gesellschaft geht.

48      Schließlich ist festzustellen, dass die Vorlagefrage den Vergleich nicht nur zwischen der Behandlung von Gewinnausschüttungen in Drittstaaten ansässiger Tochtergesellschaften an gebietsansässige Muttergesellschaften und von Gewinnausschüttungen gebietsansässiger Tochtergesellschaften an gebietsansässige Muttergesellschaften betrifft, sondern auch zwischen der Behandlung Ersterer und des Gewerbeertrags eines inländischen Unternehmens, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt.

49      Der Vergleich zwischen der steuerlichen Behandlung von Gewinnausschüttungen in Drittstaaten ansässiger Tochtergesellschaften an ihre gebietsansässigen Muttergesellschaften und des Gewerbeertrags eines inländischen Unternehmens, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte dieses Unternehmens entfällt, liefe auf die Prüfung hinaus, ob eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende zu einer Ungleichbehandlung führt, die eine inländische Gesellschaft davon abhält, ihre Tätigkeit außerhalb ihres Sitzstaats mittels einer Tochtergesellschaft statt einer Betriebsstätte auszuüben.

50      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Gesellschaften, die ihren Sitz, ihre Geschäftsführung oder ihre Hauptniederlassung in der Union haben, das Recht, ihre Tätigkeit mittels einer Tochtergesellschaft, einer Zweigniederlassung oder einer Agentur auszuüben, aus dem die Niederlassungsfreiheit betreffenden Art. 49 AEUV ableiten, der gemäß Art. 54 AEUV für sie gilt, und nicht aus dem den freien Kapitalverkehr betreffenden Art. 63 AEUV.

51      Der Gerichtshof hat entschieden, dass die Bestimmungen des Unionsrechts über die Niederlassungsfreiheit, auch wenn sie nach ihrem Wortlaut die Inländerbehandlung im Aufnahmemitgliedstaat sicherstellen sollen, es ebenfalls verbieten, dass der Herkunftsmitgliedstaat die Niederlassung eines seiner Staatsangehörigen oder einer nach seinem Recht gegründeten Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat behindert (Urteile vom 23. November 2017, A, C‑292/16, EU:C:2017:888, Rn. 24, und vom 12. Juni 2018, Bevola und Jens W. Trock, C‑650/16, EU:C:2018:424, Rn. 16).

52      Das Kapitel des Vertrags über die Niederlassungsfreiheit enthält jedoch keine Vorschrift, die den Anwendungsbereich seiner Bestimmungen auf Sachverhalte erstreckt, die die Niederlassung einer Gesellschaft eines Mitgliedstaats in einem Drittstaat oder einer Gesellschaft eines Drittstaats in einem Mitgliedstaat betreffen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. November 2012, Test Claimants in the FII Group Litigation, C‑35/11, EU:C:2012:707, Rn. 97 und die dort angeführte Rechtsprechung).

53      Somit soll weder Art. 63 AEUV noch Art. 49 AEUV Anwendung auf einen Fall finden, in dem die nationale Regelung zu einer unterschiedlichen steuerlichen Behandlung des Gewerbeertrags einer gebietsansässigen Gesellschaft, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt, und der Gewinne einer in einem Drittstaat ansässigen Tochtergesellschaft führt.

54      Daher ist nachfolgend nur zu prüfen, ob die Art. 63 bis 65 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, die eine Kürzung um die Gewinne aus Anteilen an einer Kapitalgesellschaft mit Geschäftsführung und Sitz in einem Drittstaat an strengere Bedingungen knüpft als die Kürzung um die Gewinne aus Anteilen an einer nicht steuerbefreiten inländischen Kapitalgesellschaft.

Zum Vorliegen einer Beschränkung

55      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs gehören zu den Maßnahmen, die Art. 63 Abs. 1 AEUV als Beschränkungen des Kapitalverkehrs verbietet, solche, die geeignet sind, Gebietsfremde von Investitionen in einem Mitgliedstaat oder die in diesem Mitgliedstaat Ansässigen von Investitionen in anderen Staaten abzuhalten (Urteil vom 2. Juni 2016, Pensioenfonds Metaal en Techniek, C‑252/14, EU:C:2016:402, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

56      Im vorliegenden Fall sieht die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung eine unterschiedliche Behandlung der von einer gebietsansässigen Gesellschaft ausgeschütteten Dividenden und der von einer in einem Drittstaat ansässigen Gesellschaft ausgeschütteten Dividenden vor.

57      Wie das vorlegende Gericht ausführt, setzt nämlich nach § 9 Nr. 2a Satz 1 GewStG 2002 die Kürzung der Gewerbesteuer, wenn die gebietsansässige Gesellschaft Dividenden einer anderen nicht steuerbefreiten gebietsansässigen Gesellschaft bezieht, nur eine Mindestbeteiligung von 15 % des Stammkapitals der ausschüttenden Gesellschaft zu Beginn des Erhebungszeitraums und den Ansatz des durch die Beteiligungen erzielten Gewinns bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Gewinns voraus.

58      Bei Ausschüttungen einer in einem Drittstaat ansässigen Gesellschaft verlangt § 9 Nr. 7 Satz 1 GewStG 2002 dagegen, dass eine Mindestbeteiligung von 15 % ununterbrochen seit Beginn des Erhebungszeitraums besteht, und darüber hinaus, dass die Bruttoerträge aus bestimmten aktiven Einkünften stammen, und zwar nur denen, die allein mit den in § 8 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 AStG genannten Tätigkeiten erzielt wurden, oder dass nachgewiesen wird, dass es sich um Einkünfte von Enkelgesellschaften handelt, an denen die Tochtergesellschaft zu mindestens 25 % des Stammkapitals beteiligt ist, dass die Tochtergesellschaft eine Landesholding oder eine Funktionsholding darstellt und dass die Enkelgesellschaft ihre Bruttoeinkünfte jedenfalls fast ausschließlich aus wirtschaftlichen Tätigkeiten zieht, die in § 8 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 AStG genannt sind.

59      Zudem hat die deutsche Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen anerkannt, dass die in § 9 Nr. 7 GewStG 2002 vorgesehene Kürzung an strengere Voraussetzungen geknüpft ist als die in § 9 Nr. 2a dieses Gesetzes vorgesehene.

60      In § 9 Nr. 7 GewStG 2002 sieht sie jedoch keine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs, sondern ein Instrument zur Herstellung einer Gleichbehandlung der von ihr als „passiv“ eingestuften Einkünfte, d. h. allgemein von Einkünften aus vermögensverwaltender Tätigkeit, die nicht der Gewerbesteuer unterlägen und deshalb auch nicht zur Kürzung berechtigten. Daher sehe diese Vorschrift vor, dass bestimmte vermögensverwaltende Tätigkeiten der in einem Drittstaat ansässigen Gesellschaft nicht zu einer Kürzung berechtigen könnten. Umgekehrt bedeute dies, dass bestimmte sogenannte „aktive“, d. h. gewerbliche und damit grundsätzlich der Gewerbesteuer unterliegende Tätigkeiten der ausländischen Gesellschaft zur Kürzung führten.

61      Insoweit ist aber hervorzuheben, dass die deutsche Regierung zum einen selbst einräumt, dass bei Dividenden, die von gebietsansässigen Gesellschaften ausgeschüttet werden, die Kürzung nicht davon abhängt, welche Art von Tätigkeit die ausschüttende Kapitalgesellschaft ausübt.

62      Zum anderen sieht § 9 Nr. 7 GewStG 2002 in Bezug auf die Ausschüttungen von Dividenden durch in Drittstaaten ansässige Tochtergesellschaften weitere strengere Voraussetzungen zulasten der gebietsansässigen Gesellschaften vor, etwa das Erfordernis einer mindestens 15%igen Beteiligung an den in Drittstaaten ansässigen Gesellschaften, die im Erhebungszeitraum ununterbrochen und nicht nur zu dessen Beginn bestehen muss, sowie Voraussetzungen bezüglich der Enkelgesellschaften, die die Dividenden an die Tochtergesellschaften ausschütten.

63      Infolgedessen ist davon auszugehen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung dadurch, dass sie die steuerliche Abzugsfähigkeit von Dividenden, die in Drittstaaten ansässige Tochtergesellschaften ausschütten, strengeren Voraussetzungen unterwirft als den für Dividenden, die gebietsansässige Tochtergesellschaften ausschütten, geltenden, geeignet ist, die gebietsansässigen Muttergesellschaften davon abzuhalten, ihr Kapital in Tochtergesellschaften mit Sitz in Drittstaaten zu investieren. Da nämlich Kapitaleinkünfte aus Drittstaaten steuerlich ungünstiger behandelt werden als Dividenden, die von gebietsansässigen Gesellschaften ausgeschüttet werden, sind Aktien von Gesellschaften, die in Drittstaaten ansässig sind, für die gebietsansässigen Anleger weniger attraktiv als Aktien gebietsansässiger Gesellschaften (vgl. entsprechend Urteil vom 24. November 2016, SECIL, C‑464/14, EU:C:2016:896, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

64      Eine solche Regelung stellt daher eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten und den Drittstaaten dar, die Art. 63 AEUV grundsätzlich verbietet.

Zur Anwendung von Art. 64 Abs. 1 AEUV

65      Das Finanzamt sowie die deutsche Regierung machen jedoch geltend, dass Art. 64 Abs. 1 AEUV der Bundesrepublik Deutschland gestatte, eine solche Beschränkung beizubehalten.

66      Nach Art. 64 Abs. 1 AEUV berührt Art. 63 AEUV nicht die Anwendungen derjenigen Beschränkungen auf dritte Länder, die am 31. Dezember 1993 aufgrund einzelstaatlicher Rechtsvorschriften oder aufgrund von Rechtsvorschriften der Union für den Kapitalverkehr mit dritten Ländern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen einschließlich Anlagen in Immobilien, mit der Niederlassung, der Erbringung von Finanzdienstleistungen oder der Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten bestehen.

67      Der Begriff „Direktinvestitionen“ ist zwar im Vertrag nicht definiert, war aber Gegenstand einer Definition in der Nomenklatur für den Kapitalverkehr in Anhang I der Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrags [dieser Artikel wurde durch den Vertrag von Amsterdam aufgehoben] (ABl. 1988, L 178, S. 5). Aus der Aufzählung der „Direktinvestitionen“ in der ersten Rubrik dieser Nomenklatur und den zugehörigen Begriffsbestimmungen ergibt sich, dass er sich auf Investitionen jeder Art durch natürliche oder juristische Personen zur Schaffung oder Aufrechterhaltung dauerhafter und direkter Beziehungen zwischen denjenigen, die die Mittel bereitstellen, und den Unternehmen bezieht, für die die Mittel zum Zweck der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit bestimmt sind (Urteil vom 24. November 2016, SECIL, C‑464/14, EU:C:2016:896, Rn. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung).

68      Bei Beteiligungen an neuen oder bereits bestehenden Unternehmen in Form von Aktiengesellschaften setzt das Ziel der Schaffung oder Aufrechterhaltung dauerhafter Wirtschaftsbeziehungen, wie auch aus den in der vorstehenden Randnummer genannten Begriffsbestimmungen hervorgeht, voraus, dass die Aktien ihrem Inhaber entweder nach den nationalen aktienrechtlichen Vorschriften oder aus anderen Gründen die Möglichkeit geben, sich tatsächlich an der Verwaltung dieser Gesellschaft oder an deren Kontrolle zu beteiligen (Urteil vom 24. November 2016, SECIL, C‑464/14, EU:C:2016:896, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).

69      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs erfassen die Beschränkungen des Kapitalverkehrs im Zusammenhang mit einer Niederlassung oder Direktinvestitionen im Sinne von Art. 64 Abs. 1 AEUV nicht nur nationale Maßnahmen, die bei ihrer Anwendung auf den Kapitalverkehr mit Drittstaaten die Niederlassung oder Investitionen beschränken, sondern auch solche, die die sich daraus ergebenden Dividendenzahlungen beschränken (Urteil vom 24. November 2016, SECIL, C‑464/14, EU:C:2016:896, Rn. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung).

70      Eine Beschränkung des Kapitalverkehrs wie die ungünstigere steuerliche Behandlung von Dividenden aus ausländischen Quellen fällt somit unter Art. 64 Abs. 1 AEUV, wenn sie sich auf Beteiligungen bezieht, die zur Schaffung oder Aufrechterhaltung dauerhafter und unmittelbarer Wirtschaftsbeziehungen zwischen dem Anteilseigner und der betroffenen Gesellschaft erworben wurden und die es dem Anteilseigner ermöglichen, sich tatsächlich an der Verwaltung dieser Gesellschaft oder an deren Kontrolle zu beteiligen (Urteil vom 24. November 2016, SECIL, C‑464/14, EU:C:2016:896, Rn. 78 und die dort angeführte Rechtsprechung).

71      Insoweit hat der Gerichtshof entschieden, dass der Umstand, dass die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften, die eine Beschränkung für den Kapitalverkehr im Zusammenhang mit Direktinvestitionen vorsehen, auch in anderen Fällen Anwendung finden könnten, der Anwendbarkeit von Art. 64 Abs. 1 AEUV unter den darin festgelegten Voraussetzungen nicht entgegenstehen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Februar 2017, X, C‑317/15, EU:C:2017:119, Rn. 21).

72      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass das Ausgangsverfahren die steuerliche Behandlung der Dividenden betrifft, die EV als Organträger aufgrund ihrer Beteiligungen in Höhe von 100 % an einer ersten Gesellschaft deutschen Rechts bezog, die ihrerseits 100 % der Gesellschaftsanteile der HAP Ltd hielt, von der die nach Auffassung des Finanzamts hinzuzurechnenden Ausschüttungen stammten. Eine solche Beteiligung versetzt den Aktionär in die Lage, sich tatsächlich an der Verwaltung der ausschüttenden Gesellschaft zu beteiligen, und kann daher als Direktinvestition angesehen werden.

73      Nach der gefestigten Rechtsprechung des Gerichtshofs zu dem in Art. 64 Abs. 1 AEUV aufgestellten zeitlichen Kriterium muss zwar grundsätzlich das nationale Gericht den Inhalt der Rechtsvorschriften feststellen, die zu einem in einem Unionsrechtsakt festgelegten Zeitpunkt bestehen; es ist aber Sache des Gerichtshofs, die Kriterien für die Auslegung des unionsrechtlichen Begriffs zu liefern, der den Bezugspunkt für die Anwendung einer unionsrechtlichen Ausnahmeregelung auf die zu einem festgelegten Zeitpunkt „bestehenden“ nationalen Rechtsvorschriften darstellt (Urteil vom 10. April 2014, Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company, C‑190/12, EU:C:2014:249, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

74      Die Wendung „Beschränkungen ..., die am 31. Dezember 1993 ... bestehen“, im Sinne von Art. 64 Abs. 1 AEUV setzt voraus, dass der rechtliche Rahmen, in den sich die betreffende Beschränkung einfügt, seit diesem Zeitpunkt ununterbrochen Teil der nationalen Rechtsordnung des betreffenden Mitgliedstaats war. Wäre dies anders, könnte ein Mitgliedstaat nämlich jederzeit Beschränkungen für den Kapitalverkehr nach oder aus Drittstaaten wieder einführen, die in der nationalen Rechtsordnung am 31. Dezember 1993 bestanden, aber nicht beibehalten wurden (Urteil vom 5. Mai 2011, Prunus und Polonium, C‑384/09, EU:C:2011:276, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

75      In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass nicht jede nationale Maßnahme, die nach einem dergestalt festgelegten Zeitpunkt erlassen wird, schon allein deswegen von der Ausnahmeregelung des fraglichen Unionsrechtsakts ohne Weiteres ausgeschlossen ist. Denn eine Vorschrift, die im Wesentlichen mit der früheren Regelung übereinstimmt oder nur ein Hindernis, das nach der früheren Regelung der Ausübung der durch das Unionsrecht geschaffenen Rechte und Freiheiten entgegenstand, abmildert oder beseitigt, fällt unter die Ausnahmeregelung. Beruht eine Regelung hingegen auf einem anderen Grundgedanken als das frühere Recht und schafft sie neue Verfahren, so kann sie den Rechtsvorschriften, die zu dem im betreffenden Unionsrechtsakt genannten Zeitpunkt bestanden, nicht gleichgestellt werden (Urteil vom 10. April 2014, Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company, C‑190/12, EU:C:2014:249, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

76      Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Vorabentscheidungsersuchen zunächst, dass der innerstaatliche Gesetzgeber bei einer Reform der Unternehmensbesteuerung am 14. August 2007 die für einen Abzug nach § 9 Abs. 7 GewStG 2002 erforderliche Beteiligungsschwelle von 10 % auf 15 % anhob.

77      Daher wurde eine der Voraussetzungen für die Anwendung der Kürzung geändert, so dass, wie der Generalanwalt in Nr. 89 seiner Schlussanträge festgestellt hat, der Anwendungsbereich der in § 9 Nr. 7 GewStG 2002 vorgesehenen Kürzung eingeschränkt wurde.

78      Sodann geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervor – und wird von der deutschen Regierung anerkannt –, dass der deutsche Gesetzgeber nach dem 31. Dezember 1993 den Umfang der gewährten Kürzung in der Weise geändert hat, dass sie nicht mehr anhand der Bruttodividende berechnet wurde, sondern anhand der Nettodividende. Auch der Umfang der Kürzung wurde somit verringert.

79      Das vorlegende Gericht weist schließlich darauf hin, dass der gesamte Regelungszusammenhang, in den § 9 Nr. 7 GewStG 2002 eingebettet sei, durch das Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz) vom 23. Oktober 2000 (BGBl. 2000 I S. 1433) weitreichend geändert worden sei. Die Einführung des Halbeinkünfteverfahrens durch dieses neue Gesetz habe nämlich dazu geführt, dass die im Rahmen der Neuregelung ausgeschütteten Dividenden grundsätzlich von der Gewerbesteuer befreit würden, sofern sie die Voraussetzungen von § 9 Nr. 7 GewStG 2002 erfüllten, während nach der früheren Regelung die von juristischen Personen bezogenen Dividenden grundsätzlich der Steuer unterlegen hätten und § 9 Nr. 7 GewStG 2002 eine Ausnahme dargestellt habe.

80      Hierzu ist festzustellen, dass Art. 64 Abs. 1 AEUV als Ausnahme vom Grundprinzip des freien Kapitalverkehrs eng auszulegen ist (Urteil vom 17. Oktober 2013, Welte, C‑181/12, EU:C:2013:662, Rn. 29).

81      Daher sind die Voraussetzungen, die nationale Rechtsvorschriften erfüllen müssen, um trotz einer späteren Änderung des einzelstaatlichen Rechtsrahmens als am 31. Dezember 1993 „bestehend“ angesehen werden zu können, ebenfalls eng auszulegen.

82      Die Beschränkung sowohl des persönlichen als auch des materiellen Anwendungsbereichs der in § 9 Nr. 7 GewStG 2002 vorgesehenen Kürzung, verbunden mit der in Rn. 79 des vorliegenden Urteils angesprochenen Änderung des gesamten Regelungszusammenhangs, widerspricht aber dem Vorbringen der deutschen Regierung, die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften seien trotz der zwischen dem 31. Dezember 1993 und dem Erlass der genannten einzelstaatlichen Rechtsvorschrift eingetretenen gesetzgeberischen Änderungen im Wesentlichen unverändert geblieben.

83      Infolgedessen kann eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs, wie sie mit der Anwendung von § 9 Nr. 7 GewStG 2002 verbunden ist, nicht auf der Grundlage von Art. 64 Abs. 1 AEUV von der in Art. 63 Abs. 1 AEUV aufgestellten Regel ausgenommen werden.

84      Gleichwohl ist zu prüfen, inwieweit eine solche Beschränkung im Hinblick auf die übrigen Vorschriften des Vertrags gerechtfertigt sein kann.

Zum Vorliegen einer Rechtfertigung

85      Nach Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV berührt Art. 63 AEUV nicht das Recht der Mitgliedstaaten, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln.

86      Diese Bestimmung ist als Ausnahme vom Grundprinzip des freien Kapitalverkehrs eng auszulegen. Daher kann sie nicht dahin verstanden werden, dass jede Steuerregelung, die zwischen Steuerpflichtigen nach ihrem Wohnort oder nach dem Mitgliedstaat ihrer Kapitalanlage unterscheidet, ohne Weiteres mit dem AEU-Vertrag vereinbar wäre. Die in Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV vorgesehene Ausnahme wird nämlich ihrerseits durch Art. 65 Abs. 3 AEUV eingeschränkt, wonach die in Abs. 1 dieses Artikels genannten nationalen Vorschriften „weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs im Sinne des Artikels 63 [AEUV] darstellen [dürfen]“ (Urteil vom 10. April 2014, Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company, C‑190/12, EU:C:2014:249, Rn. 55 und 56 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

87      Die nach Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV zulässigen Ungleichbehandlungen müssen daher von den durch Art. 65 Abs. 3 AEUV verbotenen Diskriminierungen unterschieden werden. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann eine nationale Steuerregelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche aber nur dann als mit den Vertragsbestimmungen über den freien Kapitalverkehr vereinbar angesehen werden, wenn die Ungleichbehandlung Situationen betrifft, die nicht objektiv miteinander vergleichbar sind, oder wenn sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist (Urteil vom 10. Mai 2012, Santander Asset Management SGIIC u. a., C‑338/11 bis C‑347/11, EU:C:2012:286, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 Zur objektiven Vergleichbarkeit der Situationen

88      Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich zum einen, dass die Vergleichbarkeit eines grenzüberschreitenden Sachverhalts mit einem innerstaatlichen Sachverhalt unter Berücksichtigung des mit den fraglichen nationalen Bestimmungen verfolgten Ziels sowie ihres Zwecks und ihres Inhalts zu prüfen ist (Urteil vom 2. Juni 2016, Pensioenfonds Metaal en Techniek, C‑252/14, EU:C:2016:402, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

89      Zum anderen sind bei der Beurteilung, ob die unterschiedliche Behandlung aufgrund einer derartigen Regelung einen objektiven Unterschied der Situationen widerspiegelt, nur die in der betreffenden Regelung aufgestellten maßgeblichen Unterscheidungskriterien zu berücksichtigen (Urteile vom 10. Mai 2012, Santander Asset Management SGIIC u. a., C‑338/11 bis C‑347/11, EU:C:2012:286, Rn. 28, sowie vom 2. Juni 2016, Pensioenfonds Metaal en Techniek, C‑252/14, EU:C:2016:402, Rn. 49).

90      Wie bereits in den Rn. 56 bis 58 des vorliegenden Urteils dargelegt, führen die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften zu einer Ungleichbehandlung der von einer gebietsansässigen Gesellschaft und der von einer in einem Drittstaat ansässigen Gesellschaft ausgeschütteten Dividenden.

91      Die deutsche Regierung weist darauf hin, dass die Einkünfte aus einer Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft im Unterschied zu den Einkünften aus einer gebietsansässigen Gesellschaft grundsätzlich nicht mit Gewerbesteuer vorbelastet seien.

92      In Bezug auf eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die eine Doppelbesteuerung verhindern soll, indem sie den Abzug der Dividenden aus Anteilen an einer oder mehreren Kapitalgesellschaften von der Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer zulässt, ist aber die Situation einer Gesellschaft, die von gebietsansässigen Gesellschaften ausgeschüttete Dividenden erhält, mit der einer Gesellschaft vergleichbar, die Einkünfte aus Beteiligungen an nicht gebietsansässigen Gesellschaften bezieht (vgl. entsprechend Urteile vom 12. Dezember 2006, Test Claimants in the FII Group Litigation, C‑446/04, EU:C:2006:774, Rn. 62, und vom 10. Februar 2011, Haribo Lakritzen Hans Riegel und Österreichische Salinen, C‑436/08 und C‑437/08, EU:C:2011:61, Rn. 113).

93      Aus dem Vorstehenden folgt, dass sich Gesellschaften, die Dividenden von Gesellschaften erhalten, die im selben Mitgliedstaat ansässig sind, im Hinblick auf die im Ausgangsverfahren in Rede stehende einzelstaatliche Regelung in einer vergleichbaren Situation befinden wie Gesellschaften, die Dividenden von Gesellschaften mit Sitz in einem Drittstaat erhalten.

 Zum Vorliegen eines zwingenden Grundes des Allgemeininteresses

94      Die deutsche Regierung macht geltend, die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden einzelstaatlichen Rechtsvorschriften sollten missbräuchliche Steuergestaltungen bekämpfen. Die in § 9 Nr. 7 GewStG 2002 vorgesehene Kürzung knüpfe nur an tatsächliche Ausschüttungen an und verhindere, dass Kürzungen unter Rückgriff auf Abschirmgesellschaften vorgenommen werden könnten.

95      In diesem Kontext ist darauf hinzuweisen, dass einer nationalen Regelung nur dann der Zweck beigemessen werden kann, Steuerhinterziehungen und Missbräuche zu verhindern, wenn ihr spezifisches Ziel in der Verhinderung von Verhaltensweisen liegt, die darin bestehen, rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Konstruktionen zu dem Zweck zu errichten, ungerechtfertigt einen Steuervorteil zu nutzen (Urteile vom 5. Juli 2012, SIAT, C‑318/10, EU:C:2012:415, Rn. 40, und vom 7. September 2017, Eqiom und Enka, C‑6/16, EU:C:2017:641, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

96      Dabei kann eine allgemeine Betrugs- und Missbrauchsvermutung keine Maßnahme rechtfertigen, die die Ausübung einer durch den Vertrag garantierten Grundfreiheit beeinträchtigt, und auch der bloße Umstand, dass die die Dividenden ausschüttende Gesellschaft ihren Sitz in einem Drittstaat hat, kann keine allgemeine Vermutung der Steuerhinterziehung begründen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Juli 2012, A, C‑48/11, EU:C:2012:485, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

97      Im vorliegenden Fall lässt sich weder den dem Gerichtshof vorliegenden Akten noch den Erläuterungen der deutschen Regierung entnehmen, welche Art von Missbrauch die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Steuervorschriften genau bekämpfen sollen.

98      Jedenfalls stellen die Voraussetzungen für die Anwendung der in § 9 Nr. 7 GewStG 2002 vorgesehenen Kürzung, wonach bei Tochtergesellschaften mit Holdingfunktion die Art der Tätigkeit ihrer Enkelgesellschaften in der Weise zu berücksichtigen ist, dass eine Einstufung der Tochtergesellschaft als „Funktionsholding“ oder als „Landesholding“ in dem in Rn. 13 des vorliegenden Urteils genannten Sinne möglich sein muss, in Bezug auf Gesellschaften mit Sitz in Drittstaaten eine unwiderlegliche Missbrauchsvermutung auf.

99      Diese Rechtsvorschriften können daher nicht mit der Notwendigkeit gerechtfertigt werden, Missbräuche und Steuerhinterziehung zu verhindern.

100    Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass die Art. 63 bis 65 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, die eine Kürzung um die Gewinne aus Anteilen an einer Kapitalgesellschaft mit Geschäftsführung und Sitz in einem Drittstaat an strengere Bedingungen knüpft als die Kürzung um die Gewinne aus Anteilen an einer nicht steuerbefreiten inländischen Kapitalgesellschaft.

Quelle: curia.europa.eu
An dieser Fassung sind noch Änderungen möglich; verbindlich sind nur die in der "Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts" und im "Amtsblatt der Europäischen Union" veröffentlichten Fassungen.
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