OLG Frankfurt: „Bad Bank“ der WestLB haftet nicht für Steuerschulden aus Cum/Ex-Geschäften
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Pressemitteilung Nr. 92/2022 vom 21.12.2022
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat heute die Klage der WestLB-Nachfolgegesellschaft gegen die Erste Abwicklungsgesellschaft (sog. Bad-Bank) auf Freistellung von Steuerverbindlichkeiten aus sog. Cum/Ex-Geschäften abgewiesen. Die Parteien streiten darüber, ob Steuerverbindlichkeiten der Klägerin im Rahmen der Umstrukturierung und Übertragung des Unternehmensbereichs „Kapitalmarktgeschäft“ von der Beklagten übernommen wurden. Das Landgericht hatte der Klägerin eine Forderung in Höhe von rund einer Mrd. Euro zugesprochen. Das Urteil des OLG ist nicht rechtskräftig.
Die früher als WestLB firmierende Klägerin nimmt die Beklagte auf Freistellung von Steuerverbindlichkeiten in Anspruch, die auf ihre vor der Umstrukturierung getätigten Cum/Ex-Geschäfte zurückgehen. Alleinige Aktionärin der Klägerin ist das Land Nordrhein-Westfalen. Die Beklagte ist eine Abwicklungsanstalt innerhalb der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (sog. „Bad Bank“) und dem Bundesfinanzministerium unterstellt. Die früheren Aktionäre der WestLB, u.a. das Land Nordrhein-Westfalen sowie Sparkassenverbände, sind entsprechend ihrer damaligen Beteiligungsquoten an der WestLB nun an der Beklagten beteiligt.
Die WestLB war im Zuge der Finanzkrise in den Jahren 2008/2009 in Schieflage geraten. Die Beklagte, der bereits im Jahr 2009 ausgewählte toxische Portfolioanteile übertragen worden waren, übernahm im Rahmen der 2012 abgeschlossenen Umstrukturierung weitere Risikopositionen sowie strategisch nicht notwendige Unternehmensbereiche. Die Parteien streiten darüber, ob im Zusammenhang mit der Übertragung des Unternehmensbereichs „Kapitalmarktgeschäft“ auch die Steuerverbindlichkeiten für die von der Klägerin vor der Umstrukturierung durchgeführten Cum/Ex-Geschäfte übernommen wurden. Die im Zuge der Umstrukturierung geschlossenen Verträge enthalten keine ausdrücklichen Regelungen zur Übertragung eigener Steuerverbindlichkeiten der Klägerin auf die Beklagte. Die Klägerin klärte die Beklagte auch nicht über aus den Cum/Ex-Geschäften resultierende steuerliche Risiken auf.
Die West LB führte in den Jahren ab 2005 bis jedenfalls einschließlich 2008 sogenannter Cum/Ex-Geschäfte durch. 2016 wurden von Seiten des Finanzamtes und der Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen dieser Aktiengeschäfte um den jeweiligen Dividendenstichtag eingeleitet. Es sollte geklärt werden, ob in den Veranlagungszeiträumen 2005-2011 zu Unrecht Kapitalertragsteuer auf Dividendenzahlungen samt Solidaritätszuschlag auf die Körperschaftsteuerschuld der WestLB angerechnet worden war. Mit Bescheiden aus den Jahren 2019 und 2020 forderte das Finanzamt von der Klägerin die Rückerstattung erstatteter Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag und Zinsen für die Jahre 2005-2008 in Höhe von rund 1 Milliarde Euro.
Das Landgericht hatte die Beklagte zur Übernahme dieser Steuerschulden verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte nun vor dem OLG Erfolg. „Die Auslegung des Abspaltungsvertrags ... ergibt, dass aus Cum/Ex-Geschäften herrührende Steuerverbindlichkeiten der Klägerin nicht Gegenstand des (wirtschaftlich) auf die Beklagte übertragenen Abspaltungsportfolios waren“, begründete der 4. Zivilsenat seine Entscheidung.
Das Abspaltungsportfolio umfasse zwar auch Risikopositionen und damit zusammenhängende Verbindlichkeiten. Diese sollten gemäß den vertraglichen Regelungen jedoch nur insoweit übertragen werden, als sie sich einzelnen Unternehmensbereichen zuordnen ließen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts seien die Steuerverbindlichkeiten der Klägerin aber nicht dem Unternehmensbereich „Kapitalmarktgeschäft“ zuzuordnen. Die streitigen Steuerverbindlichkeiten für von der Klägerin erwirtschaftete Erträge knüpften nicht an die spezifische im Unternehmensbereich „Kapitalmarktgeschäft“ entfaltete Geschäftstätigkeit der Klägerin an. Sie beträfen unternehmensbereichsübergreifend alle von der Klägerin auf „Gesamtbankebene“ erzielten Erträge. Die Ertragsteuerpflichten könnten nicht anteilig einzelnen Unternehmensbereichen zugeordnet werden. Auch soweit die Erträge aus Geschäftsvorfällen in einzelnen Unternehmensbereichen herrührten, resultierten aus solchen Geschäftsvorfällen keine übertragbaren ertragsteuerlichen Rechte und Pflichten der Klägerin. Es ergäben sich allein ertragssteuerliche Effekte, die sich unternehmensbereichsübergreifend auf „Gesamtbankebene“ auswirkten. Sie begründeten auch erst auf der Gesamtbankebene steuerliche Rechte und Pflichten der Klägerin.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Zulassung der Revision beim Bundesgerichtshof begehrt werden.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 21.12.2022, Az.: 4 U 282/21
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 29.9.2021, Az.: 2-27 O 328/20)
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