Bundesfinanzhof legt die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit vor
Bundesfinanzhof 3. Dezember 2014, Pressemitteilung Nr. 79
Beschluss vom 22.10.2014, II R 16/13 = SIS 14 32 11
Der II. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Beschluss vom 22. Oktober 2014 II R 16/13 dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Frage vorgelegt, ob die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens seit dem Feststellungszeitpunkt 1. Januar 2009 wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) verfassungswidrig sind.
In dem Verfahren, das dem Vorlagebeschluss zugrunde liegt, hatte der Kläger im Jahr 2008 eine Teileigentumseinheit (Ladenlokal) im ehemaligen Westteil von Berlin erworben. Er ist der Ansicht, dass der gegenüber dem Voreigentümer festgestellte Einheitswert für das Teileigentum ihm gegenüber keine Bindungswirkung entfalten könne, weil die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens wegen des lange zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkts 1. Januar 1964 verfassungswidrig seien. Die Einheitswertfeststellung müsse daher zum 1. Januar 2009 ersatzlos aufgehoben werden.
Der BFH stützt seine Vorlage auf folgende Gesichtspunkte:
Einheitswerte werden für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft, für Betriebsgrundstücke und für andere Grundstücke festgestellt. Sie sind neben den Steuermesszahlen und den von den Gemeinden festgelegten Hebesätzen Grundlage für die Bemessung der Grundsteuer. Maßgebend für die Feststellung der Einheitswerte sind in den alten Bundesländern und West-Berlin die Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964.
Der BFH ist der Ansicht, dass die Maßgeblichkeit dieser veralteten Wertverhältnisse (spätestens) seit dem Feststellungszeitpunkt 1. Januar 2009 wegen des 45 Jahre zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkts nicht mehr mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine gleichheitsgerechte Ausgestaltung des Steuerrechts vereinbar ist. Durch den Verzicht auf weitere Hauptfeststellungen sei es nach Anzahl und Ausmaß zu dem Gleichheitssatz widersprechenden Wertverzerrungen bei den Einheitswerten gekommen. Die seit 1964 eingetretene rasante städtebauliche Entwicklung gerade im großstädtischen Bereich, die Fortentwicklung des Bauwesens nach Bauart, Bauweise, Konstruktion und Objektgröße sowie andere tiefgreifende Veränderungen am Immobilienmarkt fänden keinen angemessenen Niederschlag im Einheitswert.
Der BFH vertritt indes nicht die Auffassung, dass das Niveau der Grundsteuer insgesamt zu niedrig sei und angehoben werden müsse. Vielmehr geht es lediglich darum, dass die einzelnen wirtschaftlichen Einheiten innerhalb der jeweiligen Gemeinde im Verhältnis zueinander realitätsgerecht bewertet werden müssen. Nur eine solche Bewertung kann gewährleisten, dass die Belastung mit Grundsteuer sachgerecht ausgestaltet wird und mit dem Gleichheitssatz vereinbar ist.
Es obliegt nunmehr dem BVerfG, über die Vorlagefrage zu entscheiden. Der Vorlagebeschluss steht als solcher dem Erlass von Einheitswertbescheiden, Grundsteuermessbescheiden und Grundsteuerbescheiden sowie der Beitreibung von Grundsteuer nicht entgegen. Die entsprechenden Bescheide werden jedoch für vorläufig zu erklären sein.
Die Vorlage betrifft nicht die Bewertung des Grundvermögens im Beitrittsgebiet, für die die Wertverhältnisse am Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1935 maßgebend sind. Die Gründe, die den BFH zu der Vorlage veranlasst haben, gelten aber aufgrund dieses noch länger zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkts erst recht im Beitrittsgebiet.
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