Hessisches FG zur Bewertung von Anteilen an einem offenen Immobilienfonds im Rahmen der Erbschaftsteuerfestsetzung
Hessisches Finanzgericht 7.4.2016, Pressemitteilung
Hessisches Finanzgericht: Anteile an einem offenen Immobilienfonds sind bei der Erbschaftsteuerfestsetzung nicht automatisch mit dem Rücknahmepreis sondern unter Umständen mit dem niedrigeren Kurswert anzusetzen.
Anteile an einem offenen Immobilienfonds (Anteilscheine) sind im Rahmen der Erbschaftsteuerfestsetzung unter bestimmten Voraussetzungen mit dem niedrigeren Kurswert und nicht mit dem höheren Rücknahmepreis zu bewerten. Das hat das Hessische Finanzgericht entschieden (Az. 1 K 1161/15).
Die Klägerin war Alleinerbin ihrer im Januar 2012 verstorbenen Freundin. Bestandteil des Nachlasses waren unter anderem Anteilscheine an einem offenen Immobilienfonds. Das Fondmanagement hatte die Rücknahme der Anteilscheine im Mai 2010 für zwei Jahre ausgesetzt und den Anlegern später mitgeteilt, dass die fehlende Liquidität des Fonds die Kündigung nach § 38 Abs. 1 Investmentgesetz und dessen Auflösung zur Folge habe. Bei der Erbschaftsteuerfestsetzung wehrte sich die Klägerin dagegen, dass das Finanzamt die Anteilscheine mit dem Rücknahmewert angesetzt hatte. Dieser sei so die Klägerin infolge der Aussetzung der Rücknahme der Anteilscheine nicht mehr zu realisieren gewesen. Maßgeblicher Wertansatz müsse vielmehr der niedrigere Börsenwert als gemeiner Wert im Sinne des § 9 Abs. 1 Bewertungsgesetz sein.
Die Klage hatte Erfolg. Das Hessische Finanzgericht urteilte, dass die Anteilscheine entgegen der Ansicht des Finanzamtes nicht mit dem Rücknahmepreis nach § 11 Abs. 4 Bewertungsgesetz, sondern mit dem zum Bewertungsstichtag im Rahmen des Freiverkehrs festgestellten niedrigen Börsenkurs zu bewerten seien. Denn im Streitfall sei die Rücknahme der Anteilscheine zum Besteuerungszeitpunkt ausgesetzt gewesen. Die fehlende Möglichkeit, die Anteilscheine zum Rücknahmepreis zu liquidieren, stelle dabei einen den Preis beeinflussenden Umstand im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 2 Bewertungsgesetz dar. Zudem sei die Möglichkeit, die Anteile an der Börse zu veräußern, kein gleichwertiger Ersatz für die gesetzlich geregelte Möglichkeit, die Anteile zu einem vorab festgelegten Rücknahmepreis an die Kapitalanlagegesellschaft zurückzugeben. Es sei demnach im Zuge der Gesetzesauslegung im Streitfall sachgerecht, bei der Erbschaftsteuerfestsetzung eine Bewertung der im Freiverkehr gehandelten Anteilscheine mit ihrem Kurs zum Besteuerungszeitpunkt nach § 11 Abs. 1 Bewertungsgesetz vorzunehmen. Somit sei der zum Besteuerungszeitpunkt unstreitige Börsenkurs der Anteilscheine anzusetzen.
Das Hessische Finanzgericht hat gegen das Urteil vom 17.02.2016 die Revision zugelassen, zumal es von einer Entscheidung des Finanzgerichts Münster (Az. 3 K 1997/14 Erb) zu einem vergleichbaren Sachverhalt abgewichen ist. Das letzte Wort hat nun der Bundesfinanzhof (Az. II R 11/16).
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