BVerfG: Verfassungskonforme Auslegung des Geldwäschetatbestandes bei Honorarannahme durch Strafverteidiger
Bundesverfassungsgericht 3. September 2015, Pressemitteilung Nr. 65/2015
Beschluss vom 28. Juli 2015, 2 BvR 2558/14, 2 BvR 2573/14, 2 BvR 2571/14
Anknüpfend an ein Urteil des Zweiten Senats vom 30.3.2004 (BVerfGE 110 S. 226 = SIS 09 03 28) hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts mit heute veröffentlichtem Beschluss klargestellt, dass auch der Vereitelungs- und Gefährdungstatbestand des § 261 Abs. 1 Satz 1 Strafgesetzbuch (StGB) im Fall der Honorarannahme durch Strafverteidiger verfassungskonform auszulegen ist. Nach dem zu § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB ergangenen Senatsurteil liegt nur dann ein gerechtfertigter Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit vor, wenn der Strafverteidiger im Zeitpunkt der Entgegennahme des Honorars (oder eines Vorschusses) sicher weiß, dass dieses aus einer von § 261 StGB umfassten Vortat herrührt. Die tragenden Erwägungen dieses Urteils gelten auch für den Vereitelungs- und Gefährdungstatbestand des § 261 Abs. 1 Satz 1 StGB, wobei der Bestimmung durch die Fachgerichte vorbehalten bleibt, wie die verfassungskonforme Auslegung im Einzelnen zu verwirklichen ist. Die Verfassungsbeschwerden hat die Kammer jedoch nicht zur Entscheidung angenommen, weil eine Verletzung der Berufsfreiheit nicht hinreichend substantiiert dargelegt worden war und auch die weiteren Grundrechtsrügen keinen Erfolg hatten.
Sachverhalt und Verfahrensgang:
Bei den Beschwerdeführern handelt es sich um zwei Rechtsanwälte sowie ihre Mandantin, Frau K. Ihr Ehemann, Herr K., wurde wegen gewerbsmäßigen Betrugs, Urkundenfälschung und Steuerhinterziehung im Rahmen eines Schneeballsystems zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Jahren und 8 Monaten verurteilt. Gelder aus diesen Straftaten flossen auch auf ein Konto bei einer Privatbank in der Schweiz, über das Frau K. verfügungsbefugt war. Im Dezember 2009 veranlasste Frau K. - in Absprache mit den beiden Rechtsanwälten - eine Überweisung von 50.000 Euro auf das Kanzleikonto, um einen Honorarvorschuss für Strafverteidigung und zivilrechtliche Beratung zu leisten (Fall 1). Im August 2010 wandten sich die beiden Rechtsanwälte mit der Bitte um Auszahlung von 51.170 Euro für eine weitere Honorarrechnung an die Bank; jedoch war das Konto zuvor durch die schweizerische Staatsanwaltschaft in Folge eines Rechtshilfeersuchens aus Deutschland gesperrt worden (Fall 2). Das Amtsgericht und - in der Berufungsinstanz - das Landgericht verhängten gegen die beiden Rechtsanwälte wegen vollendeter (Fall 1) und versuchter (Fall 2) Geldwäsche jeweils eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten zur Bewährung und zudem eine Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 120 Euro, gegen Frau K. wegen Geldwäsche eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 20 Euro (nur Fall 1). Der Verurteilung lag die Überzeugung zugrunde, die Rechtsanwälte und Frau K. hätten in Bezug auf die Herkunft des Geldes aus Straftaten des Herrn K. jeweils zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt. Das Oberlandesgericht hob das landgerichtliche Urteil gegen die Rechtsanwälte zwar im Rechtsfolgenausspruch auf, verwarf jedoch ihre Revision im Übrigen sowie die Revision von Frau K. vollumfänglich.
Wesentliche Erwägungen der Kammer:
1. Der besondere Freiheitsraum, den das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) sichern will, kann nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch durch Vorschriften ohne primär berufsregelnde Zielrichtung dann berührt sein, wenn ihre tatsächlichen Auswirkungen zu einer Beeinträchtigung der freien Berufsausübung führen. Speziell zur Strafvorschrift der Geldwäsche in der Variante des Verschaffungstatbestandes nach § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB hat das Bundesverfassungsgericht entschieden (BVerfGE 110, 226), dass die Strafandrohung zur Erreichung des ihr gesetzten Zwecks im Grundsatz geeignet und erforderlich ist, deren uneingeschränkte Anwendung für den Adressatenkreis der Strafverteidiger jedoch gegen das Übermaßverbot verstoßen würde. Der mit der Strafvorschrift verbundene Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Strafverteidiger und in die Institution der Wahlverteidigung sind verfassungsrechtlich nur gerechtfertigt, wenn der Strafverteidiger im Zeitpunkt der Entgegennahme des Honorars (oder des Vorschusses) sicher weiß, dass dieses aus einer Katalogtat herrührt, weil er dann aus seiner Rolle als Organ der Rechtspflege heraustritt. § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB kann einschränkend ausgelegt werden und steht in dieser Auslegung mit der Verfassung in Einklang.
2. Von Verfassungs wegen ist eine einschränkende Auslegung nicht nur des § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB, sondern auch des vorliegend angewandten Vereitelungs- und Gefährdungstatbestandes aus § 261 Abs. 1 Satz 1 StGB geboten, die den Besonderheiten bei der Honorierung von Strafverteidigern Rechnung trägt.
a) Für den - hier nicht einschlägigen - Verschleierungstatbestand des § 261 Abs. 1 Satz 1 StGB geht die überwiegende Auffassung davon aus, dass angesichts der im Gesetzeswortlaut verwendeten „finalen Tätigkeitsworte“ eine „manipulative Tendenz“ des Täters erforderlich sei. Bei einem solchen Tatbestandsverständnis besteht von Verfassungs wegen kein Bedürfnis, zum Schutze des redlichen Strafverteidigers weitere Einschränkungen vorzusehen. Beim Vereitelungs- und Gefährdungstatbestand des § 261 Abs. 1 Satz 1 StGB hingegen werden die objektive Gefährdung oder Vereitelung einerseits und die Tatbegehung mit bedingtem Vorsatz andererseits überwiegend für ausreichend erachtet, ohne dass ein heimliches Verhalten, eine „Finalität“ oder eine „manipulative Tendenz“ als notwendig angesehen werden. Dieses Verständnis liegt auch den angegriffenen Entscheidungen zugrunde.
b) Ein solches Verständnis des § 261 Abs. 1 Satz 1 StGB, das im Falle der Honorierung eines Strafverteidigers keinerlei Restriktionen im subjektiven Tatbestand vorsieht, ließe jedoch eine Gefährdung der tragenden Erwägungen der in BVerfGE 110, 226 veröffentlichten Senatsentscheidung besorgen, die verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar ist. Dass der Geldfluss an den Strafverteidiger objektiv-tatbestandlich als Angriff auf eine Sicherstellung gewertet wird, ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Da jedoch der Verfall von Vermögen aus einer rechtswidrigen Tat grundsätzlich zwingend und die vorbereitende Sicherstellung die Regel ist, wäre in Fällen, in denen eine Strafbarkeit nach § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB aus den Gründen dieser Entscheidung ausscheidet, eine Strafbarkeit zumindest wegen Gefährdung des Verfalls oder der Sicherstellung von bemakeltem Vermögen gemäß § 261 Abs. 1 Satz 1 StGB eröffnet. Die in der Senatsentscheidung für erforderlich erachteten Restriktionen in Bezug auf die Kenntnis des Strafverteidigers von der deliktischen Mittelherkunft liefen - ohne dass dies sachlich gerechtfertigt wäre - weitgehend leer, wenn im Hinblick auf diese Tatbestandsvariante einschränkungslos bedingter Vorsatz bezüglich der Herkunft des Vermögens oder gar Leichtfertigkeit genügten. Soweit demnach eine verfassungskonforme Auslegung geboten ist, macht das Bundesverfassungsgericht allerdings keine Vorgaben, welcher von mehreren Auffassungen, die zur Erzielung eines mit dem Grundgesetz in Einklang stehenden Verständnisses denkbar sind, einfachrechtlich der Vorzug zu geben ist; dies obliegt den Fachgerichten.
3. Die Rügen einer Verletzung des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG bleiben jedoch deshalb ohne Erfolg, weil sie den verfassungsprozessualen Darlegungsanforderungen nicht gerecht werden. Weder legen die Verfassungsbeschwerden den Sachverhalt schlüssig dar noch erfolgt eine zureichende Auseinandersetzung mit den angegriffenen Entscheidungen.
4. Soweit die Fachgerichte den Zugriff auf Auslandsvermögen als „Vereitelung der Sicherstellung“ gewertet haben, ist ein Verstoß gegen das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG nicht festzustellen.
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