BFH: Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags
- Der Solidaritätszuschlag war in den Jahren 2020 und 2021 noch nicht verfassungswidrig.
- Das SolZG 1995 i.d.F. durch Art. 4 des 2. FamEntlastG vom 01.12.2020 (BGBl I 2020, 2616) verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 oder Art. 14 GG.
SolZG 1995 §§ 1 ff.
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 106 Abs. 1 Nr. 6
BFH-Urteil vom 17.1.2023, IX R 15/20 (veröffentlicht am 30.1.2023)
Vorinstanz: FG Nürnberg vom 29.7.2020, 3 K 1098/19 = SIS 20 14 02
I. Streitig ist, ob die Erhebung des Solidaritätszuschlags nach dem Solidaritätszuschlaggesetz 1995 (SolZG 1995) durch Art. 31 des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vom 23.06.1993 (BGBl I 1993, 944, 975) i.d.F. der Bekanntmachung der Neufassung des Solidaritätszuschlaggesetzes vom 15.10.2002 (BGBl I 2002, 4130), geändert durch Art. 4 des Zweiten Familienentlastungsgesetzes ‑‑2. FamEntlastG‑‑ vom 01.12.2020 (BGBl I 2020, 2616), in 2020 und 2021 gegen Verfassungsrecht verstößt.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte u.a. Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Mit Bescheid vom 18.02.2019 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) u.a. die Vorauszahlungen auf den Solidaritätszuschlag ab 2020 in Höhe von vierteljährlich 453 € fest.
Mit Schreiben vom 09.05.2019 beantragten die Kläger die Herabsetzung der Vorauszahlungen auf den Solidaritätszuschlag ab 2020 auf 0 €. Zur Begründung beriefen sie sich auf das Auslaufen der Aufbauhilfen für die neuen Bundesländer im Jahr 2019. Da die Ergänzungsabgabe nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 des Grundgesetzes (GG) nur zur Abdeckung von Bedarfsspitzen erhoben werden dürfe, verbiete dieser Ausnahmecharakter eine fortdauernde Erhebung. Diesen Antrag lehnte das FA mit Bescheid vom 28.05.2019 ab. Den gegen die Ablehnung gerichteten Einspruch wies das FA unter Hinweis auf seine Bindung an die Steuergesetze, von deren Verfassungsmäßigkeit es auszugehen habe, zurück.
Am 08.11.2019 erließ das FA einen geänderten Vorauszahlungsbescheid, mit dem die Vorauszahlungen auf den Solidaritätszuschlag ab 2020 auf vierteljährlich 340 € herabgesetzt wurden.
Die auf Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 28.05.2019 und der Einspruchsentscheidung vom 26.07.2019 sowie Herabsetzung der Vorauszahlungen auf den Solidaritätszuschlag ab 2020 auf 0 € gerichtete Klage hatte nur teilweise Erfolg. Mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2020, 1771 veröffentlichten Urteil vom 29.07.2020 änderte das Finanzgericht (FG) den Vorauszahlungsbescheid vom 08.11.2019 dahingehend, dass die Vorauszahlungen auf den Solidaritätszuschlag ab 01.01.2021 ‑‑in Übereinstimmung mit den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Bestimmungen‑‑ auf vierteljährlich 19 € herabgesetzt wurden. Im Übrigen wies es die Klage unter Hinweis auf seine fehlende Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des SolZG 1995 für Veranlagungszeiträume ab 2020 ab. Beim Solidaritätszuschlag handele es sich um eine Ergänzungsabgabe i.S. des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG, deren Erhebung bis 2019 unstreitig nicht verfassungswidrig gewesen sei. Dies gelte indes auch für 2020 und die Jahre ab 2021. Insbesondere habe der Solidaritätszuschlag nicht mit Auslaufen des sog. Solidarpakts II (und der Neuregelung des Länderfinanzausgleichs) "automatisch" seine Rechtfertigung verloren. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG oder Art. 14 GG liege ebenso wenig vor.
Dagegen richtet sich die Revision, mit der die Kläger eine Verletzung von Verfassungsrecht rügen. Sie sind der Auffassung, dass das SolZG 1995 seit dem Jahr 2020 keine Ermächtigungsgrundlage mehr in Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG finde, so dass die Erhebung des verfassungsgemäß eingeführten Solidaritätszuschlags nunmehr gegen das GG verstoße. Die Erhebung des Solidaritätszuschlags verletze sie zudem in ihren Grundrechten (Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 GG).
Am 11.03.2022 und 03.05.2022 hat das FA Bescheide für 2020 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und über die gesonderten Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen, die im Zusammenhang mit der Einkommensteuerfestsetzung durchzuführen sind, erlassen. Danach ist der Solidaritätszuschlag für 2020 auf 2.078,61 € festgesetzt worden.
Mit Bescheid vom 18.09.2020 hat das FA die Vorauszahlungen auf den Solidaritätszuschlag ab dem 01.01.2021 in Übereinstimmung mit dem FG-Urteil auf vierteljährlich 19 € festgesetzt. Mit Bescheid vom 02.12.2021 hat das FA die Vorauszahlungen auf den Solidaritätszuschlag ab dem 01.01.2021 für 2021 auf insgesamt 57 € festgesetzt.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des FG Nürnberg vom 29.07.2020 ‑ 3 K 1098/19, den Bescheid für 2020 über Solidaritätszuschlag vom 11.03.2022 bzw. 03.05.2022 und den Vorauszahlungsbescheid über Solidaritätszuschlag ab dem 01.01.2021 vom 02.12.2021 aufzuheben.
Die Kläger regen an, das Verfahren auszusetzen und nach Art. 100 Abs. 1 GG eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) darüber einzuholen, ob
(1) das SolZG 1995 i.d.F. der Bekanntmachung vom 15.10.2002 (BGBl I 2002, 4130) mit seinen zwischenzeitlichen Änderungen ab dem Veranlagungszeitraum 2020 wegen Verlusts seiner steuertypologischen Eigenschaft als "Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer" verfassungswidrig geworden ist und damit die mit dem Solidaritätszuschlag belasteten Steuerpflichtigen in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG verletzt und
(2) überdies das Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 vom 10.12.2019 (BGBl I 2019, 2115) die von ihm im Veranlagungszeitraum 2021 durch Erhebung eines Solidaritätszuschlags belasteten Steuerpflichtigen in ihren Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1 GG (i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG) verletzt.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Zwar sei der Solidaritätszuschlag zur Vollendung der Finanzierung der deutschen Einheit eingeführt worden. Eine rechtliche Verknüpfung zwischen dem Solidarpakt I und II und dem SolZG 1995 bestehe gleichwohl ‑‑in Übereinstimmung mit der Auffassung der Vorinstanz‑‑ nicht. Daher dürfe er verfassungsrechtlich fortgeführt werden.
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) war dem Revisionsverfahren zunächst beigetreten. Mit Schreiben vom 11.01.2023 hat das BMF den Beitritt zurückgenommen.
II. Das angefochtene Urteil ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben; einer Zurückverweisung an das FG bedarf es nicht (dazu unter 1.). In der Sache hat die Revision jedoch keinen Erfolg und führt zur Klageabweisung. Denn die Vorinstanz ist zu Recht davon ausgegangen, dass die angefochtenen Bescheide über Solidaritätszuschlag für 2020 und Vorauszahlungen auf den Solidaritätszuschlag für 2021 einfachgesetzlich nicht zu beanstanden sind (dazu unter 2.). Eine Vorlage an das BVerfG ist nicht geboten, da der erkennende Senat nicht von der Verfassungswidrigkeit des SolZG 1995 überzeugt ist (dazu unter 3.).
1. Da der angefochtene Vorauszahlungsbescheid während des Revisionsverfahrens geändert worden ist, ist das angefochtene Urteil aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG bedarf es nicht.
a) Der Bescheid für 2020 über Solidaritätszuschlag vom 11.03.2022, geändert durch den Bescheid vom 03.05.2022, und der geänderte Vorauszahlungsbescheid vom 02.12.2021 sind Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden (§ 68 i.V.m. §§ 121 Satz 1, 127 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
aa) Zwar richtete sich das Begehren der Kläger im Verfahren vor dem FG auf Abänderung des ‑‑(formell) bestandskräftig gewordenen‑‑ Vorauszahlungsbescheids vom 18.02.2019, der durch den Bescheid vom 08.11.2019 ersetzt worden ist. Damit lag der Klage ursprünglich ein Verpflichtungsbegehren (§ 101 Satz 1 FGO) zugrunde. Da das FA die Änderung jedoch aus materiellen Gründen ‑‑nach Sachprüfung‑‑ und nicht allein mit verfahrensrechtlichen Erwägungen abgelehnt hat, ist die Klage nunmehr als Anfechtungsklage (Abänderungsklage) i.S. von § 100 Abs. 2 FGO zu verstehen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 20.12.2000 ‑ III R 17/97, BFH/NV 2001, 914, unter II.2.; vom 22.09.2011 ‑ IV R 8/09, BFHE 235, 287, BStBl II 2012, 183, Rz 18; Krumm in Tipke/Kruse, § 40 FGO Rz 11; Braun in Hübschmann/Hepp/Spitaler ‑‑HHSp‑‑, § 40 FGO Rz 95 ff.; von Beckerath in Gosch, FGO § 40 Rz 79 ff.; Gräber/Teller, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 40 Rz 17 f., unter Hinweis auf § 110 FGO und die Erstreckung der Rechtskraftwirkung auf den Ablehnungsgrund).
In gleicher Weise ist der Bescheid für 2020 über Solidaritätszuschlag vom 11.03.2022, geändert durch Bescheid vom 03.05.2022, im Hinblick auf die Vorauszahlungen für 2020 an die Stelle des angefochtenen Vorauszahlungsbescheids getreten. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ersetzt der Jahressteuerbescheid den Vorauszahlungsbescheid i.S. des § 68 FGO, da die Vorschrift nicht etwa die Nämlichkeit des Streitgegenstands erfordert, sondern lediglich voraussetzt, dass der ursprüngliche Verwaltungsakt durch Erlass des neuen Verwaltungsakts seine Wirkung verliert und dass sowohl Beteiligter als auch Besteuerungsgegenstand hinsichtlich beider Verwaltungsakte identisch sind (vgl. nur BFH-Urteil vom 19.12.2019 ‑ III R 39/17, BFHE 267, 415, BStBl II 2020, 397, Rz 25, m.w.N.; Schallmoser in HHSp, § 68 FGO Rz 56). Dies ist auch im Hinblick auf den Vorauszahlungs- sowie den Jahressteuerbescheid über Solidaritätszuschlag der Fall.
bb) Auch der während des Revisionsverfahrens erlassene Vorauszahlungsbescheid ab 2021 vom 02.12.2021 ist nach § 68 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO Gegenstand des Verfahrens geworden. Wenngleich die Betragsberechnung nach § 100 Abs. 2 Satz 2, Satz 3 1. Halbsatz FGO (mangels Regelungswirkung) nicht § 68 FGO unterfällt, tritt der vor Rechtskraft erlassene Betragsberechnungsbescheid i.S. des § 100 Abs. 2 Satz 3 2. Halbsatz FGO nach § 68 Satz 1 FGO an die Stelle des angefochtenen Bescheids (vgl. FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.04.2014 ‑ 4 K 4222/10, EFG 2014, 1419 = SIS 14 17 51; Gräber/Ratschow, a.a.O., § 127 Rz 1; Gräber/Herbert, a.a.O., § 68 Rz 43 und 50; Nothnagel, juris PraxisReport Steuerrecht 23/2014, Anm. 5). Im Streitfall liegt ein derartiger "verfrühter" Betragsberechnungsbescheid vor, da das FG dem FA die Berechnung des Steuerbetrages nicht aufgegeben hat.
b) Vor diesem Hintergrund ist das angefochtene Urteil aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, weil sich der Verfahrensgegenstand, über dessen Rechtmäßigkeit das FG zu entscheiden hatte, geändert hat. Das vorinstanzliche Urteil ist damit gegenstandslos geworden (§ 127 FGO). Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen sind hierdurch jedoch nicht weggefallen. Einer Zurückverweisung der Sache an das FG bedarf es nicht, da der Streitstoff unverändert geblieben und die Sache aufgrund der fortwirkenden Feststellungen des FG spruchreif ist. Der Senat entscheidet daher nach Maßgabe der Feststellungen des FG in der Sache selbst (§ 121 i.V.m. § 100 FGO, vgl. nur Senatsurteil vom 04.02.2020 ‑ IX R 7/18, BFH/NV 2020, 864, Rz 22, m.w.N.; Gräber/Ratschow, a.a.O., § 127 Rz 3).
2. Der angefochtene Steuerbescheid für 2020 und der Vorauszahlungsbescheid für 2021 über Solidaritätszuschlag sind einfachgesetzlich nicht zu beanstanden. Die Klage war daher abzuweisen.
a) Nach § 1 Abs. 1 SolZG 1995 wird ein Solidaritätszuschlag als Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer erhoben. Auf die Festsetzung und Erhebung des Solidaritätszuschlags sind die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit Ausnahme des § 36a EStG und des Körperschaftsteuergesetzes entsprechend anzuwenden (§ 1 Abs. 2 Satz 1 SolZG 1995). Die Vorauszahlungen auf den Solidaritätszuschlag sind gleichzeitig mit den festgesetzten Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer oder die Körperschaftsteuer zu entrichten; § 37 Abs. 5 EStG ist nicht anzuwenden (§ 1 Abs. 4 Satz 1 SolZG 1995).
aa) Abgabepflichtig sind u.a. natürliche Personen, die nach § 1 EStG einkommensteuerpflichtig sind (§ 2 Nr. 1 SolZG 1995).
bb) Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 SolZG 1995 bemisst sich der Solidaritätszuschlag vorbehaltlich der Abs. 2 bis 5, soweit eine Veranlagung zur Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer vorzunehmen ist, nach der nach Abs. 2 berechneten Einkommensteuer oder der festgesetzten Körperschaftsteuer, vermindert um die anzurechnende oder vergütete Körperschaftsteuer, wenn ein positiver Betrag verbleibt. Soweit Vorauszahlungen zur Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer zu leisten sind, bemisst sich der Solidaritätszuschlag nach den Vorauszahlungen auf die Steuer (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 SolZG 1995). Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer ist Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag die Einkommensteuer, die abweichend von § 2 Abs. 6 EStG unter Berücksichtigung von Freibeträgen nach § 32 Abs. 6 EStG in allen Fällen des § 32 EStG festzusetzen wäre (§ 3 Abs. 2 SolZG 1995).
Nach § 3 Abs. 3 SolZG 1995 ist der Solidaritätszuschlag von einkommensteuerpflichtigen Personen nur zu erheben, wenn die Bemessungsgrundlage nach Abs. 1 Nrn. 1 und 2, vermindert um die Einkommensteuer nach § 32d Abs. 3 und 4 EStG, in den Fällen des § 32a Abs. 5 und 6 EStG 1.944 € (für das Jahr 2020) bzw. 33.912 € (für das Jahr 2021) ‑‑Nr. 1‑‑ und in anderen Fällen 972 € (für das Jahr 2020) bzw. 16.956 € (für das Jahr 2021) ‑‑Nr. 2‑‑ übersteigt. Auf die Einkommensteuer nach § 32d Abs. 3 und 4 EStG ist der Solidaritätszuschlag ungeachtet des Satzes 1 zu erheben (§ 3 Abs. 3 Satz 2 SolZG 1995).
cc) Der Solidaritätszuschlag beträgt 5,5 % der Bemessungsgrundlage (§ 4 Satz 1 SolZG 1995). Er beträgt nicht mehr als 20 % (ab Veranlagungszeitraum 2021: 11,9 %) des Unterschiedsbetrages zwischen der Bemessungsgrundlage, vermindert um die Einkommensteuer nach § 32d Abs. 3 und 4 EStG, und der nach § 3 Abs. 3 bis 5 SolZG 1995 (ab Veranlagungszeitraum 2021: § 3 Abs. 3, 4 und 5 SolZG 1995) jeweils maßgebenden Freigrenze (§ 4 Satz 2 SolZG 1995). Bruchteile eines Cents bleiben außer Ansatz (§ 4 Satz 3 SolZG 1995). Der Solidaritätszuschlag auf die Einkommensteuer nach § 32d Abs. 3 und 4 EStG (ab Veranlagungszeitraum 2021: und auf die Lohnsteuer nach § 39b Abs. 3 EStG) beträgt ungeachtet des Satzes 2 5,5 % (§ 4 Satz 4 SolZG 1995).
b) Auf dieser Grundlage hat das FA zu Recht zunächst einen Vorauszahlungsbescheid auf den Solidaritätszuschlag ab 2020 erlassen. Die Kläger sind abgabepflichtig. Bemessungsgrundlage und Zuschlagsatz sind nicht zu beanstanden. Der Bescheid stellt sich ‑‑nach Maßgabe des einfachen Rechts‑‑ als rechtmäßig dar. Dies steht zwischen den Beteiligten zu Recht nicht in Streit.
c) Soweit das FG die Vorauszahlungen auf den Solidaritätszuschlag für 2021 auf insgesamt 57 € herabgesetzt hat, bestehen ebenfalls keine rechtlichen Bedenken. Auch dies entspricht den Vorgaben des SolZG 1995 und ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.
3. Der erkennende Senat ist nicht von der Verfassungswidrigkeit des SolZG 1995 überzeugt. Eine Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG kommt daher nicht in Betracht.
a) Der Senat ist nicht zu der für eine Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG erforderlichen Überzeugung (dazu BVerfG-Beschluss vom 17.07.2019 ‑ 2 BvL 10/19, juris, Rz 16) gelangt, dass der Solidaritätszuschlag in den Streitjahren 2020 und 2021 als nicht mehr verfassungsrechtlich zulässige Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer i.S. von Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG anzusehen ist.
aa) Die Vorschriften des SolZG 1995 verstoßen nicht gegen das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG, nur aufgrund solcher Vorschriften mit einem Nachteil belastet zu werden, die formell und materiell verfassungsgemäß sind (vgl. BVerfG-Beschluss vom 15.12.1970 ‑ 1 BvR 559, 571, 586/70, BVerfGE 29, 402, BStBl II 1971, 39). Das SolZG 1995 ist sowohl in formeller Hinsicht als auch in materieller Hinsicht verfassungsgemäß zustande gekommen. Der Senat schließt sich insofern dem BFH-Urteil vom 21.07.2011 ‑ II R 52/10 (BFHE 234, 250, BStBl II 2012, 43, Rz 10 ff.) an.
aaa) Die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für das SolZG 1995 folgt aus Art. 105 Abs. 2 Satz 2 GG. Da dem Bund das Aufkommen der Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG als übrige Steuer ("Steuer vom Einkommen", vgl. BVerfG-Beschluss vom 09.02.1972 ‑ 1 BvL 16/69, BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408, unter C.I.1.) zusteht, hat er hierfür auch die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit (BFH-Urteil in BFHE 234, 250, BStBl II 2012, 43, Rz 10 und 11, m.w.N.).
bbb) Mit der Einführung des SolZG 1995 hat der Bund seine Gesetzgebungszuständigkeit nicht überschritten.
Zwar unterliegt die Einführung einer Ergänzungsabgabe gewissen Einschränkungen. So darf der Bund unter der Bezeichnung "Ergänzungsabgabe" keine Steuer einführen, die den erkennbaren Vorstellungen des Verfassungsgebers zur Ergänzungsabgabe widerspricht. Insbesondere darf durch die Ergänzungsabgabe das finanzielle Ausgleichssystem nicht zu Lasten der Länder verändert werden. Der Bund ist deshalb nicht berechtigt, eine Ergänzungsabgabe einzuführen, die wegen ihrer Ausgestaltung, vor allem wegen ihrer Höhe, die Bund und Ländern gemeinschaftlich zustehende Einkommensteuer und Körperschaftsteuer (Art. 106 Abs. 3 Sätze 1 und 2 GG) aushöhlen würde (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408, unter C.I.2.). Dies ist jedoch nicht der Fall. Der Solidaritätszuschlag entspricht ‑‑jedenfalls vor dem Veranlagungszeitraum 2020‑‑ den Anforderungen, die verfassungsrechtlich an eine Ergänzungsabgabe zu stellen sind.
(1) Durch die Erhebung des Solidaritätszuschlags mit einem Zuschlagsatz von 5,5 % wird die Finanzordnung des GG nicht in verfassungswidriger Weise beeinträchtigt; die "Aushöhlungsschwelle" ist nicht überschritten (BFH-Urteil in BFHE 234, 250, BStBl II 2012, 43, Rz 14 ff., m.w.N.).
(2) Ferner ist es verfassungsrechtlich nicht geboten, eine Ergänzungsabgabe von vornherein zu befristen oder sie nur für einen kurzen Zeitraum zu erheben (BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408; vom 19.11.1999 ‑ 2 BvR 1167/96, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ‑‑HFR‑‑ 2000, 134, unter III.1.b aa; vom 08.09.2010 ‑ 2 BvL 3/10, BFH/NV 2010, 2217, Rz 3, 14). Die Ergänzungsabgabe hat die Funktion, einen zusätzlichen Finanzbedarf des Bundes ohne Erhöhung der Verbrauchsteuern zu decken. Der ab 1995 eingeführte Solidaritätszuschlag sollte der Abdeckung der im Zusammenhang mit der deutschen Vereinigung entstandenen finanziellen Belastungen dienen (BTDrucks 12/4401, S. 4 f.). Diese Angabe und die Auflistung der ab 1995 zu lösenden finanziellen Probleme mit einem Volumen in Höhe von insgesamt 110 Mrd. DM reichten aus, um darzustellen, dass auch ein ausschließlicher Mehrbedarf des Bundes zur Finanzierung der Lasten vorhanden war (BFH-Urteil in BFHE 234, 250, BStBl II 2012, 43, Rz 17 ff., m.w.N.).
(3) Unerheblich ist zudem, ob die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag zweckgebunden für den "Aufbau Ost" verwendet wurden. Die Entscheidung darüber, welche Aufgaben wann in Angriff genommen werden und wie sie finanziert werden sollen, gehört zur Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, die sich grundsätzlich einer gerichtlichen Nachprüfung entzieht (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408; BFH-Urteil in BFHE 234, 250, BStBl II 2012, 43, Rz 21).
(4) Schließlich liegt kein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 2 und 3 GG) in Gestalt nicht hinreichender inhaltlicher Bestimmtheit vor. Der Begriff "Solidaritätszuschlag" ist insbesondere nicht irreführend (BFH-Urteil in BFHE 234, 250, BStBl II 2012, 43, Rz 22; Hilgers/Holly, Der Betrieb ‑‑DB‑‑ 2010, 1419, 1421).
bb) Der Gesetzgeber war verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, das SolZG 1995 wegen der fehlenden zeitlichen Befristung mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2020 aufzuheben. Das SolZG 1995 ist ‑‑jedenfalls im Streitzeitraum‑‑ auch nicht durch bloßen Zeitablauf oder veränderte tatsächliche Umstände verfassungswidrig geworden.
aaa) Der Solidaritätszuschlag kann als Ergänzungsabgabe für eine längere Zeit erhoben werden (vgl. BVerfG-Beschluss in BFH/NV 2010, 2217, beginnend Rz 15). Schon bei den Beratungen zum Finanzverfassungsgesetz ist bedacht worden, dass sich aus der Verteilung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern auch für längere Zeit ein Mehrbedarf des Bundes ergeben kann (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408, unter C.I.3.c). Selbst während der Geltung einer eingeführten Ergänzungsabgabe können sich für den Bund neue Aufgaben ergeben, für deren Erfüllung die bei der allgemeinen Verteilung des Steueraufkommens zur Verfügung stehenden Einnahmen nicht ausreichen, so dass die erneute Einführung der Ergänzungsabgabe und damit auch die Fortführung einer bereits bestehenden gerechtfertigt wäre (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408; BFH-Beschluss vom 28.06.2006 ‑ VII B 324/05, BFHE 213, 573, BStBl II 2006, 692). Ob sich ein verfassungsrechtlicher Zwang zur Aufhebung einer Ergänzungsabgabe ergeben würde, wenn die Voraussetzungen für die Erhebung dieser Abgabe evident entfielen, etwa weil die dem Bund im vertikalen Finanzausgleich zufallenden Steuern, möglicherweise nach einer grundsätzlichen Steuer- und Finanzverfassungsreform, zur Erfüllung seiner Aufgaben für die Dauer offensichtlich ausreichen, ist bisher nicht entschieden worden (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408; BFH-Urteil in BFHE 234, 250, BStBl II 2012, 43, Rz 24).
Eine zeitliche Begrenzung einer nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG im Grundsatz unbefristet erhobenen Ergänzungsabgabe kann sich allerdings daraus ergeben, dass die Ergänzungsabgabe den Zweck hat, einen vorübergehenden, aufgabenbezogenen Mehrbedarf des Bundes zu finanzieren; sie darf damit kein dauerhaftes Instrument der Steuerumverteilung sein (vgl. Hidien/Tehler, Steuerberater Woche ‑‑StBW‑‑ 2010, 458; Birk, Finanz-Rundschau 2010, 1002, 1003). Ein dauerhafter Finanzbedarf ist regelmäßig über die auf Dauer angelegten Steuern und nicht über eine Ergänzungsabgabe zu decken. Deshalb kann eine verfassungsgemäß beschlossene Ergänzungsabgabe dann verfassungswidrig werden, wenn sich die Verhältnisse, die für ihre Einführung maßgebend waren, grundlegend ändern, z.B. weil der mit der Erhebung verfolgte Zweck erreicht ist und die Ergänzungsabgabe nicht wegen eines anderen Zwecks fortgeführt werden soll oder weil insoweit eine dauerhafte Finanzierungslücke entstanden ist (vgl. Hidien/Tehler, StBW 2010, 458, unter II.5.c). Die Verfassungsmäßigkeit der Ergänzungsabgabe wird in diesen Fällen aber erst zweifelhaft, wenn die Änderung der Verhältnisse eindeutig und offensichtlich feststeht (BFH-Urteil in BFHE 234, 250, BStBl II 2012, 43, Rz 25).
bbb) Danach hat es der BFH für die Veranlagungszeiträume 2005 und 2007 verfassungsrechtlich nicht als geboten erachtet, den Solidaritätszuschlag als Ergänzungsabgabe zur Deckung von Bedarfsspitzen im Bundeshaushalt ‑‑trotz fortdauernder Erhebung über einen Zeitraum von 13 Jahren (1995 bis 2007)‑‑ nicht mehr zu erheben. Dabei hat er maßgebend auf den wiedervereinigungsbedingt fortbestehenden Finanzbedarf des Bundes hingewiesen, der sich in den (geplanten) Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen an die "neuen Bundesländer" in Höhe von 105 Mrd. € und den zugesagten überproportionalen Leistungen in Form von besonders aufbauwirksamen Programmen und Maßnahmen in Höhe von 51,1 Mrd. € (Solidarpakt II) ‑‑beides für den Zeitraum bis 2019‑‑ manifestiert hatte. Hingegen hat der BFH keine Anhaltspunkte für das Bestehen eines dauernden, nicht mehr durch eine Ergänzungsabgabe abdeckbaren (vorübergehenden) Finanzbedarfs gesehen (BFH-Urteile in BFHE 234, 250, BStBl II 2012, 43, Rz 26, betreffend Körperschaftsteuer 2007; vom 21.07.2011 ‑ II R 50/09, BFH/NV 2011, 1685, betreffend Einkommensteuer 2005).
Dies korrespondiert mit den überwiegenden Auffassungen im Schrifttum (vgl. nur Kube, Deutsches Steuerrecht ‑‑DStR‑‑ 2017, 1792, 1793; Wernsmann, Zeitschrift für Gesetzgebung ‑‑ZG‑‑ 2020, 181; a.A. Frank, Verfassungsmäßigkeit und Zukunft des Solidaritätszuschlags, 2019, S. 61, 90: Höchsterhebungsdauer von fünf Jahren ‑ in Anlehnung an die mehrjährige Finanzplanung des Bundes i.S. des § 9 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft, d.h. die Erhebung des Solidaritätszuschlags wäre seit Ablauf des Veranlagungszeitraums 1999 verfassungswidrig).
ccc) Diese Grundsätze hat der BFH später auf das Streitjahr 2011 übertragen (BFH-Urteile vom 14.11.2018 ‑ II R 63/15, BFHE 266, 133, BStBl II 2021, 184, betreffend Einkommensteuer 2011, und II R 64/15, BFHE 263, 35, BStBl II 2019, 289, betreffend Einkommensteuer 2011). Die für die Streitjahre bis 2007 angestellten Erwägungen hatten für das Streitjahr 2011 ihre Gültigkeit behalten.
ddd) Für die Streitjahre 2020 und 2021 gilt ‑‑wenngleich weitere neun bzw. zehn Jahre verstrichen sind‑‑ im Ergebnis nichts anderes.
(1) Ob die besondere Rechtfertigung für die Erhebung der Ergänzungsabgabe für Veranlagungszeiträume ab 2020 entfallen ist, wird nicht einheitlich beantwortet. Die überwiegende Auffassung im Schrifttum bejaht dies (Papier in Festschrift Lehner, 2019, S. 511; derselbe, Zeitschrift für Rechtspolitik ‑‑ZRP‑‑ 2018, 186; Wernsmann, ZG 2020, 181; Wissenschaftlicher Beirat Steuern der Ernst & Young GmbH, DStR 2014, 1309; Hoch, DStR 2018, 2410; G. Kirchhof, DB 2021, 1039; Kube, Steuer und Wirtschaft ‑‑StuW‑‑ 2022, 3, 4; Drüen in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hg.), BK, Art. 106 Rz 178 [213. Aktualisierung September 2021]; wohl auch Selmer/Hummel in Junkernheinrich/Korioth/Lenk/Scheller/Woisin, Jahrbuch für öffentliche Finanzen 2013, S. 365). Nach der Gegenauffassung ist die Rechtfertigung zur Erhebung des Solidaritätszuschlags nicht entfallen (Tappe, ZRP 2018, 186; derselbe, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht ‑‑NVwZ‑‑ 2020, 517, 519; derselbe, StuW 2022, 6, 8; derselbe, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung durch den Finanzausschuss des Deutschen Bundestags am 04.11.2019, Kurzprotokoll der 57. Sitzung, Protokoll-Nr. 19/57, Anlage 9, S. 2 [= S. 167 von 183 des Protokolls]; Deutscher Finanzgerichtstag e.V., Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung durch den Finanzausschuss des Deutschen Bundestags am 04.11.2019, Kurzprotokoll der 57. Sitzung, Protokoll-Nr. 19/57, Anlage 2, S. 4 [= S. 111 von 183 des Protokolls]; Hechtner, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung durch den Finanzausschuss des Deutschen Bundestags am 04.11.2019, Kurzprotokoll der 57. Sitzung, Protokoll-Nr. 19/57, Anlage 7, S. 5 [= S. 146 von 183 des Protokolls]). Nach einer vermittelnden Auffassung stellt sich die Fortführung des Solidaritätszuschlags zwar als nicht mehr folgerichtig, dessen Abschmelzung aber als verfassungsrechtlich tragbar dar (Kube, DStR 2017, 1792).
(2) Der erkennende Senat ist nicht davon überzeugt, dass die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Erhebung der Ergänzungsabgabe im Streitzeitraum entfallen sind.
(a) Der ‑‑als fiskalische Begrenzung fungierende (vgl. auch Hidien in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hg.), BK, Art. 106 Rz 1431 [103. Aktualisierung Dezember 2002])‑‑ von der Normallage abweichende Finanzbedarf des Bundes (d.h. die fiskalische Ausnahmelage, vgl. nur Woitok, StuW 2021, 17, 23; Wernsmann, ZG 2020, 181, 185; Bartone in Festschrift Rudolf Wendt, 2015, S. 739, 744) ist derzeit auch noch gegeben. Denn der wiedervereinigungsbedingte Finanzbedarf des Bundes besteht auch in den Jahren 2020 und 2021 fort. In diesem Zusammenhang hat die Vorinstanz zu Recht auf die Ausführungen des Gesetzgebers zur Begründung der Fortführung des (abgeschmolzenen) Solidaritätszuschlags Ende 2019 hingewiesen. Nach der Begründung des Entwurfs der Bundesregierung zum Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 hat der Bund "weiterhin einen wiedervereinigungsbedingten zusätzlichen Finanzierungsbedarf, etwa im Bereich der Rentenversicherung, beim Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz, für den Arbeitsmarkt sowie für andere überproportionale Leistungen aus dem Bundeshaushalt für die ostdeutschen Bundesländer (bisheriger Korb II des Solidarpakts II). Die Mittel, die bisher zur Überwindung der Folgen der deutschen Teilung aufgewendet worden sind, übersteigen das durch den Solidaritätszuschlag erzielte Aufkommen. Das Aufkommen des Solidaritätszuschlags von 1995 bis 2016 betrug etwa 275 Mrd. Euro. Hingegen beliefen sich allein die Ausgaben des Bundes aus den Solidarpakten I und II bis 2016, dem Bundesanteil für den 'Fonds Deutsche Einheit' und das vom Bund übernommene Defizit der Treuhandanstalt auf insgesamt 383 Mrd. Euro. Die (damalige) Bundesregierung ging davon aus, dass auch der fortgeführte Teil der Ergänzungsabgabe die fortbestehenden Lasten nicht vollständig decken wird." (BTDrucks 19/14103, S. 1).
Diese legislative Begründung reicht aus (gleicher Ansicht Deutscher Finanzgerichtstag e.V., Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung durch den Finanzausschuss des Deutschen Bundestags am 04.11.2019, Kurzprotokoll der 57. Sitzung, Protokoll-Nr. 19/57, Anlage 2, S. 4 [= S. 111 von 183 des Protokolls]: keine eindeutigen und offensichtlich feststehenden Anhaltspunkte für eine beabsichtigte dauerhafte Finanzierung; Hechtner, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung durch den Finanzausschuss des Deutschen Bundestags am 04.11.2019, Kurzprotokoll der 57. Sitzung, Protokoll-Nr. 19/57, Anlage 7, S. 4 [= S. 145 von 183 des Protokolls]; Tappe, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung durch den Finanzausschuss des Deutschen Bundestags am 04.11.2019, Kurzprotokoll der 57. Sitzung, Protokoll-Nr. 19/57, Anlage 9, S. 7 [= S. 172 von 183 des Protokolls]). Der Gesetzgeber hat einen fortbestehenden wiedervereinigungsbedingten erhöhten Finanzbedarf in der Gesetzesbegründung schlüssig dargelegt (vgl. auch BTDrucks 17/10933, Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, Ausmaß der finanziellen Zusatzlasten durch die Wiedervereinigung Deutschlands, S. 2: "Zur Finanzierung des Gesamtvolumens der seitens des Bundes in vorher nicht gekannten Dimensionen unternommenen Aufbauanstrengungen hat der Solidaritätszuschlag jedoch zu keinem Zeitpunkt ausgereicht. Diese Belastungen beschränken sich nicht nur auf die (...) Bundesergänzungszuweisungen an die neuen Bundesländer, die damit allein kein Maßstab für den Bestand des Solidaritätszuschlags sein können. (...) Die Finanzlage des Bundes ist weiterhin ‑‑auch aufgrund der immer noch bestehenden Vereinigungslasten‑‑ angespannt, so dass auf die Finanzmittel aus dem Solidaritätszuschlag nicht verzichtet werden kann."; s.a. Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit, 2020, S. 15: "Unterschiede zwischen den neuen und den alten Ländern bestehen trotz aller Erfolge auch fort"). Die Anforderungen an die Begründung des Bedarfs durch den Gesetzgeber sind nicht zu hoch zu stecken (BFH-Urteil in BFHE 234, 250, BStBl II 2012, 43, Rz 19; Hidien in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hg.), BK, Art. 106 Rz 1431 [103. Aktualisierung Dezember 2002]; Kube, DStR 2017, 1792, 1796 und 1798; Frank, a.a.O., S. 95; vgl. auch Woitok, StuW 2021, 17, 26). Dies gilt selbst dann, wenn man angesichts der langen Erhebungsdauer des Solidaritätszuschlags eine gesteigerte Rechtfertigungslast des Gesetzgebers befürworten wollte (dazu Kube, Verfassungsrechtliche Problematik der fortgesetzten Erhebung des Solidaritätszuschlags, Rechtsgutachten im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, 2017, S. 15; derselbe, DStR 2017, 1792, 1798; derselbe, StuW 2022, 3; Wernsmann, ZG 2020, 181, 187; Heintzen in von Münch/Kunig, GGK, 7. Aufl., Rz 21 zu Art. 106). Eine "regionale Aufschlüsselung" des Bedarfs ist ‑‑entgegen der Revision‑‑ nicht erforderlich. Dies würde die verfassungsrechtlichen Anforderungen überspannen. Damit kann jedenfalls in den beiden Streitjahren 2020 und 2021 nicht von einer ‑‑der weiteren Erhebung der Ergänzungsabgabe entgegenstehenden‑‑ Zweckerreichung (durch Wegfall des Bedarfsgrundes; vgl. Hidien/Tehler, StBW 2010, 458, 461) ausgegangen werden.
(b) Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass es sich bei den vom Gesetzgeber explizit genannten Bedarfen um sog. Daueraufgaben handelt (so aber Wernsmann, ZG 2020, 181, 186; vgl. auch Bundesrechnungshof, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung durch den Finanzausschuss des Deutschen Bundestags am 04.11.2019, Kurzprotokoll der 57. Sitzung, Protokoll-Nr. 19/57, Anlage 4, S. 3 [= S. 120 von 183 des Protokolls]: "finanzverfassungsrechtliche Normallage" bzw. "keine schwierige Haushaltslage"; G. Kirchhof, DB 2021, 1039, 1040: "gängige Leistungen im solidarischen Bundesstaat"; kritisch zu "allgemeinen Aufwendungen der Haushaltsführung des Bundes" auch Wissenschaftlicher Beirat Steuern der Ernst & Young GmbH, DStR 2014, 1309, 1312). Dieser Einwand mag für die Rentenversicherung und für das Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz berechtigt sein, aber nicht zwangsläufig für den Arbeitsmarkt und die in der Gesetzesbegründung angesprochenen anderen überproportionalen Leistungen aus dem Bundeshaushalt für die ostdeutschen Bundesländer.
(c) Mit der Annahme eines fortbestehenden Rechtfertigungsgrundes für die Ergänzungsabgabe korrespondiert die dem Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 zugrunde liegende Erwägung eines sinkenden Finanzbedarfs (vgl. BFH-Urteil in BFHE 234, 250, BStBl II 2012, 43, Rz 26). Der Mittelbedarf sollte nach der Einschätzung des Gesetzgebers zwar bis zum Jahr 2019 erheblich sinken, aber eben noch nicht vollständig wegfallen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Rückführung des Solidaritätszuschlags (schrittweiser Abbau durch Anhebung der Freigrenze gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 und 2 SolZG 1995 und der Milderungszone gemäß § 4 Satz 2 SolZG 1995) ab 2021 und der vom Gesetzgeber in Aussicht gestellte Wegfall der Ergänzungsabgabe zu einem späteren Zeitpunkt als folgerichtige Reaktion des Steuergesetzgebers dar (vgl. dazu ‑‑wenngleich eine "nahtlose" Abschmelzung ab 2020 fordernd‑‑ Kube, Verfassungsrechtliche Problematik der fortgesetzten Erhebung des Solidaritätszuschlags, Rechtsgutachten im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, 2017, S. 16; derselbe, Verfassungsrechtliche Würdigung der koalitionsvertraglichen Aussagen zum Solidaritätszuschlag, Kurzgutachten im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, 2018, S. 5 und DStR 2017, 1792, 1798: "Weil die Grenzen hier fließend sein können, sich ein zunächst bestehender Rechtfertigungsgrund zur Erhebung einer Ergänzungsabgabe also graduell verflüchtigen kann, kommt als Rechtsfolge insoweit auch das verfassungsrechtliche Gebot in Betracht, eine Ergänzungsabgabe innerhalb einiger Veranlagungszeiträume abzuschmelzen."; Gutachten des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung über den Abbau des Solidaritätszuschlags, S. 22: gestreckter Abbau bis zum Ende des neuen Finanzplanungszeitraums im Jahr 2023; Stellungnahme des Sachverständigen Eigenthaler in der öffentlichen Anhörung durch den Finanzausschuss des Deutschen Bundestags am 04.11.2019, Kurzprotokoll der 57. Sitzung, Protokoll-Nr. 19/57, S. 21 [= S. 21 von 183 des Protokolls]; anders dagegen Drüen in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hg.), BK, Art. 106 Rz 178 [213. Aktualisierung September 2021]; vgl. auch Hey, Neue Juristische Wochenschrift ‑‑NJW‑‑ 2021, 2777, 2778: "nur im Kontext des Auslaufens des Wiedervereinigungs-SolZ erklärlich"). Auf diese Weise kann ein "Hinübergleiten" (Gutachten des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung über den Abbau des Solidaritätszuschlags, S. 16) bzw. "Hineinwachsen" in die Verfassungswidrigkeit (Meßbacher-Hönsch, HFR 2011, 1006) vermieden werden. Hingegen führt die Abschmelzung nach Ansicht des Senats nicht dazu, dass sie den zuvor bejahten besonderen Finanzbedarf in grundsätzlicher Weise in Frage stellt (so aber Loritz, Stellungnahme zum öffentlichen Fachgespräch beim Finanzausschuss des Deutschen Bundestags am 27.06.2018, Wortprotokoll der 14. Sitzung, Protokoll-Nr. 19/14, Anlage 4, S. 4 [= S. 64 von 118 des Protokolls]; Hoch, DStR 2018, 2410, 2415). Ein widersprüchliches Verhalten des Gesetzgebers vermag der Senat ‑‑entgegen der Ansicht der Kläger‑‑ nicht zu erkennen.
Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber bislang noch keine konkrete "Ausstiegsperspektive" genannt hat (vgl. auch die Stellungnahmen der Sachverständigen Holznagel und Peteranderl zur öffentlichen Anhörung durch den Finanzausschuss des Deutschen Bundestags am 04.11.2019, Kurzprotokoll der 57. Sitzung, Protokoll-Nr. 19/57, S. 6 [= S. 6 von 183 des Protokolls]; Bund der Steuerzahler e.V., Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung durch den Finanzausschuss des Deutschen Bundestags am 04.11.2019, Kurzprotokoll der 57. Sitzung, Protokoll-Nr. 19/57, Anlage 3, S. 3 [= S. 115 von 183 des Protokolls]; Drüen in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hg.), BK, Art. 106 Rz 175 [213. Aktualisierung September 2021]). Aus dem Gesetz zur "Rückführung" des Solidaritätszuschlags 1995 und dem vorangegangenen Gesetzgebungsverfahren wird hinreichend deutlich, dass der Gesetzgeber den Solidaritätszuschlag nicht zeitlich unbegrenzt erheben will, sondern nur noch für eine Übergangszeit. Die Zurückführung des Solidaritätszuschlags ist erklärtermaßen "im Hinblick auf einen späteren vollständigen Abbau des Solidaritätszuschlags" erfolgt (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 19/14103, S. 2, 9 und 11; Hechtner, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung durch den Finanzausschuss des Deutschen Bundestags am 04.11.2019, Kurzprotokoll der 57. Sitzung, Protokoll-Nr. 19/57, Anlage 7, S. 1 [= S. 142 von 183 des Protokolls]: "Einstieg in den Ausstieg". Mit dieser Absichtserklärung bleibt der Gesetzgeber innerhalb des ihm zustehenden (weiten) Beurteilungsrahmens (kritisch Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl., Kap. 2, Finanzverfassungsrechtliche Grundlagen der Steuerrechtsordnung, Rz 2.6: "unverbindliche Aussicht"; Kube, Verfassungsrechtliche Würdigung der koalitionsvertraglichen Aussagen zum Solidaritätszuschlag, Kurzgutachten im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, 2018, S. 5, 8: "unzureichende Vorzeichnung des Abbaupfads"; derselbe, StuW 2022, 3, 4).
(d) Zwar war der Gesetzgeber zunächst davon ausgegangen, dass die Wiedervereinigung in finanzverfassungsrechtlicher Sicht im Jahr 2020 bewältigt sein wird (vgl. BMF (Hg.), Finanzbericht 2001, S. 49; Bauer in Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. I, 3. Aufl. 2003, § 14 Rz 23). Diese Prognose hat sich nicht bestätigt. Die Fehleinschätzung ist allerdings vom Beurteilungs- und Prognosespielraum des Gesetzgebers gedeckt. Die Entscheidung darüber, welche Aufgaben in Angriff genommen und wie sie finanziert werden sollen, gehört zur Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, die sich grundsätzlich der (bundesverfassungs‑)gerichtlichen Nachprüfung entzieht (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408, unter C.I.3.c). Dabei teilt der erkennende Senat die Ansicht der Vorinstanz, dass dem Gesetzgeber ‑‑vor allem im Hinblick auf die Laufzeit der Ergänzungsabgabe‑‑ ein sehr weiter Gestaltungsspielraum zusteht (ebenso Tappe, Stellungnahme zum öffentlichen Fachgespräch beim Finanzausschuss des Deutschen Bundestags am 27.06.2018, Wortprotokoll der 14. Sitzung, Protokoll-Nr. 19/14, Anlage 7, S. 6 [= S. 100 von 118 des Protokolls]).
(3) Allein der eingetretene Zeitablauf seit Einführung des Solidaritätszuschlags 1995 von 26 (2020) bzw. 27 (2021) Jahren führt zu keinem anderen Ergebnis. Vielmehr hat das BVerfG festgestellt, es sei bei den Beratungen zum Finanzverfassungsgesetz bedacht worden, dass sich aus der Verteilung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern auch für längere Zeit ein Mehrbedarf ‑‑allein‑‑ des Bundes ergeben könne, dessen Deckung durch eine Erhöhung der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer die Steuerpflichtigen unnötig belasten und konjunkturpolitisch unerwünscht sein könne, wenn eine Erhöhung der steuerlichen Gesamtbelastung vom Standpunkt der Länder nicht erforderlich sei (vgl. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408, unter C.I.3.c; in BFH/NV 2010, 2217, Rz 17). Dieser Erwägung läuft es zuwider, die Erhebung einer Ergänzungsabgabe über mehr als 25 Jahre von vornherein auszuschließen (tendenziell a.A. Bartone in Festschrift Rudolf Wendt, 2015, S. 739, 760; Frank, a.a.O., S. 90: Höchsterhebungsdauer von fünf Jahren).
Dies wird untermauert durch den Umstand, dass es sich bei der finanzverfassungsrechtlichen Integration der neuen Bundesländer um eine "Generationenaufgabe" handelt (vgl. Bauer in Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. I, 3. Aufl. 2003, § 14 Rz 24; s.a. den Entschließungsantrag zu der dritten Beratung des Entwurfs des Maßstäbegesetzes, BTDrucks 14/6577, S. 2). Zwischen zwei Generationen liegt ‑‑demografisch betrachtet‑‑ ein Zeitraum von etwa 30 Jahren (sog. Generationenabstand, vgl. Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, Bevölkerungsentwicklung 2016, S. 12). Dies deckt sich mit dem allgemeinen Sprachgebrauch. Vor diesem Hintergrund ist die Erhebung einer Ergänzungsabgabe über einen Zeitraum von 26 bzw. 27 Jahren (noch) nicht zu beanstanden.
Wenn das BVerfG herausstellt, dass sich umfangreiche Projekte und Reformvorhaben wie z.B. der Aufbau der Bundeswehr und der Ausbau des Bildungswesens über viele Jahre erstrecken und dementsprechend auch ihre Finanzierung für mehrere Haushaltsperioden geplant werden müsse (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408, unter C.I.3.c; kritisch dazu Wissenschaftlicher Beirat Steuern der Ernst & Young GmbH, DStR 2014, 1309, 1313), erscheint ein Zeitraum von bis zu 30 Jahren zwar nicht zu lang, aber jedenfalls als ausreichend für die Bewältigung der ‑‑ungleich größeren (historischen) Aufgabe der‑‑ Wiedervereinigung. Wenngleich der Finanzbedarf, der einer Ergänzungsabgabe zugrunde liegt, nur vorübergehender Natur sein darf, besteht im Hinblick auf den Begriff "vorübergehend" ein weiter zeitlicher Spielraum (gleicher Ansicht Gutachten des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung über den Abbau des Solidaritätszuschlags, S. 15). Ein vorübergehender Mehrbedarf des Bundes kann sich auf sehr lange Zeiträume erstrecken (Wernsmann, ZG 2020, 181, 186). Dies kann bei einer "Generationenaufgabe" wie der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in den alten und neuen Bundesländern ein Zeitraum von bis zu 30 Jahren sein.
Mit Ablauf dieses Zeitraums kann der Gesetzgeber verfassungsrechtlich gehalten sein, zu überprüfen, ob die ursprüngliche Entscheidung für die Erhebung der Ergänzungsabgabe auch unter nunmehr geänderten Umständen aufrechtzuerhalten oder die Ergänzungsabgabe aufzuheben ist (zur Prüfungspflicht bei einer Änderung der Verhältnisse bezogen auf eine Änderung des Zinsniveaus vgl. auch Senatsbeschluss vom 25.04.2018 ‑ IX B 21/18, BFHE 260, 431, BStBl II 2018, 415, Rz 37). Die Grenze zur Daueraufgabe bzw. zur Schließung einer dauerhaften Finanzierungslücke (Dauerfinanzierungsinstrument), die mit einer Zweckverfehlung der Ergänzungsabgabe verbunden wäre (Hidien/Tehler, StBW 2010, 458, 461), ist daher in den beiden Streitjahren noch nicht überschritten.
(4) In Übereinstimmung mit der Vorinstanz geht der erkennende Senat ‑‑entgegen der wohl herrschenden Auffassung im Schrifttum (Papier in Festschrift Lehner, 2019, S. 511; derselbe, ZRP 2018, 186; Wernsmann, ZG 2020, 181; Wissenschaftlicher Beirat Steuern der Ernst & Young GmbH, DStR 2014, 1309; Hoch, DStR 2018, 2410; Drüen in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hg.), BK, Art. 106 Rz 178 [213. Aktualisierung September 2021]; wohl auch Selmer/Hummel in Junkernheinrich/Korioth/Lenk/Scheller/Woisin, Jahrbuch für öffentliche Finanzen 2013, S. 365)‑‑ nicht davon aus, dass der ‑‑unbefristet erhobene‑‑ Solidaritätszuschlag bereits mit dem Auslaufen des Solidarpakts II (durch Außerkrafttreten des Maßstäbegesetzes ‑‑MaßstG‑‑ vom 09.09.2001, BGBl I 2001, 2302, § 15 MaßstG, und des Finanzausgleichsgesetzes ‑‑FAG‑‑ [s. Art. 5 des Solidarpaktfortführungsgesetzes vom 20.12.2001, BGBl I 2001, 3955], § 20 FAG) am 31.12.2019 sowie der Neuregelung des Länderfinanzausgleichs seine Rechtfertigung verloren hat (gleicher Ansicht Loritz, Stellungnahme zum öffentlichen Fachgespräch beim Finanzausschuss des Deutschen Bundestags am 27.06.2018, Wortprotokoll der 14. Sitzung, Protokoll-Nr. 19/14, Anlage 4, S. 3 [= S. 63 von 118 des Protokolls]; Frank, a.a.O., S. 92 ff.). Denn eine zwingende rechtliche oder gar rechtstechnische Bindung besteht nicht (vgl. Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags zur Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags ‑ WD 4 ‑ 3000 ‑ 099/19, S. 16; Tappe, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung durch den Finanzausschuss des Deutschen Bundestags am 04.11.2019, Kurzprotokoll der 57. Sitzung, Protokoll-Nr. 19/57, Anlage 9, S. 6 [= S. 171 von 183 des Protokolls]; a.A. Hoch, DStR 2018, 2410, 2413; Papier, Rechtswissenschaftliches Gutachten zur verfassungsrechtlichen Beurteilung der Erhebung des Solidaritätszuschlags ab 2020, S. 7; vgl. auch Drüen in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hg.), BK, Art. 106 Rz 178: "Zweckverknüpfung" [213. Aktualisierung September 2021]). Der Solidaritätszuschlag stellt keine Zwecksteuer dar. Die Verknüpfung mit den finanziellen Lasten der Wiedervereinigung ist lediglich ideeller Art (Wissenschaftlicher Beirat Steuern der Ernst & Young GmbH, DStR 2014, 1309, 1310) bzw. politischer Natur (Waldhoff in Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, 3. Aufl., § 116 Rz 139: "politische Verwendungsabsicht"; Tappe, Stellungnahme zum öffentlichen Fachgespräch beim Finanzausschuss des Deutschen Bundestags am 27.06.2018, Wortprotokoll der 14. Sitzung, Protokoll-Nr. 19/14, Anlage 7, S. 5 [= S. 99 von 118 des Protokolls]; Bartone in Festschrift Rudolf Wendt, 2015, S. 739, 760; Wernsmann, ZG 2020, 181, 184; s.a. Hechtner, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung durch den Finanzausschuss des Deutschen Bundestags am 04.11.2019, Kurzprotokoll der 57. Sitzung, Protokoll-Nr. 19/57, Anlage 7, S. 2 (= S. 143 von 183 des Protokolls): "ökonomischer Themenzusammenhang"; Rohde/Geschwandtner, NJW 2006, 3332, 3334). Mit der Neuordnung der bundesstaatlichen Finanzbeziehungen ist damit auch keine unumstößliche Vorentscheidung über das Fehlen eines ungedeckten finanziellen Mehrbedarfs des Bundes getroffen worden (Selmer/Hummel in Junkernheinrich/Korioth/Lenk/Scheller/Woisin, Jahrbuch für öffentliche Finanzen 2013, S. 365, 379; Wissenschaftlicher Beirat Steuern der Ernst & Young GmbH, DStR 2014, 1309, 1312; a.A. Drüen in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hg.), BK, Art. 106 Rz 178 [213. Aktualisierung September 2021]: (neues) FAG dokumentiert den Entfall des ursprünglichen Erhebungsanlasses).
(5) Da der ursprüngliche Gesetzeszweck für die Einführung des Solidaritätszuschlags auch in den Jahren 2020 und 2021 noch nicht entfallen ist, weil in diesem Zeitraum ein Mehrbedarf des Bundes zur Finanzierung der Ausgaben im Zusammenhang mit der Herstellung der deutschen Einheit noch besteht, kommt es auf eine mögliche "Umwidmung" des Solidaritätszuschlags für andere Zwecke nicht an (vgl. BFH-Urteil in BFHE 234, 250, BStBl II 2012, 43, Rz 28; zur Umwidmung in eine Ergänzungsabgabe zur Bewältigung der COVID‑19-Pandemie vgl. Woitok, StuW 2021, 17; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.05.2022 ‑ 10 K 1693/21, EFG 2022, 1397, Rz 82 ff., Revision unter IX R 9/22 anhängig). Die Frage der Zulässigkeit sowie die Voraussetzungen und Grenzen einer solchen "Umwidmung" können daher offenbleiben.
b) Das SolZG 1995 i.d.F. durch Art. 4 des 2. FamEntlastG verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 oder Art. 14 GG.
aa) Wenngleich rund 90 % der Steuerpflichtigen seit dem Veranlagungszeitraum 2021 vom Solidaritätszuschlag freigestellt sind (BTDrucks 19/14103, S. 2, 11; vgl. auch Hey, NJW 2021, 2777, 2779: "SolZ-Stumpf"), ergibt sich daraus kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
aaa) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen ebenso wie für ungleiche Begünstigungen. Dabei ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, die er mit gleichen Rechtsfolgen belegt und damit als "wesentlich gleich" qualifiziert. Diese Auswahl muss jedoch sachgerecht in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche erfolgen (vgl. z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 12.02.2003 ‑ 2 BvL 3/00, BVerfGE 107, 218; vom 23.05.2006 ‑ 1 BvR 1484/99, BVerfGE 115, 381; vom 08.12.2021 ‑ 2 BvL 1/13, HFR 2022, 269, Rz 51). Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 29.03.2017 ‑ 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, 106, BStBl II 2017, 1082; vom 19.11.2019 ‑ 2 BvL 22/14, 2 BvL 23/14, 2 BvL 24/14, 2 BvL 25/14, 2 BvL 26/14, 2 BvL 27/14, BVerfGE 152, 274, m.w.N.; in HFR 2022, 269, Rz 52; s. zum Ganzen BFH-Vorlagebeschluss vom 17.11.2020 ‑ VIII R 11/18, BFHE 271, 399, BStBl II 2021, 562, Rz 34).
Art. 3 Abs. 1 GG ist jedenfalls dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für eine gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (vgl. z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 05.10.1993 ‑ 1 BvL 34/81, BVerfGE 89, 132, und vom 18.07.2005 ‑ 2 BvF 2/01, BVerfGE 113, 167, unter C.IV.2.). Willkür des Gesetzgebers liegt zwar nicht schon dann vor, wenn er unter mehreren Lösungen nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste gewählt hat. Es genügt aber Willkür im objektiven Sinn, d.h. die tatsächliche und eindeutige Unangemessenheit der Regelung in Bezug auf den zu ordnenden Gesetzgebungsgegenstand. Der Spielraum des Gesetzgebers endet dort, wo die ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo also ein einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt (vgl. z.B. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 89, 132, unter C.I.; in BVerfGE 145, 106, BStBl II 2017, 1082, Rz 101, m.w.N.; in HFR 2022, 269, Rz 53; s. zum Ganzen BFH-Vorlagebeschluss in BFHE 271, 399, BStBl II 2021, 562, Rz 36).
Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich insbesondere ergeben, wenn und soweit sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann (vgl. z.B. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 152, 274, Rz 98). Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für Einzelne verfügbar sind (vgl. nur BVerfG-Beschluss in HFR 2022, 269, Rz 54, m.w.N.).
bbb) Dem Steuergesetzgeber belässt Art. 3 Abs. 1 GG bei der Auswahl des Steuergegenstands ebenso wie bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Der Gleichheitssatz bindet ihn an den Grundsatz der Steuergerechtigkeit, der gebietet, die Belastung mit Finanzzwecksteuern an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten (vgl. z.B. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 152, 274, Rz 99 f.). Das gilt insbesondere im Einkommensteuerrecht, das auf die Leistungsfähigkeit des jeweiligen Steuerpflichtigen hin angelegt ist (vgl. nur BVerfG-Beschluss in HFR 2022, 269, Rz 55, m.w.N.).
Im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit muss darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedriger Einkommen dem Gerechtigkeitsgebot genügen muss (vgl. z.B. BVerfG-Urteil vom 09.12.2008 ‑ 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210; BVerfG-Beschluss vom 15.12.2015 ‑ 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1). Unter dem Gebot möglichst gleichmäßiger Belastung der betroffenen Steuerpflichtigen muss die Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands folgerichtig im Sinne von belastungsgleich erfolgen (BVerfG-Beschlüsse vom 11.11.1998 ‑ 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280, BStBl II 1999, 502; in BVerfGE 152, 274, Rz 100). Ausnahmen von einer belastungsgleichen Ausgestaltung der mit der Wahl des Steuergegenstands getroffenen gesetzgeberischen Entscheidung (folgerichtigen Umsetzung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands) bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes, der die Ungleichbehandlung nach Art und Ausmaß zu rechtfertigen vermag (vgl. BVerfG-Beschluss in HFR 2022, 269, Rz 56, m.w.N.).
Der rein fiskalische Zweck staatlicher Einnahmenerhöhung ist nicht als besonderer sachlicher Grund im vorgenannten Sinne anzuerkennen (BVerfG-Beschluss in HFR 2022, 269, Rz 59, m.w.N.; s. zum Ganzen BFH-Vorlagebeschluss in BFHE 271, 399, BStBl II 2021, 562, Rz 37). Ein solcher Grund kann dagegen in der Verfolgung von Förderungs- oder Lenkungszwecken liegen. Denn der Gesetzgeber ist grundsätzlich nicht gehindert, mit Hilfe des Steuerrechts aus Gründen des Gemeinwohls außerfiskalische Förder- und Lenkungsziele zu verfolgen. Er darf nicht nur durch Ge- und Verbote, sondern ebenso durch mittelbare Verhaltenssteuerung auf Wirtschaft und Gesellschaft gestaltend Einfluss nehmen. Der Bürger wird dann nicht rechtsverbindlich zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet, erhält aber durch Sonderbelastung eines unerwünschten Verhaltens oder durch steuerliche Verschonung eines erwünschten Verhaltens ein finanzwirtschaftliches Motiv, sich für ein bestimmtes Tun oder Unterlassen zu entscheiden. In der Entscheidung darüber, welche Sachverhalte, Personen oder Unternehmen gefördert werden sollen, ist der Gesetzgeber weitgehend frei (vgl. z.B. BVerfG-Urteil vom 17.12.2014 ‑ 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136, BStBl II 2015, 50, Rz 125). Insbesondere verfügt er über einen großen Spielraum bei der Einschätzung, welche Ziele er für förderungswürdig hält. Er darf Verschonungen von der Steuer vorsehen, sofern er ansonsten unerwünschte, dem Gemeinwohl unzuträgliche Effekte einer uneingeschränkten Steuererhebung befürchtet (BVerfG-Beschluss in HFR 2022, 269, Rz 60 bis 62, m.w.N.).
Förderungs- und Lenkungsziele sind allerdings nur dann geeignet, rechtfertigende Gründe für steuerliche Be- oder Entlastungen zu liefern, wenn entweder Ziel und Grenze der Lenkung mit hinreichender Bestimmtheit tatbestandlich vorgezeichnet sind oder das angestrebte Förderungs- oder Lenkungsziel jedenfalls von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen wird (vgl. z.B. BVerfG-Beschluss vom 22.06.1995 ‑ 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, BStBl II 1995, 655).
ccc) In Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die in der Staffelung des Solidaritätszuschlags ab 2021 liegende Ungleichbehandlung der Steuerpflichtigen als gerechtfertigt.
(1) Bei Steuern, die wie die Einkommensteuer an der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausgerichtet sind, ist die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte zulässig und geboten. Deshalb kann der Gesetzgeber auch bei der Ergänzungsabgabe, die im wirtschaftlichen Ergebnis eine Erhöhung der Einkommensteuer darstellt, solchen Erwägungen Rechnung tragen (vgl. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408, unter C.I.3.a; vom 02.10.1973 ‑ 1 BvR 345/73, BVerfGE 36, 66, BStBl II 1973, 878, unter II.2.d, zum Stabilitätszuschlag als Einkommensteuer). Der Finanzierungszweck als Hauptzweck der Abgabenerhebung schließt es nicht aus, dass der Gesetzgeber zugleich Lenkungszwecke und/oder sozialpolitische Zwecke verfolgt (Hidien/Tehler, StBW 2010, 458, 459; Hidien in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hg.), BK, Art. 106 Rz 1433 [103. Aktualisierung Dezember 2002]; Papier, Rechtswissenschaftliches Gutachten zur verfassungsrechtlichen Beurteilung der Erhebung des Solidaritätszuschlags ab 2020, S. 25; Frank, a.a.O., S. 70, 111). Dies gilt für die Einkommensteuer und die Körperschaftsteuer gleichermaßen wie für die Ergänzungsabgabe. Dabei können die Maßstäbe und Kriterien durchaus differieren (Papier, Rechtswissenschaftliches Gutachten zur verfassungsrechtlichen Beurteilung der Erhebung des Solidaritätszuschlags ab 2020, S. 26).
Vor diesem Hintergrund ist die ab 2021 bestehende Staffelung des Solidaritätszuschlags (Freigrenze mit Gleitzone) gleichheitsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie ist im Hinblick auf das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) gerechtfertigt (vgl. auch BVerfG-Beschluss in BVerfGE 29, 402, BStBl II 1971, 39, unter B.III.2.a, zum Konjunkturzuschlag als Abgabe nichtsteuerlicher Art). Es liegen ‑‑im Hinblick auf Differenzierungsziel und Ausmaß der Ungleichbehandlung‑‑ angemessene sachliche Gründe vor, die eine willkürliche Differenzierung ausschließen (ebenso Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags zur Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags ‑ WD 4 ‑ 3000 ‑ 099/19, S. 20; Brandis/Heuermann/Lindberg, § 1 SolZG Rz 1a; Tappe, Stellungnahme zum öffentlichen Fachgespräch beim Finanzausschuss des Deutschen Bundestags am 27.06.2018, Wortprotokoll der 14. Sitzung, Protokoll-Nr. 19/14, Anlage 7, S. 9 [= S. 103 von 118 des Protokolls]; derselbe, NVwZ 2020, 517, 519; a.A. Hoch, DStR 2018, 2410, 2414; Papier in Festschrift Lehner, 2019, S. 511, 515; G. Kirchhof, DB 2021, 1039, 1040; Loritz, Stellungnahme zum öffentlichen Fachgespräch beim Finanzausschuss des Deutschen Bundestags am 27.06.2018, Wortprotokoll der 14. Sitzung, Protokoll-Nr. 19/14, Anlage 4, S. 4 [= S. 64 von 118 des Protokolls]; kritisch auch Kube, DStR 2017, 1792, 1800; Schmidt‑Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Kommentar zum Grundgesetz, 15. Aufl., Art. 106 Rz 33; Heintzen in von Münch/Kunig, GGK, 7. Aufl., Rz 21 zu Art. 106).
(2) Der sog. Abschmelzung kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass sich die Staffelung nicht unmittelbar aus dem Erhebungszweck der Abgabe (Finanzierung der deutschen Wiedervereinigung) ergebe (vgl. Kube, Verfassungsrechtliche Problematik der fortgesetzten Erhebung des Solidaritätszuschlags, Rechtsgutachten im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, 2017, S. 20; derselbe, Verfassungsrechtliche Würdigung der koalitionsvertraglichen Aussagen zum Solidaritätszuschlag, Kurzgutachten im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, 2018, S. 5; derselbe, DStR 2017, 1792, 1800 und StuW 2022, 3, 3; G. Kirchhof, DB 2021, 1039, 1040). Warum eine entsprechende soziale Staffelung bei der Einkommensteuer verfassungskonform sein soll (vgl. Tappe in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32a Rz A 138), beim Solidaritätszuschlag als Ergänzungsabgabe hingegen nicht, erschließt sich dem Senat nicht. Denn letztlich dient jede Steuer einem Finanzierungszweck und dieser steht einer entsprechenden Staffelung nicht entgegen (Tappe, Stellungnahme zum öffentlichen Fachgespräch beim Finanzausschuss des Deutschen Bundestags am 27.06.2018, Wortprotokoll der 14. Sitzung, Protokoll-Nr. 19/14, Anlage 7, S. 9 [= S. 103 von 118 des Protokolls]).
(3) Auch ein verfassungswidriger, intransparenter Formenmissbrauch ist nicht gegeben (so aber Papier, Rechtswissenschaftliches Gutachten zur verfassungsrechtlichen Beurteilung der Erhebung des Solidaritätszuschlags ab 2020, S. 27; Hoch, DStR 2018, 2410, 2414). Denn der Tarifverlauf des Solidaritätszuschlags muss für sich betrachtet werden. Es handelt sich um eine selbständige Steuer (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408, unter C.I.3.a; Frank, a.a.O., S. 21, 36, 110; Brandis/Heuermann/Lindberg, § 1 SolZG Rz 1a; Tappe, NVwZ 2020, 517, 520; Tappe, StuW 2022, 6, 8). Eine Änderung des Tarifverlaufs des Solidaritätszuschlags bewirkt nicht zugleich eine Korrektur der einkommensteuerlichen Belastungen (Tappe, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung durch den Finanzausschuss des Deutschen Bundestags am 04.11.2019, Kurzprotokoll der 57. Sitzung, Protokoll-Nr. 19/57, Anlage 9, S. 14 [= S. 179 von 183 des Protokolls]).
bb) Soweit die Kläger geltend machen, die Erhebung des Solidaritätszuschlags auf die Kapitalertragsteuer (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 SolZG 1995) verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sich die Kläger insofern nicht auf eine Ungleichbehandlung berufen können, da alle ihre Einkünfte der Einkommensteuer und damit dem Solidaritätszuschlag unterliegen. Ebenso wenig können sie sich mit Erfolg auf die Nichtanwendbarkeit der Freigrenze auf die Einkommensteuer nach § 32d Abs. 3 und 4 EStG (§ 3 Abs. 3 Satz 2 SolZG 1995) berufen. In diesem Zusammenhang ist im Verfahren zu Recht darauf hingewiesen worden, dass der Solidaritätszuschlag nur an die im Einkommensteuerrecht vorgefundene Differenzierung anknüpft und § 3 Abs. 1 Nr. 5 SolZG 1995 den Abgeltungsteuertarif aufgreift. Zudem sind die Zuschlagsteuern auch in die Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG einzubeziehen (vgl. dazu Hechtner, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung durch den Finanzausschuss des Deutschen Bundestags am 04.11.2019, Kurzprotokoll der 57. Sitzung, Protokoll-Nr. 19/57, Anlage 7, S. 9 [= S. 150 von 183 des Protokolls]).
cc) Ferner kann der Senat keinen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG feststellen. Zwar mag sich aus der Ausgestaltung des Solidaritätszuschlags ab 2021 ergeben, dass in bestimmten Fällen die Einzelveranlagung ‑‑aufgrund besserer Ausnutzung der Freigrenze (§ 3 Abs. 3 Satz 1 SolZG 1995)‑‑ günstiger ist als die Zusammenveranlagung (dazu Broer, Wirtschaftsdienst 2019, 697, 700). Derartige Reflexwirkungen sind jedoch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie stellen eine Folge der Wirkungsweise des Ehegattensplittings (§ 32a Abs. 5 EStG) dar. Ihnen kann durch (Nicht‑)Ausübung des Wahlrechts nach § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG begegnet werden (vgl. Tappe, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung durch den Finanzausschuss des Deutschen Bundestags am 04.11.2019, Kurzprotokoll der 57. Sitzung, Protokoll-Nr. 19/57, Anlage 9, S. 13 [= S. 178 von 183 des Protokolls]; s.a. Stöwhase/Teuber, Wirtschaftsdienst 2019, 871, zur vergleichbaren Problematik bei dem bis einschließlich 2020 geltenden Solidaritätszuschlag). Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, die Zusammenveranlagung stets günstiger als die Einzelveranlagung auszugestalten (vgl. zur Wahlrechtsausübung im Fall von Zuschlagsteuern BVerfG-Beschluss vom 20.04.1966 ‑ 1 BvR 16/66, BVerfGE 20, 40; FG Münster, Urteil vom 08.02.2019 ‑ 4 K 3907/16 Ki, juris, zum besonderen Kirchgeld).
dd) Schließlich liegt kein Verstoß gegen Art. 14 GG vor. Die Steuerbelastung fällt zwar in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie. Der Zugriff auf das durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Eigentum ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt, weil die Regelungen des SolZG 1995 als Inhalts- und Schrankenbestimmungen i.S. von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG die Belastung mit einem Solidaritätszuschlag ermöglichen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 1685, Rz 45). Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist nicht verletzt (vgl. dazu BVerfG-Beschluss vom 18.01.2006 ‑ 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97). Eine übermäßige Belastung geht mit einem Zuschlag von 5,5 % der Bemessungsgrundlage bei den hier betroffenen höheren Einkommen nicht einher.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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