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BFH: Pflicht zur elektronischen Kommunikation auch bei Klageanbringung beim Finanzamt

Die nach § 47 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) eröffnete Mög­lichkeit, die Klage fristwahrend bei der Finanzbehörde anzubringen, befreit so­genannte professionelle Einreicher nicht von der Pflicht, die in § 52d i.V.m. § 52a FGO geregelten Formvorgaben zu wahren.

FGO § 47, § 52a, § 52d

BFH-Urteil vom 7.10.2025, IX R 7/24 (veröffentlicht am 20.11.2025)

Vorinstanz: FG München vom 29.2.2024, 13 K 1318/23 = SIS 24 09 25

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Nutzungspflicht des besonderen elek­tronischen Steuerberaterpostfachs (beSt) auch im Fall der Anbringung der Kla­ge bei einer Finanzbehörde nach § 47 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) besteht.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) legte gegen den Einkommensteuerbe­scheid für das Streitjahr 2018 Einspruch ein. Die Einspruchsentscheidung des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ‑‑FA‑‑) vom 30.05.2023 wurde der Prozessbevollmächtigten des Klägers, eine in der Rechtsform einer Kapi­talgesellschaft geführte Steuerberatungsgesellschaft (S), am 02.06.2023 zu­gestellt.

Hiergegen richtete sich die Klage, die S für den Kläger am 28.06.2023 durch Telefax an das FA übermittelte. Das FA leitete das Telefax per Post an das Fi­nanzgericht (FG) München weiter. Dort ging es am 12.07.2023 ein.

Mit Schreiben vom 17.07.2023 wies das FG die S auf die Regelungen in § 52d Satz 2 i.V.m. § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO hin. Es führte aus, dass der Kla­geschriftsatz nicht elektronisch eingereicht wurde.

S beantragte am 25.10.2023 für den Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und machte geltend, es habe sich bei der Klageanbringung durch Tele­fax um eine Ersatzeinreichung gehandelt, da das Kartenlesegerät ausgefallen sei. Gleichzeitig übermittelte S die Klageschrift über das beSt.

Das FG wies die Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2024, 1695 veröffentlichtem Urteil ab. Die Klage sei nicht innerhalb der Klagefrist in der seit dem 01.01.2023 vorgeschriebenen Form erhoben worden und daher unzulässig.

Mit seiner Revision führt der Kläger an, bei Anbringung der Klage nach § 47 Abs. 2 Satz 1 FGO bestehe keine Nutzungspflicht des beSt. Jedenfalls enthalte die Rechtsbehelfsbelehrung hierzu keine gegenteilige Angabe. Zumindest sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des FG vom 29.02.2024 ‑ 13 K 1318/23 aufzuheben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverwei­sen.

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Die Vorentscheidung entspricht Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Das FG hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen. Die Klage wurde innerhalb der Klagefrist nicht in der hierfür gesetzlich vorgeschriebenen Form erhoben (dazu unter 1.). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war nicht zu gewähren (dazu unter 2.).

1. Der Kläger hat die Klage innerhalb der Klagefrist nicht in der seit dem 01.01.2023 vorgeschriebenen Form erhoben. Die Klage war als elektronisches Dokument und nicht per Telefax zu übermitteln (dazu unter a). Dies gilt unbe­schadet dessen, dass die Klage nicht unmittelbar beim FG erhoben, sondern beim FA angebracht wurde (dazu unter b). Auf die gesetzliche Möglichkeit, die Klage ausnahmsweise in Papier (als Telefax) einreichen zu können, kann sich der Kläger nicht berufen (dazu unter c). Mangels unrichtig erteilter Rechtsbe­helfsbelehrung verlängerte sich die Klagefrist nicht (dazu unter d).

a) Die für den Kläger prozessual agierende S war verpflichtet, die Klage als elektronisches Dokument zu übermitteln.

aa) Gemäß § 64 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Klage beim Gericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben. Davon ab­weichend sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts ein­schließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zu­sammenschlüsse eingereicht werden, nach § 52d Satz 1 FGO als elektroni­sches Dokument zu übermitteln. Gleiches gilt nach § 52d Satz 2 FGO für die nach diesem Gesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung steht. Gemäß § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 253 Abs. 4 der Zivilprozessordnung sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 27.04.2022 ‑ XI B 8/22, Rz 8, sowie vom 15.05.2024 ‑ VII R 26/22, Rz 16; Brandis in Tipke/Kruse, § 52d FGO Rz 5).

Für die in § 62 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO genannten, in das Steuerberater­verzeichnis (vgl. § 86b des Steuerberatergesetzes ‑‑StBerG‑‑) eingetragenen Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nr. 2 (i.V.m. § 49) StBerG steht seit dem 01.01.2023 ein sicherer Übermittlungsweg im Sinne des § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO ‑‑das beSt‑‑ zur Verfügung. Der BFH hat bereits mehrfach entschieden, dass Steuerberater und Steuerberatungsgesellschaften seit dem 01.01.2023 verpflichtet sind, das beSt zu nutzen (vgl. u.a. BFH-Beschlüsse vom 28.04.2023 ‑ XI B 101/22, BFHE 279, 523, BStBl II 2023, 763, Rz 13 ff.; vom 11.08.2023 ‑ VI B 74/22, Rz 8 ff.; vom 31.10.2023 ‑ IV B 77/22, Rz 4 ff.; vom 23.01.2024 ‑ IV B 46/23, Rz 5). Diese Verpflichtung stellt das Bundesver­fassungsgericht in seinem Beschluss vom 23.06.2025 ‑ 1 BvR 1718/24 nicht grundsätzlich in Frage.

bb) Nach Maßgabe dieser Grundsätze war S als eine in das bei der Bundes­steuerberaterkammer nach § 86b StBerG geführte amtliche Steuerberaterver­zeichnis eingetragene Berufsausübungsgesellschaft (§ 49 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StBerG) grundsätzlich verpflichtet, zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Juni 2023 das beSt zu nutzen.

b) Der Umstand, dass S die Klage grundsätzlich fristwahrend nach § 47 Abs. 2 Satz 1 FGO beim FA angebracht hat, entpflichtete sie nicht, die nach § 52d Satz 2 i.V.m. § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO gebotenen formalen Anforderun­gen einzuhalten. Dies ergibt sich zwar nicht ohne Weiteres aus dem Wortlaut des Normgefüges (dazu unter aa), allerdings aus dem Sinn und Zweck sowie dem systematischen Kontext des § 47 Abs. 2 FGO (dazu unter bb) und dem Willen des Gesetzgebers zur Förderung der verpflichtenden elektronischen Kommunikation in einem gerichtlichen Verfahren (dazu unter cc). § 11 Abs. 2 Satz 2 der Steuerberaterplattform- und ‑postfachverordnung (StBPPV) steht dem nicht entgegen (dazu unter dd).

aa) Der Wortlaut der betroffenen Normen spricht weder eindeutig für noch ge­gen eine Pflicht, eine Klage, die abweichend zu § 64 Abs. 1 Satz 1 FGO durch einen Steuerberater bei einer Finanzbehörde angebracht wird, nach § 52d Satz 2, § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO elektronisch zu übermitteln.

Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 FGO gilt die Frist für die Erhebung der Klage als gewahrt, wenn die Klage bei der Behörde, die den angefochtenen Verwal­tungsakt oder die angefochtene Entscheidung erlassen oder den Beteiligten bekannt gegeben hat oder die nachträglich für den Steuerfall zuständig ge­worden ist, innerhalb der Frist angebracht oder zu Protokoll gegeben wird. Formalanforderungen für die Klageanbringung enthält § 47 Abs. 2 FGO nicht. Insbesondere findet sich dort keine Bezugnahme auf § 52d Satz 2 und § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO. Dass die letztgenannte Vorschrift als sicheren Über­mittlungsweg nur denjenigen zur elektronischen Poststelle "des Gerichts" und nicht auch einen solchen zur elektronischen Poststelle "der Behörde" benennt, ist unerheblich. § 52a FGO ist auf die elektronische Kommunikation zwischen den Beteiligten und dem Gericht zugeschnitten und verhält sich nicht zu den entsprechenden Wegen zwischen dem Kläger und der Finanzbehörde. Zudem lässt sich § 52d Satz 2 FGO keine ausdrückliche Einschränkung entnehmen, dass die Pflicht zur elektronischen Übermittlung nur bei einer Klageerhebung unmittelbar beim Finanzgericht gelten soll.

bb) Sinn und Zweck des § 47 Abs. 2 FGO sowie dessen systematischer Kon­text sprechen eindeutig dafür, die Anbringung einer Klage bei der Finanzbe­hörde den formalen Anforderungen des § 52d Satz 2, § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zu unterwerfen.

aaa) § 47 Abs. 2 Satz 1 FGO dient allein der Fristwahrung (vgl. BFH-Urteil vom 26.04.1995 ‑ I R 22/94, BFHE 177, 237, BStBl II 1995, 601, unter II.3.c). Die Vorschrift will im Interesse des Klägers den Zugang zum Gericht erleichtern (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, § 47 FGO Rz 8; Gräber/Teller, Finanzgerichtsord­nung, 9. Aufl., § 47 Rz 19). Dem Kläger soll die Ausnutzung der Klagefrist oh­ne Kürzung um die Zeit der Postbeförderung zum regelmäßig auswärtigen Ge­richt bei gleichzeitiger Vermeidung der Risiken bei der Postbeförderung ermög­licht werden, indem er die Klage in den Briefkasten des in der Regel näher ge­legenen Finanzamt einwerfen kann. Der Behörde kommt insoweit die Funktion einer Art Empfangsbevollmächtigten für das Finanzgericht zu (vgl. BFH-Urteil vom 26.04.1995 ‑ I R 22/94, BFHE 177, 237, BStBl II 1995, 601, unter II.3.a und e; ebenso FG Münster, Urteil vom 26.04.2017 ‑ 7 K 2792/14 E, unter I.1.: "Quasi-Briefkasten" des Gerichts). Der Regelungsgehalt des § 47 Abs. 2 Satz 1 FGO betrifft somit nicht die Klageerhebung, sondern beschränkt sich auf die Fristwahrung für eine erst noch zu erhebende Klage (BFH-Urteil vom 26.04.1995 ‑ I R 22/94, BFHE 177, 237, BStBl II 1995, 601, unter II.3.a).

bbb) Demzufolge ist es konsequent, dass § 47 Abs. 2 Satz 1 FGO keine zu § 64 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 FGO ("schriftlich") und § 52d Satz 1 und 2 FGO ("als elektronisches Dokument") abweichende Bestimmung über die Form der bei der Behörde anzubringenden Klageschrift enthält. Dieses Normver­ständnis liegt auch der bisherigen finanzgerichtlichen Rechtsprechung zugrun­de, wonach die Klageanbringung beim Finanzamt nicht zur Befreiung von den Formal­anforderungen des § 52a FGO führt (vgl. FG Münster, Urteil vom 26.04.2017 ‑ 7 K 2792/14 E, unter I.1. [Anbringung über elster]; FG Hamburg, Urteil vom 22.01.2019 ‑ 2 K 212/18, Rz 8, sowie FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 02.05.2019 ‑ 7 K 7019/19, juris, Rz 7 [jeweils Anbringung durch einfache E-Mail]; ebenso Brandis in Tipke/Kruse, § 47 FGO Rz 8, § 52a FGO Rz 3; Gräber/Teller, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 47 Rz 22; Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 47 FGO Rz 159; von Beckerath in Gosch, § 47 FGO, Rz 164). Gerade die der Finanzbehörde in den Fällen des § 47 Abs. 2 FGO zukommende Funktion einer Art Empfangsbevollmächtigten für das Ge­richt ("Quasi-Briefkasten") muss zur Folge haben, dass für die beiden alterna­tiven Wege der Klageerhebung (beziehungsweise ‑anbringung) identische For­malanforderungen gelten.

ccc) Daher ist die seit dem 01.01.2023 geltende Nutzungspflicht des beSt auch bei einer Klageanbringung beim Finanzamt zu befolgen. Der Zweck des § 47 Abs. 2 FGO gebietet es gerade nicht, den Berufsträger von seiner Pflicht zur elektro­nischen Übermittlung der Klageschrift zu befreien. Vielmehr ist dieser aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden elektronischen Infrastruktur auf die be­zweckte Erleichterung, die Postlaufzeit nicht berücksichtigen zu müssen, nicht mehr angewiesen.

cc) Dies entspricht dem Willen des Gesetzgebers, mit § 52a, § 52d FGO die verpflichtende elektronische Kommunikation durch "professionelle Verfahrens­beteiligte" umfassend zu regeln und nicht länger an der freiwilligen elektroni­schen Kommunikation festzuhalten (vgl. BTDrucks 17/12634, S. 27, 37 f.). Diesem Willen steht entgegen, § 52d FGO im Rahmen des § 47 Abs. 2 FGO nicht zu beachten. Zum einen wäre die Verpflichtung zur elektronischen Über­mittlung leicht zu umgehen, wenn insoweit formfrei Klage erhoben werden könnte (in diesem Sinne auch Breckwoldt, EFG 2024, 1422, 1423). Zum ande­ren würde die mit der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs intendier­te Vereinfachung des Finanzgerichtsprozesses (BTDrucks 17/12634, S. 38), die auch der Rechtsschutzgarantie (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes) und Verfahrensbeschleunigung dient, in Frage gestellt. Denn ohne eine auch in Fällen des § 47 Abs. 2 FGO geltende Pflicht zur elektronischen Übermittlung ginge der Klageschriftsatz ohne den nach § 52a Abs. 2 Satz 2 FGO i.V.m. § 2 Abs. 3 der Elektronischen-Rechtsverkehr-Verordnung vorgesehenen strukturierten maschinenlesbaren Datensatz --den XJustiz-Datensatz-- beim Finanzgericht ein. Die hiermit einhergehenden Vereinfachungen und Effizienzsteigerungen im ge­richtlichen Verfahren durch ein maschinelles Einlesen von Metadaten (zum Beispiel Prozessbeteiligte, Anschriften, Safe-IDs, Klagegegenstand) gingen verloren. Darüber hinaus käme es zu nicht gewollten Medienbrüchen (vgl. BTDrucks 17/12634, S. 27). Dies wäre selbst dann der Fall, wenn das Finanzamt einen in Papierform eingegangenen Klageschriftsatz einscannen und auf einem si­cheren Übermittlungsweg im Sinne von § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO an das Finanzgericht weiterleiten würde.

dd) Gegen eine Nutzungspflicht des beSt im Fall der Klageanbringung beim Finanzamt spricht schließlich nicht die Regelung in § 11 Abs. 2 Satz 2 StBPPV. Hiernach gilt die in Satz 1 der Vorschrift genannte ‑‑über ein gerichtliches Verfahren hi­nausgehende‑‑ Verwendungsmöglichkeit des beSt nicht für die Kommunikation mit der Finanzverwaltung, soweit diese ein anderes sicheres elektronisches Verfahren für die Übermittlung von Nachrichten und Dokumenten zur Verfü­gung stellt. § 11 Abs. 2 Satz 2 StBPPV regelt lediglich den das Steuerverwal­tungsverfahren betreffenden elektronischen Austausch zwischen einem Steu­erberater und der Finanzverwaltung. Das finanzgerichtliche Verfahren wird da­von nicht berührt.

ee) Nach diesen Grundsätzen verstieß die Anbringung der Klage durch das an das FA gerich-tete Telefax vom 28.06.2023 gegen die Formvorgaben des § 52d Satz 1 und 2 FGO.

c) Der Kläger hat die Klage nicht wirksam ersatzweise in Papierform einge­reicht.

aa) Nach § 52d Satz 3 FGO bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vor­schriften zulässig, wenn dem nutzungsverpflichteten Einreicher eine Übermitt­lung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Die vorüber­gehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nach­zureichen (§ 52d Satz 4 FGO).

§ 52d Satz 3 FGO greift bei technischen Problemen im Rahmen der Verwen­dung des vollständig eingerichteten beSt ein. In einem solchen Fall ist die vo­rübergehende Unmöglichkeit bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich da­nach glaubhaft zu machen. "Unverzüglich" bedeutet ohne schuldhaftes Zö­gern; der Zeitraum hierfür ist eng zu fassen. Zur Glaubhaftmachung gehört ei­ne Schilderung der tatsächlichen Umstände, die eine vorübergehende techni­sche Unmöglichkeit rechtfertigen können (vgl. BFH-Beschluss vom 23.01.2024 ‑ IV B 46/23, Rz 9).

bb) Diese Anforderungen werden im Streitfall nicht erfüllt. Der Senat kann of­fenlassen, ob S eine vorübergehende, auf technischen Gründen beruhende Un­möglichkeit einer Klageanbringung über das beSt überhaupt glaubhaft ge­macht hat. Selbst wenn dies so wäre, fehlte es an einer Unverzüglichkeit. Denn das FG hat bereits mit Schreiben vom 17.07.2023 mitgeteilt, dass die Klage nicht den Erfordernissen des § 52d FGO genüge. S hat aber weder bei der Telefax-Übermittlung der Klage am 28.06.2023 noch unverzüglich danach technische Probleme bei der Nutzung des beSt glaubhaft gemacht. Das erst­malige Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag vom 25.10.2023 ist nicht un­verzüglich im Sinne des § 52d Satz 4 FGO. Es überschreitet den insoweit zu­lässigen Zeitraum ‑‑wie das FG zutreffend erkannt hat‑‑ bei weitem.

d) Die Rechtsbehelfsbelehrung war nicht fehlerhaft, sodass sich die Frist zur Erhebung der Klage nicht auf ein Jahr nach Bekanntgabe der Einspruchsent­scheidung verlängerte.

aa) Gemäß § 55 Abs. 1 FGO beginnt die Frist für einen Rechtsbehelf nur zu laufen, wenn der am Verfahren Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Behörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz (der Behörde oder des Gerichts) und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elek­tronisch belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig er­teilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Be­kanntgabe im Sinne des § 54 Abs. 1 FGO zulässig, es sei denn, dass die Einle­gung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder ei­ne schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, dass ein Rechts­behelf nicht gegeben sei (§ 55 Abs. 2 Satz 1 FGO).

Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist unrichtig erteilt, wenn sie in einer der gemäß § 55 Abs. 1 FGO wesentlichen Aussagen unzutreffend beziehungsweise derart unvollständig oder missverständlich gefasst ist, dass hierdurch ‑‑bei objektiver Betrachtung‑‑ die Möglichkeit zur Fristwahrung gefährdet erscheint (vgl. BFH-Urteil vom 28.04.2020 ‑ VI R 41/17, BFHE 268, 500, BStBl II 2020, 531, Rz 16). Ob dies der Fall ist, bestimmt sich danach, wie der Erklärungsempfän­ger die Rechtsbehelfsbelehrung oder ergänzende Angaben nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der ihm bekannten Umstände verstehen musste (BFH-Beschluss vom 02.02.2024 ‑ VI B 13/23, Rz 6).

Das Gesetz verlangt keine Belehrung über die einzuhaltende Form der Klage­erhebung. Insbesondere zählt ein Hinweis auf die für bestimmte Vertretungs­berechtigte geltende Verpflichtung, eine Klage und ihre Begründung aus­schließlich als elektronisches Dokument zu übermitteln (§ 52d FGO), nicht zu den nach § 55 Abs. 1 FGO zwingend vorgeschriebenen Angaben einer Rechts­behelfsbelehrung. Enthält eine solche Belehrung (auch) nicht zwingend vorge­schriebene Angaben, müssen diese allerdings richtig, vollständig und unmiss­verständlich dargestellt werden (vgl. BFH-Beschluss vom 02.02.2024 ‑ VI B 13/23, Rz 9 f.).

bb) Nach diesen Maßstäben hat das FG zutreffend entschieden, dass die Rechtsbehelfsbelehrung des FA vollständig, zutreffend und nicht missverständ­lich war.

aaa) Die Rechtsbehelfsbelehrung in der Einspruchsentscheidung vom 30.05.2023 enthält die Angabe, die Klage sei "schriftlich oder als elektroni­sches Dokument einzureichen oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Ge­schäftsstelle" zu erklären. Ferner heißt es dort, die Frist für die Erhebung der Klage gelte als gewahrt, wenn die Klage bei dem FA innerhalb der Frist ange­bracht oder zu Protokoll gegeben wird. Abschließend wird ergänzt: "Die Vo­raussetzungen zur elektronischen Einreichung regelt § 52a der Finanzgerichts­ordnung (FGO). Zur verpflichtenden Übermittlung elektronischer Dokumente siehe § 52d FGO."

bbb) Diese (ergänzenden) Angaben lassen die Rechtsbehelfsbelehrung bei ob­jektiver Betrachtung nicht missverständlich erscheinen. Der dortige Hinweis zur fristwahrenden Anbringung der Klage beim FA enthält für sich betrachtet keine Aussagen zu den Formalanforderungen. Die bloße Wiedergabe des Ge­setzeswortlauts des § 47 Abs. 2 Satz 1 FGO durfte S nicht dahin verstehen, dass die Klage abweichend zu § 52d FGO auch durch Telefax beim FA hätte angebracht werden können. Denn jedenfalls durch den abschließenden Hin­weis auf die Verpflichtung zur elektronischen Kommunikation nach § 52a, § 52d FGO erscheint das vom Kläger behauptete (Miss‑)Verständnis der in der Rechtsbehelfsbelehrung gewählten Formulierungen in dem Sinne, es habe S freigestanden, die Klage beim FA elektronisch, per Telefax oder schriftlich an­zubringen, ausgeschlossen. Ein ausdrücklicher Hinweis, dass die verpflichtende elektronische Kommunikation auch bei der Anbringung der Klage beim FA gilt, war nicht erforderlich. Es besteht keine Veranlassung, bei nicht zwingenden Angaben höhere Anforderungen an die Detailliertheit der Rechtsbehelfsbeleh­rung zu stellen als bei solchen, die notwendiges Element der Rechtsbehelfsbe­lehrung sind (vgl. BFH-Beschlüsse vom 28.04.2015 ‑ VI R 65/13, Rz 15, sowie vom 21.05.2021 ‑ II S 5/21 (PKH), Rz 20).

2. Dem Kläger war keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 Abs. 1 FGO zu gewähren. Dies ergibt sich bereits daraus, dass er seine hierfür bestehenden gesetzlichen Obliegenheiten nicht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist nach Wegfall des Hindernisses (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO) erfüllt hat. Spä­testens mit Zugang des Schreibens des FG vom 17.07.2023 war S, dessen Verschulden sich der Kläger zurechnen lassen muss (vgl. BFH-Beschluss vom 15.05.2019 ‑ XI R 14/17, Rz 7), das Erfordernis, die Klage elektronisch zu übermitteln, bekannt. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde erst am 25.10.2023 und damit weit außerhalb der vorgenannten Frist beim FG be­antragt. Gleiches gilt für die zum selben Zeitpunkt erstmals elektronisch über­mittelte Klageschrift.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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