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BFH: Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs vor Zugang des Registrierungsbriefs

  1. Der Senat verfolgt seine Auffassung, die maßgebenden gesetzlichen Best­immungen zum besonderen elektronischen Steuerberaterpostfach (beSt) seien dahingehend auszulegen, dass dieses Postfach dem einzelnen Steuerberater erst dann zur Verfügung stehe, wenn er den für die Erstanmeldung zu diesem Postfach erforderlichen Registrierungsbrief erhalten habe, nicht weiter.
  2. Wenn ein Steuerberater vor Zugang des Registrierungsbriefs eine Klage im Einklang mit den entsprechenden Hinweisen der Bundessteuerberaterkammer nicht über das beSt erhebt, liegt zwar grundsätzlich ein Wiedereinsetzungs­grund im Sinne von § 56 der Finanzgerichtsordnung vor (Beschluss des Bun­desverfassungsgerichts vom 23.06.2025 ‑ 1 BvR 1718/24, Deutsches Steuer­recht ‑‑DStR‑‑ 2025, 1698 = SIS 25 10 61; Senatsurteil vom 06.08.2025 ‑ X R 13/23, DStR 2025, 2080 = SIS 25 12 76). Jedoch setzt auch in einem solchen Fall die Gewährung von Wie­dereinsetzung in den vorigen Stand die Nachholung der versäumten Rechts­handlung innerhalb der für die Stellung des Wiedereinsetzungsantrags gelten­den Frist voraus.

FGO § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, § 52d Satz 2, § 56 Abs. 2 Satz 3

BFH-Urteil vom 1.10.2025, X R 31/23 (veröffentlicht am 20.11.2025)

Vorinstanz: Niedersächsisches FG vom 25.4.2023, 3 K 22/23 (EFG 2023, 1088 = SIS 23 10 63)

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 2018 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Im Einspruchsverfahren war das Besteuerungsrecht für Einkünfte des ‑‑in der Bundesrepublik Deutsch­land unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen‑‑ Klägers aus einer aus den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) gezahlten Leibrente so­wie die Anwendbarkeit des Progressionsvorbehalts auf zwei ebenfalls aus den USA gezahlte Versorgungsbezüge streitig.

Die Kläger wurden seinerzeit durch eine Steuerberatungs-GmbH (S) vertreten. S erhob am 19.02.2023 per Telefax Klage. Nachdem das Finanzgericht (FG) am 01.03.2023 auf die Vorschrift des § 52d Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hingewiesen hatte, erklärte S mit einem erneut per Telefax übermittel­ten Schreiben vom 09.03.2023, die Bundessteuerberaterkammer (BStBK) ha­be ihr den Registrierungsbrief für die Erstanmeldung zum besonderen elektro­nischen Steuerberaterpostfach (beSt) noch nicht übersandt. Noch am selben Tage kam es zu einem Telefongespräch zwischen dem Berichterstatter des FG und einer für S tätigen Person; dabei wies der Berichterstatter auf die Möglich­keit der "Fast Lane" hin und vertrat die Auffassung, S habe nicht unverzüglich mitgeteilt, weshalb die Klage per Telefax erhoben worden sei.

Ausweislich der im Revisionsverfahren vorgelegten Unterlagen ging der von der BStBK auf den 06.04.2023 datierte Registrierungsbrief am 12.04.2023 bei S ein. Gleichwohl übermittelte S auch am 19.04.2023 nochmals per Telefax ein Schreiben an das FG, mit dem sie zur Frage der Zulässigkeit der Klage Stellung nahm.

Das FG sah die Klage als unzulässig an (Entscheidungen der Finanzgerichte 2023, 1088). Für die in § 52d Satz 2 FGO angeordnete aktive Nutzungspflicht komme es nicht darauf an, ob dem einzelnen Steuerberater bereits der per­sönliche Registrierungsbrief vorgelegen habe. Entscheidend sei vielmehr, dass die digitale Infrastruktur des beSt vollumfänglich und funktionstüchtig zur Ver­fügung gestanden hätte. Dies sei zum 01.01.2023 der Fall gewesen. Jedem Steuerberater habe zudem das vorgezogene Registrierungsverfahren ("Fast Lane") zur Verfügung gestanden. Der Anwendungsbereich der Ausnahmerege­lung des § 52d Satz 3 FGO sei nicht eröffnet, da es sich nicht um eine vorü­bergehende Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung aus technischen Gründen handele.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren, da die unter­bliebene Nutzung der "Fast Lane" als Verschulden anzusehen sei. Die Äuße­rungen der BStBK seien nicht geeignet, das Verschulden auszuschließen, da ihnen durch den Bundesfinanzhof (BFH) und die Literatur frühzeitig widerspro­chen worden sei.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger, das FG habe schon den Wortlaut des § 52d Satz 2 FGO unzutreffend angewendet. Danach müsse ein sicherer Übermitt­lungsweg "zur Verfügung stehen". Daran fehle es hier.

Die Einrichtung und der Betrieb des beSt einschließlich der persönlichen Nut­zerkonten falle in die Verantwortung der BStBK. Diese handele insoweit als Hoheitsträgerin, nicht aber als Erfüllungsgehilfin des einzelnen Steuerberaters. Dass die Registrierungsbriefe erst nach dem 01.01.2023 versandt worden sei­en, sei daher dem betroffenen Steuerberater nicht zuzurechnen. Der Verweis auf die "Fast Lane" gefährde den Anspruch auf effektiven Rechtsschutz. Denn es seien Fälle denkbar, in denen ein Steuerberater erst unmittelbar vor Frist­ablauf beauftragt werde, Klage zu erheben. Habe dieser Steuerberater den Re­gistrierungsbrief zu diesem Zeitpunkt noch nicht erhalten, sei auch die "Fast Lane" zur Fristwahrung nicht geeignet. Dies mache eine wirksame Klageerhe­bung ‑‑nach der vom FG vertretenen Auslegung‑‑ unmöglich, was gegen Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes verstoße.

Zudem habe die für S zuständige Steuerberaterkammer Köln in ihren Kam­mermitteilungen für das 4. Quartal 2022 erklärt: "Bitte beachten Sie, dass Sie erst mit Erhalt des Registrierungsbriefs der BStBK dazu verpflichtet sind, Ihr beSt zu nutzen. Diese Briefe werden ab Januar 2023 in mehreren Tranchen verschickt, bis April 2023 sollen alle Berufsträger angeschrieben sein."

Hilfsweise sei von einer vorübergehenden technischen Unmöglichkeit (§ 52d Satz 3 FGO) auszugehen.

Die Kläger beantragen sinngemäß,
das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung vom 17.01.2023 auf­zuheben und den Einkommensteuerbescheid 2018 vom 31.03.2020 dahinge­hend zu ändern, dass "die sonstigen Einkünfte des Klägers aus Renten nicht dem Progressionsvorbehalt" unterworfen werden und die Einkommensteuer auf 4.514 € herabgesetzt wird.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt) beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Es hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.

Die Kläger haben die Klagefrist versäumt, da S verpflichtet gewesen wäre, die Klageschrift unter Beachtung des § 52d FGO zu übermitteln (dazu unten 1.). Den Klägern kann ‑‑trotz eines vorliegenden Wiedereinsetzungsgrundes‑‑ we­gen unterbliebener Nachholung der versäumten Rechtshandlung auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden (unten 2.).

1. Die Klage ist nicht innerhalb der Monatsfrist des § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO formgerecht beim FG eingegangen, weil S die Anforderungen des § 52d FGO nicht beachtet hat.

a) Nach der BFH-Rechtsprechung stand allen Steuerberatern das beSt seit dem 01.01.2023 im Sinne des § 52d Satz 2 FGO "zur Verfügung", auch wenn sie den Registrierungsbrief mit den für sie bestimmten Zugangsdaten noch nicht erhalten hatten.

aa) Beginnend mit dem am 04.05.2023 veröffentlichten BFH-Beschluss vom 28.04.2023 ‑ XI B 101/22 (BFHE 279, 523, BStBl II 2023, 763) haben ‑‑soweit Entscheidungen veröffentlicht sind‑‑ jedenfalls der I., II., IV., VI., VIII., IX. und XI. Senat des BFH die Auffassung vertreten, dass allen Steuerberatern ‑‑unabhängig von einem späteren Datum des Zugangs des für sie bestimmten Registrierungsbriefs‑‑ bereits seit dem 01.01.2023 ein sicherer Übermittlungs­weg nach § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung gestanden habe (ebenso BFH-Beschlüsse vom 11.08.2023 ‑ VI B 74/22, BFH/NV 2023, 1221; vom 31.10.2023 ‑ IV B 77/22, BFH/NV 2024, 20; vom 16.01.2024 ‑ VIII B 141/22, BFH/NV 2024, 405; vom 02.02.2024 ‑ IX B 26/23, BFH/NV 2024, 415; vom 13.03.2024 ‑ I B 28/23 und vom 08.05.2024 ‑ II R 3/23, BFH/NV 2024, 804, Rz 16). Die BStBK sei ihrer gesetzlichen Verpflichtung durch Einrichtung der Steuerberaterplattform und der beSt-Infrastruktur frist­gerecht nachgekommen. Als Reaktion auf die technischen Anlaufschwierigkei­ten habe die BStBK ein sogenanntes "Fast Lane"-Verfahren eingerichtet und damit jedenfalls denjenigen Steuerberatern, die finanzgerichtliche Verfahren führten, auch tatsächlich den rechtzeitigen Zugang zum beSt eröffnet.

Zwar wird nicht in allen der vorstehend zitierten Entscheidungen ausdrücklich mitgeteilt, wann der Registrierungsbrief dem jeweiligen Steuerberater zuge­gangen war und ob dieser Zeitpunkt vor oder nach der Übermittlung des von § 52d Satz 1 FGO erfassten Schriftsatzes lag. Die genannten Senate des BFH lassen aber erkennen, dass sie Prozesserklärungen von Steuerberatern, die nach dem 31.12.2022 abgegeben wurden, auch dann als unwirksam ansehen, wenn dem jeweiligen Steuerberater der Registrierungsbrief noch nicht zuge­gangen sein sollte.

bb) Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat sich bisher in drei veröffent­lichten Kammerentscheidungen mit dieser BFH-Rechtsprechung befasst.

(1) In einer nicht tragenden Erwägung des Nichtannahmebeschlusses vom 20.08.2024 ‑ 1 BvR 1409/24 (Rz 2) hat das BVerfG zunächst Folgendes aus­geführt: "Soweit sich die Beschwerdeführer dagegen wenden, dass der Bun­desfinanzhof einen sicheren Übermittlungsweg im Sinne des § 52d Satz 2 FGO ungeachtet der fehlenden individuellen Nutzungsmöglichkeit des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt) bereits ab dem 1. Januar 2023 bejaht hat, ist eine Verletzung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG nicht ausgeschlossen. Auch ist verfassungsrechtlich nicht unbedenklich, Wiedereinsetzungsgründe unter Verweis auf das Fast-Lane-Ver­fahren zu verneinen."

(2) In einem weiteren Nichtannahmebeschluss vom 23.06.2025 ‑ 1 BvR 2218/23 (Rz 5) hat das BVerfG eine etwas zurückhaltendere Formulie­rung gewählt: "Ob das aus Art. 19 Abs. 4 GG folgende Recht der Beschwerde­führer auf effektiven Rechtsschutz dadurch verletzt ist, dass der Bundesfinanz­hof einen sicheren Übermittlungsweg im Sinne des § 52d Satz 2 FGO ungeach­tet der fehlenden individuellen Nutzungsmöglichkeit des beSt bereits ab dem 1. Januar 2023 bejaht und Wiedereinsetzungsgründe unter Verweis auf das 'Fast-Lane'-Verfahren verneint hat, braucht nicht entschieden zu werden, da die Verfassungsbeschwerde aus anderen Gründen unzulässig ist."

(3) Im stattgebenden BVerfG-Beschluss vom 23.06.2025 ‑ 1 BvR 1718/24 (Deutsches Steuerrecht ‑‑DStR‑‑ 2025, 1698) heißt es, das dortige klageab­weisende Urteil verletze das Gebot effektiven Rechtsschutzes "jedenfalls des­halb", weil das FG mit der gegebenen Begründung den Antrag auf Wiederein­setzung nicht hätte ablehnen dürfen (Rz 14). Die Entscheidung schließt, soweit sie sich mit dem dort angegriffenen FG-Urteil befasst, mit dem Hinweis (Rz 21): "Offen bleiben kann damit, ob der Beschwerdeführer eine Verfas­sungswidrigkeit der von dem Finanzgericht vertretenen Auslegung von § 52d Satz 2 FGO, dass eine Nutzungspflicht (trotz fehlender flächendeckender rechtzeitiger Einrichtung der beSt für die Steuerberaterinnen und ‑berater) in­folge der bestehenden Möglichkeit einer im Einzelfall möglichen 'Fast Lane'-Einrichtung mit Art. 19 Abs. 4 GG zu vereinbaren ist (vgl. bereits BVerfG, Be­schluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 20. August 2024 ‑ 1 BvR 1409/24, Rn. 3), hinreichend substantiiert gerügt hat."

cc) Der erkennende Senat hätte sich ‑‑mit den Klägern‑‑ im Hinblick auf den Wortlaut des § 52d Satz 2 FGO ("zur Verfügung steht") und die verfassungs­rechtlichen Gewährleistungen der Ansprüche auf effektiven Rechtsschutz und Gewährung rechtlichen Gehörs auch vorstellen können, die maßgeblichen Be­stimmungen dahingehend auszulegen, dass das beSt dem einzelnen Steuerbe­rater erst dann zur Verfügung steht, wenn er den Registrierungsbrief tatsäch­lich erhalten hat. Im Hinblick auf die angeführten Entscheidungen zahlreicher BFH-Senate und den Umstand, dass das BVerfG bisher nicht eindeutig hat er­kennen lassen, dass den verfassungsrechtlichen Anforderungen durch eine entsprechende Auslegung des § 52d Satz 2 FGO Rechnung zu tragen ist, son­dern den Weg über die Wiedereinsetzungsregelung gewiesen hat, verfolgt der Senat diesen Ansatz jedoch nicht weiter.

b) Ebenso hat der Senat in seinem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 06.08.2025 ‑ X R 13/23 (DStR 2025, 2080, Rz 41) geäußert, dass er seine ‑‑in nicht entscheidungstragenden Erwägungen des Beschlusses vom 17.04.2024 ‑ X B 68, 69/23 (BFHE 284, 237, Rz 19 ff.) vertretene‑‑ Auffassung, die Steuer­beraterplattform- und ‑postfachverordnung sei aus formellen Gründen unwirk­sam, nicht weiterverfolgt.

c) Die Kläger berufen sich darüber hinaus auf § 52d Satz 3 FGO. Danach bleibt eine Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, wenn eine elek­tronische Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Der BFH hat den verspäteten Versand der Registrierungsbriefe allerdings nicht als vorübergehende technische Störung angesehen, sondern als struktu­rellen Mangel, der keinen Rückgriff auf die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften rechtfertige (BFH-Beschluss vom 11.08.2023 ‑ VI B 74/22, BFH/NV 2023, 1221, Rz 24; im Ergebnis ähnlich BFH-Beschluss vom 16.01.2024 ‑ VIII B 141/22, BFH/NV 2024, 405, Rz 12).

d) Im Streitfall gilt die mit einfachem Brief übermittelte Einspruchsentschei­dung vom 17.01.2023 gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung in der bis zum 31.12.2024 geltenden Fassung als am 20.01.2023, einem Freitag, be­kanntgegeben (und trägt auch tatsächlich einen auf diesen Tag datierten Ein­gangsstempel der S). Davon ausgehend endete die einmonatige Klagefrist am 20.02.2023, einem Montag. Als Steuerberatungs-GmbH wird S von § 52d Satz 2 FGO erfasst (vgl. BFH-Urteil vom 25.10.2022 ‑ IX R 3/22, BFHE 278, 21, BStBl II 2023, 267, Rz 15 f.). Die am 19.02.2023 per Telefax übermittelte Klage konnte die Klagefrist nicht wahren, da sie nicht in der gesetzlich vorge­schriebenen Form übermittelt worden ist.

2. Den Klägern kann wegen der Versäumung der Klagefrist auch keine Wieder­einsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.

a) Gemäß § 56 Abs. 1 FGO ist auf Antrag ‑‑nach § 56 Abs. 2 Satz 4 FGO auch ohne Antrag‑‑ Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn je­mand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten steht dem Verschulden des Beteilig­ten gleich (§ 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 155 Satz 1 FGO). Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 FGO). Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind glaubhaft zu machen (§ 56 Abs. 2 Satz 2 FGO). Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (§ 56 Abs. 2 Satz 3 FGO).

b) S hat am 09.03.2023 ‑‑und damit innerhalb der zweiwöchigen Wiederein­setzungsfrist, die mit dem Zugang des gerichtlichen Hinweisschreibens am 01.03.2023 begann‑‑ geltend gemacht, sie sei wegen der bisher unterbliebe­nen Übersendung des für die Erstanmeldung am beSt erforderlichen Registrie­rungsbriefs an der elektronischen Übermittlung gehindert. Später hat sie er­gänzend auf die von der BStBK herausgegebenen Mitteilungen verwiesen, nach denen eine Pflicht zur Nutzung des beSt erst mit dem Erhalt des Regis­trierungsbriefs beginne. Darin liegt nach der Rechtsprechung des BVerfG (Be­schluss vom 23.06.2025 ‑ 1 BvR 1718/24, DStR 2025, 1698) und des erken­nenden Senats (Urteil vom 06.08.2025 ‑ X R 13/23, DStR 2025, 2080) ein hinreichender Wiedereinsetzungsgrund.

c) Allerdings haben die Kläger die versäumte Rechtshandlung nicht innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist nachgeholt. Dies gilt auch dann, wenn der Se­nat den ‑‑ihm erst im Revisionsverfahren unterbreiteten und daher gemäß § 118 Abs. 2 FGO bei förmlicher Betrachtung nicht berücksichtigungsfähigen‑‑ Vortrag der Kläger zugrunde legt, der Registrierungsbrief sei S erst am 12.04.2023 zugegangen.

Wenn der Zeitpunkt, zu dem aus der unverschuldeten Verhinderung eine ver­schuldete Verhinderung wird (hier: mit Zugang des Hinweisschreibens des FG am 01.03.2023), und der Zeitpunkt, zu dem das Hindernis selbst fortfällt (hier: mit Zugang des Registrierungsbriefs am 12.04.2023), sich nicht decken, fallen auch die Fristen für die nach § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO einerseits und nach § 56 Abs. 2 Satz 3 FGO andererseits gebotenen Handlungen auseinander. Sie beginnen gesondert mit dem jeweiligen Ereignis, das deren Vornahme bisher entgegenstand. Ist die Verhinderung nicht mehr als unverschuldet zu betrach­ten, ist der Betroffene gehalten, innerhalb der von diesem Zeitpunkt an ge­rechneten Wiedereinsetzungsfrist seinen Obliegenheiten zur Beseitigung des Hindernisses nachzukommen und möglicherweise auch bereits bei dem Gericht unter entsprechender Glaubhaftmachung die Wiedereinsetzung zu beantragen. Ist schließlich das Hindernis weggefallen, ist er gehalten, die versäumte Rechtshandlung innerhalb der von diesem Zeitpunkt an gerechneten Wieder­einsetzungsfrist nachzuholen (vgl. zum Ganzen ausführlich Senatsurteil vom 06.08.2025 ‑ X R 13/23, DStR 2025, 2080, Rz 20 ff.).

Damit hätte die Erlangung von Wiedereinsetzung vorausgesetzt, dass S inner­halb von zwei Wochen nach Zugang des Registrierungsbriefs die versäumte Rechtshandlung ‑‑die Klageerhebung in wirksamer Form‑‑ nachgeholt hätte. Dies ist jedoch unterblieben, obwohl S sich innerhalb dieser Frist noch zwei Mal an das FG gewandt hat. Sie hat allerdings sowohl ihren Schriftsatz vom 19.04.2023 (der Rechtsausführungen zur Klage enthält) als auch das Emp­fangsbekenntnis vom 26.04.2023 weiterhin per Telefax an das FG übermittelt, obwohl ihr zu diesen Zeitpunkten das beSt bereits zur Verfügung stand.

3. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2, § 121 Satz 1 FGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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