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BFH: Keine neue Zinsfestsetzung nach Übergang von der Zusammen- zur Einzelveranlagung

  1. Der Antrag auf Änderung der Veranlagungsform von Ehegatten ist ein rück­wirkendes Ereignis, so dass für Zwecke der Zinsfestsetzung die in § 233a Abs. 2a, 7 der Abgabenordnung (AO) getroffenen Regelungen anzuwenden sind.
  2. Eine Festsetzung von Nachzahlungszinsen, die ursprünglich aufgrund eines Einkommensteuer-Zusammenveranlagungsbescheids ergangen war, bleibt auch dann unverändert gegenüber beiden Eheleuten bestehen, wenn der Zu­sammenveranlagungsbescheid aufgehoben und durch Einzelveranlagungsbe­scheide ersetzt wird, und zwar auch für den Fall, dass sämtliche Einkünfte allein auf einen der Ehegatten entfallen.
  3. Die rechtlichen Interessen des anderen Ehegatten sind durch die Möglich­keit einer Aufteilung der Gesamtschuld (§§ 268 ff. AO) hinreichend geschützt, da von der Aufteilung grundsätzlich auch die Zinsen erfasst werden (§ 270 i.V.m. § 276 Abs. 4 AO).

AO § 118, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 233a Abs. 2a, 5, 7, § 268, § 278 Abs. 2
EStG § 26a

BFH-Urteil vom 30.7.2025, X R 11/23 (veröffentlicht am 16.10.2025)

Vorinstanz: FG Köln vom 13.10.2022, 14 K 642/21 = SIS 23 03 17

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war in den Streitjahren 2010 bis 2015 noch mit ihrem damaligen Ehemann (E) verheiratet; im Jahr 2022 wurde die Ehe geschieden.

Ursprünglich waren die Klägerin und E in den Streitjahren zur Einkommen­steuer zusammenveranlagt worden. Am 08.03.2019 ergingen gegen die dama­ligen Eheleute geänderte Einkommensteuer-Zusammenveranlagungsbescheide für 2010 bis 2015. Diese beruhten auf einer Steuerfahndungsprüfung, die zu dem Ergebnis gekommen war, E habe in erheblicher Höhe bisher nicht be­kannte Einkünfte aus einem gewerblichen Einzelunternehmen erzielt. Zugleich wurden gegen die damaligen Eheleute Nachzahlungszinsen nach § 233a der Abgabenordnung (AO) festgesetzt, die den Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens bilden.

Die Eheleute legten am 12.03.2019 Einspruch gegen die Änderungsbescheide zur Einkommensteuer ein, beantragten am 15.03.2019 für 2010 bis 2012 die Durchführung von getrennten Veranlagungen und für 2013 bis 2015 Einzelver­anlagungen nach § 26a des Einkommensteuergesetzes und am 10.04.2019 die Aufteilung der Gesamtschuld.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) hob am 08.07.2019 die Einkommensteuer-Zusammenveranlagungsbescheide auf. In den beigefüg­ten Abrechnungen hieß es, die bisherigen Zinsfestsetzungen blieben bestehen. Ebenfalls am 08.07.2019 ergingen gegen die Klägerin und E jeweils gesonder­te Einkommensteuerbescheide für 2010 bis 2015 im Wege der getrennten Veranlagung / Einzelveranlagung. Dabei wurden zugunsten der Klägerin für 2013 aufgrund eines Verlustrücktrags Erstattungszinsen in Höhe von 498 € festgesetzt; im Übrigen nahm das FA anlässlich des Wechsels der Veranla­gungsform keine Zinsfestsetzungen vor.

Die damaligen Eheleute legten gegen die Aufhebungsbescheide zu den frühe­ren Einkommensteuer-Zusammenveranlagungsbescheiden und die beigefügten Abrechnungen am 02.08.2019 Einspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, auch die Zinsbescheide müssten gemäß § 233a Abs. 5 AO geändert werden.

Das FA übersandte den damaligen Eheleuten daraufhin am 11.10.2019 ein mit "Aufhebungsbescheid über die Zinsfestsetzung zur Einkommensteuerfestset­zung 2010 bis 2015 vom 08.03.2019" überschriebenes und mit einer Rechts­behelfsbelehrung versehenes Schreiben. Darin hieß es, aufgrund der am 08.07.2019 vorgenommenen Aufhebung der Einkommensteuer-Zusammen­veranlagungsbescheide seien die Zinsfestsetzungen gemäß § 233a Abs. 5 AO zu ändern. Der sich hieraus ergebende Unterschiedsbetrag sei allerdings erst ab dem 01.04.2021 zu verzinsen (§ 233a Abs. 2a AO). Die bis zum 11.03.2019 festgesetzten Zinsen blieben gemäß § 233a Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 2 AO unverändert bestehen.

Gegen diesen Bescheid legten die damaligen Eheleute ebenfalls Einspruch ein und begehrten, auch die Zinsfestsetzungen zu den aufgehobenen Einkommen­steuer-Zusammenveranlagungsbescheiden aufzuheben und auf der Grundlage der getrennten Veranlagungen / Einzelveranlagungen ‑‑gegen beide Eheleute gesondert‑‑ neu vorzunehmen.

Am 18.03.2020 erließ das FA Aufteilungsbescheide zu den Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer 2010 bis 2015, in denen die rückständigen Beträge allein E zugeordnet wurden.

Das FA hob am 18.12.2020 das als "Aufhebungsbescheid über die Zinsfestset­zung zur Einkommensteuerfestsetzung 2010 bis 2015 vom 08.03.2019" be­zeichnete Schreiben vom 11.10.2019 auf. Zur Begründung führte es aus, je­nes Schreiben sei nicht als Verwaltungsakt, sondern als wiederholende Verfü­gung ohne Regelungscharakter anzusehen, da es lediglich die Erläuterungen in den Abrechnungen zu den Zusammenveranlagungs-Aufhebungsbescheiden vom 08.07.2019 wiederhole, wonach die bisherigen Zinsfestsetzungen beste­hen blieben. Der Einspruch gegen das Schreiben vom 11.10.2019 sei damit er­ledigt. Das Verfahren über den zulässigen Einspruch gegen die Bescheide vom 08.07.2019 werde fortgesetzt.

Diesen Einspruch wies das FA am 19.02.2021 zurück und nahm zur Begrün­dung nochmals auf die Regelungen in § 233a Abs. 2a, Abs. 7 Satz 2 AO Bezug.

Mit der von beiden damaligen Eheleuten gemeinsam erhobenen Klage verfolg­ten diese ihr Begehren auf Aufhebung der Zusammenveranlagungs-Zinsfest­setzungen weiter. Trotz des Aufteilungsbescheids bestehe ein rechtliches Interesse an der Aufhebung der Zinsfestsetzung, da Vermögensübertragungen zwischen den Eheleuten stattgefunden hätten, so dass insoweit gemäß § 278 Abs. 2 AO die Wirkungen der Aufteilung nicht einträten.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage in Bezug auf die Klägerin ab. Es sah das Begehren als Verpflichtungsklage an, die auf Aufhebung der Zusammenveran­lagungs-Zinsbescheide vom 08.03.2019 gerichtet sei, da diese Bescheide nicht mit Einsprüchen angefochten und daher bestandskräftig geworden seien. Der Ausspruch in den Abrechnungsteilen der Aufhebungsbescheide vom 08.07.2019 zu den Zusammenveranlagungs-Einkommensteuerbescheiden, wonach die Zinsfestsetzungen bestehen blieben, sei als wiederholende Verfü­gung ohne Verwaltungsaktqualität anzusehen und daher nicht anfechtbar.

In der Sache selbst habe das FA die Regelungen des § 233a AO zutreffend an­gewendet. Die geänderte Ausübung des Rechts auf Wahl der Veranlagungs­form durch Eheleute sei als rückwirkendes Ereignis anzusehen, so dass § 233a Abs. 2a AO einschlägig sei (Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 12.08.2015 ‑ III B 50/15, BFH/NV 2015, 1670).

Eine teleologische Reduktion des § 233a Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 2 AO, um die Klägerin aus der Zinsschuldnerschaft zu entlassen, komme nicht in Betracht, da das von der Klägerin beanstandete Ergebnis vom Gesetzgeber gewünscht und zweckentsprechend sei. Es sei folgerichtig, dass die Klägerin für den Zeit­raum, in dem sie Schuldnerin der durch die Einkünfte des E ausgelösten Ein­kommensteuer gewesen sei, auch Schuldnerin der Zinsen bleibe.

Mit ihrer Revision vertritt die Klägerin die Auffassung, bei Anwendung des § 233a Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 2 AO sei zwischen den Zinsen im materiell-rechtlichen Sinne ‑‑im Sinne von "Höhe der Zinsen"‑‑ und der verfahrens­rechtlichen Zinsfestsetzung zu differenzieren. Um dem vom FG herangezoge­nen Gesetzeszweck Rechnung zu tragen, genüge es, wenn die Zinshöhe un­verändert bleibe; die Festschreibung auch der Person des Zinsschuldners sei hingegen nicht erforderlich. Die vom FG vorgenommene Auslegung verletze den für das Einkommensteuerrecht fundamentalen Grundsatz der Individual­besteuerung. Die umgekehrte Fallkonstellation, zu der die vom FG zitierte Ent­scheidung des III. Senats des BFH ergangen sei, sei mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar, weil es dort gerade nicht zu einer Entkoppe­lung der Zinsschuldnerstellung von der Steuerschuldnerstellung komme.

Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil, die Einspruchsentscheidung vom 19.02.2021 und die Ablehnungsbescheide vom 08.07.2019 aufzuheben, soweit diese Entscheidun­gen ihr gegenüber ergangen sind, und das FA zu verpflichten, die mit den Ein­kommensteuer-Zusammenveranlagungsbescheiden für 2010 bis 2015 vom 08.03.2019 ergangenen Festsetzungen der Nachzahlungszinsen ihr gegenüber aufzuheben.

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Es hält das finanzgerichtliche Urteil für zutreffend.

Der Senat hat der Klägerin mit Beschluss vom 26.04.2023 ‑ X S 1/23 (PKH) Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt.

II. Die Revision ist zulässig.

Zwar hat die Klägerin die gesetzlichen Fristen zur Einlegung und Begründung der Revision versäumt. Sie war jedoch aufgrund ihrer Mittellosigkeit zunächst unverschuldet nicht in der Lage, eine Revision durch einen Prozessbevollmäch­tigten einlegen und begründen zu lassen. Nach Zustellung des Beschlusses, mit dem ihr PKH bewilligt wurde, hat sie innerhalb der in § 56 der Finanzge­richtsordnung (FGO) genannten Fristen die Revision sowohl eingelegt als auch begründet, so dass ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist (vgl. hierzu auch BFH-Urteil vom 16.04.2015 ‑ III R 54/13, BFHE 249, 507, BStBl II 2016, 25, Rz 13).

III. Die Revision ist allerdings nicht begründet und daher nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.

1. Im Ergebnis zutreffend hat das FG das Begehren der Klägerin als Verpflich­tungsklage angesehen und die Zulässigkeit dieser Klage bejaht.

a) Die ursprünglichen Zusammenveranlagungs-Zinsbescheide vom 08.03.2019 waren bestandskräftig geworden, da die damaligen Eheleute am 12.03.2019 nur gegen die Einkommensteuerbescheide und die Bescheide über die geson­derte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer Einspruch eingelegt hatten, nicht aber gegen die Zinsbescheide. Zu Recht hat das FG ‑‑entgegen der in der Revisionsbegründung vertretenen Auffassung der Klägerin‑‑ die in den am 08.07.2019 ergangenen Abrechnungen zu den Ein­kommensteuerbescheiden 2010 bis 2015 enthaltenen Formulierungen, die bis­herigen Zinsfestsetzungen gemäß § 233a AO blieben bestehen, als wiederho­lende Verfügungen angesehen. Solche wiederholenden Verfügungen sind, da es an einer eigenständigen (neuen) Regelung fehlt, nicht als Verwaltungsakt im Sinne des § 118 AO anzusehen (vgl. BFH-Beschluss vom 20.07.2012 ‑ VI B 21/12, BFH/NV 2012, 1764). Eine Anfechtungsklage kam daher nicht in Betracht.

Die Klägerin hat allerdings, nachdem das FA am 08.07.2019 zwar die Ein­kommensteuer-Zusammenveranlagungsbescheide, nicht aber die entspre­chenden Zinsbescheide aufgehoben hatte, am 02.08.2019 ausdrücklich ‑‑und nicht etwa, wie das FG meint, lediglich bei Vornahme einer über den Wortlaut hinausgehenden Auslegung dieses Schreibens‑‑ die Aufhebung der Zusam­menveranlagungs-Zinsfestsetzungen beantragt. Diesen Aufhebungsantrag hat das FA mit Schreiben vom 11.10.2019 ‑‑wie das FG zutreffend erkannt hat‑‑ abgelehnt. Den hiergegen am 04.11.2019 eingelegten Einspruch der Klägerin hat das FA mit seiner Einspruchsentscheidung vom 19.02.2021 der Sache nach ‑‑auch wenn es davon ausgegangen ist, über einen Einspruch vom 02.08.2019 gegen einen Bescheid vom 08.07.2019 zu entscheiden‑‑ zurück­gewiesen.

b) Die Verpflichtungsklage war ungeachtet dessen zulässig, dass im Anschluss an die streitgegenständlichen Zinsfestsetzungen Aufteilungsbescheide ergan­gen sind, in denen die gegen die damaligen Eheleute als Gesamtschuldner festgesetzten Zinsen vollständig E zugeordnet wurden.

aa) Zum einen ändert dies nichts an der gemäß § 40 Abs. 2 FGO erforderli­chen Beschwer, da die Klägerin unverändert Adressatin der belastenden Zins­bescheide geblieben ist.

bb) Zum anderen ließe sich zwar die Frage aufwerfen, ob es am allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage in Bezug auf die Zinsbescheide fehlen könnte, da die von der Klägerin herbeigeführte Aufteilung der Gesamtschuld und die daraus resultierende vollständige Zuordnung der offenen Beträge zu E als einfacherer Weg zur Erreichung des angestrebten Ziels erscheinen könnte. Indes hat die Klägerin unwidersprochen vorgetragen, es hätten Vermögens­verschiebungen zwischen den Eheleuten stattgefunden, die von § 278 Abs. 2 AO erfasst würden. Damit wären in diesem Umfang die Rechtswirkungen der Aufteilung ausgeschlossen, so dass die Klägerin aus den Zusammenveranla­gungs-Zinsbescheiden weiterhin Gesamtschuldnerin bliebe. Inwieweit die tat­sächlichen Voraussetzungen für eine solche Inanspruchnahme vorliegen könn­ten, bedarf für die Frage, ob die Klage zulässig ist, keiner Klärung (vgl. zum fortbestehenden Rechtsschutzbedürfnis trotz tatsächlicher Unklarheit, ob Zah­lungsverjährung eingetreten ist, BFH-Urteil vom 24.04.1996 ‑ II R 37/93, BFH/NV 1996, 865, unter II.1.).

2. Eine Änderung des bereits ausgeübten Rechts auf Wahl der Veranlagungs­form ist nach feststehender BFH-Rechtsprechung als rückwirkendes Ereignis anzusehen.

a) Ob der nachträglichen Änderung eines Sachverhalts rückwirkende steuerli­che Bedeutung zukommt, bestimmt sich für § 233a Abs. 2a AO ‑‑nicht anders als für § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO‑‑ allein nach dem jeweils einschlägigen materiellen Recht. Maßgebliche Voraussetzung ist die des rückwirkenden Er­eignisses; die verfahrensrechtlichen Erfordernisse des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO müssen hingegen nicht notwendig erfüllt sein (zum Ganzen BFH-Urteil vom 12.07.2017 ‑ I R 86/15, BFHE 259, 200, BStBl II 2018, 138, Rz 15 f.).

b) Zwar stellt die geänderte Ausübung eines Antrags- oder Wahlrechts für sich genommen noch nicht zwingend ein rückwirkendes Ereignis dar (BFH-Urteile vom 12.05.2015 ‑ VIII R 14/13, BFHE 250, 64, BStBl II 2015, 806, Rz 24, und vom 19.01.2022 ‑ X R 32/20, BFHE 276, 9, BStBl II 2022, 617, Rz 51). Davon abweichend sieht jedoch der insoweit zuständige III. Senat des BFH den Wechsel der Veranlagungsart von Ehegatten als rückwirkendes Ereignis an. Dies gilt sowohl für den Wechsel von der getrennten zur Zusammenveranla­gung (BFH-Urteil vom 14.06.2018 ‑ III R 20/17, BFHE 262, 92, BStBl II 2019, 694, Rz 18 f.), und zwar auch für Zwecke der Zinsfestsetzung nach § 233a Abs. 2a, 7 AO (vgl. BFH-Beschluss vom 12.08.2015 ‑ III B 50/15, BFH/NV 2015, 1670, Rz 10 ff.), als auch für den Wechsel von der Zusammenveranla­gung zur getrennten Veranlagung (BFH-Urteil vom 03.03.2005 ‑ III R 22/02, BFHE 209, 454, BStBl II 2005, 690, unter II.2.) oder heute zur Einzelveranla­gung. Der X. Senat schließt sich der Auffassung des III. Senats an.

c) Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses beruht, beginnt der Zinslauf abweichend von § 233a Abs. 2 AO erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Er­eignis eingetreten ist (§ 233a Abs. 2a AO). Die Vorschriften der § 233a Abs. 3, 5 AO gelten dann mit der Maßgabe, dass der ‑‑in § 233a Abs. 3 AO de­finierte‑‑ Unterschiedsbetrag in Teil-Unterschiedsbeträge mit jeweils gleichem Zinslaufbeginn aufzuteilen ist. Für jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen gesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-Unterschiedsbeträge zu berechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem ältesten Zinslaufbeginn (§ 233a Abs. 7 Satz 1 AO). Ergibt sich ein Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen, entfallen auf diesen Be­trag festgesetzte Zinsen frühestens ab Beginn des für diesen Teil-Unter­schiedsbetrag maßgebenden Zinslaufs; Zinsen für den Zeitraum bis zum Be­ginn des Zinslaufs dieses Teil-Unterschiedsbetrags bleiben endgültig bestehen (§ 233a Abs. 7 Satz 2 AO).

Die Regelung des § 233a Abs. 2a AO beruht darauf, dass ein rückwirkendes Ereignis sowohl zugunsten als auch zulasten des Steuerpflichtigen bei der ur­sprünglichen Steuerfestsetzung noch nicht berücksichtigt werden konnte und daher weder der Steuerpflichtige noch das FA vor Eintritt des rückwirkenden Ereignisses einen Liquiditätsvor- oder ‑nachteil erlitten hat, zu dessen Kom­pensation die Regelung des § 233a AO dient. Es erscheint daher nicht als ge­rechtfertigt, einen Nachzahlungs- oder Erstattungsanspruch, soweit er auf ei­nem rückwirkenden Ereignis beruht, schon für den Zeitraum vor Eintritt des rückwirkenden Ereignisses zu verzinsen (so Zweiter Bericht des Finanzaus­schusses zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1997 vom 05.11.1996, BTDrucks 13/5952, S. 56; BFH-Urteil vom 17.02.2010 ‑ I R 52/09, BFHE 229, 1, BStBl II 2011, 340, Rz 14).

3. Im vorliegenden Verfahren ist zwischen den Beteiligten allein streitig, ob in einem Zusammenveranlagungs-Zinsbescheid festgesetzte Zinsen auch dann gegenüber beiden Eheleuten endgültig bestehen bleiben, wenn ‑‑in Umkeh­rung des Sachverhalts, der dem BFH-Beschluss vom 12.08.2015 ‑ III B 50/15 (BFH/NV 2015, 1670) zugrunde lag‑‑ ein Wechsel von der Zusammenveranla­gung zur getrennten Veranlagung beziehungsweise Einzelveranlagung von Ehegatten stattfindet. Diese Frage ist ‑‑mit dem FG‑‑ zu bejahen.

a) Bereits der Gesetzeswortlaut trägt das vom FG gefundene Ergebnis.

In § 233a Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 1 AO ist von einem "Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen" die Rede. "Steuerpflichtige" ist seit der Durchführung der getrennten beziehungsweise Einzelveranlagungen die Kläge­rin. § 233a Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 2 AO ordnet dann an, dass Zinsen für den Zeitraum bis zum Beginn des Zinslaufs dieses Teil-Unterschiedsbetrags end­gültig bestehen bleiben. Zinsen in diesem Sinne sind die in § 233a Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 1 AO genannten "festgesetzten Zinsen".

Da das Veranlagungswahlrecht am 15.03.2019 anderweitig ausgeübt wurde, was das rückwirkende Ereignis darstellt, würde der hierdurch ausgelöste Zins­lauf erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres 2019 ‑‑also am 01.04.2021‑‑ beginnen; sollte Art. 97 § 36 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung hier einschlägig sein, würde der Zinslauf sogar erst am 01.10.2021 beginnen. Die zuvor gegen die Klägerin ‑‑insoweit noch gesamt­schuldnerisch‑‑ festgesetzten Zinsen bleiben nach dem Wortlaut des § 233a Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 2 AO endgültig bestehen.

b) Der Revision ist allerdings zuzugeben, dass die von ihr vertretene rein ma­teriell-rechtliche Auslegung des in § 233a Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 2 AO ver­wendeten Begriffs der "Zinsen" ‑‑im Sinne von "Höhe der Zinsen"‑‑ mit dem Gesetzeswortlaut ebenfalls vereinbar wäre. Bei diesem Verständnis stünde die genannte Norm einer auf die Klägerin beschränkten Aufhebung der verfah­rensrechtlichen Zinsfestsetzung nicht entgegen, sofern nur die Zinsfestsetzung ‑‑und damit die "Höhe der Zinsen"‑‑ gegenüber dem anderen, vormals mit der Klägerin zusammenveranlagten Ehegatten unverändert bestehen bliebe. Eben­so ist der Revision zuzugeben, dass dieses Ergebnis ‑‑nachdem die Klägerin sich für die getrennte Veranlagung / Einzelveranlagung entschieden hat‑‑ je­denfalls vordergründig besser mit dem Grundsatz der Individualbesteuerung vereinbar wäre als die gegenteilige Lösung.

c) Die vom Senat vertretene Auffassung ist allerdings besser mit der Systema­tik der für rückwirkende Ereignisse getroffenen gesetzlichen Regelung und mit dem Normzweck vereinbar.

Denn aus § 233a Abs. 2a AO folgt, dass ein an sich rückwirkendes Ereignis in Bezug auf die Nachzahlungs- und Erstattungszinsen gerade nicht zurückwirken soll. Deshalb entspricht es dem Willen des Gesetzgebers, dass es in Bezug auf die Zinsen bei der zusammengefassten Zinsfestsetzung bleibt, obwohl sich die Eheleute in Bezug auf die Einkommensteuer erfolgreich von der Zusammen­veranlagung haben lösen können, was ‑‑ungeachtet dessen, dass es durch ei­ne freie Willensentscheidung der Steuerpflichtigen herbeigeführt wird‑‑ als rückwirkendes Ereignis angesehen wird.

Zwar ist der Zinsanspruch grundsätzlich akzessorisch zum Steueranspruch (BFH-Urteile vom 25.03.1992 ‑ I R 159/90, BFHE 168, 13, BStBl II 1992, 997, unter II.2., und vom 30.08.2023 ‑ X R 2/22, BFHE 281, 365, BStBl II 2024, 630, Rz 32, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Dieser den §§ 233 ff. AO im Allgemeinen zugrunde liegende Leitmaßstab wird jedoch durch § 233a Abs. 2a AO i.V.m. § 233a Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 2 AO für den hier zu beurtei­lenden Fall des rückwirkenden Ereignisses gerade ausdrücklich durchbrochen.

d) Der Senat tritt der Klägerin zwar in der Einschätzung bei, dass die für rück­wirkende Ereignisse geltenden gesetzlichen Sonderregelungen in § 233a Abs. 2a, 7 AO nicht mit den geltenden Wahlrechten zur Veranlagungs­form von Ehegatten abgestimmt sind und dem Gesetzgeber bei Schaffung der genannten Sonderregelungen möglicherweise die BFH-Rechtsprechung zur Einordnung einer geänderten Ausübung dieses Wahlrechts als rückwirkendes Ereignis nicht in vollem Umfang bewusst war. Dies führt hier aber nicht zu ei­ner teleologischen Reduktion des Gesetzeswortlauts (zu den hierfür geltenden Voraussetzungen vgl. BFH-Urteil vom 08.05.2024 ‑ VIII R 28/20, Deutsches Steuerrecht 2024, 2108, Rz 46 f.). Folge der von der Klägerin insoweit er­strebten Auslegung wäre, dass innerhalb der Kategorie der rückwirkenden Er­eignisse weiter zu differenzieren wäre, etwa zwischen "echten" und "unechten" rückwirkenden Ereignissen. Eine solche Differenzierung ist aber sowohl dem Gesetz als auch der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ‑‑insbeson­dere der Rechtsprechung des III. Senats zur Einordnung der geänderten Aus­übung des Ehegatten-Veranlagungswahlrechts als rückwirkendes Ereignis‑‑ fremd.

e) Ungeachtet des Umstands, dass es aus den unter c) genannten Gründen nicht mehr auf diesen Gesichtspunkt ankommt, weist der Senat auch darauf hin, dass die von der Klägerin vertretene Lösung häufig nicht ohne Weiteres tatsächlich umsetzbar wäre. Die Aufhebung der Zinsfestsetzung gegenüber ei­nem der Ehegatten bei unverändertem Fortbestehen gegenüber dem anderen Ehegatten wäre kein gangbarer Weg, wenn die bis zum Eintritt des rückwir­kenden Ereignisses entstandenen Zinsen auf die steuerlichen Sphären beider Eheleute zurückzuführen sind. Entsprechendes gilt, wenn in einem früheren Bescheid bereits Zinsen festgesetzt worden waren. In solchen Fällen müssten die auf die Ehegatten entfallenden Zinsanteile quotiert werden. Eine anteilige Zurechnung und damit korrespondierend eine anteilige Reduktion der Zinsen für jeden der Ehegatten wäre mit dem Wortlaut von § 233a Abs. 2a AO i.V.m. § 233a Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 2 AO jedoch nicht vereinbar.

f) Die Auffassung des Senats führt auch nicht zu unangemessenen Ergebnis­sen, zumal einem zusammenveranlagten Ehegatten, der sich ‑‑auch mit Wir­kung für eine zu erwartende Festsetzung von Nachzahlungszinsen‑‑ von der Zusammenveranlagung und damit der Stellung als Steuerschuldner auch für Einkünfte, die der andere Ehegatte erzielt hat, lösen will, hierfür hinreichende und wirksame verfahrensrechtliche Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Aus diesem Grund ist die Auffassung des Senats auch mit dem Grundsatz der Indi­vidualbesteuerung vereinbar.

aa) Der Ehegatte, der in jedem Fall vermeiden möchte, für Steuern sowie steuerliche Nebenleistungen herangezogen zu werden, die allein der andere Ehegatte wirtschaftlich verursacht, wird im Rahmen des (familien‑)rechtlich Möglichen schon der Zusammenveranlagung nicht zustimmen oder eine be­reits erteilte Zustimmung zum frühestmöglichen Zeitpunkt widerrufen.

bb) Sollten die Nachzahlungszinsen bereits in einem Zusammenveranlagungs­bescheid gegen beide Eheleute festgesetzt sein, eröffnen die §§ 268 ff. AO demjenigen Ehegatten, auf den die Einkünfte, die Grundlage der Zinsfestset­zung sind, nicht entfallen, die Möglichkeit, die Gesamtschuld nach Maßgabe des sich bei einer Einzelveranlagung ergebenden Verhältnisses (§ 270 AO) aufteilen zu lassen. Die Aufteilung erfasst auch bestimmte steuerliche Neben­leistungen wie die Zinsen (§ 276 Abs. 4 AO).

Der Senat verkennt nicht, dass es der Klägerin im Streitfall wegen der in § 278 Abs. 2 AO getroffenen Regelung möglicherweise nicht gelingen wird, mit Hilfe der tatsächlich ergangenen Aufteilungsbescheide eine etwaige Vollstreckung des FA hinsichtlich der Zinsen gänzlich zu vermeiden. Es besteht aber kein An­lass, die Wertung und Rechtsfolge dieser Vorschrift über eine weder dem Wortlaut noch der Systematik des § 233a Abs. 2a AO i.V.m. § 233a Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 2 AO entsprechende Auslegung zu korrigieren oder zu unter­laufen.

4. Die in der Revisionsbegründung als missachtet angesehene Sollvorschrift des § 233a Abs. 4 AO ist für die Entscheidung des Streitfalls ohne Bedeutung.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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