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BFH: E-Mails als vorzulegende Handels- und Geschäftsbriefe

  1. Handels- und Geschäftsbriefe im Sinne von § 147 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) können auch E-Mails sein.
  2. (Digitale) Unterlagen über Konzernverrechnungspreise unterfallen dem An­wendungsbereich des § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO.
  3. Die Finanzverwaltung ist im Rahmen der Außenprüfung grundsätzlich be­rechtigt, vom Steuerpflichtigen sämtliche E-Mails mit steuerlichem Bezug an­zufordern.
  4. Mangels Rechtsgrundlage ist es der Finanzverwaltung aber verwehrt, ein sogenanntes Gesamtjournal zu verlangen, das einerseits erst noch erstellt werden müsste und andererseits auch Informationen zu solchen E-Mails ent­hält, die keinen steuerlichen Bezug haben.

AO § 90 Abs. 3, § 119 Abs. 1, § 147 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3, Nr. 5, Abs. 6, § 200 Abs. 1 Satz 2
HGB § 343
GAufzV § 4 Abs. 3 Satz 4
FGO § 76 Abs. 1, § 77 Abs. 1 Satz 4, § 96 Abs. 2
GG Art. 103 Abs. 1

BFH-Beschluss vom 30.4.2025, XI R 15/23 (veröffentlicht am 18.9.2025)

Vorinstanz: FG Hamburg vom 23.3.2023, 2 K 172/19 = SIS 23 11 68

I. Die Beteiligten streiten anlässlich einer Außenprüfung über die Pflicht zur Vor­lage von Handels- und Geschäftspapieren sowie sonstiger Unterlagen ein­schließlich eines sogenannten Gesamtjournals.

II. Der beschließende Senat ist für das vorliegende Verfahren nach Teil A III. Nr. 3 Buchst. a der Ergänzenden Regelungen i.V.m. Teil A XI. Senat Nr. 2 des Geschäftsverteilungsplans des Bundesfinanzhofs (BFH) als zuständiger Ertrag­steuersenat zur Entscheidung berufen.

III. Die Entscheidung kann im Verfahren gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO) ergehen. Der Senat hält die Revisionen der Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) und des Beklagten, Revisionsbeklagten und Revisionsklägers (Finanzamt ‑‑FA‑‑) für unbegründet und eine mündli­che Verhandlung nicht für erforderlich.

1. Der Senat hat die Sache in der Sitzung vom 11.12.2024 in seiner geschäfts­planmäßigen Besetzung beraten und ist einstimmig zu dem Ergebnis gelangt, dass er beide Revisionen für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hiervon mit Schreiben des Se­natsvorsitzenden vom 12.12.2024 unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

2. Eine Entscheidung nach § 126a FGO ist ‑‑entgegen der Auffassung der Klä­gerin‑‑ im Streitfall zulässig. Ihr steht die ‑‑wie die Klägerin meint‑‑ Unge­klärtheit und Komplexität der Rechtsfragen nicht entgegen (vgl. BFH-Beschlüs­se vom 01.09.2021 ‑ VI R 18/19, BFH/NV 2022, 13, Rz 27; vom 18.10.2023 ‑ XI R 22/20, BFH/NV 2024, 182, Rz 16).

3. Das Verfahren nach § 126a FGO verletzt auch nicht das Recht der Klägerin aus Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) auf rechtliches Gehör (vgl. Be­schluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.09.1996 ‑ 1 BvR 1485/89, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1996, 827). Nachdem der Senat be­schlossen hatte, das Verfahren nach § 126a FGO einzuleiten, bestand für die Klägerin Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen. Hiervon hat sie mit Schrift­satz vom 14.03.2025 Gebrauch gemacht.

4. Dass der Senatsvorsitzende wegen Erkrankung am vorliegenden Beschluss nicht mitwirken kann und sich folglich die Richterbank gegenüber der Sitzung vom 11.12.2024 geändert hat, steht der Anwendung des § 126a FGO nicht entgegen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 15.09.2021 ‑ XI R 12/21 (XI R 25/19), BFHE 274, 317, BStBl II 2022, 417, Rz 21; vom 07.07.2022 ‑ V R 10/20, BFHE 276, 445, Rz 9; vom 18.10.2023 ‑ XI R 22/20, BFH/NV 2024, 182, Rz 18).

IV. 1. Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

Rechtsfehlerfrei hat das FG angenommen ‑‑und die Klage insoweit zu Recht abgewiesen‑‑, dass die Außenprüfung auf Grundlage der streitgegenständli­chen Bescheide von der Klägerin insbesondere die Vorlage sämtlicher E‑Mails verlangen darf, welche die Vorbereitung, den Abschluss und die Durchführung des sogenannten "…" (Agreements) mit der anderen Konzerngesellschaft einschließlich der Verrechnungspreisdokumentation betreffen. Davon ausgenommen sind zutref­fend solche E‑Mails, die lediglich privater Natur sind oder die firmeninterne Kommunikation betreffen.

a) Der Senat hält das Vorlageverlangen zunächst für hinreichend bestimmt.

In der Rechtsprechung des BFH ist geklärt, dass die Anforderung von Unterla­gen "en bloc" im Rahmen der steuerlichen Außenprüfung zulässig ist und nicht gegen § 119 Abs. 1 AO verstößt (etwa BFH-Urteil vom 28.10.2009 ‑ VIII R 78/05, BFHE 227, 338, BStBl II 2010, 455, unter II.4.b). Insbesondere wegen der oftmals vorhandenen Unkenntnis der Verwaltung über das Vorhan­densein konkreter Unterlagen ist ein Vorlageverlangen regelmäßig noch hinrei­chend bestimmt, das sich beispielsweise auf "Eingangs- und Ausgangsrech­nungen", "Belege zu baren Geschäftsvorfällen", "Unterlagen über die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung" oder "Unterlagen über die Einkünfte aus Kapitalvermögen" erstreckt (BFH-Urteil vom 28.10.2009 ‑ VIII R 78/05, BFHE 227, 338, BStBl II 2010, 455, unter II.4.b).

Hiervon ausgehend ist auch das streitgegenständliche Vorlageverlangen nicht zu beanstanden. Die nach dem Tenor der Bescheide zwar offen gestaltete Auf­forderung, alle den Prüfungszeitraum betreffenden Handelsbriefe im Sinne des § 147 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 AO sowie die sonstigen Unterlagen im Sinne des § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO vorzulegen, findet durch die Bezugnahme auf das Agreement bereits eine Präzisierung. In der Begründung des Bescheids vom 11.07.2018 verweist das FA ‑‑weiter konkretisierend‑‑ auf die Korrespondenz, der Aussagen über aufzeichnungspflichtige Vorgänge zu entnehmen sind, so­wie auf Unterlagen, die für die Überprüfung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Buchungen und Aufzeichnungen unumgänglich sind. Eine weitere, das Vor­lageverlangen hinreichend bestimmende Konkretisierung erfolgt abschließend noch einmal durch die Begründung im Rahmen der Einspruchsentscheidung vom 03.09.2019, die nur auf die "steuerlich relevante" E‑Mail-Kommunikation verweist.

Dem wesentlichen Zweck des Bestimmtheitserfordernisses, nämlich dem Be­troffenen eines Verwaltungsakts klar zu machen, was von ihm gewollt wird (vgl. Seer in Tipke/Kruse, § 119 AO Rz 1; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler ‑‑HHSp‑‑, § 119 AO Rz 9), hat das FA damit hinreichend Rechnung getragen. Hierfür bedurfte es ‑‑anders als die Klägerin meint‑‑ nicht weiterer Beschrän­kungen, etwa in Form bestimmter Suchbegriffe, Mitarbeiter oder kürzerer Zeit­räume. Das FA war damit nicht gehalten, ohne nähere Kenntnis die E‑Mails noch weiter zu konkretisieren, sondern konnte es der Klägerin überlassen, die einschlägigen E‑Mails herauszusuchen.

b) In der Sache folgt die Pflicht zur Vorlage der E‑Mails aus § 147 Abs. 6 AO; denn diese sind aufzubewahren (BFH-Urteile vom 24.06.2009 ‑ VIII R 80/06, BFHE 225, 302, BStBl II 2010, 452, unter II.1.b aa; vom 12.02.2020 ‑ X R 8/18, BFH/NV 2020, 1045, Rz 16).

aa) Nach § 147 Abs. 1 Nr. 2 AO hat der Steuerpflichtige die empfangenen Handels- oder Geschäftsbriefe geordnet aufzubewahren. Gleiches gilt nach § 147 Abs. 1 Nr. 3 AO für Wiedergaben der abgesandten Handels- oder Ge­schäftsbriefe.

(1) Aufbewahrungspflichtig sind danach nicht nur die Ein- und Ausgangsrech­nungen von Handelsgesellschaften (dazu BFH-Beschluss vom 26.09.2007 ‑ I B 53, 54/07, BFHE 219, 19, BStBl II 2008, 415, unter II.1.), sondern aufzu­bewahren ist die gesamte, den betrieblichen Bereich betreffende Korrespon­denz, soweit sie sich auf die Vorbereitung, Durchführung oder Rückgängigma­chung eines Handelsgeschäfts im Sinne des §§ 343, 344 des Handelsgesetz­buchs (HGB) bezieht (Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz 17b; Koenig/Haselmann, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 147 Rz 9). Auf die Form kommt es dabei nicht an; auch Fernschreiben, Telegramme und insbesondere E‑Mails sind grundsätzlich aufbewahrungspflichtig (vgl. Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz 17b; Koenig/Haselmann, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 147 Rz 9). Dies gilt nach Auffassung des erkennenden Senats jedenfalls insoweit, als die E‑Mail selbst ‑‑und nicht lediglich ihr Anhang‑‑ rechnungslegungsrelevante In­formationen enthalten; ansonsten ist jedenfalls der Anhang aufzubewahren.

(2) Ausgehend hiervon ist revisionsrechtlich nichts dagegen zu erinnern, wenn das FA die Vorlage derjenigen E‑Mails verlangt, welche sich auf die Vorberei­tung, den Abschluss und auch auf die Durchführung des Agreements be­ziehen. Durch die Konkretisierung des Vorlageverlangens auf das Agreement erfährt das Vorlageverlangen die gebotene Beschränkung auf rech­nungslegungsrelevante Informationen.

Dem steht ‑‑anders als die Klägerin meint‑‑ nicht entgegen, dass die E‑Mails, soweit sie die Durchführung des Agreements betreffen, im Wesentlichen sogenannte Erfüllungshandlungen enthielten. Soweit die Klägerin insoweit der Auffassung ist, dass derartige Erfüllungshandlungen nicht als ‑‑allein von § 147 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 AO in Bezug genommene‑‑ Handelsgeschäfte im Sinne von § 343 HGB zu werten seien, weil es ihnen am rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen Charakter fehle, folgt der erkennende Senat dem nicht. Es mag im Handelsrecht vertreten werden, dass Realakte nicht als Handelsge­schäfte im Sinne von § 343 HGB einzuordnen sind (etwa MüKoHGB/Maultzsch, 5. Aufl., § 343 Rz 5; Pamp in Oetker, HGB, 8. Aufl., § 343 Rz 6: "im Einzelnen streitig"), doch hat diese Bewertung ‑‑selbst wenn man ihr handelsrechtlich folgen wollte (s. dagegen etwa BeckOK HGB/Lehmann-Richter, 45. Ed. 01.01.2025, HGB § 343 Rz 11: Handelsgeschäft, wenn Realakt auf Geschäft bezogen)‑‑ jedenfalls im vorliegenden Kontext keine entscheidende Bedeu­tung. Denn die steuerrechtliche Aufbewahrungspflicht des § 147 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 AO erstreckt sich nicht nur auf den Abschluss, sondern auch auf die Vorbereitung und ‑‑wie vorliegend‑‑ die Durchführung eines mit dem Agreement gegebenen Handelsgeschäfts (Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz 17b; s. dazu schon oben unter IV.1.b aa (1)).

bb) Zurecht verlangt das FA unter Berufung auf § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO auch die Vorlage derjenigen E‑Mails, die sich auf die Verrechnungspreisdokumenta­tion der Klägerin beziehen.

Dokumentationen über Konzernverrechnungspreise unterfallen nach Auffas­sung des erkennenden Senats dem Anwendungsbereich des § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO (ebenso Seer, FinanzRundschau, 2002, 382; Bauer/Taetzner, Betriebs-Berater ‑‑BB‑‑ 2004, 2271; Jochum, Die Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen in der Au­ßenprüfung, 2011, S. 381; Schnorberger/Haverkamp/Etzig, BB 2017, 2455) auch für die Zeit nach Neufassung der Gewinnabgrenzungsaufzeichnungs-Verord­nung vom 12.07.2017, BGBl I 2017, 2367 ‑‑GAufzV‑‑). Die auf den Streitfall indes noch nicht zur Anwendung kommende aktuelle Fassung des § 4 Abs. 3 Satz 4 GAufzV ordnet die sinngemäße Geltung des § 147 Abs. 6 AO an und normiert damit ausdrücklich ein Nebeneinander beider Regime. Für die voran­gehende Fassung (a.F.) der Gewinnabgrenzungsaufzeichnungs-Verordnung kann nichts anderes gelten. Soweit auf Grundlage von § 90 Abs. 3 AO i.V.m. der Gewinnabgrenzungsaufzeichnungs-Verordnung a.F. besondere Dokumen­tations- und Vorlagepflichten statuiert sind, entbindet dies nicht von der aus § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO folgenden Verpflichtung, allgemeine Unterlagen, na­mentlich auch E‑Mails, vorzuhalten, soweit darin Vorgänge enthalten sind, die für die Verrechnungspreisdokumentation und somit "für die Besteuerung von Be­deutung" sind. Durch das Aufstellen mitunter sehr eingriffsintensiver Aufzeich­nungspflichten im Rahmen von § 90 Abs. 3 AO i.V.m. der Gewinnabgrenzungsaufzeichnungs-Verordnung (a.F.) werden ‑‑viel weniger eingriffsintensive‑‑ Aufbewahrungspflichten nicht gleichzeitig unzulässig.

c) Das Verlangen auf Erfüllung der Vorlagepflicht erweist sich auch als verhält­nismäßig und frei von Ermessenfehlern.

Der Eingriff mittels Vorlageverlangen überlässt es der Klägerin, welche E‑Mails oder Daten sie im Einzelfall vorlegt. Damit ist es der Klägerin unbenommen, solche Daten, die gerade nicht steuerlich relevant sind, zu selektieren (soge­nanntes Erstqualifikationsrecht, s. etwa BFH-Urteil vom 16.12.2014 ‑ X R 42/13, BFHE 248, 99, BStBl II 2015, 519). Ist Gegenstand der Recht- und Verhältnismäßigkeitsprüfung hier deshalb nur die Vorlagepflicht dem Grunde nach, erfordert das Vorgehen des FA keine weiteren Beschränkungen, etwa auf Stichproben, bestimmte Datenparameter oder Zeiträume innerhalb des Prüfungszeitraums. Die Offenlegung steuererheblicher Vorgänge ‑‑hier nur dem Grunde nach‑‑ aus der Sphäre des Beteiligten, über die dieser am besten oder gar allein Bescheid weiß, ist im Allgemeinen zumutbar (vgl. BFH-Urteil vom 28.10.2009 ‑ VIII R 78/05, BFHE 227, 338, BStBl II 2010, 455, unter II.4.c; Söhn in HHSp, § 90 AO Rz 106). Der Steuerpflichtige ist primärer Wis­sensträger und hat die größte Beweisnähe; ohne die verschiedenen Mitwir­kungspflichten müsste eine gleichmäßige Durchsetzung der Steueransprüche nach Maßgabe der Gesetze scheitern (vgl. BFH-Urteil vom 28.10.2009 ‑ VIII R 78/05, BFHE 227, 338, BStBl II 2010, 455, unter II.4.c; Söhn in HHSp, § 90 AO Rz 24).

Mit Recht darf sich das FA deshalb darauf berufen, die Vorlage der Unterlagen diene als Nachweis über die Vollständigkeit der erklärten Betriebseinnahmen sowie zur Überprüfung der angewandten Verrechnungspreismethode. Ohne Vorlage der begehrten E‑Mails wäre dem FA jegliche Möglichkeit genommen, die Angaben der Klägerin sowohl im Hinblick auf die Verrechnungspreismethode als auch hinsichtlich der Art und des Umfangs ihrer Tätigkeiten zu überprüfen. Da­bei hat das FG zutreffend berücksichtigt, dass die Kommunikation der Klägerin im Wesentlichen digital ‑‑per E‑Mail‑‑ abläuft. Das FA war somit nicht gehal­ten, die Steuererklärungen der Klägerin prüfungslos zu akzeptieren oder sich auf die bloße Vorlage des Agreements, geschweige denn auf die Durch­führung von Interviews mit Mitarbeitern verweisen zu lassen. Soweit die Klä­gerin anführt, es sei mit unverhältnismäßigem Zeit- und Kostenaufwand ver­bunden, die gewünschten E‑Mails vorzulegen, steht dies der Verhältnismäßig­keit schon mangels weiterer Substantiierung (vgl. Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz 76a) nicht im Wege. Es ist ‑‑wie das FG zu Recht erkannt hat‑‑ außer­dem Sache der Klägerin, ihre Datenbestände so zu organisieren, dass eine be­rechtigte Einsichtnahme durch die Finanzverwaltung erfolgen kann, ohne dass dabei geschützte Bereiche berührt werden.

Auch dem Schutz der persönlichen Daten wird durch das streitgegenständliche Auskunftsverlangen hinreichend Rechnung getragen. Denn der Datenzugriff wird nicht außerhalb der Sphäre des Steuerpflichtigen ‑‑etwa unter Speiche­rung auf einem mobilen Laptop‑‑ erfolgen, sondern nur in den Geschäftsräu­men der Klägerin oder den Diensträumen der Finanzverwaltung (vgl. dazu BFH-Urteil vom 07.06.2021 ‑ VIII R 24/18, BFHE 272, 349, BStBl II 2023, 63, Rz 18 ff.).

d) Die Einwendungen der Klägerin bleiben ohne Erfolg.

aa) Ihre Angriffe gegen das Vorlageverlangen (zu dessen Bestimmtheit vgl. oben IV.1.a) zielen im Wesentlichen auf Fragen der Verhältnismäßigkeit. Denn wenn die Klägerin anführt, das FA hätte stärker auf den mit seiner Anfrage verbundenen zeitlichen und finanziellen Aufwand Rücksicht nehmen und das Vorlageverlangen weiter einschränken müssen, betrifft dies in der Sache die Angemessenheit des Verwaltungsakts und nicht die Frage, ob dem Betroffenen klar ist, was von ihm gewollt wird (vgl. Seer in Tipke/Kruse, § 119 AO Rz 1; Söhn in HHSp, § 119 AO Rz 9).

bb) Keinen Erfolg hat die Klägerin auch insoweit, als sie auf das Agreement verweist und vorbringt, dass diejenigen E‑Mails, welche dessen Durchführung beträfen, lediglich Erfüllungscharakter hätten, sich nicht auf ein Handelsgeschäft bezögen und deshalb aus dem Anwendungsbereich von § 147 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 AO herausfielen. Wie der Senat unter IV.1.b aa ausgeführt hat, unterfallen der Aufbewahrungspflicht auch Unterlagen, die sich lediglich auf die Durchführung eines (Handels‑)Geschäfts beziehen. Auf die Frage, ob die angeforderten E‑Mails Weisungen enthalten und deshalb selbst als Han­delsgeschäfte im Sinne von § 343 Abs. 1 HGB einzuordnen sind, kommt es deshalb nicht mehr an.

cc) § 90 Abs. 3 AO enthält, anders als die Klägerin meint, auch nicht deshalb ein abschließendes Regime zur Aufbewahrungspflicht von Unterlagen in Bezug auf Verrechnungspreise, weil die Regelung als Reaktion auf das BFH-Urteil vom 17.10.2001 ‑ I R 103/00 (BFHE 197, 68, BStBl II 2004, 171, unter III.2.d bb), wonach außerhalb der §§ 140 ff. AO und der §§ 238 ff. HGB für verdeckte Gewinnausschüttungen keine speziellen Aufzeichnungs- und Doku­mentationspflichten bestünden, eingeführt worden sei. Der Klägerin kann insoweit schon aus allgemeinen Erwägungen nicht gefolgt werden, da das Fehlen und Einführen von Rechtsgrundlagen für spezielle, eingriffsintensive hoheitli­che Maßnahmen nicht gleichzeitig eine Notwendigkeit schafft, auch weniger eingriffsintensive Maßnahmen auf eine derart neue Grundlage zu stellen, die bislang auf Basis der allgemeinen Befugnisse ohne Weiteres möglich waren (s. dazu schon oben unter IV.1.b bb).

dd) Die Revision greift auch die Verhältnismäßigkeit und Ermessensfehlerfrei­heit des Vorlageverlangens nicht erfolgreich an.

Zu Recht hat das FG darauf verwiesen, dass es sich bei den betreffenden E‑Mails schon dem Grunde nach um aufbewahrungspflichtige Unterlagen han­delt, deren Vorlage nicht ohne Weiteres hinter andere Formen ‑‑etwa einer stichprobenartigen Vorlage‑‑ zurückzutreten hat. Nach den bindenden Fest­stellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) erschöpfen sich die von der Klägerin vorgelegten Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Abs. 3 AO i.V.m. der Gewinn­abgrenzungsaufzeichnungs-Verordnung a.F. in einer kurzen Beschreibung des Agreements und der tabellarischen Darstellung der angefallenen Kosten im Rahmen des "Transfer Pricing Reports" der in … ansässigen Konzern­mutter der Klägerin. Der Senat teilt auch angesichts dessen die Einschätzung des FG, dass es dem FA ohne die angeforderten E‑Mails nicht möglich wäre, die Kostenbasis für die angewandte Verrechnungspreismethode zu überprüfen. Dass die Vorlage der gewünschten E‑Mails ‑‑wie die Klägerin meint‑‑ per se ungeeignet wäre, die Besteuerungsgrundlagen der Klägerin im Prüfungszeit­raum nachzuprüfen, sieht der Senat auch deshalb nicht, wenngleich die Steu­errelevanz der Unterlagen denklogisch erst nach deren Sichtung abschließend beurteilt werden kann. Insoweit spricht schließlich auch gegen eine Verletzung des Übermaßverbots, dass es Sache der Klägerin bleibt, einzelne E‑Mails ohne Steuerrelevanz in Ausübung ihres Erstqualifikationsrechts von der Vorlage aus­zunehmen.

e) Auch die Verfahrensrügen der Klägerin greifen nicht durch.

aa) Soweit die Revision meint, das FG habe ‑‑in unterschiedlicher Weise‑‑ sei­ne Pflicht zur Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) verletzt, ist ein Verfahrens­fehler bereits nicht schlüssig dargelegt.

(1) Gründet sich der behauptete Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO ‑‑wie hier‑‑ darauf, dass das FG auch ohne ent­sprechenden Beweisantritt von Amts wegen den Sachverhalt hätte weiter auf­klären müssen, so sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH Ausführungen dazu erforderlich, welche Beweise das FG von Amts wegen hätte erheben müssen, aus welchen Gründen sich ihm die Notwendigkeit einer Beweisauf­nahme auch ohne Antrag hätte aufdrängen müssen und inwiefern diese Be­weiserhebung auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunktes des FG zu einer anderen Entscheidung des Rechtsstreits hätte führen können. Fer­ner muss dargelegt werden, weshalb in der mündlichen Verhandlung keine entsprechenden Beweisanträge gestellt wurden (BFH-Beschlüsse vom 29.10.2004 ‑ XI B 213/02, BFH/NV 2005, 566, unter II.1.a; vom 03.11.2010 ‑ I B 102/10, BFH/NV 2011, 808, Rz 4).

(2) Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Klägerin jedenfalls des­halb nicht, weil sie nicht darlegt, weshalb ‑‑obwohl fachkundig vertreten‑‑ in der mündlichen Verhandlung nicht auf eine entsprechende Beweiserhebung hingewirkt beziehungsweise ein entsprechender Beweisantrag gestellt worden ist.

(3) Wer als fachkundig Beteiligter keinen Antrag auf Beweiserhebung stellt und die Unterlassung einer nach seiner Auffassung gebotenen Beweiserhebung von Amts wegen nicht in der mündlichen Verhandlung rügt, verzichtet auf diese Rüge, was auch in der Sache das Berufen auf eine Verletzung der Aufklärungs­pflicht gemäß § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung aus­schließt (BFH-Beschlüsse vom 29.10.2004 ‑ XI B 213/02, BFH/NV 2005, 566, unter II.1.a; vom 03.09.2010 ‑ IV B 93/09, BFH/NV 2011, 52, Rz 3; vom 01.03.2013 ‑ IX B 48/12, BFH/NV 2013, 1238, Rz 6). Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem FG ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 23.03.2023 keinen Beweisantrag gestellt.

bb) Die vom FG im Klageverfahren ‑‑versehentlich‑‑ unterlassene Übermitt­lung des Schriftsatzes des FA vom 28.02.2023 an die Klägerin verletzt im Er­gebnis nicht das Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO.

(1) Nach § 96 Abs. 2 FGO darf das Urteil nur auf Tatsachen und Beweisergeb­nisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten. Es be­steht ein umfassender Anspruch, über den gesamten Prozessstoff kommentar­los und ohne Einschränkungen unterrichtet zu werden. Das FG ist verpflichtet, entscheidungserhebliche Tatsachen und Unterlagen nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern diese auch nach § 77 Abs. 1 Satz 4 FGO dem jeweils ande­ren Beteiligten von Amts wegen zur Kenntnis zu geben. Die unterlassene Übersendung oder gegebenenfalls Übergabe eines entsprechenden Schriftsat­zes in der mündlichen Verhandlung verletzt daher grundsätzlich das rechtliche Gehör (BFH-Beschlüsse vom 08.05.2017 ‑ X B 150/16, BFH/NV 2017, 1185, Rz 14 f.; vom 28.06.2022 ‑ II B 94/21, BFH/NV 2022, 1072, Rz 12). Das setzt allerdings voraus, dass dieser Schriftsatz für die Entscheidung des FG erheb­lich gewesen sein kann (BFH-Beschlüsse vom 15.02.2012 ‑ IV B 126/10, BFH/NV 2012, 774, Rz 14, und vom 08.05.2017 ‑ X B 150/16, BFH/NV 2017, 1185, Rz 15; vom 28.06.2022 ‑ II B 94/21, BFH/NV 2022, 1072, Rz 12). Die Kausalitätsvermutung des § 119 FGO ist nach ständiger Rechtsprechung auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen sich die Verletzung rechtlichen Gehörs auf das Gesamtergebnis des Verfahrens bezieht. Betrifft sie nur einzelne Fest­stellungen oder rechtliche Gesichtspunkte, hat der Beschwerdeführer darzule­gen, was er im Falle der Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hät­te und inwiefern bei Berücksichtigung dieses Vorbringens eine andere Ent­scheidung möglich gewesen wäre (vgl. BFH-Beschlüsse vom 10.10.1994 ‑ VI B 139/93, BFH/NV 1995, 326; vom 08.05.2017 ‑ X B 150/16, BFH/NV 2017, 1185, Rz 17, m.w.N.). Wiederholt ein Schriftsatz nur bisheriges Vorbrin­gen, begründet deshalb die unterlassene Übermittlung regelmäßig keine Ge­hörsverletzung mehr (vgl. BFH-Beschlüsse vom 19.11.2003 ‑ I R 41/02, BFH/NV 2004, 604, unter II.2.; vom 28.06.2022 ‑ II B 94/21, BFH/NV 2022, 1072, Rz 12).

(2) Zwar hat nach Aktenlage der Schriftsatz des FA vom 28.02.2023 die Pro­zessbevollmächtigten der Klägerin bis zur mündlichen Verhandlung am 23.03.2023 nicht erreicht, obwohl dessen Übersendung richterlich verfügt wor­den war. Die beanstandete Passage des Schriftsatzes vom 28.02.2023 betraf im Wesentlichen die Frage, ob das FA für die weitere Prüfung die Vorlage der angeforderten E‑Mails benötigt oder sich mit anderen ‑‑bereits vorliegenden‑‑ Unterlagen zu begnügen hat. Bereits in der Einspruchsentscheidung vom 03.09.2019 führt das FA aber aus, dass die Vorlage der E‑Mails erfor­derlich sei, um die Vollständigkeit und Richtigkeit der Besteuerungsgrundlagen ‑‑und damit aus Sicht des Senats auch der Verrechnungspreisdokumentation‑‑ zu überprüfen. Dies begründete die Einspruchsentscheidung insbesondere auch mit dem Umstand, dass die Geschäftsbeziehungen der Klägerin in außer­gewöhnlich starkem Maße durch elektronische Kommunikation geprägt seien. Die Einspruchsentscheidung nimmt dabei ausdrücklich auf die von der Klägerin gewählte Verrechnungspreismethode ("Cost-Plus-Vergütung") Bezug und führt aus, dass die "E‑Mails zur Durchführung der beschriebenen Handelsgeschäfte […] ein probates Mittel [seien], die notwendigen Aufzeichnungen zu verifizie­ren". Die Einspruchsentscheidung hat das FA durch Bezugnahme zum Gegen­stand seiner Klageerwiderung gemacht. Hinzu kommt, dass die Klägerin im Klageverfahren selbst vorgetragen hat, sie habe bereits umfangreiche Unterla­gen ‑‑auch zur Verrechnungspreisdokumentation‑‑ vorgelegt, weshalb das Vorlageverlangen nicht erforderlich sei (vgl. etwa Schriftsatz vom 01.01.2020). Die Klägerin hat damit die Frage, ob die bereits vorgelegten Unterla­gen für die Zwecke des FA ausreichend sind ‑‑und damit die Notwendigkeit, E‑Mails vorzulegen entfallen lässt‑‑, ausdrücklich selbst zum Gegenstand des Klageverfahrens gemacht. Dass das FA diese Frage in dem versehentlich nicht übermittelten Schriftsatz anders als die Klägerin bewertete, liegt auf der Hand, andernfalls hätte es nicht weiter an dem angefochtenen Verwaltungs­akt festgehalten. Die Klägerin musste demnach damit rechnen, dass sich das FA insoweit ihrer rechtlichen Ansicht beziehungsweise Sachverhaltswürdigung nicht anschließen, sondern die vorgelegten Unterlagen als nicht ausreichend ansehen würde. Demzufolge konnte der Schriftsatz vom 28.02.2023, mit dem das FA die bereits vorgelegten Unterlagen tatsächlich als nicht genügend be­anstandete, nicht zu neuem Vorbringen führen.

cc) Aus denselben Gründen liegt auch kein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO in Gestalt einer Überraschungsentscheidung vor.

(1) Eine gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßende Überraschungsentscheidung ist gegeben, wenn das FG sein Urteil auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl ver­tretbarer Auffassungen nach dem bisherigen Verlauf der Verhandlung nicht rechnen musste (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 03.02.2016 ‑ XI B 53/15, BFH/NV 2016, 954, Rz 23; vom 26.04.2018 ‑ XI B 117/17, BFH/NV 2018, 953, Rz 16). Eine unzulässige Überraschungsentscheidung liegt dann nicht vor, wenn das FG das angefochtene Urteil auf einen rechtlichen Gesichtspunkt stützt, der im bisherigen Verfahren zumindest am Rande angesprochen wor­den ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 22.07.2014 ‑ XI B 103/13, BFH/NV 2014, 1761, Rz 15; vom 03.02.2016 ‑ XI B 53/15, BFH/NV 2016, 954, Rz 23, m.w.N.).

(2) Letzteres ist hier der Fall. Die Rüge der Klägerin, es sei im Klageverfahren nicht genügend erörtert worden, dass die vorgelegte Verrechnungspreisdokumentation nicht ausreichend und deshalb auch die Vor­lage der E‑Mails geboten sei, ist unzutreffend. Wie sich aus den Ausführungen unter IV.1.e bb (2) ergibt, ist die Frage, ob die von der Klägerin bereits vorge­legten Unterlagen ‑‑auch zur Verrechnungspreisdokumentation‑‑ ausreichen, um die Verpflichtung, die angeforderten E‑Mails vorzulegen, zu beseitigen, be­reits zuvor von den Beteiligten diskutiert worden.

2. Auch die Revision des FA ist unbegründet.

Die Aufforderung des FA an die Klägerin, im Rahmen der Außenprüfung ein sogenanntes Gesamtjournal in digitaler Form bereitzustellen, welches ‑‑vom FA im Einzelnen bestimmte‑‑ Informationen zu jedweder E‑Mail-Korrespon­denz der Klägerin und ihrer Mitarbeiter zu enthalten habe, ist bereits mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig. Das FG hat der Klage insoweit zu Recht stattge­geben.

a) Das Vorlageverlangen in Bezug auf ein Gesamtjournal kann nicht auf § 147 Abs. 6 AO gestützt werden.

aa) Sind Unterlagen nach § 147 Abs. 1 AO mit Hilfe eines Datenverarbeitungs­systems erstellt worden, hat die Finanzbehörde im Rahmen einer Außenprü­fung zwar das Recht, Einsicht in die gespeicherten Daten zu nehmen und das Datenverarbeitungssystem zur Prüfung dieser Unterlagen zu nutzen (§ 147 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 AO). Sie kann im Rahmen einer Außenprüfung auch ver­langen, dass ihr die Daten nach ihren Vorgaben maschinell ausgewertet zur Verfügung gestellt werden (§ 147 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AO) oder dass die Daten nach ihren Vorgaben in einem maschinell auswertbaren Format an sie übertra­gen werden (§ 147 Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AO).

Voraussetzung für die Datenanforderung nach § 147 Abs. 6 AO ist allerdings das Bestehen einer Aufbewahrungspflicht. Der Finanzbehörde stehen diese Be­fugnisse deshalb nur in Bezug auf solche Unterlagen zu, die der Steuerpflich­tige nach § 147 Abs. 1 AO aufzubewahren hat. Dementsprechend ist es bereits grundsätzlich ausgeschlossen, dass die Finanzverwaltung mittels Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6 AO Einsicht in Unterlagen verlangen kann, die zwar vorhan­den sind, aber vom Steuerpflichtigen nicht aufbewahrt werden müssen (BFH-Urteile vom 24.06.2009 ‑ VIII R 80/06, BFHE 225, 302, BStBl II 2010, 452, unter II.1.b aa; vom 12.02.2020 ‑ X R 8/18, BFH/NV 2020, 1045, Rz 16; vom 07.06.2021 ‑ VIII R 24/18, BFHE 272, 349, BStBl II 2023, 63, Rz 13).

bb) Die hier streitbefangene Aufforderung an die Klägerin, das gewünschte Gesamtjournal zu überlassen, ist im Sinne eines unbegrenzten Zugriffs auf alle E‑Mails der Klägerin zu verstehen und hält sich daher nicht im rechtlich zuläs­sigen Rahmen.

(1) Die Aufforderung des FA an den Steuerpflichtigen, Unterlagen und Auf­zeichnungen für eine Außenprüfung zur Verfügung zu stellen, ist ein anfecht­barer Verwaltungsakt (etwa BFH-Urteil vom 08.04.2008 ‑ VIII R 61/06, BFHE 220, 313, BStBl II 2009, 579, unter II.7.). Der Senat ist selbst zur Auslegung von dessen Regelungsinhalt berechtigt und verpflichtet (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 01.10.2015 ‑ X R 32/13, BFHE 251, 298, BStBl II 2016, 139, Rz 33). Wie der Regelungsgehalt zu verstehen ist, bestimmt sich danach, wie der Adressat den Inhalt des Verwaltungsakts nach dessen objektivem Sinngehalt unter Be­rücksichtigung von Treu und Glauben verstehen durfte (vgl. BFH-Urteile vom 28.10.2009 ‑ VIII R 78/05, BFHE 227, 338, BStBl II 2010, 455, unter II.3.c und d; vom 07.06.2021 ‑ VIII R 24/18, BFHE 272, 349, BStBl II 2023, 63, Rz 12).

(2) Die Aufforderung zur Überlassung eines Gesamtjournals musste von der Klägerin nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont ‑‑wie das FG zutreffend erkannt hat‑‑ dahin verstanden werden, dass Informationen (insbe­sondere zur jeweiligen Datensatznummer, zum Absender oder Empfänger der Nachrichten, zum Datum und zur Uhrzeit der jeweils empfangenen oder ge­sendeten Nachricht sowie zum Betreff und den Anlagen der Nachrichten) hin­sichtlich ihrer gesamten E‑Mail‑Korrespondenz unabhängig davon vorzulegen sind, ob für eine einzelne E‑Mail eine Aufbewahrungspflicht nach § 147 Abs. 1 AO besteht. Dies zeigt sich nach Auffassung des Senats vor allem an dem Zu­satzfeld, welches das Gesamtjournal enthalten sollte, mit dem das FA Informa­tionen darüber begehrte, ob die Klägerin ihr sogenanntes Erstqualifikationsrecht in Bezug auf die jeweilige E‑Mail bereits ausgeübt habe. Wären von dem Ge­samtjournal nämlich nur solche Nachrichten erfasst, für die eine Pflicht zur Aufbewahrung nach § 147 Abs. 1 AO besteht, wäre ein solches Zusatzfeld nicht notwendig.

(3) Ein so verstandenes Vorlageverlangen, das sich auch auf die Vorlage von (Daten zu) E‑Mails ohne steuerliche Relevanz erstreckt, überschreitet den Um­fang der Befugnis des FA zur Anforderung elektronischer Unterlagen. Wenn es schon grundsätzlich ausgeschlossen ist, dass die Finanzverwaltung mittels Da­tenzugriffs nach § 147 Abs. 6 AO Einsicht in Unterlagen verlangen kann, die zwar vorhanden sind, aber vom Steuerpflichtigen nicht aufbewahrt werden müssen (vgl. so schon BFH-Urteile vom 24.06.2009 ‑ VIII R 80/06, BFHE 225, 302, BStBl II 2010, 452, unter II.1.b aa; vom 12.02.2020 ‑ X R 8/18, BFH/NV 2020, 1045, Rz 16), ist es erst recht ausgeschlossen, dass ‑‑wie hier mit dem Gesamtjournal‑‑ Einsicht und Informationen hinsichtlich solcher Unterlagen verlangt wird, die mangels Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht nicht einmal vorhanden sind, sondern eigens erstellt werden müssten.

b) Als Rechtsgrundlage für die Vorlageverpflichtung eines ‑‑noch zu erstellen­den‑‑ Gesamtjournals kann auch nicht § 200 Abs. 1 Satz 2 AO dienen.

Vom Datenzugriffsrecht nach § 147 Abs. 6 AO zu unterscheiden ist das Vorla­geverlangen nach § 200 Abs. 1 Satz 2 AO. Hiernach ist ein Steuerpflichtiger im Rahmen der Außenprüfung unter anderem zur Vorlage von Aufzeichnungen, gegebenenfalls Büchern, Geschäftspapieren und anderen Urkunden zur Ein­sicht und Prüfung verpflichtet (BFH-Urteile vom 28.10.2009 ‑ VIII R 78/05, BFHE 227, 338, BStBl II 2010, 455, unter II.3.b; vom 12.02.2020 ‑ X R 8/18, BFH/NV 2020, 1045, Rz 17). Damit können auch Unterlagen vorzulegen sein, für die keine Aufbewahrungspflicht besteht; allerdings bezieht sich diese Pflicht lediglich auf tatsächlich vorhandene Unterlagen (BFH-Urteile vom 28.10.2009 ‑ VIII R 78/05, BFHE 227, 338, BStBl II 2010, 455, unter II.4.d; vom 12.02.2020 ‑ X R 8/18, BFH/NV 2020, 1045, Rz 17). Ist das gewünschte (digitale) Gesamtjournal tatsächlich nicht vorhanden, kann seine Vorlage schon deshalb nicht nach § 200 Abs. 1 Satz 2 AO verlangt werden.

c) Die Einwendungen des FA bleiben ohne Erfolg.

aa) Soweit das FA sinngemäß anführt, die Vorlage des gewünschten Gesamt­journals sei gegenüber der Vorlage der E‑Mails selbst ein eingriffsärmeres Mi­nus, mag dies zutreffen. Indes lässt dies die Notwendigkeit einer Rechtsgrund­lage für das Handeln des FA nicht entfallen. Sind Unterlagen per se nicht he­rauszugeben, erstreckt sich dies auch auf (Begleit‑)Informationen, nicht bloß auf den reinen Inhalt der Unterlagen.

bb) Eine Rechtsgrundlage für die Anforderung eines Gesamtjournals kann auch nicht ‑‑wie das FA meint‑‑ in den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung im Sinne der §§ 238 ff. HGB sowie §§ 140 ff. AO i.V.m. den dazu ergangenen Verwaltungsanweisungen gesehen werden. Die Vorlagepflicht von Unterlagen hat der Gesetzgeber ‑‑wie unter IV.1.b ausgeführt‑‑ speziell geregelt; greift sie nicht ein, können nicht zulasten der Steuerpflichtigen über im Wesentlichen ungeschriebene Rechtsgrundsätze oder gar lediglich die Verwaltung bindendes Recht weitergehende Verpflichtungen begründet werden.

cc) Soweit die Revision des FA vorbringt, eine wirksame Ausübung des Zweit­qualifikationsrechts sei der Finanzverwaltung nur mittels Anforderung eines Gesamtjournals möglich, kommt es darauf insoweit nicht an. Denn selbst wenn dem so wäre, könnte diese Erwägung lediglich den Sinn des Verlangens zur Vorlage eines Gesamtjournals begründen, nicht aber als dessen Rechts­grundlage dienen. Wenn die Finanzverwaltung die Vorlage der E‑Mails ohne Gesamtjournal für sinnlos hält, kann sie stattdessen ihr auf die Vorlage der E‑Mails gerichtetes Vorlageverlangen aufheben.

dd) Nichts anderes folgt aus dem Hinweis des FA, es könne kein Hinderungs­grund sein, dass das Gesamtjournal gegebenenfalls "neu" zu erstellen sei, weil dies lediglich Folge der der Finanzverwaltung in § 147 Abs. 6 AO eingeräumten Möglichkeit der Anforderung eines Datenträgers sei. Aus der Möglichkeit, einen Datenträger anzufordern, folgt nicht die Pflicht, die darauf zu speichernden Daten und Informationen zu hierauf nicht zu speichernden Daten in Form ei­nes Gesamtjournals erzeugen zu müssen. Insoweit unterscheidet sich der Streitfall von der Konstellation des BFH-Urteils vom 16.12.2014 ‑ X R 42/13 (BFHE 248, 99, BStBl II 2015, 519), auf das sich das FA beruft. Anders als hier lagen dort Unterlagen vor, die aufzeichnungs- und aufbewahrungspflichtig waren.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 2 i.V.m. § 136 Abs. 1 Satz 1 und § 139 Abs. 4 FGO.

Legen ‑‑wie hier‑‑ beide Beteiligte Revision ein, ist die Kostenentscheidung nach dem Grundsatz der einheitlichen Kostenverteilung nach Quoten der Ge­samtkosten zu treffen (z.B. BFH-Urteile vom 27.09.2012 ‑ III R 70/11, BFHE 239, 116, BStBl II 2013, 544; vom 04.09.2024 ‑ XI R 15/24 (XI R 17/20), BStBl II 2025, 465, Rz 40). Die Kostenverteilung ergibt sich nach dem Maße des Obsiegens beziehungsweise Unterliegens (§ 136 Abs. 1 Satz 1 FGO). Demnach tragen die Klägerin und das FA die Kosten jeweils zur Hälfte.

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