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BFH: Anforderung von Unterlagen durch die Finanzbehörde

  1. Die Anforderung unter anderem von Mietverträgen durch das Finanzamt (FA) beim Vermieter (Steuerpflichtigen) nach § 97 der Abgabenordnung muss die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) beachten.
  2. Eine Einwilligung der Mieter in die Weitergabe an das FA ist nicht erforder­lich, weil die Verarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c DSGVO gerechtfertigt ist.
  3. Die Übersendung der Mietverträge an das FA ist als Zweckänderung nach Art. 6 Abs. 4 DSGVO regelmäßig zulässig.

DSGVO Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c, Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e, Art. 6 Abs. 4
AO § 29b, § 93, § 97
GG Art. 101 Abs. 1, Art. 103 Abs. 1
FGO § 96 Abs. 2
BDSG § 42

BFH-Urteil vom 13.8.2024, IX R 6/23 (veröffentlicht am 24.10.2024)

Vorinstanz: FG Nürnberg vom 1.2.2023, 3 K 596/22 = SIS 23 04 34

I. Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Anforderung von Unterlagen durch die Fi­nanzverwaltung.

Mit den Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2018 und 2019 legte die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) für ihre Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung verschiedener Objekte unter anderem Aufstellungen der ge­samten Mieteinnahmen, der Abschreibung, der Verwaltungs- und der Instand­haltungsaufwendungen sowie sonstiger Aufwendungen für das jeweilige Objekt vor. Im Rahmen der Bearbeitung der Erklärungen forderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) mit Schreiben vom 08.06.2021 und Er­innerungsschreiben vom 13.07.2021 für das Objekt … in … Kopien der aktuellen Mietverträge, Nebenkostenabrechnungen sowie Nachweise über geltend gemachte Erhaltungsaufwendungen an. Hierauf legte die Klägerin eine Aufstellung der Brutto- und Nettomieteinnahmen mit geschwärzten Namen der Mieter sowie der Betriebskosten für die verschiede­nen Wohnungen und Unterlagen über die Instandhaltungsaufwendungen vor, jedoch nicht die angeforderten Mietverträge und Nebenkostenabrechnungen. Die Offenlegung dieser Unterlagen sei im Hinblick auf die Grundsätze der Da­tenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ohne vorherige Einwilligung der Mieter nicht möglich. Zudem sei das FA zur Unterlagenanforderung nicht berechtigt, da die Mietverträge zur Prüfung der tatsächlichen Einkünfte untauglich seien. Das FA forderte daraufhin mit Schreiben vom 02.09.2021 und Erinnerungs­schreiben vom 28.09.2021 unter Hinweis auf die Mitwirkungspflichten der Klä­gerin nach §§ 90, 93, 97 der Abgabenordnung (AO) nochmals die Mietverträge und gegebenenfalls die Schreiben über Mietänderungen zum Zweck der Prü­fung der in der Steuererklärung gemachten Angaben an.

Den hiergegen erhobenen Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 28.04.2022 als unbegründet zurück. Ein Steuerpflichtiger sei nach § 90 Abs. 1 AO zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet. Er komme der Mitwirkungspflicht insbesondere dadurch nach, dass er die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenlege und die ihm bekannten Beweismittel angebe. Das FA könne nach pflichtgemä­ßem Ermessen bestimmen, welche Beweismittel im Sinne der § 92 ff. AO es für erforderlich halte. Die Mitwirkungspflicht umfasse auch die Pflicht zur Vor­lage von Urkunden (§§ 97, 92 Satz 2 Nr. 3 AO). Eine Mitwirkung dürfe ver­langt werden, soweit sie zur Feststellung des steuererheblichen Sachverhalts notwendig, verhältnismäßig, erfüllbar und zumutbar sei. Das FA benötige die Namen der Mieter sowie die jeweiligen Mietverträge zur Kontrolle der steuer­erheblichen Verhältnisse. Aus den Mietverträgen ergäben sich ‑‑gegebenen­falls in Verbindung mit weiteren Unterlagen‑‑ unter anderem die Höhe der vereinbarten Mietzinsen, Mieterhöhungen, Abweichungen zu tatsächlich geleis­teten Zahlungen, die Zusammensetzung des Mietzinses, die Umlagefähigkeit von Nebenkosten, der Umfang des Nutzungsrechts der Mieter mit eventuellen Vorbehalten des Vermieters oder auch schlicht die tatsächliche Durchführung der (privaten) Vermietung. Die Unterlagenanforderung sei somit ein geeigne­tes Mittel zur Aufklärung der steuererheblichen Verhältnisse. Des Weiteren sei die Unterlagenanforderung auch erforderlich. Es sei kein anderes gleich wirk­sames Mittel ersichtlich. Insbesondere wiesen private Aufstellungen des Steu­erpflichtigen keinen vergleichbaren Nachweiswert auf, da sie nur einseitig er­stellt worden seien. Sie seien im Gegensatz zu Mietverträgen, die mindestens von einer weiteren Partei abgeschlossen werden, objektiv schlechter nachprüf­bar. Auch die Namen der Mieter seien erforderlich, um Zahlungsflüsse dem je­weiligen Mietverhältnis individuell zuordnen zu können. Die Unterlagenanfor­derung sei auch angemessen und zumutbar. Sie bedeute für die Klägerin keine schwerwiegenden Nachteile, die außer Verhältnis zum legitimen Zweck der zu treffenden Steuerfestsetzung stünden. Die Anforderung sei eine verhältnismä­ßige Maßnahme zur Aufklärung der steuererheblichen Verhältnisse bei der Er­mittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Schließlich stünden die Grundsätze der Datenschutz-Grundverordnung der Erfüllung der Mitwir­kungspflichten nicht entgegen, da die Klägerin zur Erhebung und Verarbeitung der in den Verträgen enthaltenen, personenbezogenen Daten zum Zwecke der Wahrnehmung eben dieser steuerlichen Pflichten berechtigt sei (Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c DSGVO). Das Recht zur "Verarbeitung" beinhalte auch das Recht zur Weitergabe an die Finanzbehörde.

Die Klage zum Finanzgericht (FG) hatte keinen Erfolg. Das FG wies die Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte 2023, 604 veröffentlichtem Urteil ab.

Die Klägerin hält mit ihrer Revision daran fest, dass die Vorlageersuchen des FA sie und ihre Mieter in den Grundrechten auf informelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes ‑‑GG‑‑) verletzten. Sie vertritt die Ansicht, es habe sich um eine Außenprüfung gehandelt, weswegen die Vorlageersuchen mangels Prüfungsanordnung rechtswidrig seien. Es liege eine unzulässige "Ausforschung ins Blaue hinein" vor.

Das FG habe es grob fahrlässig und pflichtwidrig unterlassen, die Ermessens­ausübung des FA zu überprüfen. Die sich aus den Mietverträgen ergebenden Sollmieten seien für die steuerpflichtigen Einkünfte als Einnahmenüberschuss­rechner offenkundig unerheblich. Selbst ein Vergleich mit der ortsüblichen Mie­te sei allein anhand der erzielten Einnahmen möglich. Die Vorlage der Mietver­träge sei weder erforderlich noch geeignet, die dort enthaltenen persönlichen Angaben der Mieter seien für das FA grundsätzlich ohne Interesse. Das FA ver­letze die Schutzregelungen der Datenschutz-Grundverordnung. Zudem würden die Mieter über die rechtswidrige Speicherung ihrer grundrechtlich geschützten Daten nicht informiert. Das FA fordere die Klägerin zu einem strafrechtlich sanktionierten Verhalten auf und habe dadurch seinen Ermessensrahmen überschritten. Die Vorlageverlangen seien auch rechtswidrig, weil die Aufbe­wahrung von Mietverträgen nicht durch Steuergesetze gefordert sei (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 12.02.2020 ‑ X R 8/18). Nach dem BFH-Urteil vom 24.06.2009 ‑ VIII R 80/06 (BFHE 225, 302, BStBl II 2010, 452) seien vorliegende Aufzeichnungen, zu denen der Steuerpflichtige nicht ver­pflichtet sei, dann nicht gemäß § 146 Abs. 6 AO "für die Besteuerung von Be­deutung", wenn sie der Besteuerung nicht zugrunde zu legen seien. Gleiches müsse für die Vorlagepflicht von Urkunden nach § 97 AO bei Überschussein­künften gelten, da eine verschärfende Vorlagepflicht gegenüber den Regeln bei Gewinnermittlern gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstieße.

Die Klägerin rügt schließlich verschiedene Verfahrensfehler.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 01.02.2023 ‑ 3 K 596/22, die Aufforderungsbescheide des FA vom 08.06.2021, vom 02.09.2021, vom 28.09.2021 und vom 13.07.2021 zur Vorlage von Mietverträgen, Mietänderungen und Nebenkostenabrechnungen für das Anwesen … in … in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.04.2022 aufzuheben.

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Es liege kein Ausforschen "ins Blaue hinein" vor, sondern das FA habe zulässi­gerweise im Rahmen seiner Ermittlungspflichten und ‑befugnisse zur Prüfung und Aufklärung des Sachverhalts gehandelt. Die in den Mietverträgen enthal­tenen Angaben über das wirksame Zustandekommen des Mietverhältnisses, die Nettokaltmiete, die Umlagefähigkeit von Nebenkosten, Vereinbarungen in Verbindung mit durchzuführenden Schönheitsreparaturen, den Umfang des Nutzungsrechts des Mieters und letztlich Angaben zum Mieter seien steuerer­heblich, da sie im Zusammenhang mit dem Werbungskostenabzug und der Höhe der Einnahmen stünden. Insbesondere dienten die Verträge auch der Feststellung und Aufklärung der Ortsüblichkeit der Miete, unter anderem bei Angehörigenverhältnissen.

Der von den Richtern des Senats signierte Tenor des hiesigen Urteils wurde am 13.08.2024 der Geschäftsstelle übermittelt. Auf telefonische Anfrage teilte die Geschäftsstelle dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 14.08.2024 den Tenor mit.

II. Die Revision ist unbegründet und wird nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichts­ordnung (FGO) zurückgewiesen.

Das FG hat zutreffend angenommen, dass das FA die Vorlage der Mietverträge von der Klägerin verlangen durfte. Die Klägerin war als Verantwortliche im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO nicht berechtigt, die Herausgabe der Mieterda­ten zu verweigern.

1. Das FA durfte auch unter Berücksichtigung der Regelungen der Daten­schutz-Grundverordnung die Vorlage der Mietverträge von der Klägerin for­dern.

a) Nach § 97 Abs. 1 Satz 1 AO (i.d.F. des Amtshilferichtlinien-Umsetzungs­gesetzes vom 26.06.2013, BGBl I 2013, 1809, 1834) haben die Beteiligten und andere Personen der Finanzbehörde auf Verlangen Bücher, Aufzeichnun­gen, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzu­legen. Die Aufforderung zur Vorlage der Urkunde ist ein Verwaltungsakt im Sinne des § 118 AO (Roser in Gosch, AO § 97 Rz 11; Seer in Tipke/Kruse, § 97 AO Rz 14; Baum in AO ‑ eKommentar [21.06.2023], § 97 AO Rz 13) und im Zusammenhang mit den Auskunftsersuchen nach § 93 AO zu sehen (BRDrucks 139/13, S. 195: gleichwertige Ermittlungsinstrumente).

Es handelt sich um eine Ermessensentscheidung der Verwaltung. Als solche ist sie nach § 102 FGO im gerichtlichen Verfahren darauf zu überprüfen, ob der Verwaltungsakt deshalb rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Er­messens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (§ 5 AO). Um diese Überprüfung, die dem Gericht keinen Raum für eigene Ermes­senserwägungen lässt, wahrnehmen zu können, muss die Ermessensentschei­dung der Verwaltung im Verwaltungsakt, spätestens aber in der Einspruchs­entscheidung, begründet werden (vgl. BFH-Urteil vom 15.09.1992 ‑ VII R 66/91, BFH/NV 1993, 76, unter 2.b; BFH-Beschluss vom 05.04.2022 ‑ VIII B 42/21, Rz 7; Baum in AO ‑ eKommentar [21.06.2023], § 97 AO Rz 16).

aa) Die Anwendung des § 97 AO ist im Streitfall nicht nach § 200 Abs. 1 Satz 2 AO ausgeschlossen.

(1) Im Rahmen einer Außenprüfung wird § 97 AO durch § 200 Abs. 1 Satz 2 AO verdrängt (Klein/Rätke, AO, 17. Aufl., § 97 Rz 1; Roser in Gosch, AO § 97 Rz 3; Niewerth in Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, Stand 119. Lfg. 04.2020 § 97 AO Rz 2). Fehlt eine Prüfungsanordnung nach § 196 AO, besteht unter bestimmten Umständen ein Verwertungsverbot.

(2) Für die Abgrenzung zwischen Ermittlungen im Rahmen einer Außenprüfung von Einzelermittlungen ist entscheidend, wie sich das Tätigwerden der Finanz­behörde aus der Sicht des Betroffenen darstellt (vgl. BFH-Urteil vom 25.11.1997 ‑ VIII R 4/94, BFHE 184, 255, BStBl II 1998, 461, unter II.2.b). Maßgeblich ist, wie der Steuerpflichtige entsprechend den zu § 133 des Bür­gerlichen Gesetzbuchs entwickelten Rechtsgrundsätzen nach den ihm bekann­ten Umständen den Gehalt der Ermittlungsmaßnahmen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte (BFH-Urteil vom 02.02.1994 ‑ I R 57/93, BFHE 173, 487, BStBl II 1994, 377, unter II.B.1). Im Allgemeinen muss davon ausgegangen werden, dass Maßnahmen eines Außenprüfers zur Ermittlung eines Steuerfalles Prüfungshandlungen sind.

(3) Das FG hat die Vorlageverlangen des FA nicht als Prüfungshandlung ge­würdigt. An diese Würdigung ist der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebun­den. Sie kann revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob sie gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt. Das ist nicht der Fall. Das FG hat zutreffend darauf abgestellt, dass weder eine Prüfungsanordnung erlassen noch eine Prüfung in den Räumlichkeiten der Klägerin angesetzt worden war. Vielmehr sind die streitgegenständlichen Anforderungen des FA sämtlich in zeitlichem Zusammenhang mit der Einreichung der Einkommensteuererklä­rungen 2018 und 2019 ergangen. Damit wird deutlich, dass es sich um ein Vorgehen des FA im Rahmen einer Veranlagungstätigkeit handelt.

bb) Die Vorlage von Urkunden unterliegt dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, das heißt, sie muss zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und die Inanspruchnahme erfor­derlich, verhältnismäßig und zumutbar sein (vgl. BFH-Urteil vom 23.10.1990 ‑ VIII R 1/86, BFHE 162, 539, BStBl II 1991, 277, unter 2.d zum Auskunftsrecht nach § 93 AO; Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler ‑‑HHSp‑‑, § 97 AO Rz 32 ff.; Klein/Rätke, AO, 17. Aufl., § 97 Rz 12; Roser in Gosch, AO § 97 Rz 13).

(1) Die Vorlage einer Urkunde muss zur Sachverhaltsaufklärung geeignet sein. Das ist nicht der Fall, wenn die Urkunden steuerlich nicht erheblich sind. Zu den steuerlich erheblichen Tatsachen zählt alles, was die finanzbehördlichen Entscheidungen in einem steuerrechtlichen Verwaltungsverfahren beeinflussen kann (vgl. Schuster in HHSp, § 93 AO Rz 10). Die in diesem Sinne erhebli­chen, mitzuteilenden "Tatsachen" müssen lediglich im Rahmen einer Progno­seentscheidung möglich sein (BFH-Urteil vom 29.10.1986 ‑ VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, ständige Rechtsprechung). Die Finanzbehörde hat hierüber im Wege einer vorweggenommenen Beweiswürdigung zu befin­den. Im Interesse der gesetzmäßigen und gleichmäßigen Besteuerung und zur Verwirklichung des verfassungsrechtlich gebotenen Verifikationsprinzips sind die Anforderungen an diese Prognoseentscheidung nicht zu hoch anzusetzen (vgl. BFH-Urteil vom 29.07.2015 ‑ X R 4/14, BFHE 251, 112, BStBl II 2016, 135, Rz 40 f.).

(2) Die angeforderten Urkunden müssen benötigt werden. Das ist nicht gege­ben, wenn die steuerrelevanten Tatsachen offenkundig oder verbindlich fest­gestellt sind.

(3) Der Steuerpflichtige beziehungsweise die andere Person muss die verlang­ten Unterlagen vorlegen können. Durch ein von privater Seite ergangenes oder vertraglich vereinbartes Verbot zur Herausgabe einer Urkunde wird die öffent­lich-rechtliche Verpflichtung zur Urkundenvorlage nicht unerfüllbar (BFH-Urteil vom 16.05.2013 ‑ II R 15/12, BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225, Rz 43; Schuster in HHSp, § 97 AO Rz 36, m.w.N.).

(4) Schließlich muss die Vorlageaufforderung verhältnismäßig im engeren Sin­ne sein. Der zeitliche, personelle und sachliche (finanzielle) Aufwand für die vorlagepflichtige Person darf nicht erkennbar in einem Missverhältnis zu dem durch dieses Beweismittel zu erwartenden "Mehr" an wahrheitsgemäßer Sach­verhaltsaufklärung stehen (Schuster in HHSp, § 97 AO Rz 39).

b) Unter Anwendung dieser Grundsätze waren die streitgegenständlichen Vor­lageverlangen des FA rechtmäßig.

aa) Das FA hat in der Einspruchsentscheidung ausgeführt, dass es die Mietver­träge zur Kontrolle der steuererheblichen Verhältnisse benötige und diese ein geeignetes Mittel darstellten. Aus den Mietverträgen ‑‑gegebenenfalls in Ver­bindung mit anderen Unterlagen‑‑ würden sich unter anderem die Höhe der vereinbarten Mietzinsen, Mieterhöhungen, Abweichungen zu tatsächlich geleis­teten Zahlungen, die Zusammensetzung des Mietzinses, die Umlagefähigkeit von Nebenkosten, der Umfang des Nutzungsrechts und die tatsächliche Durch­führung der Vermietung ergeben. Ein anderes, gleich wirksames Mittel der Aufklärung sei nicht ersichtlich. Insbesondere könnten das nicht die privaten Aufstellungen der Klägerin sein, weil sie nur durch diese ‑‑ohne Beteiligung der Mieter‑‑ erstellt worden seien. Die Namen der Mieter seien erforderlich, um die Zahlungsflüsse dem jeweiligen Mietverhältnis zuordnen zu können.

Diese Erwägungen lassen keine Ermessensfehler erkennen. Insbesondere die Fragen nach den konkret einem Mieter überlassenen Räumlichkeiten (ein­schließlich Stellplätzen, Garagen, Kellerräumen, Garten et cetera) sowie nach der Höhe des im Rahmen des § 21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes maß­geblichen vereinbarten Entgelts (vgl. Senatsurteil vom 22.02.2021 ‑ IX R 7/20, BFHE 272, 200, BStBl II 2021, 479, Rz 11, m.w.N.) lassen sich nur anhand der Mietverträge zuverlässig klären. Die Nebenkostenabrechnungen sind für die Frage der Höhe der Einnahmen sowie für die Frage der tatsächli­chen Durchführung des Mietverhältnisses relevant. Schließlich sind die Namen der Mieter erforderlich, um das Vorliegen eines Angehörigenmietverhältnisses (§ 15 AO) aufklären zu können. Bei Unklarheiten muss die Finanzbehörde in der Lage sein, die Mieter als "andere Person" befragen zu können.

Der Finanzbehörde stand nicht als milderes Mittel die sofortige Befragung der Mieter zur Verfügung. Ungeachtet dessen, dass dem FA nicht alle Mieter be­kannt waren, sollen Dritte erst herangezogen werden, wenn die Aufklärung bei dem Beteiligten nicht zum Ziel geführt hat (§ 97 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 3 AO). Der Aufwand der Klägerin, die Mietverträge zu übermitteln, steht schließlich auch nicht im Missverhältnis zu dem beabsichtigten Erkennt­nisgewinn der Finanzverwaltung.

bb) Der Klägerin war die Offenlegung der Mieterdaten auch nicht unmöglich, weil darin eine rechtswidrige Verarbeitung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 DSGVO zu sehen ist. Ungeachtet der Frage, ob die Datenschutz-Grundverordnung auf die durch die Klägerin verantworteten Verarbeitungsvorgänge Anwendung fin­det (Art. 2 Abs. 1 DSGVO), war jedenfalls eine Einwilligung der Mieter nicht er­forderlich. Denn die Klägerin war nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c, Abs. 2 DSGVO i.V.m. § 29b Abs. 1, § 97 AO zur Offenlegung der personenbe­zogenen Daten ihrer Mieter berechtigt.

(1) Das FG hat nicht geprüft, ob die Datenschutz-Grundverordnung sachlich auf die durch die Klägerin als Vermieterin verantworteten Verarbeitungsvor­gänge, insbesondere hinsichtlich der Offenlegung gegenüber dem FA, anwend­bar ist.

Offensichtlich handelt es sich bei den Daten der Mieter um personenbezogene Daten nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO und die Offenlegung durch die Klägerin stellt einen Verarbeitungsvorgang nach Art. 4 Nr. 2 DSGVO dar (zur weiten Ausle­gung dieses Begriffs vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union ‑‑EuGH‑‑ Endemol Shine Finland vom 07.03.2024 ‑ C‑740/22, EU:C:2024:216, Rz 29). Ob es sich nach Art. 2 Abs. 1 DSGVO um eine ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung oder um eine nichtautomatisierte Verarbeitung von Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind, handelt, hat das FG nicht ermittelt. Jedenfalls aber wäre die Verarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c DSGVO gerechtfertigt. Danach ist eine Verarbei­tung rechtmäßig, wenn sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erfor­derlich ist, welcher der Verantwortliche unterliegt. Diese rechtliche Verpflich­tung der Klägerin ergibt sich vorliegend aus § 97 AO.

(2) Es liegt eine zulässige Zweckänderung nach Art. 6 Abs. 4 DSGVO vor. Die Offenlegung der personenbezogenen Daten durch die Klägerin stellt eine Ver­arbeitung (Art. 4 Nr. 2 DSGVO) zu einem anderen Zweck als demjenigen dar, zu dem die personenbezogenen Daten der Mieter erhoben wurden, nämlich zum Zweck der Durchführung der Mietverträge (Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b DSGVO). Die Offenlegungspflicht gegenüber dem FA beruht auf den §§ 29b, 93, 97 AO als nationale Bestimmungen im Sinne von Art. 6 Abs. 4 DSGVO. Darüber hinaus stellt sie auch eine in einer demokratischen Gesell­schaft notwendige und verhältnismäßige Maßnahme im Sinne von Art. 6 Abs. 4 DSGVO dar und sichert eines der in Art. 23 Abs. 1 DSGVO genannten Ziele. Denn zu diesen Zielen gehört nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. e DSGVO auch der Schutz eines wichtigen wirtschaftlichen oder finanziellen Interesses der Union oder eines Mitgliedstaats, etwa im Währungs‑, Haushalts- und Steuerbereich, also sowohl die Steuererhebung als auch die Bekämpfung von Steuerbetrug (vgl. EuGH-Urteil "SS" SIA gegen Valsts ieņēmumu dienests vom 24.02.2022 ‑ C‑175/20, EU:C:2022:124, Rz 70, m.w.N.). Dass die Vorlage der Unterlagen notwendig und verhältnismäßig ist, hat der Senat im Streitfall bereits bejaht (unter II.1.b aa). Schließlich berührt die Verpflichtung der Klägerin als Verant­wortliche, gemäß Art. 13 Abs. 3 DSGVO die Mieter über die Weiterverarbeitung zu einem anderen Zweck zu informieren, ihre Vorlagepflicht nicht.

(3) Durchdringen kann die Klägerin schließlich nicht mit ihrem ‑‑nicht weiter konkretisierten‑‑ Einwand, die Vorlage sei nicht zumutbar, weil sie zu einem strafrechtlich sanktionierten Verhalten aufgefordert werde. Dieser Vorwurf kann sich allenfalls auf § 42 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) bezie­hen. Durch die Regelungen sollen besonders schwerwiegende Verstöße gegen den Schutz personenbezogener Daten erfasst werden (vgl. Becker in Plath, DSGVO/BDSG/TTDSG, 4. Aufl. 2023, § 42 BDSG Rz 2; Taeger/Gabel/Wybitul/Zhou, 4. Aufl. 2022, BDSG § 42 Rz 1). § 42 Abs. 1 BDSG betrifft die rechtswidrige Übermittlung oder Zugänglichmachung von Daten einer großen Zahl von Personen an Dritte, die gewerbsmäßig erfolgt. § 42 Abs. 2 BDSG betrifft Fälle, in denen eine unberechtigte Verarbeitung von personenbezogenen Daten erfolgt oder sich jemand die Daten durch unrichtige Angaben erschleicht und dabei im Einzelfall gegen Entgelt oder in Bereiche­rungs- oder Schädigungsabsicht handelt. Diese Tatbestandsvoraussetzungen sind offensichtlich nicht gegeben, was auch die Klägerin nicht ernsthaft be­hauptet.

cc) Das FA durfte die Daten aus den Mietverträgen auch verarbeiten.

(1) Die Verarbeitung personenbezogener Daten ‑‑wozu nach Art. 4 Nr. 2 DSGVO auch das Erheben und Erfassen der Daten gehört‑‑ ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der in Art. 6 Abs. 1 DSGVO genannten Bedingungen er­füllt ist (Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, vgl. u.a. Wackerbeck in HHSp, § 29b AO Rz 9, m.w.N.). Dies ist unter anderem nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e DSGVO der Fall, wenn die Verarbeitung für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde. Hier­für bedarf es gemäß Art. 6 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b DSGVO einer Rechtsgrund­lage, die der deutsche Gesetzgeber durch das Gesetz zur Änderung des Bun­desversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 17.07.2017 (BGBl I 2017, 2541) mit § 29b AO geschaffen hat (vgl. Senatsurteil vom 05.09.2023 ‑ IX R 32/21, BFHE 281, 6, BStBl II 2024, 159, Rz 21). Die Vorschrift des § 29b AO legitimiert die Finanzbehörden unter den dort genannten Voraussetzungen für sämtliche das Steuerverfahrensrecht betreffende Maßnahmen zur Verarbei­tung personenbezogener Daten. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 05.09.2023 ‑ IX R 32/21 (BFHE 281, 6, BStBl II 2024, 159) ausgeführt, dass diese Norm den Anforderungen des Art. 6 Abs. 3 Satz 2 Alternative 1 DSGVO genügt und insbesondere nicht dem unionsrechtlichen Normwiederholungsver­bot widerspricht.

(2) Wie der Senat ebenfalls bereits entschieden hat, ergibt sich die Befugnis der Finanzbehörden, mit Vorlageersuchen entweder bei den Beteiligten (§ 97 Abs. 1 Satz 1 AO) oder bei Dritten (Satz 3 der Vorschrift) personenbezogene Daten zu erheben und zu verarbeiten, abschließend aus der für das gesamte steuerliche Verfahrensrecht geltenden ‑‑vorgeschalteten‑‑ Norm des § 29b AO (Senatsurteil vom 05.09.2023 ‑ IX R 32/21, BFHE 281, 6, BStBl II 2024, 159, Rz 55). An der Erforderlichkeit der Verarbeitung hat der Senat nach den obi­gen Ausführungen zu § 97 AO keinen Zweifel.

2. Das FG hat auch nicht verfahrensfehlerhaft entschieden.

a) Eine Überraschungsentscheidung (Art. 103 Abs. 1 GG i.V.m. § 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3 FGO) scheidet schon deshalb aus, weil die Frage, ob eine Außen­prüfung vorliegt, sowohl von der Klägerin in ihren Schriftsätzen vom 02.06.2022 und 31.07.2022 als auch von dem FA im Schriftsatz vom 24.06.2022 angesprochen worden war (vgl. BFH-Beschluss vom 22.07.2014 ‑ XI B 103/13, Rz 15). Letztlich rügt die Klägerin, dass das FG ihrer Rechtsan­sicht nicht gefolgt ist. Dies stellt jedoch keinen Verstoß gegen das rechtliche Gehör dar.

b) Auch der von der Klägerin gerügte Verfahrensmangel der Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs durch Nichtgewährung einer Ak­teneinsicht in die Akte "Dauerunterlagen" liegt nicht vor.

aa) Der Gehörsanspruch begründet lediglich das Recht der Beteiligten, in die dem Gericht vorliegenden Gerichtsakten ‑‑einschließlich der beigezogenen Ak­ten‑‑ Einsicht zu nehmen. Die beklagten Finanzbehörden sind nach § 71 Abs. 2 FGO verpflichtet, die Steuerakten nach Empfang der Klageschrift ‑‑von Amts wegen‑‑ an das Gericht zu übermitteln. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gebietet keinen ausdrücklichen Hinweis des FG auf die Selbstverständlichkeit, dass das FA seiner gesetzlichen Pflicht zur Aktenübersendung nachgekommen ist. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist auf die Beiziehung von Akten vielmehr nur dann hinzuweisen, wenn deren Verwertung ohne einen solchen Hinweis die Beteiligten überraschen würde, wie es beispielsweise bei Akten eines fremden Verfahrens geboten sein kann (vgl. BFH-Beschluss vom 19.01.2011 ‑ X B 204/10, Rz 10, m.w.N.).

bb) Danach liegt keine Gehörsverletzung vor. Mit Schriftsatz vom 24.06.2022 hat das FA folgende Akten an das FG übersandt: Einkommensteuerakte, Akte Dauerunterlagen, Rechtsbehelfsakte. Diesen Schriftsatz hat das FG dem Pro­zessbevollmächtigten der Klägerin am 01.07.2022 zur Kenntnisnahme über­sandt. Der Prozessbevollmächtigte hat jedoch keine Akteneinsicht beantragt. Soweit die Klägerin behauptet, das FG habe in der mündlichen Verhandlung Auszüge aus der Akte Dauerunterlagen verlesen, ergibt sich dies nicht aus dem Sitzungsprotokoll. Zudem hätte es der Klägerin offen gestanden, recht­zeitig Einsicht in diese Akte zu nehmen oder erforderlichenfalls Vertagung zu beantragen.

c) Die Klägerin kann nicht mit Erfolg eine Verletzung des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG geltend machen, indem sie erstmals im Revi­sionsverfahren die Besorgnis der Befangenheit der erstinstanzlichen Richter rügt.

aa) Einem Ablehnungsgesuch fehlt das Rechtsschutzinteresse, wenn es im ab­geschlossenen Verfahren nach Beendigung der Instanz gestellt wird, sofern sich die Ablehnung ‑‑selbst wenn sie begründet wäre‑‑ nicht mehr auf die Sachentscheidung des Gerichts auswirken könnte (BFH-Beschlüsse vom 10.12.2014 ‑ V B 145/14, Rz 14 und vom 21.10.2015 ‑ V B 36/15, Rz 18).

bb) Im erstinstanzlichen Verfahren hat die Klägerin ausweislich der FG-Akte keinen Befangenheitsantrag gestellt. Sie hat lediglich im Schriftsatz vom 31.07.2022 "im Hinblick auf die Prüfung des Erfordernisses eines Befangen­heitsantrags und zur Prüfung der individuellen Betroffenheit" die Richter gebe­ten, ihren individuellen Kenntnisstand des bisherigen Verfahrensverlaufs dar­zulegen.

d) Soweit die Klägerin vorbringt, das FG hätte die Norm des § 97 AO nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) dem EuGH beziehungsweise nach Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungs­gericht (BVerfG) vorlegen müssen, stellt dies ebenfalls keinen Verfahrensman­gel dar. Das FG ist als erstinstanzliches Gericht gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV nur berechtigt, nicht aber verpflichtet, eine Vorabentscheidung des EuGH ein­zuholen (BFH-Beschluss vom 11.08.1999 ‑ VII B 162/99, juris, m.w.N.). Wenn das FG von einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG an das BVerfG absieht, liegt auch darin kein Verfahrensmangel, weil die Verfassungsmäßigkeit von Geset­zen eine materiell-rechtliche und keine verfahrensrechtliche Frage ist (BFH-Be­schluss vom 15.10.2019 ‑ VIII B 70/19, Rz 21).

e) Soweit schließlich die Klägerin den Entzug des gesetzlichen Richters wegen einer "Pseudorechtsprechung" rügt und eine "mögliche Manipulation der Laien­richter" in den Raum stellt, sind ihre Ausführungen unsubstantiiert.

3. Ein Vorabentscheidungsersuchen des erkennenden Senats an den EuGH gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht geboten.

a) Entgegen der Auffassung der Vorinstanz enthält der Streitfall zwar entschei­dungserhebliche Fragen zur Auslegung des Unionsrechts. Dieser Umstand ver­pflichtet den Senat aber nicht, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen. Denn eine Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV besteht nicht, wenn zu der entscheidungserheblichen Frage nach der Auslegung oder Gültigkeit des Unionsrechts bereits eine gesicherte Rechtsprechung des EuGH existiert ("acte éclairé") oder die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der gestellten Frage bleibt, sogenannte "acte clair" (EuGH-Urteil Srl CILFIT und Lanificio di Gavardo SpA gegen Ministero della Sanità vom 06.10.1982 ‑ C‑283/81, EU:C:1982:335, Rz 13 ff.; vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 04.03.2021 ‑ 2 BvR 1161/19, Rz 55; Wegener in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl., Art. 267 AEUV Rz 33; Schönfeld, Internationales Steuerrecht 2022, 617, 623).

b) Nach diesen Maßstäben bedarf es im Streitfall keines Vorabentscheidungs­ersuchens. Durch die Rechtsprechung des EuGH ist bereits geklärt, dass die Steuererhebung ‑‑neben der Bekämpfung des Steuerbetrugs‑‑ eine im öffent­lichen Interesse liegende Aufgabe im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e DSGVO ist (EuGH-Urteil "SS" SIA gegen Valsts ieņēmumu dienests vom 24.02.2022 ‑ C‑175/20, EU:C:2022:124, Rz 70). Schließlich hat sich der EuGH in seiner Entscheidung Norra Stockholm Bygg vom 02.03.2023 ‑ C‑268/21, EU:C:2023:145 eingehend mit den Voraussetzungen für eine Zweckänderung nach Art. 6 Abs. 4 DSGVO auseinandergesetzt. Der Senat hat diese Rechtssprechungsgrundsätze angewandt.

4. Die Darlegungen und Rechtsausführungen der Klägerin in ihren nach der Bekanntgabe der Urteilsformel eingereichten Schriftsätzen sind bereits deshalb nicht erheblich, weil der Senat an seine Entscheidung gebunden ist.

Ein Urteil ist gemäß § 104 Abs. 1 FGO mit seiner Verkündung wirksam erlas­sen. Statt der Verkündung ist nach § 104 Abs. 2 FGO die Zustellung des Ur­teils ‑‑wie vorliegend geschehen‑‑ zulässig; es ist dann binnen zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung der Geschäftsstelle zu übermitteln. Nach ständiger Rechtsprechung ist dieser Vorschrift auch dann genügt, wenn (nur) die unterschriebene Urteilsformel (Tenor) fristgerecht der Geschäftsstelle übermittelt wird. Mit der formlosen Bekanntgabe der Urteilsformel an einen Beteiligten gilt die Entscheidung als verkündet. Das Gericht ist dann an seine Entscheidung gebunden (z.B. Senatsbeschluss vom 18.09.2014 ‑ IX B 9, 19/14, Rz 9); eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung kommt nicht mehr in Betracht.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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