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BFH: Einem Unternehmen „dienende“ Gegenstände als Voraussetzung für die Haftung des Eigentümers für Steuern des Unternehmens

  1. Dem Unternehmen dienende Gegenstände im Sinne von § 74 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung sind solche, die für die Führung des Betriebs und die Er­zielung steuerbarer Umsätze von wesentlicher Bedeutung sind.
  2. Für das Kriterium der wesentlichen Bedeutung der Gegenstände für die Füh­rung des Betriebs und die Erzielung steuerbarer Umsätze sind keine weiteren Voraussetzungen ‑‑etwa Gewinnerzielung‑‑ oder Anforderungen an die Art der betrieblichen Verwendung der Gegenstände zu verlangen. Vielmehr sind die Gründe für die wesentliche Bedeutung unerheblich.

AO § 74 Abs. 1 Satz 1, § 191 Abs. 1 Satz 1

BFH-Beschluss vom 6.8.2024, VII R 25/21 (veröffentlicht am 10.10.2024)

Vorinstanz: Niedersächsisches FG vom 15.7.2021, 11 K 14151/15

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft …

Im Haftungszeitraum … war die Klägerin zu 50 % am Kapital der … X‑Gesellschaft beteiligt … Ursprünglich … verpachte­te die Klägerin an die X‑Gesellschaft Sachanlagevermögen, welches in ihrem Eigentum stand, und zwar Grund und Boden, Bürogebäude … Hierbei handelte es sich um das … erforderliche Sachanlagevermögen. Die Ver­pachtung beruhte auf einem Pachtvertrag …

Im Zuge einer Neuordnung der Zusammenarbeit verpachtete die X‑Gesellschaft auf­grund eines Betriebspachtvertrags … ihren gesamten Betrieb … an die Y‑Gesellschaft. Der Vertrag sah vor, dass die Y‑Gesellschaft be­rechtigt war, das verpachtete Unternehmen mit den bisherigen und neuen Ak­tivitäten im eigenen Namen und für eigene Rechnung zu betreiben. Hierfür übernahm sie unter anderem auch die Rechte und Pflichten aus dem zwischen der X‑Gesellschaft und der Klägerin bestehenden Pachtvertrag. Als Pachtzins erhielt die X‑Gesellschaft unter anderem auch die Erstattung aller Aufwen­dungen aus Steuern und sonstigen Aufwendungen … Dazu gehörten insbe­sondere auch die Pachtzinszahlungen an die Klägerin.

Durch einen ebenfalls … geschlossenen und … er­gänzten Betriebsführungsvertrag übertrug die Y‑Gesellschaft der X‑Gesellschaft die Betriebs­führung für den gepachteten Betrieb. Dadurch führte die X‑Gesellschaft in ihrem Namen den Betrieb für Rechnung der Y‑Gesellschaft … Als Gegenleistung erstattete die Y‑Gesellschaft der X‑Gesellschaft alle Aufwendungen aus der Betriebsführung …

Nach Eintritt wirtschaftlicher Schwierigkeiten … wurden für die Y‑Gesellschaft und die X‑Gesellschaft … Anträge auf Eröffnung des Insolvenz­verfahrens gestellt. Mit Beschlüssen vom … wurde ein vorläufiger In­solvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt für beide Gesellschaften bestellt. Die Insolvenzverfahren wurden … eröffnet. Der Betriebspacht‑ und der Betriebsführungsvertrag blie­ben zunächst bestehen und wurden einvernehmlich zum … be­endet. Aus dem Betriebsführungsvertrag ergaben sich offene Umsatzsteueran­sprüche des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ‑‑FA‑‑) gegenüber der X‑Gesellschaft, welche das FA zur Insolvenztabelle anmeldete.

Mit Bescheid nahm das FA die Klägerin für Umsatzsteuerrück­stände der X‑Gesellschaft für die Jahre … gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1, § 74 der Abgabenordnung (AO) in Haftung, und zwar dinglich beschränkt auf die der X‑Gesellschaft überlassenen Grundstücke. Ein dagegen eingelegter Einspruch führte lediglich zu einer Herabsetzung der Haftungssumme.

Im Klageverfahren ordnete das Finanzgericht (FG) das Ruhen des Verfahrens bis zum Ergehen einer rechtskräftigen Entscheidung in einem anderen Klage­verfahren … an …

Nach Wiederaufnahme des Verfahrens wegen des Haftungsbescheids schränk­te die Klägerin ihr Klagebegehren insoweit ein, als die Höhe der Steuerschuld, auf welche sich die Haftung bezog, nicht mehr streitig war. Das FG wies die Klage ab und führte zur Begründung aus, die Voraussetzungen einer Haftung nach § 74 Abs. 1 Satz 1 AO seien erfüllt. Die Klägerin könne dagegen nicht einwenden, sie habe die als Haftungsgegenstände herangezogenen Flurstücke nicht der X‑Gesellschaft, sondern wirtschaftlich der Y‑Gesellschaft überlassen, jedenfalls hät­ten die Flurstücke nicht dem Unternehmen der X‑Gesellschaft, sondern demjenigen der Y‑Gesellschaft gedient. Denn das Merkmal des "Dienens" in § 74 Abs. 1 Satz 1 AO sei nach der Rechtsprechung unter Berücksichtigung des Zwecks der Haf­tungsnorm zu bestimmen. Demnach müsse der wesentlich beteiligte Gesell­schafter dem Unternehmen Gegenstände zur Verfügung stellen, die für die Führung des Betriebs und die Erzielung steuerbarer Umsätze von wesentlicher Bedeutung seien. Im Streitfall habe die Klägerin die in ihrem Eigentum ste­henden Flurstücke mit dem seit … bestehenden Pachtvertrag tat­sächlich der X‑Gesellschaft bis … zur Nutzung überlassen. Der Pachtvertrag mit der X‑Gesellschaft sei erst zum … faktisch beendet worden. Bis dahin habe das Geschäftsmodell der Klägerin darin bestanden, das … erforderliche Sachanlage­vermögen als Ganzes an einen Betrieb … zu verpachten. Dies stelle eine rechtliche Überlassung dar, worauf es einzig ankomme …

Die Klägerin hat dagegen Revision eingelegt und trägt vor, die Vorentschei­dung verletze Bundesrecht, weil das FG das Tatbestandsmerkmal des "Die­nens" in § 74 Abs. 1 Satz 1 AO unzutreffend gewürdigt habe. Der Begriff des "Dienens" sei kein rechtstechnischer, sondern als Synonym für "nützlich sein" zu verstehen. Die Grundstücksverpachtung sei nur der Y‑Gesellschaft nützlich gewe­sen, nicht der X‑Gesellschaft … Es komme bei der Aus­legung des Begriffs des "Dienens" nach ständiger Rechtsprechung auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise an. Der erkennende Senat stelle nicht allein auf die zivilvertragliche Gestaltung ab, sondern berücksichtige die tatsächliche Verwendung der Räumlichkeiten für betriebliche Zwecke. Auch § 39 Abs. 2 AO gebiete eine solche wirtschaftliche Betrachtung. Demnach dienten die verpach­teten Grundstücke nicht dem Unternehmen der X‑Gesellschaft, da es sich bei ihr nur um eine "Zwischenmieterin" ohne eigenes wirtschaftliches Interesse gehandelt habe. Sowohl die Nutzung als auch die Kosten seien ohne Gewinnaufschlag an die Y‑Gesellschaft durchgeleitet worden. In der bloßen Weiterverpachtung sei keine Nutzung zu sehen. Die Nutzung setze ein aktives Tätigwerden mit den Gegen­ständen voraus, woran es bei einer bloßen Nutzungsüberlassung an einen Drit­ten fehle …

Die Klägerin beantragt,
die Vorentscheidung und den Haftungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Nach seiner Auffassung hat das FG das Tatbestandsmerkmal des "Dienens" in § 74 Abs. 1 AO zutreffend dahingehend gewürdigt, dass eine wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht angebracht ist. Dies folge aus dem Wesen der Haf­tung, staatliche Steueransprüche abzusichern und durchzusetzen. Daher kön­ne die Haftung nicht davon abhängig sein, welche Person von den überlasse­nen Gegenständen letztlich den wirtschaftlich größeren Nutzen gehabt habe.

II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss. Der Senat hält die Revision einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon mit Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 10.07.2024 unterrichtet worden und haben die Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 05.08.2024 Stellung genommen.

III. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Die Vorentscheidung entspricht Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der angefochtene Haftungsbescheid in Gestalt der Einspruchsent­scheidung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), kann gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 AO durch Haftungsbescheid in Anspruch ge­nommen werden.

1. Die Voraussetzungen der Haftungsnorm des § 74 AO sind im Streitfall er­füllt.

a) Gehören Gegenstände, die einem Unternehmen dienen, nicht dem Unter­nehmer, sondern einer an dem Unternehmen wesentlich beteiligten Person, so haftet gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 AO der Eigentümer der Gegenstände mit die­sen für diejenigen Steuern des Unternehmens, bei denen sich die Steuerpflicht auf den Betrieb des Unternehmens gründet. Die Haftung erstreckt sich gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 AO jedoch nur auf die Steuern, die während des Bestehens der wesentlichen Beteiligung entstanden sind. Eine Person ist gemäß § 74 Abs. 2 Satz 1 AO an dem Unternehmen wesentlich beteiligt, wenn sie unmit­telbar oder mittelbar zu mehr als einem Viertel am Grund- oder Stammkapital oder am Vermögen des Unternehmens beteiligt ist.

b) Im Streitfall gehörten die vom FA zur Haftung herangezogenen Gegenstän­de nicht dem Unternehmer ‑‑der X‑Gesellschaft‑‑, sondern einer an dem Unternehmen wesentlich beteiligten Person, nämlich der Klägerin.

Das FG hat in einer den Senat bindenden Weise (§ 118 Abs. 2 FGO) festge­stellt, dass die Klägerin an die X‑Gesellschaft Sachanlagevermögen verpachtete, wel­ches in ihrem Eigentum stand, und zwar Grund und Boden, Bürogebäude … aufgrund des Pachtvertrags … Dabei handelt es sich um Gegenstände im Sinne von § 74 Abs. 1 Satz 1 AO.

Ebenso hat das FG bindend festgestellt, dass die Klägerin zu 50 % am Kapital der X‑Gesellschaft beteiligt war. Damit ist die nach § 74 Abs. 2 Satz 1 AO für eine wesentliche Beteiligung erforderliche Schwelle überschritten.

c) Die von der Klägerin verpachteten Gegenstände "dienten" im Sinne von § 74 Abs. 1 Satz 1 AO dem Unternehmen der X‑Gesellschaft.

aa) Dem Unternehmen dienende Gegenstände im Sinne von § 74 Abs. 1 Satz 1 AO sind solche, die für die Führung des Betriebs und die Erzielung steu­erbarer Umsätze von wesentlicher Bedeutung sind (BFH-Urteil vom 10.11.1983 ‑ V R 18/79, BFHE 139, 242, BStBl II 1984, 127, unter 2. der Gründe; hierauf bezugnehmend BFH-Beschluss vom 15.09.2000 ‑ V B 93/00, BFH/NV 2001, 199, unter II.1. der Gründe; Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler ‑‑HHSp‑‑, § 74 AO Rz 22).

bb) Für das Kriterium der wesentlichen Bedeutung der Gegenstände für die Führung des Betriebs und die Erzielung steuerbarer Umsätze hat die Recht­sprechung keine weiteren Voraussetzungen ‑‑etwa die Erzielung von Gewin­nen‑‑ oder Anforderungen an die Art der betrieblichen Verwendung der Ge­genstände aufgestellt. Vielmehr sind die Gründe für die wesentliche Bedeutung unerheblich (vgl. Klein/Rüsken, AO, 17. Aufl., § 74 Rz 8). Es genügt, dass hiermit der Betrieb geführt und steuerbare Umsätze erzielt werden. Auch eine Eigenschaft als wesentliche Betriebsgrundlage ist nicht zu fordern (Jatzke in Gosch, AO § 74 Rz 9). Diese Sichtweise wird bestätigt durch den Sinn und Zweck der Haftungsnorm.

(1) Den Sinn und Zweck der Haftungsnorm des § 74 AO beschreibt der BFH in ständiger Rechtsprechung wie folgt: Die Beschränkung der Haftung auf be­stimmte Steuerverbindlichkeiten und auf die überlassenen Gegenstände be­wirkt, dass der eigentliche Grund der Haftung nicht die rechtliche Beteiligung am Unternehmen ist, sondern der objektive Beitrag, den der Gesellschafter durch die Bereitstellung von Gegenständen, die dem Unternehmen dienen, für die Weiterführung des Gewerbes leistet (Senatsurteile vom 01.12.2015 ‑ VII R 34/14, BFHE 252, 223, BStBl II 2016, 375, Rz 18; vom 23.05.2012 ‑ VII R 28/10, BFHE 238, 16, BStBl II 2012, 763, Rz 13; vom 22.11.2011 ‑ VII R 63/10, BFHE 235, 126, BStBl II 2012, 223, Rz 20 und vom 13.11.2007 ‑ VII R 61/06, BFHE 220, 289, BStBl II 2008, 790, unter II.3.a der Gründe; BFH-Urteil vom 10.11.1983 ‑ V R 18/79, BFHE 139, 242, BStBl II 1984, 127, unter 2. der Gründe, jeweils unter Verweis auf den Beschluss des Bundesver­fassungsgerichts ‑‑BVerfG‑‑ vom 14.12.1966 ‑ 1 BvR 496/65, BVerfGE 21, 6, BStBl III 1967, 166; Boeker in HHSp, § 74 AO Rz 6). Entscheidendes Kriterium ist die Parallelität des ‑‑durch die wesentliche Beteiligung vermittelten‑‑ Ein­flusses auf die unternehmerische Tätigkeit des Unternehmens und des Einsat­zes des (eigenen) Vermögens für diese Tätigkeit (Senatsurteile vom 23.05.2012 ‑ VII R 28/10, BFHE 238, 16, BStBl II 2012, 763, Rz 13 und vom 22.11.2011 ‑ VII R 63/10, BFHE 235, 126, BStBl II 2012, 223, Rz 21; BFH-Ur­teil vom 10.11.1983 ‑ V R 18/79, BFHE 139, 242, BStBl II 1984, 127, unter 2. der Gründe).

Entsprechend diesem Haftungsgrund ist § 74 AO als eine echte Ausfallhaftung zu verstehen, die an eine wesentliche Unternehmensbeteiligung und an die Gebrauchsüberlassung eines bestimmten Gegenstandes anknüpft (Senatsurteil vom 23.05.2012 ‑ VII R 28/10, BFHE 238, 16, BStBl II 2012, 763, Rz 12; Se­natsbeschluss vom 30.05.2006 ‑ VII B 345/05, BFH/NV 2006, 1615, unter II. der Gründe; Jatzke in Gosch, AO § 74 Rz 2).

(2) Korrespondierend zu der beschriebenen tatbestandlichen Beschränkung der Haftung hat die Rechtsprechung ‑‑ausgehend vom Sinn und Zweck der Haftungsnorm‑‑ den Begriff der dem Unternehmen dienenden Gegenstände im Sinne von § 74 Abs. 1 Satz 1 AO in den folgenden Konstellationen weit ausge­legt.

(a) Unter dem Begriff der "Gegenstände" im Sinne von § 74 Abs. 1 Satz 1 AO versteht der erkennende Senat nach dem Sinn und Zweck der Norm nicht nur körperliche Gegenstände, sondern alle Wirtschaftsgüter materieller und imma­terieller Art (Senatsurteile vom 23.05.2012 ‑ VII R 28/10, BFHE 238, 16, BStBl II 2012, 763, Rz 14 und vom 23.05.2012 ‑ VII R 29/10, Rz 15, jeweils zum Erbbaurecht; BVerfG-Beschlüsse vom 17.09.2013 ‑ 1 BvR 1928/12 und vom 17.09.2013 ‑ 1 BvR 1929/12; ebenso Anwendungserlass zur AO zu § 74 Nr. 1; Boeker in HHSp, § 74 AO Rz 20; Loose in Tipke/Kruse, § 74 AO Rz 5; Jatzke in Gosch, AO § 74 Rz 7).

(b) Weiterhin hat der Senat das Haftungsobjekt des § 74 AO nicht beschränkt auf den (im Zeitpunkt der Haftungsinanspruchnahme noch) im Eigentum des Beteiligten stehenden Gegenstand, sondern ausgedehnt auf ein dafür gegebe­nenfalls erhaltenes Surrogat (Veräußerungserlös, Schadenersatz, Tauschge­genstand oder Ähnliches), wenn der Gegenstand im Zeitraum der Steuer­schuldentstehung dem Unternehmen gedient hat (Senatsurteile vom 22.11.2011 ‑ VII R 63/10, BFHE 235, 126, BStBl II 2012, 223, Rz 22 und vom 22.11.2011 ‑ VII R 67/10, Rz 23; Senatsbeschluss vom 07.01.2011 ‑ VII S 60/10, Rz 18).

(c) Auch eine Mitbenutzung der Gegenstände durch andere hat der Senat für die Haftung nicht als schädlich angesehen (Senatsurteil vom 23.02.1988 ‑ VII R 99/85, BFH/NV 1988, 617, unter 2. der Gründe; Senatsbeschluss vom 14.06.1994 ‑ VII B 239/93, BFH/NV 1995, 89, unter 1. der Gründe; Boeker in HHSp, § 74 AO Rz 23; Jatzke in Gosch, AO § 74 Rz 9; Klein/Rüsken, AO, 17. Aufl., § 74 Rz 9). Dies gilt auch im Falle einer Mitbenutzung durch andere Unternehmen (Senatsbeschluss vom 14.06.1994 ‑ VII B 239/93, BFH/NV 1995, 89, unter 1. der Gründe).

(d) Für die Frage, ob ein Gegenstand einem Unternehmen objektiv "dient", hat es die finanzgerichtliche Rechtsprechung ferner als unerheblich angesehen, ob der Gegenstand dem Unternehmen unmittelbar durch den Eigentümer oder mittelbar im Rahmen eines Schuldverhältnisses mit einem zwischengeschalte­ten Dritten zur Verfügung gestellt wird (FG Köln, Urteil vom 09.12.1999 ‑ 15 K 1756/91; ebenso Boeker in HHSp, § 74 AO Rz 22; Klein/Rüsken, AO, 17. Aufl., § 74 Rz 9).

cc) Nach Maßgabe dieser Grundsätze "dienten" im Sinne von § 74 Abs. 1 Satz 1 AO die von der Klägerin verpachteten Gegenstände dem Unternehmen der X‑Gesellschaft, und zwar sowohl hinsichtlich der Betriebsverpachtung als auch hin­sichtlich der Betriebsführung.

(1) Die von der Klägerin verpachteten Gegenstände "dienten" dem Unterneh­men der Betriebsverpachtung der X‑Gesellschaft an die Y‑Gesellschaft.

(a) Nach den den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG verpachtete die X‑Gesellschaft im Haftungszeitraum aufgrund des Betriebs­pachtvertrags ihren gesamten Betrieb an die Y‑Gesellschaft. Die Y‑Gesellschaft war be­rechtigt, das verpachtete Unternehmen im eigenen Namen und für eigene Rechnung zu betreiben. Dies umfasste das Sachanlagevermögen, welches die X‑Gesellschaft von der Klägerin gepachtet hatte. Dementsprechend übernahm die Y‑Gesellschaft auch die Rechte und Pflichten aus dem zwischen der X‑Gesellschaft und der Klägerin bestehenden Pachtvertrag. Im Gegenzug erstattete die Y‑Gesellschaft der X‑Gesellschaft die der Klägerin geschuldeten Pachtzinszahlungen. Der Pachtzins enthielt zudem weitere Bestandteile …

Für die Führung des Verpachtungsbetriebs der X‑Gesellschaft und für die Erzielung der daraus resultierenden Umsätze waren die von der Klägerin verpachteten Ge­genstände von wesentlicher Bedeutung. Denn die von der Klägerin verpachte­ten Gegenstände stellten nach den Feststellungen des FG das … erforderliche Sachanlagevermögen dar.

(b) Weitere Anforderungen für die wesentliche Bedeutung der Gegenstände für die Führung des Betriebs und die Erzielung steuerbarer Umsätze sind nach den dargelegten Grundsätzen nicht zu verlangen. Entgegen der Auffassung der Klägerin setzt der Begriff des "Dienens" im Sinne von § 74 Abs. 1 Satz 1 AO weder die Erzielung von Gewinnen oder Gewinnaufschlägen noch ein besonde­res wirtschaftliches Interesse oder ein bestimmtes aktives Tätigwerden voraus. Vielmehr hat der Senat ‑‑wie dargelegt‑‑ bereits in anderen Konstellationen dem Begriff der einem Unternehmen "dienenden" Gegenstände ein weites Ver­ständnis zugrunde gelegt. Entsprechend ihrem Sinn und Zweck ist die Haf­tungsnorm bereits dann erfüllt, wenn ein ‑‑durch die wesentliche Beteiligung vermittelter‑‑ Einfluss auf die unternehmerische Tätigkeit des Unternehmens parallel zum Einsatz des (eigenen) Vermögens für diese Tätigkeit besteht. Wo­rin die Tätigkeit besteht, wie sie verfolgt wird oder welche wirtschaftlichen Er­gebnisse hiermit erzielt werden, ist irrelevant. Der Charakter des § 74 AO als Vorschrift einer echten Ausfallhaftung darf durch Anforderungen wie etwa der Gewinnerzielung nicht eingeschränkt werden. Obgleich die X‑Gesellschaft durch die Be­triebsverpachtung keine eigenen Erträge erwirtschaftete, wie es das FG fest­stellte, lässt dies den Haftungstatbestand unberührt.

(2) Unbeschadet der Verwirklichung des Haftungstatbestands des § 74 Abs. 1 Satz 1 AO durch Abschluss des Betriebspachtvertrags und Überlassung der Wirtschaftsgüter ist im Streitfall das Tatbestandsmerkmal des "Dienens" im Sinne des § 74 Abs. 1 Satz 1 AO auch durch den Abschluss des Betriebs­führungsvertrags erfüllt worden.

Nach den Feststellungen des FG bestand der Betrieb der X‑Gesellschaft auch darin, die Betriebsführung für die Y‑Gesellschaft zu übernehmen. Hierfür sowie für die daraus erzielten Umsätze waren die von der Klägerin verpachteten Gegenstände von wesentlicher Bedeutung. Denn der Betriebsführungsvertrag bezog sich nach den Feststellungen des FG auf die Betriebsführung des von der Y‑Gesellschaft ge­pachteten Betriebs. Da ‑‑wie beschrieben‑‑ für diesen Betrieb die von der Klägerin verpachteten Gegenstände von wesentlicher Be­deutung waren, gilt dasselbe für die Betriebsführung dieses Betriebs. Durch die Betriebsführung kam es ‑‑entgegen der Auffassung der Klägerin‑‑ zudem zu einem aktiven Tätigwerden mit den verpachteten Gegenständen.

Das FG hat daher zutreffend erkannt, dass die Betriebsführung durch die X‑Gesellschaft ohne die Weiterverpachtung der Grundstücke mitsamt des Betriebs an die Y‑Gesellschaft nicht möglich gewesen wäre.

dd) Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Grundstücks­verpachtung sei nur der Y‑Gesellschaft nützlich gewesen … Ebenso wenig kann sie argumen­tieren, unter Berücksichtigung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise hätten die verpachteten Grundstücke nicht dem Unternehmen der X‑Gesellschaft gedient, da es sich bei ihr nur um eine "Zwischenmieterin" ohne eigenes wirtschaftliches Interesse gehandelt habe.

Denn sowohl durch den Betriebspachtvertrag als auch durch den Betriebsfüh­rungsvertrag hat die X‑Gesellschaft eigene gewerbliche Aktivitäten entfaltet, die zum einen in der Betriebsverpachtung, zum anderen in der Betriebsführung für ein anderes Unternehmen bestanden. Durch die gewerblichen Aktivitäten erzielte die X‑Gesellschaft steuerbare Umsätze; für beides waren die von der Klägerin gepachte­ten Gegenstände dienlich, und zwar nicht nur entsprechend den zivilrechtli­chen Verträgen, sondern auch unter Berücksichtigung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise nach der tatsächlichen Verwendung der überlassenen Ge­genstände (zu deren Maßgeblichkeit vgl. Senatsbeschluss vom 14.06.1994 ‑ VII B 239/93, BFH/NV 1995, 89, unter 1. der Gründe).

Ob und in welchem Umfang die Gegenstände aufgrund der Weiterverpachtung zudem auch einem anderen Unternehmen dienten ‑‑hier der Y‑Gesellschaft‑‑, ist für das Tatbestandsmerkmal des "Dienens" im Sinne von § 74 Abs. 1 Satz 1 AO nicht relevant. Ebenso wie eine Mitbenutzung der Gegenstände durch andere für die Haftung nicht als schädlich anzusehen ist (Senatsurteil vom 23.02.1988 ‑ VII R 99/85, BFH/NV 1988, 617, unter 2. der Gründe; Senatsbe­schluss vom 14.06.1994 ‑ VII B 239/93, BFH/NV 1995, 89, unter 1. der Grün­de), ist auch ein "Mitdienen" der Gegenstände für andere Unternehmen nicht schädlich.

d) Die Klägerin ist schließlich gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 AO nur für Steuern der X‑Gesellschaft, bei denen sich die Steuerpflicht auf den Betrieb ihres Unternehmens gründete ‑‑hier die Umsatzsteuer‑‑, in Anspruch genommen worden. Die Haf­tung erstreckte sich gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 AO auch nur auf die Steuern, die während des Bestehens der wesentlichen Beteiligung entstanden waren.

Hierzu besteht zwischen den Beteiligten Einigkeit. Die Klägerin hat bereits im Verfahren vor dem FG ihr Klagebegehren insoweit eingeschränkt, dass die Hö­he der Steuerschuld, auf welche sich die Haftung bezog, nicht mehr streitig war.

2. Die Inanspruchnahme der Klägerin durch Haftungsbescheid gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 AO ist nicht zu beanstanden. Fehler bei der Aus­übung des Ermessens, welches das FA sowohl im Haftungsbescheid als auch in der Einspruchsentscheidung ausführ­lich dargelegt hat, sind weder von den Beteiligten des Revisionsverfahrens vorgebracht noch sonst ersichtlich.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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